Rz. 12

Wie jeder andere Vertrag auch, kommt der Versicherungsvertrag durch Angebot und Annahme zustande. Das bedeutet im Versicherungsrecht, dass ein Versicherungsantrag gestellt und daraufhin ein Versicherungsschein ausgefertigt und ausgehändigt worden sein muss.

Interessant ist insoweit eine jüngste Entscheidung des Familiensenats des BGH, wonach der Abschluss und die Kündigung einer Vollkaskoversicherung als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne des § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB auch durch den Ehegatten des Versicherungsnehmers erfolgen kann (BGH DAR 2018, 329).

I. Beratungs- und Informationspflichten vor Vertragsschluss

 

Rz. 13

Durch das neue VVG soll das bisher überwiegend praktizierte sog. Policenmodell (§ 5a VVG a.F.) abgeschafft werden, bei dem der Versicherungsnehmer erst mit der Übersendung der Versicherungspolice die Versicherungsbedingungen sowie die erforderlichen Verbraucherinformationen erhielt. Nunmehr ist der Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe seines Versicherungsantrages umfassend nach seinen individuellen Verhältnissen zu beraten (§ 6 VVG) und er ist vollständig über den Inhalt des vorgesehenen Versicherungsvertrages zu informieren (§ 7 VVG), nämlich durch eine klare und verständliche Übermittlung der im Einzelnen in der VVG-InfoV geregelten Informationen. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um den Inhalt der Police, die Versicherungsbedingungen, die Tarife sowie eine Belehrung über das dem Versicherungsnehmer zustehende Widerrufsrecht.

 

Rz. 14

 

Hinweis

Gem. § 63 VVG haftet auch der Versicherungsvermittler (Agent sowie Makler) persönlich – und gesamtschuldnerisch mit dem Versicherer – für eine Verletzung der Beratungs- und Dokumentationspflichten.

Folglich kann nach neuem Recht der Vermittler regelmäßig gesamtschuldnerisch mitverklagt und dadurch als Zeuge für den Versicherer ausgeschaltet werden. Dementsprechend wird der Versicherer seiner ihm nach der Rechtsprechung (BGH VersR 1989, 833) obliegenden Beweislast z.B. bei im Raum stehenden Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers (objektive Falschangaben im Antragsformular, wenn der Versicherungsnehmer substanziiert vorträgt, den den Antrag aufnehmenden Agenten mündlich zutreffend informiert zu haben) kaum nachkommen können, weil ihm kein geeignetes Beweismittel mehr zur Verfügung steht.

II. Allgemeines Widerrufsrecht

 

Rz. 15

Künftig kann gem. § 8 VVG jeder Versicherungsnehmer grundsätzlich seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen nach Aushändigung von Versicherungsschein, Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und Belehrung über das Widerrufsrecht widerrufen.

 

Rz. 16

 

Beachte

Das Widerrufsrecht besteht bei einem für den Versicherer nicht nachweisbaren Zugang der vorgenannten Unterlagen unbegrenzt, anders als nach dem bisherigen § 5a VVG a.F. (bisher Erlöschen des Widerrufsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie). Allerdings ist der Vertrag während des Laufs der Widerrufsfrist – anders als nach altem Recht – schwebend wirksam. Im Falle des Widerrufs kommt es gem. § 9 VVG lediglich zu einem Rückabwicklungsschuldverhältnis, bei dem die Prämie nur anteilig ab Zugang des Widerrufs erstattet wird. Das bedeutet im Ergebnis, dass der Vertrag nicht wie bei § 5a VVG a.F. ex tunc, sondern erst ab dem Zeitpunkt des Widerrufs – also ex nunc – rückabgewickelt wird, sodass bis zum Widerruf auch Versicherungsschutz besteht.

 

Rz. 17

Die Missbrauchsmöglichkeiten sind daher deutlich eingeschränkt gegenüber der Rechtslage beim Widerruf nach § 5a VVG a.F. Seinerzeit konnte der Versicherungsnehmer bei nicht nachweisbarem Zugang sämtlicher Unterlagen, wenn in der Zwischenzeit kein Versicherungsfall eingetreten war, kurz vor Ablauf der Jahresfrist den Vertrag widerrufen mit der Folge, dass ihm sämtliche Prämien zurückzuzahlen waren. Damit erhielt er faktisch Versicherungsschutz, der ihn nur dann etwas kostete, wenn sich tatsächlich ein Versicherungsfall ereignete.

III. Vorläufiger Deckungsschutz

 

Rz. 18

Die bisher im Kfz-Bereich schon lange übliche vorläufige Deckung ist erstmals in den §§ 49–52 des VVG 2008 gesetzlich geregelt worden.

1. Eigenständiger Versicherungsvertrag

 

Rz. 19

Es handelt sich – wie nach bisherigem Recht – bei der vorläufigen Deckung um einen eigenständigen Versicherungsvertrag.

 

Hinweis

Beim Eintritt eines Versicherungsfalls im Zusammenhang mit gescheiterten oder hinsichtlich des Zustandekommens jedenfalls unklaren Versicherungsverhältnissen ist stets gesondert zu prüfen, ob sich ein Leistungsanspruch aus dem (rechtlich selbstständigen) vorläufigen Deckungsvertrag ergibt. Dies wird in der Praxis häufig übersehen. Nicht selten lässt sich bei genauerer Prüfung kein wirksamer Beendigungstatbestand feststellen.

2. Vertragsinhalt bei Verzicht auf Informationserteilung vor Vertragsschluss

 

Rz. 20

Bei der vorläufigen Deckung kann der Versicherungsnehmer gem. § 49 Abs. 1 VVG auf die gem. § 7 VVG an sich vor Vertragsschluss erforderliche Informationserteilung (insbesondere Inhalt der Police und Versicherungsbedingungen) verzichten, was in der Praxis wohl den Regelfall darstellen wird. Hinsichtlich des Vertragsinhalts gilt sodann gem. § 49 Abs. 2 VVG eine Besonderheit: Es werden die vom Versicherer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für ...

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