Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Betriebsstillegung. freie Unternehmerentscheidung. Gemeinschaftsbetrieb. Darlegungslast. Maßgeblichkeit des Kündigungszeitpunkts. soziale Auswahl. Betriebsratsanhörung. Kündigung

 

Orientierungssatz

  • Der Entschluß des Arbeitgebers, ab sofort keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, allen Arbeitnehmern zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu kündigen, zur Abarbeitung der vorhandenen Aufträge eigene Arbeitnehmer nur noch während der jeweiligen Kündigungsfristen einzusetzen und so den Betrieb schnellstmöglich stillzulegen, ist als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich geeignet, die entsprechenden Kündigungen sozial zu rechtfertigen.
  • Für eine soziale Auswahl bleibt unter diesen Umständen kein Raum.
  • Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber nicht mitgeteilt hat, daß er notfalls Subunternehmer einsetzen will, soweit die gekündigten Arbeitnehmer die vorhandenen Aufträge innerhalb der jeweiligen Kündigungsfristen nicht vollständig abarbeiten können.
 

Normenkette

KSchG §§ 1, 17 f.; BetrVG § 102; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 16.12.1999; Aktenzeichen 10 Sa 258/99)

ArbG Berlin (Teilurteil vom 23.12.1998; Aktenzeichen 88 Ca 24356/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Dezember 1999 – 10 Sa 258/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung vom 3. August 1998 zum 30. September 1998.

Der Kläger stand bei der Beklagten ab 24. August 1993 als Polier mit einem monatlichen Entgelt von zuletzt 6.500,00 DM in einem Arbeitsverhältnis. Die Beklagte ist ein Unternehmen des Baugewerbes und gehört dem Unternehmensverbund der H.…-Gruppe an.

Seit April 1998 plante die Beklagte die Aufgabe ihres operativen Geschäftes. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Interessenausgleichsverhandlungen informierte sie den Betriebsrat, daß sie die Stillegung des Betriebes plane. In einer für die Interessenausgleichsverhandlungen gebildeten Einigungsstelle erklärten die Betriebsparteien am 5. Juni 1998 die Verhandlungen für gescheitert. Noch am gleichen Tag hielt die Geschäftsführung eine Sitzung ab, in der beschlossen wurde, jeglichen operativen Betrieb des Unternehmens vollständig und endgültig spätestens zum 31. Dezember 1998 einzustellen; der Stellenplan sollte so schnell wie möglich reduziert werden, allen Arbeitnehmern sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden, Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz gem. § 15 KSchG zum 31. Dezember 1998; ab 5. Juni 1998 sollten keine neuen Aufträge mehr angenommen werden; es sollten alle Schritte eingeleitet werden, Mietverträge etc. rechtzeitig zum Stillegungszeitpunkt zu kündigen.

Da der Kläger mitgeteilt hatte, er habe einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt, holte die Beklagte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der beabsichtigten Kündigung ein. Mit Schreiben vom 24. Juni 1998 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, daß dem Kläger nach Erteilung der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle mit der tariflichen Kündigungsfrist gekündigt werden solle. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom selben Tag.

Am 4. August 1998 ging dem Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten zu. Alle übrigen Arbeitnehmer hatten ebenfalls Kündigungen erhalten.

Auch nach dem 30. September 1998 fielen auf mehreren Baustellen der Beklagten Arbeiten an. Neben eigenen Arbeitnehmern setzte die Beklagte Subunternehmer ein.

Mit seiner am 10. August 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht. Er hat behauptet, daß die Beklagte zusammen mit den Firmen K.… GmbH (im folgenden: K.), Sch.… GmbH (im folgenden: Sch.) und A.…R.…B.… GmbH (im folgenden: ARB) einen einheitlichen Betrieb gebildet habe. Die Sozialauswahl hätte sich auch auf die in diesen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer erstrecken müssen. Außerdem habe die Beklagte über den 30. September und auch über den 31. Dezember 1998 hinaus genügend Arbeit gehabt, um ihn weiterzubeschäftigen. Daß seine Arbeitskraft nicht mehr gebraucht worden sei, habe die Beklagte nicht hinreichend konkret dargelegt. Auf Grund ihres undifferenzierten Vorgehens sei es zu Engpässen gekommen, so daß in verschiedenen Bauvorhaben Subunternehmer hätten eingesetzt werden müssen. Außerdem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei keine Auftragsübersicht zeitnah zu den Anhörungen vorgelegt worden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat auch nicht dargelegt, wie sie die Betriebsänderung im einzelnen habe durchführen wollen. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsübergangs auf die Fa. ARB bzw. die Fa. Sch.… erklärt worden sei.

