Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Sozialplans. Sozialplanabfindung

 

Orientierungssatz

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Sozialpläne, denen nach § 112 Abs 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung von Betriebsvereinbarungen zukommt, wie Tarifverträge und diese wie Gesetze zu interpretieren. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gebrachten Willen der Betriebspartner abzustellen und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit er sich in den Bestimmungen des Sozialplans niedergeschlagen hat.

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 1998 - 7 Sa 1/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan.

Die am 30. April 1938 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1962 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten - der B GmbH - als Redakteurin der Zeitung W beschäftigt. Sie erzielte zuletzt ein Gehalt von 7.930,-- DM brutto. Mit Schreiben vom 16. Februar 1996 kündigte die B GmbH das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31. März 1998. Die Klägerin gehörte damals dem Betriebsrat an. Unter dem 19. Juli 1996 schloß sie mit der B GmbH eine Aufhebungsvereinbarung, um den Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beizulegen. Diese enthält ua. folgende Regelungen:

"Das Anstellungsverhältnis endet aufgrund der Kündigungserklärung vom 16. Februar 1996 aus zwingenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31. März 1998.

Sie erhalten als Abfindung für den Verlust Ihres Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 des Einkommensteuergesetzes den Betrag von DM 147.000,-- brutto.

Die Auszahlung der Abfindung erfolgt mit dem Juli-Gehalt 1996.

...

Mit Erfüllung dieser Vereinbarung erlöschen sämtliche Rechte, Pflichten und Ansprüche zwischen Ihnen und dem Verlag.

..."

Die Abfindung wurde mit dem Juligehalt im August 1996 an die Klägerin ausgezahlt.

Mit Wirkung vom 1. Dezember 1996 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte über. Diese stellte das Erscheinen der W zum 31. Dezember 1996 ein und kündigte das Arbeitsverhältnis deshalb mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 zum 31. Dezember 1997. Auch zum Zeitpunkt der zweiten Kündigung war die Klägerin Betriebsratsmitglied. Sie griff die Kündigung nicht an.

Am 9. Januar 1997 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über den Ausgleich bzw. die Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Schließung des Unternehmens entstehen (Betriebsvereinbarung Sozialplan)" (im weiteren Sozialplan). Sie lautet, soweit hier von Interesse, wie folgt:

"I. Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter nach § 5 BetrVG.

...

IV. Abfindungszahlungen bei Kündigungen

1. Mitarbeiter, die infolge betriebsbedingter Kündigung oder aufgrund Aufhebungsvertrages auf Veranlassung des Unternehmens aus betriebsbedingten Gründen ausscheiden, erhalten eine Abfindung.

2. Höhe der Abfindung

2.1. Mitarbeiter im Sinne von Ziffer IV.1. erhalten einen Sockelbetrag von DM 1.000,--.

2.2. 2.2. Für jedes unterhaltsberechtigte Kind wird ein weiterer Sockelbetrag von DM 1.500,-- gezahlt.

2.3. 2.3. Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent erhalten einen weiteren Sockelbetrag von DM 2.000,--.

2.4. Pro Jahr der Betriebszugehörigkeit wird darüber hinaus 50 Prozent eines Brutto-Monatsverdienstes nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen gezahlt.

a) Bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit bleiben angefangene Dienstjahre bis zum Ende des sechsten Monats unberücksichtigt; danach werden sie als volle Jahre berücksichtigt.

Als berücksichtigungsfähige Jahre der Betriebszugehörigkeit zählen nur die im Betrieb zurückgelegten bzw. vom Betrieb ausdrücklich anerkannten Jahre der tatsächlichen Beschäftigung sowie Zeiten des Studiums und der Armeezugehörigkeit nach Beginn des Arbeitsverhältnisses sowie Zeiten der Freistellung nach dem Wochenurlaub (§ 246 AGB der DDR).

