Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrkosten für Lehrgangsbesuch. Zu § 17 TV Arb vgl. auch: Urteil des Senats vom 17. Dezember 1992 – 6 AZR 70/92 – n.v.

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM vom Arbeitgeber angewiesen, an einem Lehrgang teilzunehmen, den das Deutsche Rote Kreuz in einer seiner Einrichtungen durchführt, so sind ihm für die Fahrt, die er von seiner Dienststelle aus dorthin zurücklegt, die Fahrkosten nach § 17 Abs. 1 TV Arb zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Lehrgangsort sich in derselben Gemeinde befindet wie die Dienststelle des Arbeiters.

Der Anspruch kann nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß der Arbeiter zu dem Lehrgang abgeordnet wird. § 17 Abs. 1 TV Arb geht den bei auswärtiger Beschäftigung sinngemäß anzuwendenden beamtenrechtlichen Bestimmungen vor.

 

Normenkette

Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) vom 6. Januar 1955 § 4g Abs. 1 Buchst. b, § 17 Abs. 1, § 18 Abschn. III; BRKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. November 1973 § 22 Abs. 1; TGV § 1 Abs. 2 Nr. 6

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 19.09.1991; Aktenzeichen 7 Sa 28/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 30.01.1991; Aktenzeichen 6 Ca 354/90)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. September 1991 – 7 Sa 28/91 – aufgehoben.
  • Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 1991 – 6 Ca 354/90 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Fahrkostenerstattung in unstreitiger Höhe von 4,20 DM für die Teilnahme an einem Lehrgang.

Der Kläger ist als Posthandwerker beim Postamt Hamburg 60 der Deutschen Bundespost TELEKOM (DBP) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) Anwendung. Auf Anordnung der Beklagten nahm der Kläger, der zu 70 % mit Arbeiten an Starkstromanlagen beschäftigt ist, am 20. Juni 1990 an einem Sonderlehrgang Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) teil. Diesen veranstaltete das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in seinen Räumen am Behrmannplatz in Hamburg 54.

Für die Fahrt von seiner Dienststelle zum DRK benutzte der Kläger Verkehrsmittel des Hamburger Verkehrsverbundes. Dabei entstanden ihm Fahrkosten in Höhe von 4,20 DM. Seine Zeitkarte konnte er nicht benutzen, da sie nur für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle galt. Die Beklagte verweigerte die Erstattung der Fahrkosten unter Hinweis auf die Verfügung des Bundesministers für Post und Telekommunikation Nr. 914/1989 (Amtsblatt Nr. 103 vom 14. September 1989 S. 1767). Diese hat folgenden Wortlaut:

  • Neue Regelung

    “Beamte des einfachen und mittleren Dienstes bis einschließlich Besoldungsgruppe A 8, die innerhalb ihres Dienst- oder Wohnortes für Aufgaben des Betriebsdienstes der Deutschen Bundespost und der Deutschen Bundesbahn abgeordnet werden, erhalten eine Fahrkostenerstattung in Höhe der billigsten Fahrkarte des regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels, das nach der Verkehrssitte benutzt wird. Hierauf …

    …”

  • Zusatz des BMPT

    • Die Regelung unter II. tritt mit Wirkung vom 1. 10. 1989 in Kraft. Sie gilt für Abordnungen, die von diesem Zeitpunkt an angeordnet werden. Die AmtsblVfg 196/1955, S. 174, und die dazu ergangenen Vfg werden gleichzeitig aufgehoben.
    • Die Regelung gilt für Tarifkräfte sinngemäß.
    • Zu den Aufgaben des Betriebsdienstes gehören nicht Abordnungen zu Aus- und Fortbildungsveranstaltungen.
    • Wohn- und Dienstort ist die jeweilige politische Gemeinde desselben; auf § 2 BRKG wird verwiesen.

