Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Bauamtssachbearbeiterin

 

Normenkette

BAT-O §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 19.11.1996; Aktenzeichen 1 Sa 476/95)

ArbG Senftenberg (Urteil vom 12.07.1995; Aktenzeichen 5 (2) (3) Ca 309/95)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 19. November 1996 – 1 Sa 476/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der als Sachbearbeiterin im Bauamt des beklagten Amtes beschäftigten Klägerin.

Die Klägerin ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 15. September 1992 seit dem gleichen Tage bei dem beklagten Amt tätig. Der Arbeitsvertrag hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

㤠3

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.

§ 5

Die Angestellte ist in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT).”

Aufgrund Bewährungsaufstiegs erhielt die Klägerin später Vergütung aus der VergGr. V b BAT-O/VKA.

Die Klägerin ist als Sachbearbeiterin im Bauamt dem Amtsleiter und seinem Stellvertreter, dem Sachgebietsleiter unterstellt. Sie ist zu 65 % ihrer Arbeitszeit mit vorbereitenden Maßnahmen zum Verkauf kommunalen Eigentums und dem Kauf von Grundstücken befaßt. Dabei geht es darum, den An- und Verkauf von Grundstücken bis zur Unterschriftsreife vorzubereiten. Hierzu gehört die Prüfung der Eigentumsverhältnisse. Bei Grundstücken in öffentlichem Eigentum stellt sie die erforderlichen Zuordnungsanträge bei der Oberfinanzdirektion. Bestehen Pachtverträge, muß sie feststellen, ob von einem etwa bestehenden Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht werden soll. Soweit Rückübertragungsansprüche bestehen, klärt sie beim Amt für offene Vermögensfragen, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, und holt auch die entsprechenden Negativatteste ein. Anschließend bereitet sie bei Grundstücksverkäufen die Beschlußvorlage für den Gemeinderat vor. Sie trägt dort Käufer, Verkäufer, Größe des Grundstücks, seine Bezeichnung und den Kaufpreis ein. Diesen ermittelt sie anhand der Bodenrichtwerte oder aufgrund eines von ihr eingeholten Verkehrswertgutachtens. Dann stellt sie fest, ob ein zum Verkauf stehendes Grundstück für das Amt entbehrlich ist. Hat der Gemeinderat den Verkauf beschlossen, bereitet die Klägerin den Kaufvertrag vor und leitet die entsprechenden Daten dem Notar zu. Zu weiteren 25 % ihrer Tätigkeit ist sie mit der Wohnungsverwaltung und damit zusammenhängenden Fragen beschäftigt.

Unter dem 25. März 1994 erklärte das beklagte Amt eine Änderungskündigung, da die Klägerin nach der von dem zuständigen Amtsausschuß veranlaßten Stellenbewertung zu hoch eingruppiert worden sei. Gleichzeitig bot es der Klägerin den Abschluß eines Änderungsvertrages mit einer Herabgruppierung in die VergGr. VI b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA ab 1. Oktober 1994 an. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt der Überprüfung an. Das beklagte Amt nahm die Änderungskündigung mit Schreiben vom 2. August 1994 zurück.

Mit Schreiben vom 19. August 1994 teilte das beklagte Amt der Klägerin mit:

„Betrifft: Eingruppierung

Sehr verehrte Frau W.!

Es wird festgestellt, daß Sie falsch eingruppiert sind.

Sie erhalten ab 01.09.1994 die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 a.

Mit freundlichen Grüßen …

P., den 19.08.1994 gez. E. gez. H. Vorsitzender Amtsausschuß … Amtsdirektion”

Die Klägerin ist hiermit nicht einverstanden. Sie ist der Auffassung, sie sei zutreffend in die VergGr. V b Fallgruppe 1 c BAT-O eingruppiert, nachdem sie sich seit 1992 in der VergGr. V c Fallgruppe 1 b BAT-O/VKA bewährt habe.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 31.08.1994 hinaus nach der Vergütungsgruppe V b der Anlage 1 zum BAT-O zu vergüten,

hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin über den 31.08.1994 hinaus nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 zum BAT-O zu vergüten.

