Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Winterzusatzurlaub. Zulässigkeit einer Feststellungsklage

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 08.01.1991; Aktenzeichen 7 Sa 1020/90)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.03.1990; Aktenzeichen 13 Ca 299/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen und Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 1991 – 7 Sa 1020/90 – sowie der Antrag vom 24. August 1992 werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen und Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Winterzusatzurlaub.

Die Klägerinnen und Kläger waren seit dem 1. August 1988 als Auszubildende für den Beruf der Dienstleistungsfachkraft im Postamt Kassel der Beklagten tätig. Die Ausbildungsverhältnisse sind zwischenzeitlich beendet. Die Klägerin zu 13) und die Kläger zu 6), 8), und 18) sind bei der Beklagten nicht mehr beschäftigt, während die anderen als Angestellte bei der Beklagten arbeiten.

Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien waren die Bestimmungen des Tarifvertrags für die Auszubildenden der Deutschen Bundespost vom 12. Januar 1976 anzuwenden. Nach dessen § 14 in Verbindung mit § 23 des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost erhält der Auszubildende fünf Tage Zusatzurlaub, der auf Veranlassung seiner Dienststelle ausnahmsweise seinen Erholungsurlaub ganz oder zum Teil in der Zeit vom 1. November bis 31. März nehmen muß.

Die Beklagte erstellte für die Klägerinnen und Kläger für die Zeit vom 1. August 1988 bis 30. Juli 1989 (erstes Ausbildungsjahr) einen Ausbildungsplan. Dieser sah für die Klägerinnen und Kläger in der Zeit vom 27. Dezember 1988 bis 31. März 1989 24 bzw. 26 Urlaubstage in den Berufsschulferien zu Weihnachten und Ostern vor. Die Klägerinnen und Kläger verlangten am 19. Dezember 1988 erfolglos von der Beklagten Winterzusatzurlaub. Mit der am 3. August 1989 eingereichten Klage haben sie beantragt

festzustellen, daß den Klägerinnen und Klägern fünf Tage Winterzusatzurlaub für die Zeit vom 1. November 1988 bis 31. März 1989 nach MTV für Arb § 14 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 14 TV Arb zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise abgewiesen, ihr im wesentlichen aber stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der Revision beantragen die Klägerinnen und Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Im Revisionsverfahren haben die Klägerin zu 13) und die Kläger zu 6), 8) und 18) hilfsweise beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 8. März 1990 – 13 Ca 299/89 – mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern/Klägerinnen den vom Arbeitsgericht festgestellten Winterzusatzurlaub gemäß § 23 Abs. 13 TV Arb in bar abzugelten.

Die Beklagte beantragt, die Revision und den Hilfsantrag zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klage ist in ihrem Haupt- und Hilfsantrag unzulässig. Der Hauptantrag ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Der Hilfsantrag erweist sich als Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren nicht statthaft ist.

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat. Eine Feststellungsklage muß sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im ganzen erstrecken. Sie kann vielmehr auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis treffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht (BAG Urteil vom 28. November 1984 – 5 AZR 123/83BAGE 47, 238, 245 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht). Das rechtliche Interesse an der Erhebung einer Feststellungsklage ist in der Regel zu verneinen, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Der Antrag darf sich auch nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Vorgang beziehen. In diesem Fall ist das Begehren der Parteien auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens gerichtet, für das kein Rechtsschutzinteresse besteht.

2. Für den Antrag können die Klägerinnen und Kläger kein rechtliches Interesse i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO geltend machen. Er bezieht sich auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt. Außerdem wäre eine Leistungsklage möglich gewesen.

a) Der Antrag ist zunächst nicht deutlich gefaßt und bedarf der Auslegung, daß die Klägerinnen und Kläger die Feststellung eines Anspruchs auf fünf Tage Winterzusatzurlaub für jeden von ihnen beantragen. Ferner ist die Angabe des Zeitraums 1. November 1988 bis 31. März 1989 im Antrag dahin zu deuten, daß damit nicht ein Erfüllungszeitraum beschrieben, sondern der Rechtsgrund für den Zusatzurlaub bezeichnet wird. Anderenfalls wäre der Antrag von Anfang an vergangenheitsbezogen und unzulässig. Angesichts der zwischenzeitlich beendeten Ausbildung der Klägerinnen und Kläger bezieht sich der Antrag, jedenfalls soweit Befreiung von den Pflichten des Ausbildungsverhältnisses für die Dauer von fünf Tagen verlangt wird, auf einen abgeschlossenen Vorgang in der Vergangenheit. Die Klägerinnen und Kläger haben darüberhinaus nicht erklärt, die Beklagte solle sie jetzt noch von der (Arbeits-)Pflicht freistellen. Vielmehr verdeutlichte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerinnen und Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Vergangenheitsbezug des Antrags, als er vortrug, der Klageantrag müsse so verstanden werden, daß den Klägerinnen und Klägern der Anspruch zustand.

b) Die Klägerinnen und Kläger hätten jederzeit eine Leistungsklage auf zukünftige Gewährung von Winterzusatzurlaub erheben können. Sie wäre ohne Nennung eines Leistungszeitraums statthaft gewesen (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. zuletzt Senatsurteil vom 22. Oktober 1991 – 9 AZR 373/90 – ZTR 1992, 339). Ein Leistungsurteil hätte den Streit der Parteien endgültig vollstreckungsfähig entschieden. Weitere Streitpunkte, die nicht mit einer Leistungsklage, wohl aber mit einer Feststellung umfassend wie bei Eingruppierungs- und Statusklagen hätten geklärt werden können, bestanden zwischen den Parteien nicht.

c) Angesichts dessen kommt es auf die Tatsache nicht mehr an, daß die Beklagte ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist, von dem nach früherer Rechtsprechung angenommen wurde, er werde sich der nicht vollstreckungsfähigen Feststellung beugen.

3. Der Hilfsantrag der Klägerin zu 13) und der Kläger zu 6), 8) und 18) ist unzulässig. War bisher Gegenstand des Rechtsstreits allein ein Anspruch auf Befreiung von den Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis, verfolgen die Klägerin zu 13) und die Kläger zu 6), 8) und 18) mit dem Hilfsantrag einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Damit haben sie die Klage erweitert. Das ist in der Revisionsinstanz unzulässig.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Lipke, Dörner, Dr. Engelmann, Roeder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073523

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