Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhegeldanpassung – Essener Verband

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 1, 5, § 16; BGB §§ 139, 315; Satzung des Essener Verbandes in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung § 5 Abs. 1; Leistungsordnung A des Essener Verbandes in der seit dem 1. Januar 1986 geltenden Fassung § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 6, § 18c; Leistungsordnung A des Essener Verbandes in der seit dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung § 12

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 11.08.1998; Aktenzeichen 13 (4) Sa 968/97)

ArbG Köln (Urteil vom 02.04.1997; Aktenzeichen 7 Ca 3683/96)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. August 1998 – 13 (4) Sa 968/97 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte das Ruhegeld des Klägers zum 1. Januar 1995, 1. Juli 1995, 1. Juli 1996 und 1. Juli 1997 in der vom Vorstand des Essener Verbandes beschlossenen Höhe anpassen mußte.

Der am 17. April 1929 geborene Kläger war bis zum 30. November 1989 in einer Führungsfunktion bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte gehört dem Essener Verband an. Der Kläger erhielt eine Ruhegeldzusage nach der Leistungsordnung dieses Verbandes.

Im Aufhebungsvertrag vom 18. Februar 1988, geändert durch Vertrag vom 30. Mai 1989, vereinbarten die Parteien:

  1. „Das Arbeitsverhältnis endet zum 30.11.1989.
  2. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt auf Veranlassung von KHD aus betrieblichen Gründen.
  3. Als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere des Verlustes des Arbeitsplatzes, zahlen wir Ihnen bei Ausscheiden aufgrund dieses Vertrages aus sozialen Gründen einen Betrag von netto DM 36.000,00, der mit der letzten Entgeltzahlung fällig ist.
  4. Im Anschluß an Ihr Ausscheiden erhalten Sie durch den Essener Verband für die Dauer von 53 Monaten, d.h. vom 01.12.1989 bis 30.4.1992 einen Übergangsbezug in Höhe von monatlich brutto DM 3.000,– und für die Zeit vom 01.05.1992 bis 30.04.1994 einen Übergangsbezug in Höhe von monatlich brutto DM 3.500,–.
  5. Ab 01.05.1994 erhalten Sie nach Vorlage Ihres Rentenbescheides Ihr endgültiges Ruhegeld aus dem Essener Verband entsprechend der Leistungsordnung, wobei die Gruppe „K” und 25 Jahre zugrunde gelegt werden.

    …”

Die Beklagte zahlte dem Kläger die versprochenen Übergangsbezüge. Seit dem 1. Mai 1994 gewährt sie ihm das volle Altersruhegeld der Gruppe K. Bei Rentenbeginn ging sie von den damals geltenden Gruppenbeträgen aus. Am 16. Januar 1995 beschloß der Vorstand des Essener Verbandes, die Gruppenbeträge ab 1. Januar 1995 um 3 % zu erhöhen. An diesen Beschluß sollten laut Niederschrift über die 87. Vorstandssitzung vom 16. Januar 1995 die Mitgliedsunternehmen nicht gebunden sein, „wenn und soweit deren schwierige wirtschaftliche Situation eine derartige Erhöhung nicht zuläßt”. Damals schrieb § 5 Abs. 1 der Satzung des Essener Verbandes vor:

„Die Mitglieder sind verpflichtet, die Satzung, die Leistungsordnungen und die Beschlüsse der Organe des Verbandes einzuhalten sowie die festgestellten Leistungen zu erbringen, es sei denn, daß dies einem Mitglied aufgrund nachhaltiger wesentlicher Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage nicht mehr zugemutet werden kann.”

Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, daß ihre wirtschaftliche Situation keine Erhöhungen der Versorgungsleistungen erlaube. Der Vorstand des Essener Verbandes beschloß zum 1. Juli 1995 und 1. Juli 1996 weitere Anhebungen der Gruppenbeträge. In den Niederschriften über diese Erhöhungsbeschlüsse war von einer Einschränkung der Bindungswirkung nicht mehr die Rede. Die Beklagte paßte weder zum 1. Juli 1995 noch zum 1. Juli 1996 das Ruhegeld des Klägers an. Sie berief sich weiterhin auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage.