Der Kläger hat gemeint, die Fahrt von seinem Dienstort im Postamt Hamburg 60 zu den Räumlichkeiten des DRK am Behrmannplatz in Hamburg 54 habe er aus dienstlichen Gründen zurückgelegt. Die Beklagte müsse ihm daher nach § 17 Abs. 1 TV Arb die Fahrkosten in Höhe von 4,20 DM erstatten. Eine Abordnung habe nicht vorgelegen, weil das DRK kein Amt der Beklagten im Sinne von § 4g TV Arb sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4,20 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab 20. Oktober 1990 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Fahrt sei nicht aus dienstlichen Gründen im Sinne § 17 TV Arb zurückgelegt worden. Bei dem Sonderlehrgang HLW habe es sich um eine Aus- und Fortbildungsveranstaltung gehandelt. Der Kläger habe als abgeordnet gegolten. Eine Abordnung sei auch dann möglich, wenn die Aus- und Fortbildungsveranstaltung nicht bei einer Dienststelle der DBP stattfinde. Abgeordnete Arbeiter seien aber in sinngemäßer Anwendung der für die Beamten geltenden Bestimmungen zu entschädigen. Nach § 22 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) und § 1 Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 3 Nr. 1 Trennungsgeldverordnung (TGV) sei die Erstattung der Fahrkosten nur möglich, wenn der Arbeiter an einen Ort außerhalb des Dienst- und Wohnortes abgeordnet werde. An demselben Dienstort entstandene Fahrkosten seien – auch wegen der genannten Verfügung des Bundesministers für Post und Telekommunikation – nicht erstattungsfähig.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 17 Abs. 1 TV Arb abgelehnt. Es hat den Sonderlehrgang HLW als eine Aus- und Fortbildungsmaßnahme im Sinne der Verfügung des Bundesministers für Post und Telekommunikation Nr. 914/1989 angesehen, zu der der Kläger abgeordnet gewesen sei. Bei einer Abordnung am gleichen Dienst- und Wohnort sei nach § 22 Abs. 1 BRKG und nach § 1 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 1 TGV die Erstattung von Fahrkosten ausgeschlossen.

Diese Ausführungen sind, soweit sie den Anspruch nach § 17 Abs. 1 TV Arb betreffen, nicht frei von Rechtsirrtum.

II. Der Kläger hat nach § 17 Abs. 1 TV Arb einen Anspruch auf Fahrkostenerstattung in Höhe von 4,20 DM.

1. Nach dieser Tarifvorschrift werden aus dienstlichen Gründen mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln zurückgelegte Fahrten nach den Sätzen der niedrigsten Klasse des jeweils benutzten Beförderungsmittels erstattet. Die vom Kläger am 20. Juni 1990 mit öffentlichen Verkehrsmitteln des Hamburger Verkehrsverbundes anläßlich des Sonderlehrgangs HLW zu den Räumlichkeiten des DRK durchgeführte Fahrt wurde aus dienstlichen Gründen im Sinne von § 17 Abs. 1 TV Arb zurückgelegt.

Die Beklagte hat den mit Arbeiten an Starkstromanlagen beschäftigten Kläger angewiesen, an dem Sonderlehrgang HLW teilzunehmen. Durch ihre Anordnung vom 4. Mai 1990 gab die Beklagte zu erkennen, daß sie auf der Durchführung der Fahrt zum Zwecke der Teilnahme an dem Sonderlehrgang HLW aus dienstlichen Gründen bestand. Der Kläger mußte der Weisung Folge leisten, um sich nicht der Gefahr einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung auszusetzen. Damit war die Fahrt aus dienstlichen Gründen veranlaßt.

Da der Kläger für die Fahrt zum Behrmannplatz seine Zeitkarte des Hamburger Verkehrsverbundes nicht verwenden konnte, hat er nach § 17 Abs. 1 TV Arb Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten in unstreitiger Höhe von 4,20 DM, die ihm durch die Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel entstanden sind.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Beklagte demgegenüber nicht auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen verweisen, nach denen bei einer Abordnung Fahrkosten nur zu erstatten sind, wenn der neue Dienstort ein anderer als der bisherige ist. § 18 Abschnitt III TV Arb schreibt die sinngemäße Anwendung der für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen nur in den durch § 17 TV Arb (und anderen hier nicht interessierenden Vorschriften) nicht geregelten Fällen vor. § 17 TV Arb stellt somit für die von ihm erfaßten Tatbestände eine Sonderregelung dar, neben der § 18 Abschnitt III TV Arb nicht anwendbar ist.

Es kann deshalb auch dahinstehen, ob der Kläger, wie die Beklagte meint, zu dem Sonderlehrgang “abgeordnet” war, und ob eine Abordnung im Tarifsinne, die voraussetzte, daß der Kläger vorübergehend “bei einem anderen selbständigen Amt” beschäftigt wurde (§ 4g Abs. 1 Buchst. b TV Arb), zu der Einrichtung des DRK überhaupt erfolgen konnte.

3. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Fahrkosten sei nach der Verfügung des Bundesministers für Post und Telekommunikation Nr. 914/1989 ausgeschlossen.

Diese Verfügung bestimmt zwar, daß bei Abordnungen zu Aus- und Fortbildungsveranstaltungen innerhalb des Dienst- oder Wohnortes des Arbeiters keine Fahrkostenerstattung zu gewähren ist. Dadurch wird aber der tarifliche Anspruch nach § 17 Abs. 1 TV Arb nicht ausgeschlossen. Soweit die Verfügung einen solchen Ausschluß anordnet, ist sie tarifwidrig und daher im Verhältnis der Parteien zueinander ohne rechtliche Wirkung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Schliemann, Dr. Armbrüster, Ostkamp, Schmidt

 

Fundstellen

Haufe-Index 845840

NZA 1994, 136

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