Leitsatz (amtlich)

  • Der Dienstleistende hat nach § 612 Abs. 1 BGB einen Vergütungsanspruch auch dann, wenn die versprochene letztwillige Zuwendung wegen eines Testierverbotes (§ 2271 Abs. 2 BGB) mißlingt (im Anschluß an BAG AP Nr. 15 zu § 612 BGB).
  • Auch in diesem Falle ist der Vergütungsanspruch bis zum Tode des Erblassers bzw. bis zur Feststellung der Unwirksamkeit seines Testaments als gestundet anzusehen (im Anschluß an BAG 14, 291 = AP Nr. 20 zu § 612 BGB).
 

Normenkette

BGB §§ 612, 196 Abs. 1 Ziff. 8, §§ 201, 202 Abs. 1, § 2271 Abs. 2; ZPO § 286 Abs. 1, § 561 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 09.03.1971; Aktenzeichen 3 Sa 101/70)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. März 1971 – 3 Sa 101/70 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments der verstorbenen Eheleute J… und M… A… aus dem Jahre 1931 Erbin des am 9. Dezember 1968 verstorbenen J… A…. Dessen Frau M… verstarb 1958. Schon vor deren Tode hat die Klägerin – Witwe eines Bruders des Erblassers – stundenweise bzw. halbtägig den Haushalt des Erblassers geführt. Sie erhielt dafür monatlich Beträge von 50,– DM bis 80,– DM und Teilverpflegung.

Nach dem Tode von Frau M… A… setzte die Klägerin die Haushaltsführung bei ihrem Schwager zunächst gegen eine monatliche Barvergütung von etwa 100,– DM und Teilverpflegung fort. Am 1. Juli 1960 zog die Klägerin in die Wohnung des Erblassers. Sie erhielt von da an nur freie Kost und Wohnung. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge sind für sie nicht abgeführt worden.

Am 19. März 1963 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament mit folgendem Wortlaut:

“Zu meiner Alleinerbin setze ich ein meine Schwägerin, Frau J… A… geborene P…. Ich danke meiner Schwägerin für die treuen Dienste, die sie mir geleistet hat. …”

Dieses Testament war wegen des vorliegenden gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute A… ungültig. Laut Erbschein des Amtsgerichts Kiel vom 3. März 1969 ist die Beklagte Alleinerbin des Erblassers.

Die Klägerin fordert von der Beklagten Arbeitslohn für die Zeit vom 1. Juli 1960 bis 31. Dezember 1968. Sie hält ein Entgelt von monatlich 200,– DM in bar neben freier Station für angemessen und hat deshalb vor dem Arbeitsgericht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 20.400,– DM zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach dem Antrage der Klägerin verurteilt.

Auf die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Beklagte nur zur Zahlung von 10.200,– DM an die Klägerin verurteilt.

Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (im wesentlichen) ausgeführt:

Zu Recht habe das Arbeitsgericht aus dem Beweisergebnis geschlossen, daß der Erblasser mit der Klägerin eine Vergütung für die Haushaltsführung vereinbart hat, die einmal in der gewährten freien Unterkunft und Verpflegung nebst sonstigen Nebenleistungen, zum anderen in einer Vergütung bestanden habe, die nach dem Tode des Erblassers durch Erbeinsetzung geleistet werden sollte. Die Zeugenaussagen über die Zusage des Erblassers, die Dienste der Klägerin durch Erbeinsetzung zu entlohnen, fänden ihre Bestätigung in der Tatsache, daß er das Testament zu ihren Gunsten dann auch am 19. März 1963 vor einem Notar errichtet habe. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß er bei Errichtung dieses Testaments von dessen Nichtigkeit gewußt habe. Hinzu komme, daß die Klägerin auch für ihre frühere Tätigkeit, sowohl vor wie nach dem Tode der M… A… neben Teilverpflegung auch Geldleistungen erhalten habe. Wegen der Nichtigkeit des zugunsten der Klägerin am 19. März 1963 errichteten Testaments aufgrund von § 2271 Abs. 2 BGB sei es nicht zu der von der Klägerin erwarteten und auch mit ihr vereinbarten Vergütung durch Erbeinsetzung gekommen. Deshalb stehe der Klägerin nunmehr eine Vergütung in Geld zu. Ein Betrag von 200,– DM monatlich neben den Naturalleistungen, wie ihn die Klägerin fordere und wie ihn das Arbeitsgericht zuerkannt habe, erscheine allerdings zu hoch. Die Tätigkeit der Klägerin habe allenfalls einer Halbtagsbeschäftigung entsprochen.