In der Sitzung vom 19. September 1996 änderte der Vorstand des Essener Verbandes mit Wirkung vom 1. Januar 1997 sowohl die Satzung als auch die Leistungsordnung A (LO A). Dem § 5 Abs. 1 der Satzung wurden folgende neue Sätze 2 und 3 angefügt:

„Von den Beschlüssen der Organe des Verbandes über die Anpassung von Gruppenbeträgen für Anwärter und von Zahlbeträgen für laufende Leistungen darf ein Unternehmen abweichen, wenn ihm die Anpassung aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zugemutet werden kann. Das Unternehmen hat den Vorstand des Essener Verbandes hierüber zu informieren.”

Durch Änderungen des § 3 der Satzung sowie der §§ 3, 8 und 12 LO A wurde die Anpassung der laufenden Betriebsrenten mit Wirkung zum 1. Januar 1997 von der Anpassung der Gruppenbeträge abgekoppelt. Die Zahlbeträge der laufenden Leistungen werden nunmehr eigenständig überprüft und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen angepaßt. Der Vorstand des Essener Verbandes erhöhte die Zahlbeträge zum 1. Juli 1997 um 1 %. In der über diesen Beschluß gefertigten Niederschrift wird eine Ausnahme für Mitgliedsunternehmen in schwieriger wirtschaftlicher Lage nicht erwähnt. Die Beklagte lehnte unter Berufung auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse auch Anpassungen der Betriebsrenten zum 1. Juli 1997 ab.

Der Kläger hat von der Beklagten die Differenzbeträge zwischen den seit Januar 1995 geleisteten Zahlungen und den Betriebsrenten verlangt, die ihm bei einer Erhöhung entsprechend den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes zustünden. Er hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten im Aufhebungsvertrag vereinbart, daß sich seine Versorgungsanprüche nach Teil I LO A richten und auch den darin enthaltenen Dynamisierungsregelungen unterfallen sollten. Die Bindungswirkung der Erhöhungsbeschlüsse des Vorstandes des Essener Verbandes hänge nicht von der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Unternehmen ab. Ein derartiger Bindungsausschluß sei vom Vorstand des Essener Verbandes nicht beschlossen worden und wäre zudem unwirksam.

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, sinngemäß beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis einschließlich 30. November 1997 noch 4.925,83 DM brutto zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend ab Dezember 1997 statt des bisher gezahlten Ruhegeldes in Höhe von 2.863,10 DM brutto ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 3.061,45 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe sich im Aufhebungsvertrag nicht verpflichtet, die laufende Betriebsrente des Klägers abweichend von der LO A zu dynamisieren. Da der Kläger vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, gelte für ihn Teil II der LO A. Danach sei die Beklagte lediglich zu einer Anpassung nach § 16 BetrAVG verpflichtet. Wegen ihrer wirtschaftlichen Lage habe sie von einer Anpassung absehen dürfen. Im übrigen habe der Vorstand des Essener Verbandes am 16. Januar 1995 beschlossen, die Bindungswirkung seiner Anpassungsentscheidungen einzuschränken. Die Beklagte hat behauptet, dieser Beschluß habe bis auf weiteres auch für alle künftigen Erhöhungen der Gruppenbeträge gelten sollen. Sie hat gemeint, die differenzierten Anpassungsentscheidungen des Vorstandes des Essener Verbandes seien rechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstießen weder gegen die Satzung noch gegen die Leistungsordnung des Essener Verbandes. Ein unzulässiger Eingriff in Versorgungsrechte der Betriebsrentner liege nicht vor.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgeben. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der noch anhängigen Klage zu Recht stattgegeben. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anpassungsanspruch zu. Die Beklagte ist verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers bis zum 31. Dezember 1996 entsprechend der Erhöhung der Gruppenbeträge und seit dem 1. Januar 1997 entsprechend der Erhöhung der Zahlbeträge für die laufenden Leistungen anzupassen.

I. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, haben die Parteien im Aufhebungsvertrag vereinbart, daß dem Kläger eine nach Teil I der LO A dynamisierte Betriebsrente zusteht. Das Berufungsgericht hat den Aufhebungsvertrag rechtsfehlerfrei ausgelegt.

1. Ob die im Aufhebungsvertrag enthaltenen Abreden zur betrieblichen Altersversorgung individuell ausgehandelt worden waren oder ob es sich um typisierte, in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend verwandte Vereinbarungen handelte, kann dahinstehen. Bei nichttypischen Verträgen hat das Revisionsgericht nur zu überprüfen, ob das Tatsachengericht gesetzliche Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer acht gelassen hat(ständige Rechtsprechung, vgl. ua. BAG 2. Juni 1987 – 3 AZR 626/85BAGE 55, 309, 314; 7. Oktober 1993 – 2 AZR 260/93 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr.9, zu II 1 a der Gründe mwN). Typische Verträge unterliegen einer unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle(vgl. ua. BAG 17. Dezember 1960 – 3 AZR 125/59 – BAGE 10, 271, 277 f.; 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77BAGE 32, 6, 9 f.; 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1, zu B I 2 der Gründe). Die Auslegung des Aufhebungsvertrages durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer derartigen Überprüfung stand.

2. Ebenso wie in dem vom Senat mit Urteil vom 9. November 1999(– 3 AZR 361/98 – AP BetrAVG § 7 Nr. 96 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 62, zu B I der Gründe) entschiedenen Fall ergibt sich die Dynamisierungszusage aus dem Wortlaut und dem Zweck der versorgungsrechtlichen Vereinbarungen im Aufhebungsvertrag.

a) In Nr. 2 des Aufhebungsvertrages wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung der Arbeitgeberin aus betrieblichen Gründen erfolgt. Die Beklagte wollte demnach eine betriebsbedingte Kündigung vermeiden. Der Kläger hatte bei Vertragsschluß das 58. Lebensjahr vollendet. Sein Arbeitsverhältnis und die Zusage einer Versorgung nach der LO A bestanden erheblich länger als 10 Jahre. Bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung hätte ihm eine Betriebsrente nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LO A aF zugestanden. Diese Vorschrift lautete bis zum 31. Dezember 1996 wie folgt:

„Kündigt das Mitglied einem Angestellten, der mit Ablauf der Kündigungsfrist das 50. Lebensjahr vollendet hat, vom Tage der Anmeldung an mindestens zehn Jahre ununterbrochen bei demselben Mitglied tatsächlich verbracht und keinen Grund zu einer fristlosen Entlassung gesetzt hat, und dem für den Verlust des Arbeitsplatzes Leistungen von anderer Seite nicht gewährt werden, wird … nach Vollendung des 65. Lebensjahres die volle jeweils in Betracht kommende Leistung auf der Grundlage der mit Ablauf der Kündigungsfrist zu berücksichtigenden Dienstjahre gewährt; sofern der Angestellte das Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt, kann auf seinen Wunsch eine vorzeitige Zahlung der Leistung unter Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 3 Abs. 7 in Betracht kommen.”

Der Versorgungsanspruch nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LO A aF wird nicht entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitratierlich gekürzt. Er ist auch, anders als der im Teil II der LO A geregelte Versorgungsanspruch vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer, dynamisiert.

aa) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b LO A aF steht dem Arbeitnehmer „die volle jeweils in Betracht kommende Leistung” zu. Diese Formulierung zeigt, daß die Bemessungsgrundlagen im Gegensatz zu § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht festgeschrieben werden sollen. Die weitere Entwicklung der Gruppenbeträge ist zu berücksichtigen. Folgerichtig ist der Ruhegeldanspruch nach § 6 LO A aF im Teil I enthalten. Für diese Betriebsrente gelten nicht die Regelungen des Teils II, sondern die des Teils I und die gemeinsamen Vorschriften des Teils III.