Er hat, soweit für die Revisionsinstanz von Interesse, beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 3. August 1998 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, ein gemeinsamer Betrieb mit der Fa. K.… habe nicht vorgelegen. Dies ergebe sich bereits aus der Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Mai 1998 in dem Beschlußverfahren – 5 TaBV 3/97 –, mit der die gegenteilige Feststellung getroffen worden sei. Auch für den Zeitraum ab 5. Mai 1998 bis zum Ausspruch der Kündigung ergebe sich kein Umstand, aus dem auf das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes geschlossen werden könnte. Ein einheitlicher Leitungsapparat habe nicht vorgelegen. Dies gelte auch für die Sch.… und die ARB. Die zentrale Personalverwaltung greife weder in die Personaleinsatzplanung noch in die Einstellungs- und Kündigungspraxis entscheidend ein, sondern habe nur verwaltungstechnische Aufgaben erfüllt. Die Stillegungsbeschlüsse vom 5. Juni 1998 seien ausnahmslos in die Tat umgesetzt worden. Das gesamte operative Geschäft sei endgültig aufgegeben worden. Seit dem 31. Dezember 1998 seien für sie keine Arbeitnehmer mehr tätig. Auftragsreste seien von beauftragten Drittfirmen abgewickelt worden. Im Kündigungszeitpunkt sei davon auszugehen gewesen, daß in jeder Phase des Stillegungsprozesses ein Überhang an Arbeitskräften bestehen werde. Auch sei der Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt worden.

Das Arbeitsgericht hat, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger, das Teilurteil des Arbeitsgerichts zu seinem Feststellungsantrag wiederherzustellen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.

  • Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zB BAG 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzem Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22). Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die streitige Kündigung sei nicht sozial ungerechtfertigt, im Ergebnis nicht zu beanstanden.
  • Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß sich dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen, aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben können, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche Unternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. zB BAG 22. Mai 1986 aaO mwN). Erforderlich ist der ernstliche und endgültige Entschluß des Unternehmers, die Betriebsund Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben (vgl. BAG 22. Mai 1986 aaO mwN). Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist aber nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstillegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen hat.