Stichtag für die Berechnung ist der letzte Kalendertag des Monats, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

b) Der Brutto-Monatsverdienst bestimmt sich nach dem Wert der Geld- und Sachbezüge, die dem Mitarbeiter bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit im Januar 1997 zusteht.

2.5. Auf die unter 2.4. genannten Abfindungen kommen - soweit zutreffend - folgende Zuschläge:

a) für Mitarbeiter der Altersgruppe vom vollendeten 45. bis zum vollendeten 50. Lebensjahr 5 % eines Brutto-Monatsverdienstes pro Beschäftigungsjahr.

b) für Mitarbeiter der Altersgruppe ab dem vollendeten 50. Lebensjahr 7,5 % eines Brutto-Monatsverdienstes pro Beschäftigungsjahr.

Stichtag für die Berechnung ist der letzte Kalendertag des Monats, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

2.6. Als Mindestbetrag wird eine Abfindung von DM 10.000,-- zzgl. eines eventuellen Kinderzuschlages gemäß Ziffer IV.2.2 gezahlt.

2.7 Die Gesamtabfindungssumme pro Mitarbeiter wird grundsätzlich auf acht Brutto-Monatsgehälter zzgl. eines eventuellen Kinderzuschlages gemäß Ziffer IV.2.2 begrenzt.

... Hat der Mitarbeiter das 55. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden, so ist die Abfindung auf zwölf Brutto-Monatsgehälter zzgl. eines eventuellen Kinderzuschlags gemäß Ziffer IV. 2.2 begrenzt.

...

8. Die Abfindung wird im übrigen mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, bei Abschluß eines Beendigungsvertrags spätestens zum 30. Juni 1997 fällig.

Erhebt der betroffene Mitarbeiter Kündigungsschutzklage, wird die Abfindung nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens fällig.

Eventuelle Abfindungen aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Vergleichs, die für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen sind, werden auf die Abfindung aus dieser Vereinbarung angerechnet."

Den Betriebsparteien war bei Abschluß des Sozialplans bekannt, daß an die Klägerin im Jahre 1996 die genannte Abfindung bezahlt worden war.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe auf der Grundlage des Sozialplans eine Abfindung von 95.160,-- DM brutto zu. Sie hat ihre Forderung im Berufungsrechtszug jedoch aus Kostengründen auf 40.000,-- DM brutto beschränkt. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 30. Dezember 1996 am 31. Dezember 1997 und nicht erst - wie im Aufhebungsvertrag vorgesehen - am 31. März 1998 geendet habe, unterfalle sie dem Geltungsbereich des Sozialplans. In ihm sei keine Anrechnung ihrer Abfindung aus dem Aufhebungsvertrag vorgesehen. Daraus, daß sie sich bereit erklärt habe, ihr Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998 gegen eine Abfindung von 147.000,-- DM aufzulösen, könne nicht geschlossen werden, sie habe damit auf weitergehende Abfindungsansprüche infolge einer vorzeitigen Beendigung verzichtet. Zumindest schulde ihr die Beklagte den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Betrag, der sich aus den Gehältern für die Monate Januar bis März 1998 sowie dem Urlaubsgeld für 1997 und das erste Quartal des Jahres 1998 zusammensetze.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40.000,-- DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab dem 1. April 1997 zu zahlen,

für den Fall, daß der Sozialplananspruch verneint werden sollte:

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 33.430,-- DM brutto abzüglich 7.204,50 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. April 1998 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Sozialplan sei auf die Klägerin nicht anwendbar. Er solle den Verlust des Arbeitsplatzes lediglich einmal ausgleichen und erstrecke sich daher nur auf Arbeitnehmer, an die noch keine Abfindung bezahlt worden sei. Selbst wenn die Anwendbarkeit des Sozialplans unterstellt werde, sei der Verlust des Arbeitsplatzes der Klägerin schon durch die aufgrund der Aufhebungsvereinbarung geleistete Abfindung vollständig ausgeglichen. Die Verkürzung des Arbeitsverhältnisses um drei Monate sei, weil geringfügig, zu vernachlässigen. Die Beklagte hat behauptet, der Betriebsrat habe bei Abschluß des Sozialplans beabsichtigt, die Klägerin von seiner Anwendung auszunehmen.