bb) Ältere Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit, die durch Arbeitgeberkündigung vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne einen Grund zu einer fristlosen Kündigung gesetzt zu haben, sind damit vor betriebsrentenrechtlichen Nachteilen eines vorzeitigen Ausscheidens weitgehend geschützt. Sie verlieren nur die Chance, durch weitere Dienstjahre den maßgeblichen Prozentsatz zu steigern. Wenn sie eine Dienstzeit von 25 Jahren und damit den Höchstsatz erreicht haben, erleiden sie keine Verluste.

b) Ob § 6 LO A auf Aufhebungsverträge entsprechend anzuwenden ist, kann offenbleiben. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b in Verbindung mit den Vorschriften des Teils I der LO A aF zumindest kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbar. Diese Abrede war nach § 7 Abs. 1 LO A auch verbandsintern zulässig. Ausnahmeregelungen nach § 7 LO A müssen nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Es genügt, daß sie sich durch Auslegung den vertraglichen Vereinbarungen entnehmen lassen. Der Kläger sollte durch den Aufhebungsvertrag jedenfalls nicht schlechter gestellt werden als er nach § 6 LO A aF bei einer betriebsbedingten Kündigung gestanden hätte. Den Arbeitnehmern sollte ein Anreiz zum vorzeitigen Ausscheiden geboten werden. Auch der vorliegende Aufhebungsvertrag ist entsprechend ausgestaltet.

aa) Nr. 4 des Aufhebungsvertrages geht erkennbar davon aus, daß dem Kläger nicht eine der Veränderungssperre unterliegende Betriebsrente nach Teil II der LO A zusteht, sondern eine nach Teil I LO A dynamisierte. Der maßgebliche Gruppenbetrag wurde im Aufhebungsvertrag nicht festgeschrieben. Ohne Einschränkung wurde darauf hingewiesen, daß der Kläger „Ruhegeld aus dem Essener Verband entsprechend der Leistungsordnung” erhalte, „wobei die Gruppe K und 25 Jahre zugrunde gelegt” würden. Die endgültige Berechnung der Betriebsrente sollte nach Vorlage des Rentenbescheides erfolgen. Auf die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse bei Eintritt in den Ruhestand kommt es nur bei einer nach Teil I LO A dynamisierten Betriebsrente an. Dagegen spielen sie bei einer nach Teil II LO A berechneten Betriebsrente auf Grund der Veränderungssperre des § 11 Abs. 6 LO A aF keine Rolle. Denn diese Veränderungssperre gilt „auch für die Bemessungsgrundlagen anderer Versorgungsbezüge, die bei der Berechnung der Betriebsrente zu berücksichtigen sind”. § 11 Abs. 6 Satz 1 LO A aF stellt ebenso wie § 2 Abs. 5 BetrAVG bei der Anrechnung der Sozialversicherungsrente auf den Zeitpunkt des Ausscheidens ab.

bb) Der Abfindungsvereinbarung in Nr. 3 des Aufhebungsvertrages läßt sich nicht entnehmen, daß die Parteien eine von der weiteren Entwicklung abgekoppelte Betriebsrente vereinbaren wollten und der Kläger die Rentendynamisierung deshalb verlieren sollte, weil das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung der Beklagten, sondern durch einen von ihr veranlaßten Aufhebungsvertrag endete. Die Beklagte zahlte die Abfindung „für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Nachteile, insbesondere des Verlustes des Arbeitsplatzes, … aus sozialen Gründen”. Versorgungsrechtliche Einbußen wurden nicht erwähnt. Im Gegenteil: Obwohl sich der Zweck der vereinbarten Abfindung und der Zweck von Übergangsbezügen überschneiden, übernahm die Beklagte eine über § 6 LO A aF hinausgehende Verpflichtung zur Zahlung von Übergangsbezügen. Dies zeigt, daß der Kläger unabhängig von der Abfindung keine Einbußen, gemessen an § 6 LO A aF, erleiden sollte. Bei der Betriebsrente fehlen sogar die zwischen Übergangsgeld und Abfindung bestehenden Gemeinsamkeiten.

II. Die Beklagte ist verpflichtet, die vom Vorstand des Essener Verbandes zum 1. Januar 1995, 1. Juli 1995 und 1. Juli 1996 beschlossenen Anpassungen der Gruppenbeträge und die zum 1. Juli 1997 beschlossene Anpassung der Zahlbeträge für die laufenden Leistungen zu beachten. Trotz ihrer damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist sie an diese Anpassungsbeschlüsse gebunden.

