Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterschiedliches Rentenzugangsalter für Männer und Frauen

 

Leitsatz (amtlich)

Versorgungszusagen mit unterschiedlichem Rentenzugangsalter für Männer und Frauen verstoßen für eine Übergangszeit nicht gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Nach Art. 3 Abs. 2 GG dürfen die bisher noch für Frauen bestehenden Nachteile in der beruflichen Entwicklung durch die Festsetzung eines früheren Rentenalters ausgeglichen werden.

Auf Art. 119 EG-Vertrag und dem daraus folgenden Verbot eines unterschiedlichen Rentenzugangsalters für Männer und Frauen kann sich ein Mann nur berufen, soweit es um Dienstzeiten nach dem 17. Mai 1990 geht (Urteil des EuGH vom 17. Mai 1990 – Rs C 262/88 – Barber – EuGHE I 1990, 1889 = AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 3, 2; BetrAVG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 6 S. 1; EGVtr Art. 119; ZPO § 322 Abs. 1, § 705

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 27.09.1995; Aktenzeichen 7 Sa 700/95)

ArbG München (Urteil vom 17.11.1994; Aktenzeichen 3 Ca 4941/94)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 27. September l995 – 7 Sa 700/95 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechnung einer Betriebsrente. Der Kläger fordert den in der Versorgungsordnung vorgesehenen Höchstbetrag von 750,-- DM monatlich. Die Beklagte will die dem Kläger zustehende Rente wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zeitanteilig kürzen.

Der im Januar 1934 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 1. Mai 1964 bis 31. Dezember 1979 (188 Monate) als Angestellter beschäftigt. Er verdiente zuletzt über 6.000,-- DM brutto monatlich.

Die Beklagte hatte dem Kläger eine Altersversorgung über eine Unterstützungskasse nach Richtlinien aus dem Jahr 1969 zugesagt. Die Unterstützungskasse wurde 1988 aufgelöst. Die Beklagte hat die Verpflichtung unmittelbar übernommen. Die hier maßgebenden Bestimmungen der Richtlinie lauten:

“§ 1

Die Unterstützungskasse gewährt gem. § 2 der Satzung den Betriebsangehörigen und den ehem. Betriebsangehörigen sowie deren Hinterbliebenen freiwillige Beihilfen.

Diese Beihilfen sind:

1. Laufende Versorgungsbeihilfen.

§ 2

Die Gewährung einer Altersrente ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  • Vollendung des 35. Lebensjahres,
  • mindestens 10-jährige Tätigkeit bei einer der Firmen:

    Coloniale, BLV und aller ihr angeschlossenen Tochter- und Schwestergesellschaften (einschl. Regiebetrieb),

  • Ausscheiden aus dem Dienst unmittelbar mit 65 bzw. 60 Jahren (§ 1 Ziff. 1a),
  • das Einkommen des Antragstellers aus Sozialversicherungsrenten und sonstigen Rentenbezügen darf 75 % der Bruttobezüge des letzten Jahres nicht übersteigen,
  • jeder Beihilfeempfänger hat jährlich eine behördliche beglaubigte Lebensbescheinigung bis zum 1. Februar vorzulegen.

§ 3

  • Die Altersrente setzt sich aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammen. Der Grundbetrag beträgt 50,-- DM im Monat.
  • Nach Vollendung des 65. Lebensjahres werden keine Dienstjahre mehr angerechnet.
  • Die Altersrente wird erstmals für den Monat gezahlt, der auf das Ausscheiden aus dem Dienst der Firma folgt, letztmalig für den Sterbemonat. Der Steigerungsbetrag ist von der Höhe der versteuerten Bezüge der letzten 5 Jahre (z.Zt. 42 1/2 Wochenstunden) und der Dauer des rentenfähigen Dienstalters abhängig.

    Der Steigerungsbetrag in Prozenten der erwähnten Durchschnittsbezüge beträgt nach

    10 Dienstjahren

    20 %

    für jedes weitere angefangene Dienstjahr

    1 1/2 %

    bis zum Höchstbetrag von

    500,-- DM

    bei bis zu 20 Dienstjahren

    750,-- DM

    bei bis zu 30 Dienstjahren

    1.000,-- DM

    über 30 Dienstjahren.

