Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit. Vorruhestand

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitnehmer des Baugewerbes, der während eines früheren Beamtenverhältnisses wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist und seither ein Ruhegehalt bezieht, erhält damit keine Bezüge öffentlich-rechtlicher Art, die dem Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres, der Knappschaftsausgleichsleistung oder vergleichbaren Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens ähnlich sind. Er hat Anspruch auf Vorruhestandsleistungen, sobald er die tariflichen Voraussetzungen des § 2 VRTV-Bau erfüllt.

Der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen erlischt nicht mit Vollendung des 62. Lebensjahres. Das Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit wandelt sich zu diesem Zeitpunkt nicht in einen ähnlichen Bezug öffentlich-rechtlicher Art.

 

Normenkette

Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe (Vorruhestandstarifvertrag) vom 26. September 1984 i.d.F. der Änderungstarifverträge vom 17. Dezember 1985 und 27. Oktober 1988 § 2 Abs. 1, § 8; VRG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 5; AFG § 118 Abs. 1 Nr. 4; BBG § 42 Abs. 1, 3; BeamtenVG §§ 2, 4

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 20.06.1990; Aktenzeichen 2 Sa 87/89)

ArbG Bremerhaven (Urteil vom 08.03.1989; Aktenzeichen 2 Ca 722/87)

 

Tenor

Die Revision der Streithelferin der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 20. Juni 1990 – 2 Sa 87/89 – wird zurückgewiesen.

Die Streithelferin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK), die dem Rechtsstreit als Streithelferin auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, streiten darüber, wie lange der Kläger Vorruhestandsleistungen verlangen kann.

Der im November 1928 geborene Kläger war früher bei der Deutschen Bundesbahn als Beamter beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1966 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die Bundesbahn zahlt ihm seither ein monatliches Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit. Der Kläger war bis Ende Mai 1968 freiwillig bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte rentenversichert. Mit Wirkung vom 1. Juni 1968 ließ er sich von der Rentenversicherungspflicht befreien. Das beklagte Bauunternehmen betreibt u.a. einen Baumarkt, in dem der Kläger seit September 1972 als Verkäufer beschäftigt war. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren die Tarifverträge des Baugewerbes kraft beiderseitiger Tarifbindung anzuwenden, darunter der Tarifvertrag über den Vorruhestand im Baugewerbe in der jeweiligen Fassung (VRTV-Bau). Anfang 1986 führten die Parteien erstmals Gespräche über einen Vorruhestand des Klägers. Nebenher informierte sich die Beklagte bei der ZVK über das Erstattungsverfahren zwischen Arbeitgeber und ZVK. Die ZVK teilte der Beklagten unter dem 17. Juni 1986 mit:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dem in Ihrem Schreiben vom 20.08.1985 geschilderten Sachverhalt und den in Fotokopie vorgelegten Unterlagen dürften bei Herrn W… die tarifvertraglichen Voraussetzungen für den Vorruhestand gegeben sein; vorausgesetzt, er ist bis zum Beginn des beantragten Vorruhestandes weiterhin bei Ihnen beschäftigt.

Der Anspruch auf Vorruhestand entsteht u.a., wenn der Arbeitnehmer mindestens 58 Jahre und 6 Monate alt ist. Der Vorruhestand beginnt frühestens drei Monate nach Zugang des Antrags beim Arbeitgeber. Herr W… könnte demnach – bei fristgerechter Antragstellung – frühestens am 01.06.1987 in den Vorruhestand gehen.

Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann. Zu den ähnlichen Bezügen öffentlich-rechtlicher Art zählt auch das Ruhegehalt eines (ehemaligen) Beamten. Bei einem Beamten, der wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist und anschließend eine beitragspflichtige Beschäftigung, die den Anspruch auf Vorruhestandsgeld begründet, ausgeübt hat, ist das Ruhegeld von dem Zeitpunkt an als ähnlicher Bezug öffentlich-rechtlicher Art zu betrachten, von dem an das Ruhegeld wegen Erreichung bestimmter Altersgrenzen hätte gewährt werden können.

Nach dem Bundesbeamtengesetz kann zur Zeit ein Beamter auf Lebenszeit auch ohne den Nachweis der Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, wenn er das 62. Lebensjahr (…) vollendet hat. Da Herr W… als ehemaliger Beamter Ruhegehalt bezieht, würde der Vorruhestand, sofern er nicht schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes ist, mit Vollendung des 62. Lebensjahres enden.”