1. Der Vorstand des Essener Verbandes konnte Mitgliedsunternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht von der Bindungswirkung seines Anpassungsbeschlusses vom 16. Januar 1995 ausklammern. Nur Unternehmen in einer wirtschaftlichen Notlage mußten den Anpassungsbeschluß nicht umsetzen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, daß diese Voraussetzung bei ihr erfüllt war.

a) Laut Niederschrift der 87. Vorstandssitzung vom 16. Januar 1995 sollte die Gruppenbetragserhöhung um 3 % zum 1. Januar 1995 Mitgliedsunternehmen nicht binden, „wenn und soweit deren schwierige wirtschaftliche Situation derartige Erhöhungen nicht zuläßt”. Dabei handelte es sich um eine Einschränkung der Bindungswirkung und nicht lediglich um einen deklaratorischen Hinweis auf die ohnehin geltenden Ausnahmeregelungen in § 18c LO A und § 5 Abs. 1 der Satzung aF. Nach diesen Vorschriften muß ein Mitgliedsunternehmen die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes dann nicht einhalten, wenn dies dem Unternehmen „aufgrund nachhaltiger wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht mehr zugemutet werden kann”. Damit wurde der steuerunschädliche Notlagenvorbehalt des Abschnitts 41 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a der Einkommenssteuerrichtlinien übernommen. Die darin beschriebenen Voraussetzungen waren arbeitsrechtlich für einen Widerruf der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage erforderlich(vgl. Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einl. Rn. 569; Griebeling Betriebliche Altersversorgung Rn. 835; Höfer BetrAVG Stand: Januar 1999 ART Rn. 383). Die vom Vorstand des Essener Verbandes am 16. Januar 1995 verwandte Formulierung stellte geringere Anforderungen. Dies war kein Versehen. Die Wortwahl orientierte sich erkennbar an § 16 BetrAVG. Nach dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber eine Anpassung verweigern, wenn seine wirtschaftliche Lage die an sich gebotene Rentenerhöhung nicht zuläßt(vgl. ua. BAG 14. Februar 1989 – 3 AZR 191/87BAGE 61, 94, 97).

b) Die vom Vorstand des Essener Verbandes am 16. Januar 1995 beabsichtigte, über § 18 c LO A und § 5 Abs. 1 der Satzung aF hinausgehende Einschränkung der Bindungswirkung war unwirksam.

aa) Der Essener Verband ist ebenso wie der Bochumer Verband ein sogenanntes Konditionenkartell. Es dient der Vereinheitlichung der Versorgungsleistungen für die angeschlossenen Unternehmen. Dieser Verbandszweck erlaubt nur branchenbezogene Unterscheidungen bei der Festsetzung der Gruppenbeträge. § 5 der Satzung regelt, unter welchen Voraussetzungen die Vereinheitlichungsinteressen des Verbandes bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des einzelnen Mitgliedsunternehmens ausnahmsweise zurücktreten sollen. Bis zum 31. Dezember 1996 sollte nur eine wirtschaftliche Notlage zu einer Einschränkung der Bindungswirkung führen. Ohne Änderung der Satzung war der Vorstand des Essener Verbandes nicht befugt, das Konditionenkartell zu relativieren.

bb) Auf das Urteil des Senats vom 27. August 1996(– 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 42 ff.) kann sich die Beklagte nicht berufen. Die Argumentation in dieser Entscheidung spricht nicht für, sondern gegen sie. Der Senat hatte darüber zu entscheiden, ob der Bochumer Verband unterschiedliche Anpassungssätze für die steinkohleproduzierenden Bergbauunternehmen einerseits und die übrigen Mitgliedsunternehmen andererseits beschließen durfte. Diese differenzierte, aber brancheneinheitliche Anpassung hat der Senat für zulässig gehalten, weil das Konditionenkartell unangetastet bleibt, wenn allgemein nach Branchen unterschieden wird(BAG 27. August 1996 – 3 AZR 466/95BAGE 84, 38, 47 f.). Davon zu unterscheiden sind Differenzierungen nach der wirtschaftlichen Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens. Das auch vom Essener Verband verfolgte Ziel, die Bedingungen der betrieblichen Altersversorgung zu koordinieren, schließt eine unternehmensbezogene Betrachtung aus(vgl. BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98BAGE 92, 358, 382).