Der Kläger nahm ab 1. Februar 1994, nach Vollendung des 60. Lebensjahres, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch. Er forderte von der Beklagten die Betriebsrente. Die Beklagte zahlte ihm zunächst monatlich 338,94 DM brutto. Sie kürzte den im § 3 Nr. 3 der Richtlinien festgelegten Höchstbetrag von 750,-- DM um einen Unverfallbarkeitsfaktor (188/416). Der Kläger hält diese Berechnung nicht für richtig. Er habe ohne Begrenzung auf einen Höchstbetrag einen Rentenanspruch von 3.012,75 DM. Diesen Anspruch könne die Beklagte zeitanteilig (188/416) kürzen und den so errechneten Anspruch auf 750,-- DM begrenzen. Die Beklagte schulde daher ab 1. Februar 1994 monatlich 750,-- DM an Rente.

Der Kläger hat beantragt:

  • Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.699,54 DM rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Oktober 1994 (neun Monate) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17. November 1994 zu zahlen.
  • Die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab November 1994 monatlich über den bereits gezahlten Betrag von 338,94 DM weitere 411,06 DM zu zahlen, fällig jeweils am Monatsletzten.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer habe nur Anspruch auf eine Rente von 750,-- DM monatlich. Dieser Betrag müsse zeitanteilig wegen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers gekürzt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger monatlich 525,-- DM und die entsprechenden Rückstände zu zahlen (750,00 : 30 % – 60 × 0,5 % – wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente nach § 6 BetrAVG). Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Sie wollte erreichen, daß die über 338,94 DM hinausgehende Forderung abgewiesen wird.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger monatlich eine Betriebsrente von 386,74 DM sowie die entsprechenden Rückstände zu zahlen. Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger Revision eingelegt. Er fordert von der Beklagten nach wie vor eine monatliche Betriebsrente von 750,-- DM und die entsprechenden Rückstände.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann nur einen seiner Betriebszugehörigkeit entsprechenden Teil der versprochenen Betriebsrente fordern.

I. Die Revision des Klägers ist insoweit unbegründet, wie der Kläger eine höhere Rente als 525,-- DM monatlich und die entsprechenden Rückstände fordert. Insoweit hat das Arbeitsgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen. In Höhe von monatlich 225,-- DM (750,-- DM abzüglich 525,-- DM) sowie der entsprechenden Rückstände ist das Urteil des Arbeitsgerichts nicht mehr angreifbar (§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verb. mit § 705 ZPO). Mehr als 525,-- DM monatlich (und die entsprechenden Rückstände) kann der Kläger auch nicht mit der Revision fordern (§ 322 Abs. 1 ZPO).

II. Auch im übrigen kann der Kläger keine höhere Betriebsrente fordern, als das Landesarbeitsgericht für ihn berechnet hat. Der Senat kann dem Urteil des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis und weitgehend in der Begründung folgen.

1. Nach der Versorgungszusage gemäß den Richtlinien von 1969 könnte der Kläger von der Beklagten keine Betriebsrente fordern. Die vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes formulierten Bedingungen für den Bezug einer Altersrente sehen ein “Ausscheiden aus dem Dienst unmittelbar mit 65 bzw. 60 Jahren” vor. Diese Bedingung erfüllt der Kläger nicht. Er ist im Alter von 45 Jahren bei der Beklagten ausgeschieden.

2. Der Anspruch auf eine Teilrente folgt dem Grunde nach aus § 1 Abs. 1 BetrAVG.

a) Die Versorgungsordnung ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BetrAVG) teilweise unwirksam geworden. Die Richtlinien verstoßen gegen § 1 BetrAVG. Diese Bestimmung ist eine Mindestvorschrift zum Schutz der Arbeitnehmer. Von ihr kann in Verträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden (§ 17 Abs. 3 BetrAVG).

b) Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG behält ein Arbeitnehmer, dem Leistungen der Altersversorgung aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind, seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, sofern der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt mindestens das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage für ihn zehn Jahre bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist im Alter von 45 Jahren ausgeschieden. Die Versorgungszusage bestand länger als zehn Jahre. Die Beklagte hatte dem Kläger die Versorgung schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zugesagt.