Pflegebedürftig sei der Erblasser nach dem Beweisergebnis nicht gewesen. Für die Höhe der Barvergütung sei auch nicht ohne Bedeutung, daß die Klägerin zunächst für ihre Tätigkeit nach dem Tode der M… A… nur 100,– DM monatlich erhalten habe. Sie habe damals ein kaum geringeres Arbeitspensum erledigt als dann später bei dauernder Anwesenheit in der Wohnung des Erblassers. Auch der Erblasser sei bei Errichtung des ungültigen Testaments nicht von einer monatlichen Barvergütung von 200,– DM ausgegangen; er habe nämlich den Wert seines gesamten Nachlasses im September 1963 mit 5.000,– DM beziffert. Damals sei die Klägerin aber schon über drei Jahre im Haushalt des Erblassers tätig gewesen; bei einem angenommenen Barentgelt von 200,– DM monatlich würde ihre Forderung mithin schon mehr als 7.200,– DM betragen haben. Deshalb halte das Gericht einen Barlohn von 100,– DM monatlich ab 1. Juli 1960 für den nach § 612 Abs. 2 BGB festzusetzenden Betrag. Dieser Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Die Verjährung sei gemäß § 202 Abs. 1 BGB bis zum Tode des Erblassers gehemmt gewesen, die am 6. September 1969 erhobene Klage innerhalb der ab November 1968 laufenden Verjährungsfrist erhoben worden. Die Beklagte berufe sich auch zu Unrecht auf die unter AP Nr. 26 zu § 612 BGB veröffentlichte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, das dort die Verjährung nur für den hier nicht vorliegenden Fall der “einseitigen Erwartung” eines Dienstleistenden für nicht gehemmt halte, dagegen wohl im Falle der “nicht erfüllten Zusage auf eine spätere Zuwendung”. Das Landesarbeitsgericht habe aber in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht im Falle der Klägerin eine Zusage des Erblassers, die Klägerin zur Vergütung ihrer Dienstleistungen als Alleinerbin einzusetzen, als bewiesen angesehen. Für diesen Fall sei eine Hemmung der Verjährung durch Stundung zumindest bis zum Tode des Versprechenden anzunehmen. Die Stundung habe nicht wörtlich ausgesprochen zu werden brauchen; sie liege darin, daß sich die Klägerin mit der Erbeinsetzung zufriedengegeben und vor dem Tode des Erblassers keine Barzahlung verlangt habe. Auf beschränkte Erbenhaftung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie nicht behauptet habe, daß eine der Voraussetzungen des § 1975 BGB vorliege.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der Senat tritt der rechtlich zutreffend begründeten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bei.

Soweit die Revision die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung rügt, kann diese Rüge nicht durchgreifen. Die von der Vorinstanz vorgenommene Beweiswürdigung ist für die Revisionsinstanz gemäß § 561 ZPO grundsätzlich bindend (BAG AP Nr. 3 zu § 580 ZPO). Verstöße gegen Denkgesetze, Widersprüchlichkeiten oder ähnlich von der Revisionsinstanz zu beachtende Fehler der freien Beweiswürdigung der Vorinstanz hat die Beklagte aber nicht vorgetragen. Selbst wenn es zutreffend wäre, daß – wie die Revision meint – der Sohn und die Schwiegertochter der Klägerin die einzigen Zeugen gewesen wären, die in ihrem Sinne ausgesagt hätten, würde dies die vom Landesarbeitsgericht ausreichend begründete richterliche Überzeugung nicht erschüttern können, denn nahe Verwandte oder Verschwägerte sind keine Zeugen “minderen Rechts”. Im übrigen hat sich das Landesarbeitsgericht eingehend mit den einzelnen Zeugenaussagen, ihrem Überzeugungsgrad und der Glaubwürdigkeit der Zeugen auseinandergesetzt.

Für das Gericht der Revisionsinstanz ist danach davon auszugehen, daß der Erblasser der Klägerin eine Abgeltung der ihm geleisteten Dienste durch Berücksichtigung in seiner letztwilligen Verfügung versprochen hat; es steht fest, daß die auf diese Zusage gegründeten Erwartungen der Klägerin im Hinblick auf die Nichtigkeit des vom Erblasser am 19. März 1963 errichteten Testaments zugunsten der Klägerin sich nicht erfüllt haben.