Das beklagte Amt hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat sich darauf berufen, die Überprüfung der ursprünglichen Eingruppierung habe ergeben, daß die Tätigkeit der Klägerin nur die Merkmale der VergGr. VI b BAT-O/VKA erfülle. Die Klägerin habe auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die zuvor aus der VergGr. V b BAT-O gezahlte Vergütung. Die Angabe der Vergütungsgruppe habe keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung. Eine Korrektur der Eingruppierung bedürfe daher keiner Änderungskündigung, der Arbeitgeber könne sich einseitig von der irrtümlich zu hohen Eingruppierung lösen.

Im übrigen habe die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch nicht schlüssig dargelegt.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Auf die Berufung des beklagten Amtes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Das beklagte Amt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das

Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das beklagte Amt weder einen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b noch einen solchen nach der VergGr. V c BAT-O.

1. Ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. V b oder V c BAT-O ergibt sich nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 15. September 1992.

a) Das Landesarbeitsgericht hat einen eigenständigen arbeitsvertraglichen Anspruch der Klägerin aus ihrem Arbeitsvertrag verneint. Die dort unter § 5 niedergelegte Klausel nehme nach ihrem Wortlaut „Die Angestellte ist in … eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT)” sowohl Bezug auf die Tarifbestimmung, die eine Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag vorschreibe, als auch auf die Tarifnorm, in der das Prinzip der Tarifautomatik verankert sei. Damit wolle der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich im Wege des Normenvollzugs diejenige Vergütung gewähren, die ihm tarifvertraglich zustehe. Eine davon abweichende eigenständige Vergütungsvereinbarung hätte durch eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag zum Ausdruck gebracht werden müssen. Da diese Klarstellung fehle, bestimme sich die Hauptleistungspflicht des Beklagten zur Zahlung der Vergütung ausschließlich nach der Tarifautomatik des § 22 Abs. 2 BAT-O.

b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand und stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der diese für einen Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst typische Vereinbarung grundsätzlich nicht dahin ausgelegt werden kann, dem Arbeitnehmer solle ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung zustehen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht eine solche Bedeutung entnehmen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern grundsätzlich nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (BAG Urteile vom 23. August 1995 – 4 AZR 352/94 – ZTR 1996, 169, m.w.N.; vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; vom 28. Mai 1997 – 10 AZR 383/95 – ZTR 1997, 457; vom 9. Juli 1997 – 4 AZR 635/95 – AP Nr. 233 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 18. Februar 1998 – 4 AZR 581/96 – ZTR 1998, 368, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

c) Zu Unrecht meint die Klägerin, aus der Übergangsvorschrift zu § 22 BAT-O herleiten zu können, ihr stehe ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung nach der im Arbeitsvertrag vom 15. September 1992 genannten Vergütungsgruppe zu.

Die Tarifbestimmung lautet:

„Bis zum 31. Dezember 1992 begründeten fehlerhafte Eingruppierungen keinen arbeitsvertraglichen Anspruch; zuviel gezahlte Bezüge werden nicht zurückgefordert. Tarifliche Ansprüche bleiben unberührt. …”

Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Übergangsvorschrift, die zum 31. August 1995 aufgehoben wurde, nur dem besonderen Umstand Rechnung getragen, daß im öffentlichen Dienst in den neuen Bundesländern in großer Zahl Eingruppierungen vorgenommen werden mußten, über deren Grundlagen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht große Unsicherheit bestand. Deshalb wurde vorsorglich klargestellt, daß durch Eingruppierungen bis zum 31. Dezember 1992 keine arbeitsvertraglichen Ansprüche unabhängig von den tariflichen Bestimmungen begründet werden sollten. Für die öffentlichen Arbeitgeber sollte es bei der Möglichkeit bleiben, fehlerhafte Eingruppierungen einseitig, ohne Änderungskündigung oder Änderungsvereinbarung zu korrigieren (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT-O/ATB-Ang., Stand Januar 1998, § 22 Erl. 3). Zugunsten der von einer Korrektur der Vergütungsgruppe betroffenen Angestellten wurde bestimmt, auf die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge werde verzichtet.

