Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahme auf branchenfremde Tarifverträge. Teilweise Parallelsache zu Senat vom 25. Oktober 2000 – 4 AZR 506/99 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen

 

Normenkette

TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Teilurteil vom 21.05.1999; Aktenzeichen 14 (16) Sa 1444/98)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 06.07.1998; Aktenzeichen 7 Ca 508/98)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 1999 – 14 (16) Sa 1444/98 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

Die 1949 geborene Klägerin, die von 1981 bis 1992 Mitglied der Industriegewerkschaft Metall und alsdann bis 1994 Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen war, trat zum 1. Oktober 1975 “als Sekretärin/Sachbearbeiterin in der Abteilung Rechnungswesen” in die Dienste der Firma T… R… Technik GmbH (TRT), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Gegenstand dieses Unternehmens war nach der Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4. Januar 1973 der Verkauf, insbesondere der Export von technischen Anlagen sowie von technischen Erzeugnissen und Maschinen, ferner die Vornahme aller Geschäfte, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig oder nützlich erscheinen. Bei der TRT GmbH waren nach dem Zusammenschluß des T…-Konzerns mit dem R…-Konzern die Bereiche des technischen Handelsgeschäfts mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1974 zusammengefaßt worden. Da auf die Arbeitsverhältnisse der bei der TRT GmbH beschäftigten Mitarbeiter unterschiedliche Tarifwerke Anwendung fanden, wurde eine sog. Harmonisierungskommission gebildet, die in Übereinstimmung mit der Industriegewerkschaft Metall zu dem Schluß kam, im Unternehmen einheitlich das Tarifwerk der metallverarbeitenden Industrie anzuwenden. Im “Arbeitsvertrag” der Klägerin vom 12. August 1975 heißt es ua.:

3. Als Vergütung für ihre Tätigkeit zahlen wir Ihnen ein Gehalt von monatlich DM 2.300,-- brutto … auf der Grundlage des Tarifvertrages für die Angestellten in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (metallverarbeitende Industrie), das jeweils zum Monatsende nachträglich zahlbar ist und sich wie folgt zusammensetzt:

Tarifgruppe K5/3

Tarifgehalt

DM 2.243,--

übertarifliche Zulage

57,--

DM 2.300,--

Bei einer Neufestsetzung der Bezüge aus tariflichen oder sonstigen Gründen besteht kein Anspruch auf Weiterzahlung der übertariflichen Zulage.

5. Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (metallverarbeitende Industrie).

8. Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind für das Dienstverhältnis ergänzend die Bestimmungen des jeweils gültigen Rahmentarifvertrages für Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (metallverarbeitende Industrie) maßgebend.

Für die Zeit, in der gegebenenfalls der Rahmentarifvertrag abgelaufen und nicht durch einen neuen ersetzt worden ist, finden die Bestimmungen des beendeten Tarifvertrages weiterhin Anwendung.

11. Änderungen und Ergänzungen der mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen bedürfen der Schriftform; mündliche Abreden sind unwirksam.”

In der Folgezeit wurden auf das Arbeitsverhältnis alle in Betracht kommenden Tarifregelungen der metallverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen angewandt. Aufgrund des Betriebspachtvertrages und des Betriebsführungsvertrages vom 20. März 1978 wurden dann die Mitarbeiter/-innen der TRT GmbH und so auch die Klägerin von der zunächst beklagten T… Handelsunion AG, Mitglied des Unternehmensverbandes des Großhandels Düsseldorf-Niederrhein, per 1. April 1978 übernommen. Diese Firma hatte der Klägerin diesbezüglich mit Schreiben vom 20. März 1978 mitgeteilt, daß sie, die Firma T… Handelsunion AG, in alle Rechte und Pflichten aus den “Arbeitsverträgen, so wie sie derzeit bestehen”, eintreten werde. Auch nach diesem Arbeitgeberwechsel blieb es unverändert bei der Anwendung der Tarifverträge der metallverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen. Die Klägerin, die zuletzt ein Tarifgehalt nach der Vergütung K6 nebst einer tariflichen Leistungszulage in Höhe von 6 % bezog, ist nach dem Umzug ihrer Verwaltungsabteilung in das T…-Trade-Center dort seit dem 1. Januar 1992 in einer geschäftsübergreifenden Funktionseinheit tätig.