cc) Die Unwirksamkeit der Ausnahmeregelung führt nach § 139 BGB nicht dazu, daß die Anpassungsentscheidung als solche unwirksam ist. Die verletzte Norm dient der Herstellung einheitlicher Versorgungsbedingungen. Diesem Zweck entspricht es, daß lediglich die Ausnahmeregelung entfällt und die getroffene Entscheidung für alle Mitgliedsunternehmen gilt. Der Essener Verband soll möglichst zeitnah branchenweite Anpassungsentscheidungen treffen. Auf die Interessen einzelner Mitgliedsunternehmen kommt es nicht an.

2. Die Anpassungsbeschlüsse zum 1. Juli 1995 und 1. Juli 1996 enthalten die in der Vorstandssitzung vom 16. Januar 1995 protokollierte Einschränkung der Bindungswirkung nicht mehr. Laut Niederschrift der 87. Vorstandssitzung vom 16. Januar 1995 bezog sich die Einschränkung der Bindungswirkung auf den „Beschluß einer Gruppenbetragserhöhung ab 1. Januar 1995 um 3 %”. Nach dieser Formulierung handelte es sich lediglich um eine Ausnahmeregelung für diese konkrete Anpassungsentscheidung. Selbst wenn der Vorstand des Essener Verbandes am 16. Januar 1995 auch eine Einschränkung der Bindungswirkung künftiger Anpassungsentscheidungen beschlossen hatte, war diese Ausnahmeregelung aus den bereits ausgeführten Gründen unwirksam.

3. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß der Essener Verband § 5 seiner Satzung mit Wirkung vom 1. Januar 1997 geändert hat. Nach dem neu eingefügten § 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung darf ein Mitgliedsunternehmen von den Vorstandsbeschlüssen über die Anpassung der Gruppenbeträge für die Versorgungsanwärter und der Zahlbeträge für die laufenden Leistungen abweichen, wenn ihm die Anpassung auf Grund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zugemutet werden kann. Dabei handelt es sich um keine bloße Klarstellung, sondern um eine einschneidende inhaltliche Änderung, die erst für die Anpassungsentscheidungen ab 1. Januar 1997 gelten soll. Die Versorgungsrechte des Klägers sind durch § 5 Abs. 1 Satz 2 der neu gefaßten Satzung nicht wirksam eingeschränkt worden.

a) Für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften hat der Senat ein dreiteiliges Prüfungsschema entwickelt(ständige Rechtsprechung seit 17. April 1985 – 3 AZR 72/83BAGE 49, 57, 66 ff.). Es ist jedoch auf Versorgungsanwartschaften zugeschnitten und nicht ohne weiteres auf Betriebsrenten übertragbar(vgl. ua. BAG 16. Juli 1996 – 3 AZR 398/95BAGE 83, 293, 299; 23. September 1997 – 3 AZR 529/96 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu II 3 a der Gründe). Wenn nicht die Höhe der Versorgungsanwartschaft, sondern eine andere Rechtsposition der Versorgungsberechtigten betroffen ist, kommt es auf die hinter dem Prüfungsprogramm stehenden allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit an(BAG 26. August 1997 – 3 AZR 235/96BAGE 86, 216, 223). Auch die Änderungen, die sich auf die Anpassung laufender Versorgungsleistungen auswirken, bedürfen tragfähiger Gründe. Wie gewichtig die Gründe sein müssen, läßt sich allerdings nicht schematisch beantworten, sondern hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die konkrete Änderung entstehen(BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98BAGE 92, 358, 366). Für den Eingriff in die Versorgungsrechte, der sich aus der Einschränkung der Bindungswirkung der Anpassungsentscheidungen des Essener Verbandes ergibt, fehlen ausreichende Änderungsgründe.