Die tarifliche Übergangsbestimmung betrifft nur tarifliche Eingruppierungen in der Übergangszeit, nicht aber Vergütungsvereinbarungen, die im Hinblick auf besondere Umstände des Einzelfalles bewußt über die tariflichen Bestimmungen hinaus getroffen wurden (BAG Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – a.a.O.). Eine solche bewußt übertarifliche Vergütungsvereinbarung im Hinblick auf besondere Umstände liegt hier nicht vor. Vielmehr unterliegt die Vergütungsgruppenangabe im Arbeitsvertrag vom 15. September 1992 der Übergangsregelung zu § 22 BAT-O.

d) Ist damit ein arbeitsvertraglicher Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. V c/V b BAT-O nicht entstanden, bedurfte es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, zur Korrektur der Eingruppierung keiner Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist nur zur Änderung arbeitsvertraglicher Ansprüche erforderlich. Wird eine zu hohe Vergütung rechtsgrundlos gezahlt, so kann die Zahlung einseitig vom Arbeitgeber eingestellt werden. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann sich von einer rechtsfehlerhaften Tarifanwendung, die nicht zur Entstehung vertraglicher Rechtsansprüche geführt hat, einseitig lossagen (Senatsurteile vom 23. April 1986 – 4 AZR 90/85 – AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 23. August 1995 – 4 AZR 352/94 – ZTR 1996, 169 und vom 18. Februar 1998 – 4AZR581/96-a.a.O.).

2. Das beklagte Amt hat von der Möglichkeit der Beseitigung einer tarifwidrig zu hohen Vergütung durch die von ihm vorgenommene Rückgruppierung zu Recht Gebrauch gemacht. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht insoweit auch angenommen, es komme auf die Frage nicht an, ob der bei dem beklagten Amt gebildete Personalrat ordnungsgemäß zu der korrigierenden Rückgruppierung angehört wurde bzw. angehört werden mußte. Bei Ein-, Um- und Rückgruppierungen geht der Senat nämlich in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BAGE 71, 139 = AP Nr. 37 zu § 75 BPersVG, m.w.N.; vgl. auch BAG Urteile vom 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – AP Nr. 50 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung und vom 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II sowie Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) davon aus, daß bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers dessen Vergütungsansprüche aus der korrekten Zuordnung der Tätigkeit zu den einzelnen Vergütungsgruppen folgen. Die Vergütungsansprüche richten sich nach der mit mindestens der Hälfte ausgeübten Tätigkeit. Das dem Personalrat zustehende und vom Senat anerkannte Mitbestimmungsrecht ist ein Mitbeurteilungsrecht, ob der Arbeitgeber eine korrekte Eingruppierung vorgenommen hat. Die Vergütungsansprüche folgen aus dem Tarifvertrag und seiner unmittelbaren und zwingenden Wirkung (§ 4 Abs. 1 TVG). Sie sind von dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats unabhängig.

Verletzt der Arbeitgeber bei solchen Ein-, Um- oder Rückgruppierungen die Mitbestimmungsrechte des Personalrats, so ist die Rechtsfolge nicht die, daß die Eingruppierung unwirksam ist, wenn die Voraussetzungen einer höheren tariflichen Eingruppierung nicht gegeben sind. Die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers ergeben sich aus der zutreffenden Eingruppierung nach dem mit unmittelbarer und zwingender Wirkung oder kraft Vereinbarung geltenden Tarifrecht. Für die Voraussetzungen der Erfüllung einer bestimmten Vergütungsgruppe ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.