Der Vorstand der T… Handelsunion AG und der Betriebsrat bei der T… Handelsunion AG schlossen die Betriebsvereinbarung vom 4. März 1993, deren Präambel wie folgt lautet:

“Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist es, die tariflichen Leistungen (Tarif für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NW-nachfolgend MT-NW) der zum 1.1.1992 vom Betrieb der T… R… Technik GmbH in den Betrieb der T… Handelsunion AG versetzten Mitarbeiter/-innen an die tariflichen Leistungen und Gehalts/Lohnstrukturen des Betriebes der T… Handelsunion AG (Tarif des Groß- und Außenhandels NW – nachfolgend GA-NW) anzupassen.

Der Abschluß dieser Betriebsvereinbarung wurde im Interessenausgleich vom 4.9.1990 und in seiner Ergänzung vom 6.11.1990 festgelegt.”

Aufgrund dieser Betriebsvereinbarung zahlte die T… Handelsunion AG an die Klägerin ab dem 1. April 1993 ein monatliches Tarifgehalt nach dem Gehaltsrahmen abkommen für den Groß- und Außenhandel in Höhe von zunächst 5.258,00 DM brutto, eine feste Besitzstandszulage in Höhe von 304,00 DM brutto, eine sog. variable Besitzstandszulage in Höhe von 1.215,00 DM brutto sowie zum Ausgleich für die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 37 auf 38,5 Stunden einen monatlichen Ausgleich von 275,00 DM brutto. In den ersten drei Jahren, gerechnet ab dem 1. März 1993, sollten 75 %, danach 100 % der jeweiligen allgemeinen jährlichen Tariferhöhungen auf die variable Besitzstandszulage angerechnet werden; die sich aus funktionalen und leistungsbezogenen Überprüfungen ergebenden Gehaltserhöhungen sollten ebenfalls auf die variable, nach deren Aufzehrung auf die feste Besitzstandszulage angerechnet werden. Eine weitergehende Besitzstandswahrung war für die nächsten drei Jahre für das Urlaubsgeld und die Sonderzahlungen vorgesehen.

Die Klägerin wandte sich mit anderen Mitarbeitern bereits in einem Schreiben vom 31. März 1993 gegen die Verlängerung der Arbeitszeit auf 38,5 Wochenstunden. Zudem widersprach sie mit Schreiben vom 3. Mai 1993 der tariflichen Einstufung und machte geltend, für das Arbeitsverhältnis seien die Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen als maßgeblich zugesagt worden.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 5. Juli 1993 eingegangenen Klage hat die Klägerin ua. die Feststellung begehrt, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Abschluß-, Inhalts- und Beendigungsnormen der Tarifverträge für die Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW in ihrer jeweiligen Fassung kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden, und von der Beklagten die Zahlung von 59.372,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1996 verlangt. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin ihr Feststellungsbegehren auf das Gehaltsabkommen und die Arbeitszeit beschränkt. Während des Rechtsstreits hat die T… Handelsunion AG mit Schreiben vom 6. März 1996 an den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erklärt, sie verzichte auf tarifliche Verfallfristen und Verjährungsfristen, soweit zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche ein tariflicher Verfall oder eine Verjährung noch nicht eingetreten gewesen seien.