b) Bisher galt die Anpassungsentscheidung branchenweit für alle Mitgliedsunternehmen. Auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Unternehmens kam es grundsätzlich nicht an. Nur wenn sich das Mitgliedsunternehmen in einer wirtschaftlichen Notlage befand und deshalb zu einem Widerruf der Versorgungszusage berechtigt war, mußte es die Anpassungsentscheidung nicht einhalten. Bei einem Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage hatte jedoch der Pensions-Sicherungs-Verein nach § 7 Abs. 1 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung für die Dynamisierungspflicht einzustehen(vgl. BAG 8. Juni 1999 – 3 AZR 39/98 – AP BetrAVG § 7 Nr. 92 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 60, zu II der Gründe mwN). Damit spielten die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens für den Betriebsrentner keine Rolle. Er nahm an den branchenbezogenen Anpassungen auf jeden Fall teil. Darin bestand der besondere Wert der bisherigen Dynamisierungspflicht und der wesentliche Unterschied zur Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG.

Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung vorgesehene Einschränkung der Bindungswirkung hat die unternehmensübergreifende Betrachtung weitgehend beseitigt. Ebenso wie bei § 16 BetrAVG soll nunmehr auch bei Versorgungsleistungen nach Teil I der LO A des Essener Verbandes die Anpassungspflicht des einzelnen Mitgliedsunternehmens von seiner wirtschaftlichen Belastbarkeit abhängen. Da § 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung geringere Anforderungen stellt als § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung, bedarf es keiner wirtschaftlichen Notlage. § 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung verweist zwar nicht ausdrücklich auf § 16 BetrAVG, übernimmt aber mit der Formulierung „aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zugemutet werden kann” erkennbar den gesetzlichen Prüfungsmaßstab. Dies führt dazu, daß der Arbeitgeber nicht insolvent sein muß und die Anpassungspflicht auch ohne Eintritt eines Sicherungsfalles erlöschen kann. Damit fehlt die für den Insolvenzschutz nötige Kausalität. Durch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des einzelnen Unternehmens und den Verlust des Insolvenzschutzes würden die Betriebsrentner mit schwerwiegenden Risiken belastet, die sie bisher nicht tragen mußten. Dies ist ein erheblicher Eingriff in ihre Versorgungsrechte, für den sachliche Gründe nicht ausreichen. Erforderlich sind zumindest triftige Gründe.

c) Bei der Prüfung eines triftigen Grundes für die mit der Lockerung des Konditionenkartells verbundenen Eingriffe in die Versorgungsrechte kommt es nicht auf die Sichtweise und die Verhältnisse des einzelnen Unternehmens an. Entsprechend der Struktur der Versorgungsordnung und dem Zweck des Konditionenkartells ist ein branchenweiter Prüfungsmaßstab anzulegen. Soll eine Ausnahmeregelung die bisherige Vereinheitlichung teilweise beseitigen, so muß dafür ein unternehmensübergreifender tragfähiger Änderungsgrund bestehen. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, daß wirtschaftliche Schwierigkeiten einzelner Unternehmen stets möglich waren, jedoch unberücksichtigt blieben. Dies lag sowohl im Interesse des Konditionenkartells als auch im Interesse der Versorgungsberechtigten und stellte einen besonderen Wert der zugesagten Versorgung dar. Bei den Betriebsrentnern wurde ein Vertrauenstatbestand geschaffen, in den nur aus gewichtigen Gründen eingegriffen werden kann. Es genügte nicht, daß ohne schwerwiegende unternehmensübergreifende Veränderungen lediglich eine von Anfang an belastende Regelung relativiert werden sollte. Branchenbezogene triftige Änderungsgründe sind jedoch nicht ersichtlich.

III. Über die Höhe der geltend gemachten Ansprüche besteht zwischen den Parteien kein Streit.

 

Unterschriften

Dr. Reinecke ist wegen Urlaub an der Unterschrift gehindert Kremhelmer, Kremhelmer, Bepler, Schmidt, Platow

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 25.07.2000 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI637681

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