Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Kündigungsschutzklage und nachträgliche Klagezulassung. Verspätet erhobene Kündiungsschutzklage. nachträgliche Klagezulassung. Zulassung der Revision

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 14. Oktober 1982 – 2 AZR 570/80 – BAGE 41, 67, 11

 

Orientierungssatz

Entscheidet das Landesarbeitsgericht unzutreffend über den Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG und die Kündigungsschutzklage einheitlich durch Urteil und läßt es außerdem die Revision zu, so eröffnet die gesetzwidrige Revisionszulassung keine weitere Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich des Antrags auf nachträgliche Zulassung.

Das Bundesarbeitsgericht ist trotz § 72 Abs. 3 ArbGG insoweit an die Revisionszulassung nicht gebunden.

 

Normenkette

KSchG § 13 Abs. 3, §§ 5, 4 S. 1; ArbGG § 72 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 28.03.2000; Aktenzeichen 11 Sa 494/99)

ArbG Magdeburg (Urteil vom 21.04.1999; Aktenzeichen 2 Ca 3701/98)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. März 2000 – 11 Sa 494/99 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund einer ordentlichen Kündigung der beklagten Stadt.

Die Klägerin war seit dem 1. Februar 1971 bei der beklagten Stadt bzw. ihrem Funktionsvorgänger als Altenpflegerin im Altenpflegeheim O. beschäftigt. Ihr monatliches Bruttoeinkommen betrug zuletzt 2.893,62 DM.

Mit Schreiben vom 30. Juli 1998, der Klägerin am 31. Juli 1998 zugegangen, kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 28. Februar 1999 mit der Begründung, es bestehe der Verdacht, die Klägerin habe unberechtigterweise vom Konto einer Heimbewohnerin 4.000,00 DM abgehoben und sich angeeignet. Sie habe dadurch der Heimbewohnerin, deren Angehörigen sowie dem Ruf der Altenpflegeeinrichtung in der Öffentlichkeit einen erheblichen Schaden zugefügt.

Mit Schriftsatz ihrer damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 20. August 1998 hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt. Die Klageschrift ist in den Diensträumen des Arbeitsgerichts Magdeburg am 24. August 1998 eingegangen und wurde mit einem entsprechenden Eingangsstempel versehen.

Auf Antrag der beklagten Stadt ist gegen die im Termin am 9. Dezember 1998 säumige Klägerin ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das sie form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hat. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21. April 1999 das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin mit einem am 15. Dezember 1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vorgetragen, ihre Klage sei nicht verspätet erhoben worden. Die Klageschrift sei durch ihre damalige Prozeßbevollmächtigte bereits am Freitag, dem 21. August 1998, in der Poststelle des Amtsgerichts Magdeburg, das sich im gleichen Haus wie das Arbeitsgericht befinde, in einen dort aufgestellten Postbehälter des Arbeitsgerichts Magdeburg eingeworfen worden. Jedenfalls sei eine mögliche Verspätung von ihr nicht verschuldet worden. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  1. das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. April 1999 – 2 Ca 3701/98 – abzuändern und das Versäumnisurteil vom 9. Dezember 1998 aufzuheben und festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der beklagten Stadt vom 30. Juli 1998 nicht aufgelöst worden ist,
  2. hilfsweise, für den Fall, daß die Klage verspätet sei, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung insoweit abgeändert, als es festgestellt hat, daß die Kündigung der beklagten Stadt das Arbeitsverhältnis der Klägerin erst zum 31. März 1999 aufgelöst hat. Im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung vom 30. Juli 1998 gelte gemäß § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 2 KSchG als sozial gerechtfertigt, weil die Klägerin nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben habe. Die Kündigung sei der Klägerin am 31. Juli 1998 zugegangen, die Kündigungsschutzklage jedoch erst am 24. August 1998 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen. Die mögliche Einlieferung des Klageschriftsatzes am 21. August 1998 beim Amtsgericht Magdeburg reiche zur Einhaltung der Frist des § 4 Satz 1 KSchG nicht aus. Auf Grund der amtlichen Auskunft des Direktors des Arbeitsgerichts Magdeburg stehe zur Überzeugung der Kammer fest, daß eine gemeinsame Posteingangsstelle für das Arbeits- und das Amtsgericht Magdeburg durch einen entsprechenden Organisationsakt der Justizverwaltung nicht geschaffen worden sei. Die Klage sei auch nicht nachträglich gemäß § 5 KSchG zuzulassen. Ein nachträgliches Klagezulassungsverfahren könne nicht mehr durchgeführt werden, weil die Klägerin mit ihrem erst am 15. Dezember 1999 gestellten Antrag die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG versäumt habe. Die Kündigung sei auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam (§ 13 Abs. 3 KSchG). Insbesondere liege kein Verstoß gegen die Regelungen von § 67 Abs. 1 Nr. 8, § 61 Abs. 1 PersVG LSA vor.