II. Die Klägerin hat keinen tariflichen Anspruch auf eine Vergütung nach der VergGr. V b oder der VergGr. V c BAT-O.

1.a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden sowohl aufgrund ihrer Tarifbindung als auch kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der BAT-O und die ihn ergänzenden Tarifverträge Anwendung.

b) Die begehrte Eingruppierung setzt voraus, daß die Tätigkeit der Klägerin zeitlich im tariflich geforderten Umfang aus Arbeitsvorgängen besteht, die den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr beanspruchten Vergütung nach der VergGr. V b oder V c BAT-O entsprechen. Regelmäßig müssen die Anforderungen des Eingruppierungsmerkmals durch mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit des Angestellten ausfüllenden Arbeitsvorgänge erfüllt sein (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O). Vorliegend kommt es auf die nachfolgenden Tarifbestimmungen der Anlage 1 a zum BAT-O/VKA an:

Vergütungsgruppe V b

1c. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert,

nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 b.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderungen nicht erfüllen).

Vergütungsgruppe V c

1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c).

b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c).

… Vergütungsgruppe VI b

1a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.

(Klammerzusatz wie in VergGr. V b Fallgruppe 1 c).

…”

c) Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, zwei Arbeitsvorgänge zu bilden, und im übrigen offengelassen, aus welchen Arbeitsvorgängen die restliche Tätigkeit der Klägerin besteht. Die Bildung von Arbeitsvorgängen kann hier dahingestellt bleiben. Zahl und der Zuschnitt der Arbeitsvorgänge sind nämlich unerheblich, wenn – wie vorliegend – für die gesamte Tätigkeit und damit für alle denkbaren Arbeitsvorgänge die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der begehrten Vergütungsgruppe zu verneinen ist (Senatsurteile vom 25. August 1993 – 4 AZR 608/92 – n.v. und vom 18. Februar 1998 – 4 AZR 581/96 – a.a.O.).

2. Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Sie hat keine hinreichenden Tatsachen dafür dargelegt, daß ihre Tätigkeit insgesamt oder auch in hinreichendem zeitlichen Maße den Anforderungen der VergGr. V b oder zumindest den der VergGr. V c BAT-O entspricht.

a) Klagt ein Arbeitnehmer – hier die Klägerin – auf eine höhere Tarifvergütung, z.B. im Wege einer Eingruppierungsfeststellungsklage, so hat er nach den allgemeinen Prozeßgrundsätzen diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, er erfülle die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen. Welche Tatsachen er im einzelnen vorzutragen und zu beweisen hat, richtet sich nach der Lage und den Erfordernissen des Einzelfalls.

Der Klagevortrag ist, auch bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage, schlüssig, wenn das tatsächliche Vorbringen bei Unterstellung seiner Richtigkeit den Klageantrag begründet erscheinen läßt, so daß im Falle der Säumnis der beklagten Partei ein Versäumnisurteil nach § 331 ZPO ergehen könnte (Senatsurteile vom 4. Mai 1994 – 4 AZR 447/93 – ZTR 1994, 507, m.w.N.; vom 8. Oktober 1997 – 4 AZR 167/96 – AP Nr. 2 zu § 23 b BAT).

b) Hat der Arbeitgeber die Tätigkeitsmerkmale einer bestimmten Vergütungsgruppe zunächst als erfüllt angesehen, ist er zwar grundsätzlich berechtigt, eine irrtümlicherweise vorgenommene Eingruppierung zu korrigieren, muß aber darlegen, welcher Irrtum bei der ursprünglich vorgenommenen Eingruppierung unterlaufen ist. Dabei muß der Arbeitgeber entweder einen Rechtsirrtum dartun oder substantiiert die Tatsachen vortragen, die eine fehlerhafte Eingruppierung des Arbeitnehmers begründen (BAG Urteile vom 28. Mai 1997 – 10 AZR 383/95 – ZTR 1997, 457; vom 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II und vom 8. Oktober 1997 – 4AZR167/96-a.a.O.).