3. Die Höhe der Teilrente ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zu berechnen.

a) § 2 Abs. 1 BetrAVG enthält Bestimmungen zur Berechnung der Rente eines Arbeitnehmers, der vorzeitig mit einer unverfallbaren Anwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Diese gesetzliche Regelung ist immer dann anzuwenden, wenn die Parteien keine günstigeren Vereinbarungen getroffen haben. Auch § 2 Abs. 1 BetrAVG enthält insofern Mindestbedingungen.

Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG erhält der Arbeitnehmer, der vor Eintritt eines Versorgungsfalles (hier Alter) aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Teilrente. Er erhält die Rente in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Nach dieser Bestimmung ist deshalb zunächst die Leistung zu ermitteln, die einem Arbeitnehmer ohne das vorherige Ausscheiden zustehen würde. Das ist die – nur rechnerisch ermittelte – Vollrente eines betriebstreuen Arbeitnehmers. Von dieser Vollrente erhält der vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer eine Teilrente. Die tatsächliche Dauer der Betriebszugehörigkeit wird in ein Verhältnis zur möglichen Betriebszugehörigkeit gesetzt. So wird der “Unverfallbarkeitsfaktor” ermittelt. Der vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer muß sich deshalb eine zeitanteilige Kürzung seiner – fiktiven – Vollrente gefallen lassen.

b) Wäre der Kläger bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres im Betrieb geblieben und hätte er ab 1. Februar 1994 (Vollendung des 60. Lebensjahres) eine Betriebsrente in Anspruch genommen, hätte die Beklagte ihm monatlich 856,12 DM zahlen müssen.

aa) Dem Kläger steht nach Vollendung seines 60. Lebensjahres eine Betriebsrente zu. Zwar hätte der Kläger nach der Versorgungsordnung keine Betriebsrente beanspruchen können. Die Beklagte zahlte Altersrenten an Männer nur bei Vollendung des 65. Lebensjahres. Diese Bestimmung der Versorgungsordnung ist jedoch unwirksam. Sie verstößt gegen § 6 BetrAVG. Nach dieser Bestimmung kann ein Arbeitnehmer, der die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, auch die Betriebsrente zum gleichen Zeitpunkt abrufen (§ 6 Satz 1 BetrAVG). Die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er erhält ab 1. Februar 1994 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe. Ihm steht daher auch eine Betriebsrente zu.

bb) Das Betriebsrentengesetz schreibt nicht vor, wie die Betriebsrente in diesem Falle zu berechnen ist. Die Versorgungsrichtlinien aus dem Jahr 1969 enthalten hierzu keine Regelung. Sie sind mit dem Inkrafttreten des § 6 BetrAVG lückenhaft und ergänzungsbedürftig geworden. Der Arbeitgeber darf deshalb nach billigem Ermessen entscheiden. In diesem Zusammenhang hat der Senat mehrfach entschieden, daß bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Vollrente zeitratierlich gekürzt werden darf (vgl. Senatsurteil vom 13. März 1990 – 3 AZR 338/89 – AP Nr. 17 zu § 6 BetrAVG).

cc) Auch im vorliegenden Fall ist deshalb zunächst die Rente zu ermitteln, die ein betriebstreuer Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht hätte. Das wären im Fall des Klägers, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend errechnet hat, 1.000,-- DM monatlich gewesen (§ 3 Nr. 3 der Versorgungszusage).

Dieser Betrag ist zeitanteilig wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Vollrente zu kürzen. Bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres wäre der Kläger bei der Beklagten 357 Monate tätig gewesen, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres wären es 417 Monate gewesen. Um das Verhältnis von 357 zu 417 ist der Betrag von 1.000,-- DM zu kürzen. Das ergibt den eingangs erwähnten Betrag von 856,12 DM.

c) Diese an einen betriebstreuen Arbeitnehmer zu zahlende Rente ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG um den Unverfallbarkeitsfaktor zu kürzen. Er beträgt 188 zu 417 Monate. Das ergibt einen Betrag von 385,97 DM. Das Landesarbeitsgericht hat nur mit einem Faktor von 188 zu 416 gerechnet und kommt deshalb auf einen Betrag von 386,74 DM. Dem Kläger ist nicht zuwenig zugesprochen worden.

d) Die Einwendung des Klägers gegen diese Berechnung überzeugen nicht. Die Richtlinien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, daß ein vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer eine Rente in derselben Höhe erhalten soll wie ein Arbeitnehmer, der bis zum 65. Lebensjahr im Betrieb tätig gewesen ist. Im Gegenteil. Nach der Versorgungsordnung hätte ein vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer keine Rente erhalten.