Das Arbeitsgericht hat die zunächst in Höhe von 95.160,-- DM erhobene Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat, nachdem die Klägerin die mit ihrer Klage verfolgte Forderung auf 40.000,-- DM beschränkt hatte, dem Hauptantrag in dieser Höhe entsprochen. Der Sozialplan sei auf die Klägerin anwendbar. Sie erfülle alle von ihm genannten Voraussetzungen. Der Sozialplan enthalte keine Anrechnungsbestimmung, welche die der Klägerin gewährte Abfindung erfasse. Die Anrechnungsklausel seiner Ziff. IV 8 Abs. 3 beziehe sich nur auf Abfindungen, die infolge der Schließung des Betriebs zu zahlen seien, zumal den Betriebspartnern die an die Klägerin geleistete Abfindung bekannt gewesen sei. Auch die in den Aufhebungsvertrag aufgenommene Ausgleichsklausel stehe dem Sozialplananspruch nicht entgegen. Zum einen habe die Auflösungsvereinbarung eine andere Zielrichtung als der Sozialplan gehabt, insbesondere die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses um weitere drei Monate vorgesehen. Zum anderen wirke die Abgeltungsklausel nicht zugunsten der Beklagten, weil diese den mit dem Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungstermin nicht eingehalten habe.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts im Umfang der Abänderung durch das Landesarbeitsgericht wiederherzustellen. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag zu Recht in der noch anhängigen Höhe entsprochen. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachte Sozialplanabfindung.

1. Der Sozialplan ist nach seinem Wortlaut (Nr. I) auf die Klägerin anwendbar. Es ist nicht erkennbar, daß die Betriebsparteien die Klägerin hätten ausnehmen wollen.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Sozialpläne, denen nach § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung von Betriebsvereinbarungen zukommt, wie Tarifverträge und diese wie Gesetze zu interpretieren. Maßgeblich ist auf den im Wortlaut zum Ausdruck gebrachten Willen der Betriebspartner abzustellen und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, soweit er sich in den Bestimmungen des Sozialplans niedergeschlagen hat (st. Rspr. des BAG, zB 8. November 1988 - 1 AZR 721/87 - BAGE 60, 94, 98 f., zu II 2 a der Gründe, mwN).

Die von der Revision angeführten Regelungen der Präambel und der Nr. IV 2.4 ff. des Sozialplans sprechen nicht für einen Willen der Betriebspartner, die Klägerin aus seinem Anwendungsbereich auszunehmen. Die Präambel entspricht lediglich dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und gibt die Funktion jeglichen Sozialplans wieder. Der für die Höhe der Abfindung besonders bedeutsame Bemessungsfaktor der Dauer der Betriebszugehörigkeit schließt die Klägerin ebensowenig aus. Zwar sind die Betriebsparteien grundsätzlich in den Grenzen von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) frei, darüber zu entscheiden, ob und welche Nachteile, die der Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung mit sich bringt, durch eine Abfindung ausgeglichen oder gemildert werden (BAG 14. September 1994 - 10 ABR 7/94 - BAGE 78, 30, 35, zu B II 2 a der Gründe, mwN). Dabei widerspricht es auch nicht dem Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG und dem Erfordernis sachgerechter Differenzierung, wenn Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden, die wirtschaftlich zumindest teilweise abgesichert sind, etwa weil sie vorgezogenes Altersruhegeld beanspruchen können (beispielsweise BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86, zu II 2 b der Gründe; 26. Juli 1988 - 1 AZR 156/87 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 45 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 43, zu II 1 der Gründe).