Von diesem Schreiben erhielt der Kläger erst im August 1987 Kenntnis. Nach weiteren Gesprächen der Parteien, insbesondere im Dezember 1986, deren Inhalt unter den Parteien streitig ist, beantragte der Kläger im Februar 1987 Vorruhestandsleistungen. Daraufhin teilte die ZVK in einem Vorbescheid vom 27. Mai 1987 der Beklagten mit,

“daß der im Betreff genannte Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug von Vorruhestandsgeld bei ununterbrochenem Verbleib in Ihrem Betrieb/Unternehmen bis zum beantragten Vorruhestandsbeginn erfüllt. Sie können daher im Rahmen der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen Vorruhestandsgeld an den Arbeitnehmer zahlen und der Erstattung der von Ihnen erbrachten Vorruhestandsleistungen bei uns beantragen. Nach den uns vorliegenden Unterlagen kann dem Arbeitnehmer längstens bis zum 30.11.1993 Vorruhestandsgeld gezahlt werden.”

Der Kläger erhielt von diesem Vorbescheid eine Kopie. Seit dem 1. Juni 1987 befindet er sich im Ruhestand und bezieht Vorruhestandsgeld. Im August 1987 übersandte die Beklagte dem Kläger einen handschriftlich abgeänderten Vorbescheid vom 27. Mai 1987, wonach längstens bis zum 30. November 1990 Vorruhestandsgeld gezahlt werden könne. Die Änderung beruhte auf einer Nachricht der ZVK vom 27. Juli 1987, in der diese ihre bereits im Juni 1986 geäußerte Rechtsauffassung wiederholte.

Gegen diese zeitliche Beschränkung seines Vorruhegeldanspruchs hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage gewandt. Weiter hat er Erfüllungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowie Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Er hat gemeint, er habe einen tarifvertraglichen Anspruch auf Vorruhestandsgeld bis zum 30. November 1993, weil er keine Leistungen erhalte, die seinen Anspruch nach dem VRTV-Bau vorzeitig zum Erlöschen gebracht hätten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte dem Kläger über den 30. November 1990 hinaus das Vorruhestandsgeld bis zum 30. November 1993 zu zahlen hat,

hilfsweise

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gemäß der Fiktion des § 3 des Tarifvertrages über den Vorruhestand für die Arbeitnehmer des Baugewerbes als mit dem 1. Juni 1987 beendet gilt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.150,-- DM brutto abzüglich erhaltenem Vorruhestandsgeld in Höhe von 9.584,-- DM netto nebst 4 % Zinsen auf den Betrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte und die ZVK haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf den Hauptantrag des Klägers festgestellt, daß die Beklagte über den 30. November 1990 hinaus das Vorruhestandsgeld bis zum 30. November 1993 zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich die Revision der Streithelferin, die die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils verlangt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Streithelferin der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vorruhestandsleistungen bis zum 30. November 1993 nach den Vorschriften des Tarifvertrags über den Vorruhestand im Baugewerbe in der jeweils gültigen Fassung. Der Anspruch ist nicht mit Ablauf des 30. November 1990 nach § 8 VRTV-Bau erloschen.

I. Der Kläger hat am 1. Juni 1987 den Anspruch auf Vorruhestandsgeld erworben. Er ist zu dieser Zeit 58 Jahre und 6 Monate alt gewesen (§ 2 Abs. 1 Buchst. a VRTV-Bau vom 26. September 1984 i.d.F. des Änderungstarifvertrages vom 17. Dezember 1985) und hat die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Buchst. b – d VRTV-Bau erfüllt.

II. Der Anspruch des Klägers ist nicht mit Ablauf des 30. November 1990 nach § 8 Abs. 1 Satz 1 VRTV-Bau i.d.F. des Änderungstarifvertrages vom 27. Oktober 1988 beendet. Danach erlischt der Anspruch auf Vorruhestandsgeld u.a. mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 VRG genannten Leistungen beanspruchen kann. Bei den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 VRG genannten Leistungen handelt es sich um Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres, Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art oder diesen Zahlungen vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens. Entgegen der Auffassung der Revision kann der Kläger vom 1. Dezember 1990 an keine dieser Leistungen beanspruchen.

1. Das beamtenversorgungsrechtliche Ruhegehalt nach den §§ 4 bis 14a BeamtVersG ist keine Leistung aus einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 VRG. Von diesem Tatbestand werden nur die Leistungen aus einer berufsständischen Versorgung und einer befreienden Lebensversicherung erfaßt (vgl. Andresen/Barton/Kuhn/Schenke, Vorruhestand, Loseblatt Stand 31. Januar 1991, Teil 6 Rz 19 ff.).