II. Die von der Klägerin eingelegte Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Ablehnung der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage durch das Landesarbeitsgericht richtet. Das Rechtsmittel der Revision ist insoweit nicht statthaft.

Das Landesarbeitsgericht hat über den hilfsweise gestellten nachträglichen Zulassungsantrag der Klägerin mit Urteil vom 28. März 2000 entschieden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es sei nur über die „Vorfrage” zu entscheiden, ob noch ein Verfahren nach § 5 KSchG in der Sache durchzuführen sei. Dies hat es verneint, weil die Klägerin die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG versäumt habe. Hierin liegt aber bereits eine Entscheidung über den Antrag selbst. Indem das Landesarbeitsgericht die förmlichen Voraussetzungen des Antrags geprüft und verneint hat, hat es in der Sache den Antrag beschieden. Unbeachtet der Frage seiner Zuständigkeit hätte es diese Entscheidung gemäß § 5 Abs. 4 KSchG durch Beschluß treffen müssen. Die Entscheidung im Rahmen des Urteils führt jedoch genauso wenig dazu, das Rechtsmittel der Klägerin als statthaft zu qualifizieren, wie die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene uneingeschränkte Revisionszulassung. Zwar ist das Bundesarbeitsgericht an eine Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht grundsätzlich gebunden (§ 72 Abs. 3 ArbGG). Dies gilt aber nur, wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die an sich revisibel ist. Das ist vorliegend nicht der Fall. Gegen eine Entscheidung über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist nur die sofortige Beschwerde zum Landesarbeitsgericht zulässig und gesetzlich vorgesehen (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG). Das Landesarbeitsgericht entscheidet endgültig. Eine weitere Beschwerde (Revisionsbeschwerde) kennt das zweistufige Klagezulassungsverfahren nicht. Deshalb kann nicht über den Umweg einer Revisionszulassung eine weitere Überprüfungsmöglichkeit eröffnet werden. Die Revisionszulassung erfolgt, soweit sie sich gegen eine nicht revisible Entscheidung richtet, gesetzeswidrig. Sie kann deshalb den Senat entgegen § 72 Abs. 3 ArbGG nicht binden (BAG 14. Oktober 1982 – 2 AZR 570/80 – BAGE 41, 87; HK-KSchG/Hauck 4. Aufl. § 5 Rn. 82). Ein Vertrauensschutz der Prozeßparteien in die Zulassung kann in diesen Fällen nicht begründet werden.

III. Soweit das Landesarbeitsgericht über die Kündigungsschutzklage entschieden hat, ist die hiergegen gerichtete Revision zwar an sich statthaft, jedoch unbegründet. Die ordentliche Kündigung vom 30. Juli 1998 gilt auf Grund der versäumten Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG und der nicht mehr möglichen nachträglichen Klagezulassung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Da die Klägerin weder die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen des Landesarbeitsgerichts zur Versäumung der Klagefrist angegriffen noch im Revisionsverfahren sich auf sonstige Unwirksamkeitsgründe gestützt hat, war ihre Revision insgesamt mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Eylert, Rosendahl, Bartel

 

Fundstellen

Haufe-Index 749363

ARST 2002, 279

FA 2002, 332

SAE 2002, 249

EzA-SD 2002, 19

EzA

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