Allein aus der Möglichkeit eines solchen Ausschlusses folgt aber nicht, daß die Betriebspartner die Klägerin in Wahrheit unausgesprochen von den Sozialplanleistungen ausnehmen wollten. Vielmehr ist mangels abweichender Anhaltspunkte im Wortlaut des Sozialplans davon auszugehen, daß die Betriebsparteien dem gesetzlich vorgegebenen Zweck einer Sozialplanabfindung entsprechen wollten. Sie ist keine Belohnung für in der Vergangenheit geleistete Dienste, die für den Betrieb erbrachte Leistungen nachträglich vergüten soll, sondern soll eine Überbrückungshilfe für die von den Entlassungen betroffenen Arbeitnehmer bis zu einem neuen Arbeitsverhältnis oder bis zum Beginn des gesetzlichen Altersruhegeldes bilden (BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 45/96 - aaO, zu II 2 c der Gründe). Die Abfindung steht in keiner unmittelbaren Beziehung zu der Arbeitsleistung (grundlegend schon BAG 13. Dezember 1978 - GS 1/77 - BAGE 31, 176, 202, zu III C 2 der Gründe). Auch pauschalierte Abfindungen, die keine Rücksicht darauf nehmen, ob der einzelne Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes tatsächlich einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, sind zulässig (BAG 13. Dezember 1978, aaO, zu IV A 2 der Gründe). Zwar soll eine Abfindung aus einem Sozialplan zum einen die Nachteile ausgleichen, die daraus herrühren, daß der Arbeitnehmer infolge einer von ihm hinzunehmenden Betriebsänderung seinen Arbeitsplatz einbüßt und im Laufe des Arbeitsverhältnisses erworbene Vorteile verliert. Sie ist zum anderen aber in die Zukunft gerichtet und hat Überbrückungs- sowie Vorsorgefunktion für die Zeit nach der Betriebsänderung (BAG 13. Dezember 1978, aaO, zu II B 3 der Gründe).

Die von den Betriebsparteien gewollte Überbrückungsfunktion kommt auch in Nr. IV 7 des Sozialplans zum Ausdruck, die den Abfindungsanspruch auch für den Fall der Eingehung eines Folgearbeitsverhältnisses vorsieht, sofern dieses innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf der individuellen Kündigungsfrist aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird.

Der Umstand, daß die Klägerin bereits eine Abfindung erhalten hatte, zwingt nicht zu einem anderen Verständnis des Sozialplans. Der auf Ausgleich und Vorsorge gerichtete Zweck einer Sozialplanabfindung ist nicht identisch mit demjenigen einer Abfindung, die die Arbeitsvertragsparteien vergleichsweise vereinbaren, um den Streit über eine aufgrund der Betriebsänderung ausgesprochene Kündigung beizulegen und das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der einvernehmlichen Vertragsaufhebung zu erwirken, wie dies hier der Fall ist (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. §§ 112, 112 a Rn. 133).

b) Die Betragsbegrenzung der Nr. IV 2.7 Abs. 2 Satz 2 des Sozialplans betrifft nur die Sozialplanabfindung. Weder diese Begrenzung noch die Anrechnungsklausel in Nr. IV 8 Abs. 3 des Sozialplans drücken dagegen schlüssig aus, die Betriebsparteien hätten die Klägerin aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Abfindung von den Leistungen des Sozialplans ausnehmen wollen. Nr. IV 8 Abs. 3 des Sozialplans bestimmt zwar, "für den Verlust des Arbeitsplatzes" zu zahlende Abfindungen seien anzurechnen. Diese Formulierung erlaubt indessen angesichts der Doppelfunktion der Sozialplanabfindung nicht die weitergehende Annahme, die Betriebspartner hätten der Klägerin die mit ihr verbundene Überbrückungshilfe gar nicht erst zukommen lassen wollen (zur Anrechnung selbst s. unter 3 a d. Gr.).