2. Das Ruhegehalt, das dem ehemaligen Beamten bei Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 42 Abs. 1 BBG) geleistet wird, ist kein Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1b VRG. Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres im Sinne dieser Vorschrift ist das vorgezogene Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BAGE 60, 22 = AP Nr. 1 zu § 5 VRG; BAGE 60, 38 = AP Nr. 2 zu § 5 VRG; BAGE 58, 260 = AP Nr. 3 zu § 2 VRG) und das beamtenversorgungsrechtliche Ruhegehalt, das nach vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand ohne den Nachweis der Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs. 3 BBG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung geleistet wird (so auch die Dienstanweisung der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 114/84, zu 2.11.9 Bsp. 1).

3. Der Kläger erhält auch keine ähnlichen Bezüge öffentlich-rechtlicher Art. Das ergibt die Auslegung der Gesetzesbestimmungen, auf die § 8 VRTV-Bau verweist und denen er nachgebildet ist.

a) § 8 Abs. 1 VRTV-Bau ist § 5 Abs. 1 Nr. 2 VRG nachgebildet. Diese Bestimmung regelt das Erlöschen des Anspruchs der Arbeitgeber auf Zuschuß der Bundesanstalt für Arbeit. Auch diese Vorschrift verweist auf § 2 Abs. 1 Nr. 1b VRG. § 5 Abs. 1 VRG ist an § 118 AFG angelehnt (BAGE 58, 260, 264; BAGE 60, 22, 29). Nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten, Knappschaftsruhegeld oder Knappschaftsausgleichsleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres zuerkannt ist. Das Bundessozialgericht hat mehrfach entschieden, daß ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift nur solche Leistungen sind, die die gleichen gemeinsamen und typischen Merkmale aufweisen wie die in dieser Vorschrift aufgeführten Altersruhegelder aus den Rentenversicherungen für eine Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Hierunter fallen nur Leistungen öffentlich-rechtlicher Art, die als Lohnersatz gedacht und ihrer Gesamtkonzeption nach so bemessen sind, daß sie im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellen. Außerdem müssen sie bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gewährt werden (BSGE 41, 177, 179; BSGE 43, 26, 30; BSG SozR 4100, § 118 Nr. 13).

b) Die Begriffe “ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art” in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG und in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VRG mögen nicht im vollen Umfang inhaltsgleich sein (BAGE 58, 260, 267), so daß im Einzelfall ein sozialrechtlicher Ruhenstatbestand gegeben sein kann (BSGE 43, 26), während ein Erlöschenstatbestand nach dem Vorruhestandsgesetz nicht oder nur teilweise vorliegen muß (BAGE 58, 260, 267; BAGE 60, 22, 29). Für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VRG ist jedoch wie bei der Auslegung des gleichlautenden Begriffs in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG davon auszugehen, daß ein dem Altersruhegeld, der Knappschaftsausgleichsleistung oder der Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ähnlicher Bezug öffentlich-rechtlicher Art nur vorliegt, wenn mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ein Lohnersatz geleistet wird, der der Gesamtkonzeption nach so bemessen ist, daß er im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellt.

c) So verhält es sich beim Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit nicht. Dieses wird unabhängig von einer bestimmten Altersgrenze geleistet, wenn die Voraussetzungen des § 42 BBG und der §§ 2, 4 BeamtVersG gegeben sind. Davon geht auch die Praxis der Streithelferin und der Bundesanstalt für Arbeit aus. Beide nehmen an, das Ruhegehalt, das der Beamte nach seiner Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erhält, sei zunächst kein ähnlicher Bezug (Durchführungsanweisungen 114/84 der Bundesanstalt für Arbeit unter 2.11.9). Anderenfalls hätten Beklagte und Streithelferin dem Kläger den Vorruhestand bei Erreichen der tariflichen Altersgrenze nach § 2 Abs. 1 Buchst. a VRTV-Bau versagen müssen, weil zugleich mit dem Entstehenstatbestand des § 2 VRTV-Bau der Erlöschenstatbestand des § 8 Abs. 1 VRTV-Bau gegeben gewesen wäre.