Die Klägerin hat vorgetragen, auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin hätten sämtliche Tarifverträge der Metallverarbeitung Anwendung gefunden. Die Parteien hätten das Arbeitsverhältnis der Klägerin sowie die Arbeitsverhältnisse ihrer ehemaligen TRT-Kollegen bis Anfang 1993, also mehr als 15 Jahre, ausschließlich nach den Bestimmungen der Tarifverträge der Metallverarbeitung abgewickelt. Damit sei die Klägerin einverstanden gewesen. Die T… Handelsunion AG habe die einzelvertragliche Bezugnahme auf das der Klägerin günstigere Tarifwerk der Metallverarbeitung nicht einseitig oder durch Betriebsvereinbarung abzulösen vermocht.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  • festzustellen,

    • daß die Beklagte verpflichtet ist, an sie eine Vergütung nach dem Gehaltsabkommen für die metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen,
    • daß sich ihre Arbeitszeit nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die metallverarbeitende Industrie in der jeweils gültigen Fassung richtet,
  • die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.372,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus diesem Bruttobetrag seit dem 1. Januar 1996 zu zahlen.

Die zunächst beklagte T… Handelsunion AG hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vertragsklausel sei dahin auszulegen, daß die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung finden. Da die Beklagte dem Geltungsbereich des Tarifwerks Groß- und Außenhandel NRW unterfalle, richteten sich die Vergütungsansprüche und die Arbeitszeit der Klägerin nach diesen Tarifverträgen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin durch Teilurteil festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Vergütung nach dem Gehaltsabkommen für die metallverarbeitende Industrie (Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie) Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen, und daß sich die Arbeitszeit der Klägerin nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die metallverarbeitende Industrie (Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie) Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung richtet. Vor Zustellung des Teilurteils sind aufgrund Ausgliederung des wesentlichen Vermögens der T… Handelsunion AG auf die T… K… Materials & Services GmbH (TKMS GmbH) mit Wirkung ab 6. Juli 1999 die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter/-innen der früheren T… Handelsunion AG, also auch das der Klägerin, gem. § 613a BGB auf die TKMS GmbH übergegangen, seit 4. Oktober 1999 T… K… Materials & Services AG (TKMS AG). Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die in die Beklagtenstellung eingetretene TKMS AG den Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage weiter. Die Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Teilurteil im Ergebnis zutreffend festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin eine Vergütung nach dem Gehaltsabkommen für die metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen, und daß sich die Arbeitszeit der Klägerin nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung richtet.

  • Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) besteht jedenfalls deswegen, weil mit ihr geklärt werden kann, ob sich das Gehalt und die Arbeitszeit, wie die Klägerin geltend macht, nach den Tarifverträgen der metallverarbeitenden Industrie NRW richten. Sie sind in der Gesamtschau günstiger als die zum Teil jedenfalls zeitweise für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Nordrhein-Westfalen. Die erstrebte Feststellung ist für viele Rechtsansprüche aus diesen Tarifverträgen – deren Anwendbarkeit für das Arbeitsverhältnis vorausgesetzt – bedeutsam, wie auch die noch beim Landesarbeitsgericht anhängige Zahlungsklage der Klägerin zeigt (vgl. im übrigen Senat 28. Mai 1997 – 4 AZR 663/95 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 6 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 8, zu I 1 der Gründe).
  • Die Klage ist auch begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die metallverarbeitende Industrie (Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie) Nordrhein-Westfalen (kurz: Metalltarifverträge) in der jeweils gültigen Fassung hinsichtlich Gehalt und Arbeitszeit Anwendung. Dies ist zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbart worden. Die Anwendbarkeit dieser Tarifverträge ist auf das vorliegende Arbeitsverhältnis nicht durch die Anwendbarkeit der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen abgelöst oder – soweit diese allgemeinverbindlich waren oder sind – verdrängt worden.

    • Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, im Arbeitsvertrag vom 12. August 1975 sei das Gehaltsabkommen der metallverarbeitenden Industrie NRW in Bezug genommen. Diese Abrede sei trotz Fehlens einer Jeweiligkeitsklausel dahin auszulegen, daß die Vertragsparteien das Gehaltsabkommen in der jeweils gültigen Fassung vereinbart hätten. Mit der ergänzenden Verweisung auf den jeweils gültigen “Rahmentarifvertrag für Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen” im Arbeitsvertrag seien die tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit vereinbart worden, die im Manteltarifvertrag der metallverarbeitenden Industrie festgelegt seien. Die Bezeichnung des Manteltarifvertrages als “Rahmentarifvertrag” sei unschädlich, weil in der Folgezeit auf das Arbeitsverhältnis stets der Manteltarifvertrag der metallverarbeitenden Industrie NRW angewandt worden sei. Das greift die Revision nicht an. Weitere Ausführungen dazu sind entbehrlich.
    • Das Landesarbeitsgericht hat ferner angenommen, daß an Stelle der arbeitsvertraglich vereinbarten Anwendbarkeit der Metalltarifverträge nicht die Anwendbarkeit der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen getreten sei.

      • Die Revision meint zu Unrecht, die arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Anwendbarkeit der Metalltarifverträge sei als große dynamische Verweisungsklausel zu verstehen, so daß an die Stelle der Metalltarifverträge die für die Beklagte einschlägigen Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel getreten seien.

        • Der Senat hatte in seinem Urteil vom 4. September 1996 (– 4 AZR 135/95 – BAGE 84, 97) angenommen, daß eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die auf einen konkret benannten Tarifvertrag Bezug nimmt, bei einem Verbandswechsel des Arbeitgebers in der Regel dahingehend korrigierend ausgelegt werden müsse, daß Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag erfolge; dies gelte jedenfalls dann, wenn die Tarifverträge von derselben Gewerkschaft abgeschlossen worden seien. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, daß es bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in solchen Fällen nicht darum gehe, mit dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Tarifwerk auf Dauer des Arbeitsverhältnisses als anwendbar zu vereinbaren, sondern nur darum, ihn mit solchen Arbeitnehmern gleichzustellen, die an die jeweils einschlägigen Tarifverträge kraft Mitgliedschaft in der tarifvertragschließenden Gewerkschaft nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gebunden seien. Diese Rechtsprechung hat der Senat im Urteil vom 30. August 2000 (– 4 AZR 581/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen) fortentwickelt. Eine korrigierende Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, wonach anstelle der darin als anwendbar vereinbarten Tarifverträge andere, nicht benannte Tarifverträge anzuwenden sein sollen, in deren Geltungsbereich der Arbeitgeber später fällt, ist nur möglich, wenn diese Vereinbarung als Gleichstellungsabrede zu verstehen ist und bei Abschluß des Arbeitsvertrages besondere Umstände vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die Parteien des Arbeitsvertrages den Arbeitsvertrag anderen – nicht benannten – Tarifverträgen unterstellen wollten, falls der Arbeitgeber in den Geltungsbereich anderer Tarifverträge wechselt. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf bestimmte Tarifverträge kann nur dann als eine Gleichstellungsabrede verstanden werden, wenn der Arbeitgeber zumindest dem Geltungsbereich der in Bezug genommenen Tarifverträge unterfällt, dieser also einschlägig ist.
        • Vorliegend kann die Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien schon deshalb nicht als große dynamische Verweisungsklausel angesehen und damit auch nicht ergänzend als große dynamische Verweisungsklausel ausgelegt werden, weil darin die Anwendbarkeit der für die TRT GmbH nicht einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen vereinbart worden ist.
        • Der von der Revision ins Feld geführte Umstand, daß der fachliche Geltungsbereich eines Tarifvertrags auch branchenfremde Betriebe eines Unternehmens umfassen könne, ist hier ohne rechtliche Bedeutung. Zwar gibt es Tarifregelungen in Flächentarifverträgen, deren fachlicher Geltungsbereich nicht auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen abstellt; in solchen Fällen werden auch branchen- oder fachfremde Betriebe mit erfaßt. Das ändert hier nichts. Die TRT GmbH ist – wie ihre Rechtsvorgängerinnen – selbst ein Unternehmen und nicht etwa ein fachfremder Betrieb eines unter den fachlichen Geltungsbereich der Metalltarifverträge fallenden Unternehmens. Der Umstand, daß die TRT GmbH als Konzernunternehmen zu einem Konzern der Metallindustrie gehört, ändert an der fehlenden Einschlägigkeit der Metalltarifverträge für die TRT GmbH nichts. Denn der fachliche Geltungsbereich der hier in Rede stehenden Flächentarifverträge für die Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen stellt nicht auf Konzerne ab.
        • Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Parteien kann auch nicht als sogenannte Tarifwechselklausel verstanden werden, nach der die jeweils für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge anzuwenden sind (siehe auch BAG 4. August 1999 – 5 AZR 642/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 184). Dies ist schon nach dem Wortlaut der Klausel ausgeschlossen. Zudem liegt objektiv auch kein Wechsel der Arbeitgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgängerinnen in den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel vor, weil diese Tarifverträge vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an fachlich einschlägig waren.
    • Die Lehre von der Tarifeinheit im Betrieb führt zu keinem anderen Ergebnis.