Vorliegend ist das beklagte Amt seiner Darlegungslast zur Irrtümlichkeit der Eingruppierung im Arbeitsvertrag vom 15. September 1992 nachgekommen. Es hat im einzelnen vorgetragen, daß die Arbeitsplatzbewertung aller Mitarbeiter aufgrund einer entsprechenden Forderung des nach der Hauptsatzung für Personalfragen zuständigen Amtsausschusses durch eine unabhängige Institution vorgenommen worden sei und zur Feststellung geführt habe, eine Reihe von Mitarbeitern, u.a. die Klägerin, sei zu hoch eingruppiert worden. Zu ihrer unveränderten Tätigkeit legte die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 6. März 1995 eine Arbeitsplatzbeschreibung und ein Organisationsschema des beklagten Amtes vor. Das beklagte Amt hat dazu im einzelnen näher ausgeführt, weshalb die Bewertung die VergGr. VI b BAT-O und nicht die VergGr. V c/V b BAT-O ergab. Die Fehlerhaftigkeit der Eingruppierung der Klägerin ist ebenso nachvollziehbar, wie die jetzige Eingruppierung durch das beklagte Amt.

c) Anderes ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom 14. Oktober 1991 (ABl EG Nr. L 288 S. 32 ff., sog. Nachweisrichtlinie). Sie war erst am 1. Juli 1993 in nationales Recht umzusetzen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin ist vor dem 1. Juli 1993 abgeschlossen worden. Auch aus dem Nachweisgesetz vom 20. Juli 1995 (BGBl 1 S. 946) kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Für laufende – wie hier – bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene, noch nicht beendete Verträge ist dem Arbeitnehmer zwar auf sein Verlangen innerhalb von zwei Monaten eine Niederschrift im Sinne des § 2 auszuhändigen (§ 4 Satz 1 NachwG). Die Klägerin hat das beklagte Amt hierzu nicht aufgefordert.

d) Nach allem liegt die Darlegungslast für das Vorliegen der Merkmale der „ursprünglichen” Vergütungsgruppe, hier der VergGr. V b bzw. der VergGr. V c BAT-O, wieder bei der Klägerin.

3. Die Klägerin hat keine hinreichenden Tatsachen dargelegt, daß und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten „selbständige Leistungen” im Sinne der einschlägigen VergGr. V b Fallgruppe 1 c bzw. V c Fallgruppe 1 BAT-O erfordern. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der Revision stand.

a) Das Tatbestandsmerkmal „selbständige Leistungen” ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei einem unbestimmten Rechtsbegriff ist in der Revisionsinstanz nur zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 18. Juni 1975 – 4 AZR 398/74 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; vom 14. August 1985 – 4 AZR 322/84 – AP

Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

b) Das Landesarbeitsgericht ist ebenso wie das Arbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff der „selbständigen Leistungen” ausgegangen.

Nach den Klammerzusätzen zu den VergGr. VI b Fallgruppe 1 a, V c Fallgruppe 1 a und 1 b BAT-O erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, wobei eine leichte geistige Arbeit diese Anforderung nicht erfüllen kann.

Das Tatbestandsmerkmal „selbständige Leistungen” darf nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten” im Sinne von „allein arbeiten”, d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung, statt vieler: Senatsurteil vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielmehr – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses sein (vgl. Senatsurteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84 – BAGE 49, 250 = AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung gelangen (Senatsurteile vom 12. Juni 1996 – 4 AZR 1025/94 – AP Nr. 212 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 18. Februar 1998, a.a.O.).

c) Die Klägerin hätte dementsprechend Tatsachen vortragen müssen, aus denen sich ergibt, daß und inwiefern für sie ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum besteht, inwieweit Abwägungsprozesse verlangt werden, in welchem Umfang von ihr also eine eigene geistige Initiative gefordert ist.

Solchen Vortrag hat sie nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht erbracht. Dies ist für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die insoweit vorgetragenen prozessualen Rügen der Klägerin greifen nicht durch. Soweit sie damit rügt, das Landesarbeitsgericht habe das erstinstanzliche Urteil nicht „aufheben” und die Klage mit der Begründung abweisen dürfen, die Klägerin habe nicht ausreichend vorgetragen, übersieht die Revision, soweit sie damit eine Verletzung des § 286 ZPO rügt, daß diese Vorschrift nur der gerichtlichen Tatsachenfeststellung dient und nicht der Rechtsfindung.

III Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schneider, Bott, Friedrich, Hecker, Dräger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1251953

ZTR 1999, 216

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