1 Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer kann dem Anspruch auf Unterlassung von baulichen Veränderungen grundsätzlich nicht gem. § 242 BGB entgegenhalten, dass er einen Anspruch auf Gestattung dieser baulichen Veränderung durch Beschluss gem. § 20 Abs. 3 WEG hat.

2 Normenkette

§ 20 Abs. 1, Abs. 3 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K klagt vor dem 1.12.2020 gegen B. Dieser soll den Bau eines Swimmingpools unterlassen. Das AG gibt der Unterlassungsklage statt. K habe einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 BGB, da der Bau eines Swimmingpools eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung sei. Der Bau eines Swimmingpools stelle für K aufgrund der völlig anderen Gestaltung und Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks einen wesentlichen Nachteil dar.

Dagegen legt B Berufung ein. Er rügt, das AG habe einen Nachteil angenommen, ohne dass K konkrete Nachteile dargelegt habe und ohne dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen sowie über etwaige Nachteile durch Inaugenscheinnahme Beweis zu erheben. Das AG habe fehlerhaft seine – des B – Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Nachteil angenommen.

4 Die Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg! K habe gegen B einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 20 Abs. 1 WEG. Der Bau eines Swimmingpools stelle eine Veränderung der Sachsubstanz dar, sodass dadurch eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums durch B als Handlungsstörer drohe. K sei auch nicht zur Duldung verpflichtet. Es fehle an dem nach § 20 Abs. 1 WEG erforderlichen Beschluss.

Es könne dahinstehen, ob B gegen K einen Anspruch auf die Beschlussfassung über die Gestattung des Baus des Swimmingpools gem. § 20 Abs. 3 WEG habe. Durch das WEMoG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung zu ihrer Legitimierung einer Gestattung durch Beschluss bedürfe, selbst wenn auf die Beschlussfassung ein Anspruch gem. § 20 Abs. 3 WEG bestehe.

Dieser Wille des Gesetzgebers, der dem hohen Gut des Vorbefassungsgebots Rechnung trage, dürfe durch eine Überlegung nach Treu und Glauben nicht unterlaufen werden. Ein Wohnungseigentümer könnte sonst folgenlos gegen Beschlusszwang und Vorbefassungsgebot verstoßen. Außerdem sei der Beseitigungs- bzw. Unterlassungsprozess der falsche Ort, um dort erstmals zu prüfen und darüber zu befinden, ob der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Genehmigung der von ihm bereits vorgenommenen oder konkret geplanten baulichen Veränderung habe. Ob dies in ganz eindeutig gelagerten Fällen, in denen auf den ersten Blick offensichtlich sei, dass keiner der übrigen Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung auch nur ansatzweise beeinträchtigt ist, anders zu entscheiden sei, könne offenbleiben.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um eine bauliche Veränderung, die im Entstehen ist und für die es an einer Gestattung nach § 20 Abs. 1 WEG fehlt. Es handelt sich um einen "Schwarzbau". Fraglich ist, ob der "Bauherr" seinem Verstoß, keine Gestattung zu haben, nach Treu und Glauben entgegenhalten kann, er habe einen Anspruch auf die Gestattung.

Anspruch auf Gestattung

Soweit die übrigen Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, besteht nach § 20 Abs. 3 WEG ein Anspruch auf Zustimmung zur baulichen Maßnahme.

Das LG meint, diese Rechtslage habe sich durch das WEMoG – außer in eindeutigen Fällen – geändert. Die h. M. sieht das bislang nicht so (siehe nur BeckOGK/Kempfle, 1.9.2022, WEG § 20 Rn. 271 ff.). Die vom LG genannten Gründe lassen sich allerdings hören. Vor allem die Überlegung, dass es auch dann eines Beschlusses bedürfe, wenn eine bauliche Veränderung den anderen Wohnungseigentümern nicht nachteilig ist.

Prozessuales

Gegen eine unzulässige bauliche Veränderung kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 2 WEG vorgehen, da durch diese das gemeinschaftliche Eigentum gestört wird. Ein Wohnungseigentümer kann als Sondereigentümer hingegen nur dann gegen den störenden Miteigentümer vorgehen, wenn und soweit die bauliche Veränderung sein Eigentum stört.

6 Entscheidung

LG Bremen, Urteil v. 8.7.2022, 4 S 176/21

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