      • Das Landesarbeitsgericht stellt im Anschluß an die Entscheidung des Senats vom 20. März 1991 (– 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330) darauf ab, der Grundsatz der betrieblichen Tarifeinheit greife ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Arbeitsvertragsparteien “konstitutiv” auf einen Tarifvertrag verwiesen und damit in Kauf genommen hätten, daß unter Umständen nebeneinander zwei Tarifverträge zur Anwendung kämen. Durch die Verweisung auf ein branchenfremdes Tarifwerk hätten die Arbeitsvertragsparteien hinreichend deutlich gemacht, daß die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses gerade von einem Wechsel in einen anderen Tarifbereich unabhängig sein sollten. Sie hätten damit die Möglichkeit der Geltung anderweitiger Tarifverträge einbezogen.
      • Das ist entgegen der Revision mit dem Urteil des Senats vom 28. Mai 1997 (– 4 AZR 663/95 – aaO) vereinbar. Der Senat hat in der Entscheidung vom 28. Mai 1997 auf die Besitzstandsregelung abgestellt. Das schließt nicht aus, auf eine konstitutive Verweisung auf ein Tarifwerk auch aufgrund anderer Umstände zu schließen. Das hat das Landesarbeitsgericht getan, indem es die Verweisung auf ein branchenfremdes Tarifwerk entsprechend gewichtet hat und der Sache nach darauf verwiesen hat, daß das Arbeitsverhältnis nach der Übernahme des Betriebes der TRT GmbH durch die T… Handelsunion AG mehr als zehn Jahre weiterhin auf der Grundlage der Tarifverträge der metallverarbeitenden Industrie abgewickelt worden sei, obwohl jedenfalls in diesem Zeitraum bereits die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels einschlägig gewesen sein dürften. Diese stellten nämlich für den Geltungsbereich nicht auf den Betrieb, sondern abweichend davon auf das Unternehmen ab. Damit hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine konstitutive Verweisung auf ein Tarifwerk angenommen.
    • Die kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anzuwendenden Metalltarifverträge sind auch nicht durch die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen verdrängt worden, obwohl sie unmittelbar und zwingend gelten, weil sie fachlich einschlägig und für allgemeinverbindlich erklärt worden sind (§ 5 TVG). Eine solche Verdrängung setzt nach § 4 Abs. 3 TVG voraus, daß die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelungen der Metalltarifverträge für die Arbeitnehmer zumindest nicht günstiger sind als die der Groß- und Außenhandelstarifverträge. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Im Vergleich erweisen sich die Regelungen der Metalltarifverträge insgesamt als günstiger iSd. § 4 Abs. 3 TVG. Hierüber streiten die Parteien auch nicht.
    • Die weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, insbesondere zur Betriebsvereinbarung vom 4. März 1993, hat die Revision nicht beanstandet. Sie sind zutreffend. Eines weiteren Eingehens darauf bedarf es nicht.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Friedrich, Valentien, H. Scherweit-Müller

 

Fundstellen

Dokument-Index HI892427

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