1 Leitsatz

Die Entfernung eines Trennelements zwischen zwei Balkonen führt nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnungseigentumsanlage.

2 Normenkette

§ 20 Abs. 4 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K lässt im Jahr 2017 seine beiden nebeneinanderliegenden Wohnungen zusammenlegen und entfernt die Trennwand der Balkone. Im Jahr 2021 teilt die Verwaltung K mit, er müsse diese Entfernung noch genehmigen lassen. Daher setzt die Verwaltung den Gegenstand auf die Tagesordnung. 11 Wohnungseigentümer gestatten die Entfernung, 6 sind dagegen und 2 enthalten sich.

Die Verwaltung meint, für die Genehmigung der Entfernung der Trennwand bedürfe es einer Allstimmigkeit. Sie verkündet daher, es gebe keine Gestattung. K ist der Auffassung, die Verwaltung habe ein falsches Beschlussergebnis verkündet. Der Negativbeschluss sei auf seine Anfechtung hin für ungültig zu erklären und es sei ein positives Beschlussergebnis festzustellen. Spätestens aber widerspreche die Ablehnung seines Antrags einer ordnungsmäßigen Verwaltung und es bestehe darüber hinaus ein Anspruch gem. § 20 Abs. 3 WEG.

4 Die Entscheidung

Die Feststellung und Verkündung eines Negativbeschlusses sind nach AG-Ansicht rechtswidrig gewesen! Der Verwalter habe die mehrheitlich beschlossene zustimmende Beschlussfassung verkünden müssen. Ein Beschluss gem. § 20 Abs. 1 WEG bedürfe für seine Rechtmäßigkeit nicht der Zustimmung der Wohnungseigentümer, die durch die bauliche Veränderung beeinträchtigt werden. Für ein Verlangen gem. § 20 Abs. 3 WEG benenne das Gesetz zwar das Erfordernis einer Zustimmung der beeinträchtigten Eigentümer, sodass "für einen hierzu ergehenden Gestattungsbeschluss nichts anderes gelten" könne. Eine fehlende Zustimmung wirke sich allerdings nicht auf die Wirksamkeit des Beschlusses, sondern nur auf dessen Rechtmäßigkeit aus.

Ferner sei das Zustandekommen der zustimmenden Beschlussfassung festzustellen gewesen. Einer positiven Beschlussfassung stünden keine erheblichen Einwendungen entgegen. Die Beschlussfassung verstoße zum einen nicht gegen die Vorgaben des § 20 Abs. 4 WEG. Insbesondere führe die Entfernung des Trennelementes nebst Ersatz durch einen mobilen Trennschutz nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnungseigentumsanlage. Zum anderen könne einer Genehmigung nicht entgegengehalten werden, dass nach § 20 Abs. 3 WEG zustimmungspflichtige Eigentümer der Genehmigung nicht zugestimmt hätten. Es sei nicht erkennbar und vorgetragen, wessen Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt würden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die nachträgliche Gestattung einer baulichen Veränderung. Die Verwaltung hat insoweit völlig zu Recht den klagenden Wohnungseigentümer auf die Notwendigkeit dieser Gestattung hingewiesen.

Nachträgliche Gestattung

Die Wohnungseigentümer können eine bereits vollzogene bauliche Veränderung nachträglich gestatten. Dieser Beschluss unterfällt allein § 20 Abs. 1 WEG. Auf die Frage, ob der Wohnungseigentümer, der um die Gestattung bittet, einen Anspruch hat, kommt es für die für diesen Beschluss notwendige Mehrheit nicht an. Ferner ist es unerheblich, ob die nachträglich zu gestattende bauliche Veränderung den anderen Wohnungseigentümern nachteilig ist. Diese Frage stellt sich nur, wenn der Beschluss die erforderliche Mehrheit nicht erreicht. Denn der Wohnungseigentümer, der um eine Gestattung bittet, hat nur dann einen Anspruch auf eine Gestaltung, wenn die bauliche Veränderung den anderen Wohnungseigentümern nicht nachteilig ist und sie auch nicht damit einverstanden sind.

Der Verwalter, letztlich aber auch das AG haben diese Rechtslage nicht erkannt und fehlerhaft gehandelt. Zwar hat das AG zutreffend entschieden, dass der Beschluss nur einer einfachen Mehrheit bedarf. Es meint aber, der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn ihm nicht alle Wohnungseigentümer zugestimmt hätten. Das ist Unsinn. Im Fall hätte daher der Verwalter, da der Beschluss die erforderliche Mehrheit erreicht hatte, einen positiven Beschluss feststellen und verkünden müssen.

Bauliche Veränderung: Ordnungsmäßigkeit

Ein Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gestatten, muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dies bedeutet, dass die Verwaltung im Zusammenhang mit der Beschlussfassung keine formalen Fehler machen darf, und dass der Beschluss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen sowie, soweit solche bestehen, den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarung und Beschlüssen entsprechen muss. Zu diesem minimalen Prüfungsprogramm ist zu klären, ob eine bauliche Veränderung die Wohnungseigentumsanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt.

Für die Frage der Ordnungsmäßigkeit bedeutungslos ist hingegen, und auch hier ist dem AG energisch zu widersprechen, ob eine bauliche Veränderung Rechte über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Ma...

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