c) Ist demnach ein übereinstimmender Wille der Betriebsparteien, die Klägerin von den Leistungen des Sozialplans auszunehmen, im Wortlaut des Sozialplans nicht einmal angedeutet, so ist auch die erste von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unbegründet, mit der beanstandet wird, das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen, den Sachverhalt hinreichend aufzuklären, und damit gegen § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 139 ZPO verstoßen. Da zwischen den Parteien umstritten gewesen sei, ob die Sozialplanpartner - in Kenntnis der bereits an die Klägerin bezahlten Abfindung - beabsichtigt hätten, sie von den Leistungen des Sozialplans auszunehmen, hätte Herr Dr. Johannes W , dessen Zeugnis zum Beweis angeboten worden sei, bestätigt, daß die Klägerin in den den Sozialplanverhandlungen zugrunde liegenden Personallisten mit "0" geführt worden sei. Beide Sozialplanpartner seien somit davon ausgegangen, daß sie nicht dem Sozialplan unterliege.

Die Prozeßrüge läßt nicht ohne weiteres erkennen, ob sie die unterbliebene Aufklärung durch das Berufungsgericht und mit ihr tatsächlich - wie angegeben - die Verletzung des § 139 ZPO beanstandet oder aber die unterlassene Vernehmung von Herrn Dr. W , also einen Verstoß gegen § 286 Abs. 1 Satz 1, §§ 284, 373 ff. ZPO. Dies kann jedoch auf sich beruhen, da die Rüge jedenfalls unbegründet ist. Soweit sie dahin zu verstehen sein sollte, das Landesarbeitsgericht hätte erfragen müssen, woran sich aus Sicht der Beklagten verdeutlichte, daß die Betriebsparteien beabsichtigten, die Klägerin vom Sozialplan auszuschließen, wäre dies unbeachtlich, weil eine solche Absicht im Wortlaut des Sozialplans nicht zum Ausdruck gekommen ist. Richtet sich der Angriff statt dessen gegen die unterbliebene Einvernahme von Herrn Dr. W , entspricht die Prozeßrüge nicht dem Beweisantritt. Das Zeugnis wurde nicht zum Beweis der Tatsache angeboten, daß die Klägerin in den Personallisten mit "0" geführt worden sei und beide Parteien davon ausgegangen seien, die Klägerin unterliege nicht dem Sozialplan. Der Beweisantritt auf Seite 5 Abs. 2 des Schriftsatzes vom 29. Mai 1998 bezieht sich vielmehr ausschließlich auf eine Behauptung, die den von den Arbeitsvertragsparteien geschlossenen Aufhebungsvertrag vom 19. Juli 1996 betrifft: Die in ihm enthaltene Abgeltungsklausel sei vor allem im Zusammenhang mit der Verpflichtung der Beklagten erfolgt, der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes und als Ausgleich ihrer Betriebszugehörigkeit eine Abfindung von 147.000,-- DM zu zahlen. Übereinkünfte zwischen den Betriebspartnern spricht sie demgegenüber nicht an. Die Behauptung, die Klägerin sei in den Personallisten mit "0" geführt worden, ist demnach ein in der Revisionsinstanz unbeachtlicher neuer Sachvortrag.

Auf den weiteren Verfahrensangriff, der das nicht gewährte Schriftsatzrecht im Hinblick auf Herrn Dr. W Einbindung in die Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag rügt (§ 132, § 138 Abs. 2, § 283 ZPO), kommt es daher nicht an.