Die von der Beklagten in der Revisionsbegründung angeführten Entscheidungen des erkennenden Senats stützen sämtlich die angefochtene Entscheidung und nicht die Revision. Aus welchen Gründen eines Gesetzes- oder Formverstoßes im einzelnen die “versprochene Zuwendung” dem, der die zu vergütenden Dienste in der Erwartung dieser Vergütung geleistet hat, nicht gewährt wird, ist für das Entstehen eines Anspruches nach § 612 BGB belanglos. Inwieweit ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen der Nichtigkeit eines Testaments wegen Verstoßes gegen § 2247 Abs. 1 BGB (AP Nr. 15 zu § 612 BGB) und wegen Verstoßes gegen § 2271 BGB (wie im vorliegenden Fall) bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann – entgegen der Meinung der Revision – nicht deshalb ein Unterschied gesehen werden, weil es sich im einen Falle um einen Formverstoß (§ 2247 BGB) im anderen Falle aber um ein gesetzliches Testierverbot (§ 2271 BGB) handelt; denn für die Annahme eines auf § 612 BGB gestützten Anspruches kommt es entscheidend nur auf die Folge (des Formverstoßes oder des Testierverbotes) an, d.h. darauf, daß eine versprochene letztwillige Zuwendung aus dem einen oder anderen der angeführten oder auch aus anderen Gründen dem Begünstigten nicht zufließt. Die Ansprüche der Klägerin gründen sich nicht auf das – wegen Testierverbotes nichtige – Testament, sondern auf erbrachte und entgeltlich gewollte Arbeitsleistungen; sie sind dienstvertragliche Ansprüche nach §§ 611 f BGB, nicht erbrechtliche Ansprüche. Die Revision irrt deshalb, wenn sie meint, das angefochtene Urteil setze sich über ausdrückliche Form- und Nichtigkeitsvorschriften als Voraussetzung erbrechtlicher Ansprüche hinweg bzw. umgehe diese.

Entgegen der Meinung der Revision kann es für die Festsetzung der ”üblichen Vergütung” nach § 612 Abs. 2 BGB auch nicht nur auf den Nachlaßwert ankommen, entscheidend sind vielmehr insbesondere auch Art und Umfang der erbrachten Arbeitsleistungen. Die insoweit vom Landesarbeitsgericht angeführten Gründe dienen erkennbar nur als zusätzlicher Anhaltspunkt bei der Ermittlung der üblichen Vergütung, aber auch zur Stützung der in freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) vom Richter der Tatsacheninstanz angenommenen gewollten Entgeltlichkeit der klägerischen Arbeitsleistungen. Der Senat sieht sich daher nicht in der Lage, die vorgenommene Festsetzung zu ändern.

Zu Recht und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BAG 14, 291 = AP Nr. 20 und AP Nr. 21 zu § 612 BGB) hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß der Vergütungsanspruch der Klägerin bis zum Tode des Erblassers als gestundet anzusehen war. Wenn die Revision dagegen anführt, die Stundung sei ein Vertrag und erfordere zwei gleichgerichtete Willenserklärungen, die hier nicht vorlägen, so verkennt sie, daß ein Vertrag auch durch konkludentes Handeln bzw. Verhalten zustandekommt. Dies ist hier dadurch geschehen, daß die Klägerin im Hinblick auf die ihr zugesagte Erbeinsetzung im Einvernehmen mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten von der Geltendmachung der ihr zustehenden Vergütungsansprüche für die geleisteten Dienste Abstand nehmen sollte und Abstand genommen hat. Die von der Revision angeführte Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. Februar 1970 (AP Nr. 26 zu § 612 BGB) steht nicht im Widerspruch zu dem Vorhergesagten bzw. zum angefochtenen Urteil, denn dort sind die “einseitigen Erwartungen” eines Dienstleistenden angesprochen, während solche hier gerade nicht vorliegen. Im übrigen hat sich schon das Landesarbeitsgericht mit diesen Einwendungen der Revision mit zutreffender Begründung auseinandergesetzt.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

gez. Dr. Schröder, Dr. Auffarth, Bichler, Röglin, Dr. Sohler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1492468

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