4. Entgegen der Auffassung der Revision wandelt sich das Ruhegehalt des ehemaligen Beamten, das er seit geraumer Zeit wegen Dienstunfähigkeit erhält, nicht mit Vollendung des 62. Lebensjahres in einen ähnlichen Bezug öffentlich-rechtlicher Art, weil er zu diesem Zeitpunkt seine Versetzung in den Ruhestand hätte beantragen (§ 42 Abs. 3 BBG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung) und entsprechend Ruhegehalt hätte beziehen können.

a) Der Wortlaut des § 8 VRTV-Bau gibt dafür keinen Anhaltspunkt. Vielmehr wird danach verlangt, daß der ausgeschiedene Arbeitnehmer eine Leistung in Anspruch nehmen kann, nicht nur könnte. Der Kläger kann aber ab 1. Dezember 1990 kein Altersruhegeld aus der Beamtenversorgung verlangen.

b) Die Berücksichtigung der weiteren Vorschriften des § 8 VRTV-Bau gibt ebenfalls keinen Hinweis auf den Willen der Tarifvertragsparteien, die aus Anlaß der Dienstunfähigkeit gewährte Beamtenversorgung vom 62. Lebensjahr an wie einen ähnlichen Bezug öffentlich-rechtlicher Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VRG zu behandeln. Den in § 8 Abs. 2 VRTV-Bau a.F. = § 8 Abs. 6 VRTV-Bau i.d.F. vom 27. Oktober 1988 vom ausgeschiedenen Arbeitnehmer verlangten Antrag auf Umwandlung in bzw. auf Altersruhegeld kennt das Beamtenversorgungsrecht nicht.

c) Auch bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Erlöschensvorschriften des § 8 VRTV-Bau läßt sich seinem Abs. 1 keine automatische Umwandlung des Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit in einen ähnlichen Bezug öffentlich-rechtlicher Art entnehmen. Zwar soll mit § 8 VRTV-Bau der Doppelbezug von sozialrechtlichen Leistungen für die Versorgung im Ruhestand verhindert werden. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß jeder Doppelbezug ausgeschlossen sein soll. Denn die Vorschriften des § 8 VRTV-Bau regeln durch die Verweisung auf die konkrete Aufzählung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VRG nicht alle Fälle von mehrfachen Leistungen. Sie nehmen mit der konkreten Aufzählung z.B. die unähnlichen Bezüge aus. Die Tarifvertragsparteien wie der Gesetzgeber lassen damit erkennen, daß der ausgeschiedene Arbeitnehmer Bezüge bekommen kann, deren Erhalt nicht zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgelder bzw. deren Anrechnung führt. Aus diesem Grunde verbietet es sich auch, eine planwidrige Tariflücke anzunehmen, die von den Gerichten für Arbeitssachen zu Lasten des Vorruhestandsberechtigten geschlossen werden könnte.

d) Die unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung von beamten-rechtlicher Dienstunfähigkeit einerseits und Erwerbs- und Berufsunfähigkeit andererseits ermöglicht keine am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz orientierte verfassungskonforme Auslegung der Tarifnorm zu Lasten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers. Gleichzubehandelnde Sachverhalte müssen der Feststellung von Dienstunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nicht zugrunde liegen. Die Dienstunfähigkeit ist nicht abhängig von einem bestimmten Grad der Erwerbsunfähigkeit. Der Begriff stellt auf die wesentlichen Dienstpflichten des Beamten ab, aber auch auf die Erfordernisse des Dienstherrn sowie darauf, ob anderen Beamten die Zusammenarbeit mit dem Erkrankten zugemutet werden kann (Plog/Wiedow/Beck, BBG, Stand März 1992, § 42 Rz 2). Demgegenüber berücksichtigen die Begriffe Erwerbs- und Berufsunfähigkeit allein Umstände in der Person des Versicherten. Auch die vom Landesarbeitsgericht zutreffend dargestellten Unterschiede bei der Bemessung der jeweiligen Versorgungsbezüge zeigen, daß keine gleichzubehandelnden Sachverhalte gegeben sind.

e) Der Antrag des Klägers, sich mit Wirkung vom 1. Juni 1968 von der Rentenversicherungspflicht nach § 7 AVG befreien zu lassen, ist für die Auslegung des Tarifvertrages ohne Bedeutung. Die Tarifvertragsparteien haben diesen Fall weder erwähnt noch die von der Revision daraus abgeleitete Rechtsfolge der Umwandlung eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit in einen ähnlichen Bezug öffentlich-rechtlicher Art geregelt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Lipke, Dörner, Timpe, Wisskirchen

 

Fundstellen

BAGE, 78

NZA 1993, 187

RdA 1992, 286

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