Bei der Berechnung der Betriebsrente spielen die Gründe, aus denen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, keine Rolle. Verbesserungen hätten die Parteien in einem Aufhebungsvertrag vereinbaren müssen.

Die Höchstbegrenzungsklauseln führen nicht immer zu angemessenen und einsehbaren Ergebnissen. Die zeitratierliche Kürzung kann der Kläger mit seinen Überlegungen nicht verhindern. Er hat nur Anspruch auf eine Teilrente nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrAVG.

III. Der Senat muß in diesem Rechtsstreit zum ersten Mal zu der Frage Stellung nehmen, ob in Versorgungsordnungen ein unterschiedliches Rentenzugangsalter für Frauen und Männer bestimmt werden kann. Die Frage ist für eine Übergangszeit zu bejahen.

1. Auf Art. 119 EG-Vertrag kann sich der Kläger nicht berufen. Männliche Arbeitnehmer können sich, wenn es um die Berechnung der Rente geht, nur insoweit auf Art. 119 EG-Vertrag berufen, als es um Dienstzeiten nach dem 17. Mai 1990 geht (Urteil des EuGH vom 17. Mai 1990 – Rs C-262/88 – Barber – EuGHE I 1990, 1889 = AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Der Kläger ist bereits 1979 aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden.

2. Die vom Arbeitgeber entworfene Versorgungsordnung verstößt auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in der Form der Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

Zwar verbietet Art. 3 Abs. 3 GG eine Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts. In der Versorgungsordnung werden Männer gegenüber Frauen benachteiligt. Ihr Unverfallbarkeitsfaktor ist ungünstiger. Das wird auch nicht dadurch ausgeglichen, daß Männer eine höhere Betriebszugehörigkeit erreichen können. Wäre der Kläger im Alter von 60 Jahren ausgeschieden, hätte er eine Vollrente von 750,-- DM zu beanspruchen. Diese Rente müßte zeitanteilig nach Maßgabe des Unverfallbarkeitsfaktors wegen vorzeitigen Ausscheidens gekürzt werden. Der Kläger hätte, wenn man das Endalter 60 zugrunde legt, tatsächlich 188 Monate gearbeitet von insgesamt 357 Monaten. Die Rente des Klägers betrüge in diesem Falle 394,96 DM und nicht nur 386,74 DM.

Für eine Übergangsfrist verstoßen Versorgungszusagen mit unterschiedlichem Rentenzugangsalter aber nicht gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Ein Verstoß betrieblicher Regelungen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 GG) kann durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein (BVerfGE 85, 191, 209 = AP Nr. 90 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu C I 3 der Gründe; BAGE 73, 269, 281 = AP Nr. 193 zu Art. 3 GG). Nach Art. 3 Abs. 2 GG fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Das erlaubt, die bisher für Frauen noch bestehenden Nachteile in der beruflichen Entwicklung durch die Festsetzung eines früheren Rentenalters auszugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen solchen Ausgleich zugelassen (BVerGE 39, 169; BVerfGE 74, 163 = AP Nr. 3 zu § 25 AVG). Es hat nur den Gesetzgeber aufgefordert, durch eine Neuregelung dem sich wandelnden Erwerbsverhalten der Frauen Rechnung zu tragen und eine in der Zukunft zu erwartende Ungleichbehandlung zu vermeiden. Dem ist der Gesetzgeber für die gesetzliche Rentenversicherung durch die Schaffung von Übergangsregelungen nachgekommen. An diese Regelungen dürfen Arbeitgeber, die selbständig Versorgungsordnungen aufstellen, anknüpfen. Insoweit verstoßen Regelungen über ein unterschiedliches Rentenzugangsalter noch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Reinfeld, Horst Schmitthenner

 

Fundstellen

Haufe-Index 884895

BAGE, 284

NJW 1997, 2701

NWB 1997, 2237

NZA 1997, 824

SAE 1998, 189

ZIP 1997, 1894

EuZW 1998, 128

VersR 1998, 915

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