2. Die Klägerin erfüllt nach Nr. IV 2 des Sozialplans die Voraussetzungen für die geforderte Abfindung. Sie war am Stichtag (31. Dezember 1997) 59 Jahre alt und abgerundet 35 Jahre von der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin (§ 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB) beschäftigt. Danach stand ihr die Höchstabfindung von zwölf Bruttomonatsgehältern zu, also 95.160,-- DM brutto, von denen sie 40.000,-- DM geltend macht.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete nicht etwa aufgrund der Aufhebungsvereinbarung vom 19. Juli 1996 am 31. März 1998, sondern durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 wegen der Betriebsschließung erklärte ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31. Dezember 1997. Die Klägerin genügt damit dem Erfordernis der Nr. IV 1 des Sozialplans, das ua. ein Ausscheiden infolge betriebsbedingter Kündigung verlangt.

Unerheblich ist, ob die Kündigung der Beklagten vom 30. Dezember 1996 rechtlich geeignet war, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Maßgebend ist allein, daß die Klägerin die Kündigung hingenommen hat. Damit ist sie iSd. Sozialplans in Folge betriebsbedingter Kündigung ausgeschieden. Hierfür genügt das vom Arbeitgeber veranlaßte tatsächliche Ausscheiden zu dem streitigen Zeitpunkt. Darüber hinaus wäre es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die rechtliche Unwirksamkeit der von ihr selbst ausgesprochenen und von der Klägerin hingenommenen Kündigung zu berufen (siehe dazu Senatsbeschluß 27. Juni 1995 - 1 ABR 62/94 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 31).

3. Der Anspruch aus dem Sozialplan wird nicht durch die aufgrund der Auflösungsvereinbarung gewährte Abfindung vernichtet.

a) Die Anrechnungsbestimmung der Nr. IV 8 Abs. 3 des Sozialplans betrifft, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nur Abfindungen, die gezahlt werden, um Rechtsstreitigkeiten über Kündigungen und Aufhebungsverträge infolge der Betriebsschließung beizulegen. Das lassen Wortlaut und Zusammenhang der Regelung erkennen. Nach ersterem sind Abfindungen anzurechnen, die aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Vergleichs zu zahlen sind. Daß die Unterzeichner des Sozialplans lediglich künftige Abfindungen berücksichtigt wissen wollten, zeigt sich an der Formulierung "eventuelle" Abfindungen. Wegen der Beschränkung der Anrechnung auf Abfindungen aufgrund gerichtlicher Entscheidung oder Vergleichs läßt sich ihr nicht der weitergehende Wille der Betriebspartner entnehmen, jegliche in der Vergangenheit gewährte Abfindungen anzurechnen. Aus der unmittelbar vorangehenden Bestimmung der Nr. IV 8 Abs. 2, wonach die Sozialplanabfindung nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens fällig wird, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt, wird deutlich, daß allein Abfindungsansprüche umfaßt sein sollen, die aus Kündigungen oder Aufhebungsverträgen infolge der Betriebsänderung herrühren und damit dem gegenständlichen Geltungsbereich des Sozialplans unterfallen.

b) Die allgemeine Ausgleichsklausel des vorletzten Absatzes des Aufhebungsvertrags, wonach sämtliche Rechte, Pflichten und Ansprüche mit Erfüllung der Auflösungsvereinbarung erlöschen, vernichtet den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan gleichfalls nicht. Dies ergibt sich schon aus dem Ausschluß des Verzichts auf Sozialplanleistungen in § 77 Abs. 4 iVm. § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Ausgleichsklausel nicht ohnehin nur solche Ansprüche erfaßt, die bei Abschluß des Aufhebungsvertrags bekannt oder wenigstens absehbar waren. Dauert das Arbeitsverhältnis noch geraume Zeit an, kann es allerdings nicht Sinn des Aufhebungsvertrags sein, auch Ansprüche einzubeziehen, die - wie der Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan - erst nach Abschluß der Auflösungsvereinbarung entstehen können, zumal nach Vertragsschluß noch erhebliche andere finanzielle Ansprüche entstanden, zB Vergütungsansprüche der Klägerin. Auch diese wollten und konnten die Parteien nicht abbedingen.

Wißmann

Hauck Rost Gnade

Rösch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610851

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