    • Der Feststellung einer Betriebsstillegung durch die Beklagte steht vorliegend nicht entgegen, daß die anderen konzernzugehörigen Unternehmen ihre betrieblichen Aktivitäten fortführen. Der Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs der Beklagten und der inzwischen in die Fa. Sch.… integrierten Fa. K.… steht für den mit dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Mai 1998 – 5 TaBV 3/97 – beurteilten Zeitraum bereits die Rechtskraft dieses Beschlusses entgegen (vgl. BAG 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 – BAGE 68, 1). Davon abgesehen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt, der Sachvortrag des Klägers lasse nicht den Schluß zu, die Beklagte habe mit der Fa. K.…, der Fa. Sch.… und/oder der Fa. ARB nicht bloß unternehmerisch zusammengearbeitet, sondern darüber hinausgehend einen einheitlichen betrieblichen Leitungsapparat eingerichtet gehabt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit weder den Begriff des Gemeinschaftsbetriebs (vgl. zuletzt Senat 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen) verkannt, noch lassen seine Ausführungen sonstige Rechtsfehler erkennen. Auch die Revision hat insoweit keine Rügen erhoben.
    • Was die Hilfsargumentation des Klägers angeht, es habe ein Betriebsübergang auf die Fa. ARB bzw. die Fa. Sch.… stattgefunden und die Kündigung sei gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, ist die Rüge der Revision bereits unzulässig (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Schon die verletzte Rechtsnorm hat die Revision nicht bezeichnet (§ 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO). Allerdings wird mit der Rüge, das Berufungsgericht habe den Sachvortrag des Klägers zu einem Betriebsübergang und die dazu gemachten Beweisangebote nicht ausreichend berücksichtigt, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen geltend gemacht (Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 Abs. 1 ZPO); die Richtung des Prozeßangriffs ist damit ausreichend deutlich (vgl. BAG 19. Juni 1957 – 4 AZR 499/55 – BAGE 4, 291, 294 f.). Gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO hätte die Revision jedoch darüber hinaus genau angeben müssen, auf Grund welchen Vortrags das Landesarbeitsgericht zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte kommen müssen (BAG 29. Januar 1992 – 7 ABR 27/91 – BAGE 69, 286, 293); Beweismittel, Beweisantrag und Beweisthema sowie die Fundstelle in den in den Vorinstanzen eingereichten Schriftsätzen hätten genau bezeichnet werden müssen, und es hätte der Darlegung bedurft, daß die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 52; 29. Juli 1992 – 4 AZR 502/91 – BAGE 71, 56, 67). Diesen Anforderungen genügt die Rüge der Revision nicht.
    • Die Geschäftsführung der Beklagten hatte in ihrer Sitzung am 5. Juni 1998 nach dem Scheitern der Verhandlungen in der Einigungsstelle über einen Interessenausgleich ua. beschlossen, die werbende Tätigkeit des Unternehmens sofort und das operative Geschäft spätestens zum 31. Dezember 1998 vollständig einzustellen, allen Arbeitnehmern zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, den Stellenplan jeweils entsprechend dem Ausscheiden der Arbeitnehmer zu reduzieren, aus Rechtsgründen nicht bis spätestens 31. Dezember 1998 kündbare Arbeitnehmer ab dann freizustellen und vorhandene Aufträge nur noch im Rahmen des Möglichen abzuarbeiten. Damit hatte sich die Beklagte zur schnellstmöglichen dauerhaften Aufhebung der Betriebsund Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern entschlossen. Die unternehmerische Entscheidung hatte im Kündigungszeitpunkt im Protokoll über die Beschlußfassung vom 5. Juni 1998, in der dem Beschluß entsprechenden Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG und in der Massenentlassungsanzeige vom 24. Juni 1998 auch bereits greifbare Formen angenommen (vgl. BAG 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – aaO). Die Absicht, die gekündigten Arbeitnehmer in ihrer jeweiligen Kündigungsfrist bis maximal 31. Dezember 1998 für die Abarbeitung noch vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die Arbeiten auf allen Baustellen sofort einzustellen, stellte die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zur alsbaldigen Betriebsstillegung nicht in Frage; gegenüber den entsprechend dieser Absicht tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern erfüllte die Beklagte lediglich ihre auch im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Darüber hinausgehend enthielt die Stillegungsentscheidung der Beklagten keine Einschränkungen oder Vorbehalte, eventuell doch noch neu eingestellte Arbeitnehmer zur Fertigstellung der Baustellen einzusetzen oder dafür gekündigte Arbeitnehmer über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu beschäftigen; jedenfalls bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte und auch der Kläger hat solche nicht behauptet. Die Beklagte ging am 5. Juni 1998 und bis zum Kündigungszeitpunkt ersichtlich davon aus, die schnellstmögliche Auflösung der Betriebsgemeinschaft werde hinsichtlich vertraglicher Verpflichtungen gegenüber ihren Auftraggebern nicht zu Problemen führen, zu deren Bewältigung sie Neueinstellungen vornehmen oder gekündigte Arbeitnehmer über den Kündigungstermin hinaus weiterbeschäftigen müßte. Wenn die Beklagte auf Grund des beschlossenen schnellstmöglichen Personalabbaus auf Null bereits übernommene Aufträge nicht mehr vollständig abarbeiten konnte, berührte dies nur ihre schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Auftraggebern; ob die Beklagte entsprechende Aufträge “zurückgeben” oder mittels Subunternehmern fertigstellen konnte oder ob sie sich insoweit der Gefahr von Schadensersatzverpflichtungen wegen Nichterfüllung aussetzte, ist für den nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts getroffenen unbedingten Entschluß der Beklagten zur Betriebsstillegung ohne Belang; entscheidend ist, daß die Beklagte solche Aufträge nicht noch selbst mit eigenen, im Beschluß vom 5. Juni 1998 nicht mehr vorgesehenen betrieblichen Mitteln fertigstellen wollte.

      Die Konsequenz dieses unternehmerischen Konzepts war es, daß für jeden einzelnen der gekündigten Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit spätestens mit dem Ablauf der für ihn einschlägigen Kündigungsfrist wegfiel. Zu Unrecht rügt deshalb die Revision, die Beklagte habe den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit nicht individuell und arbeitsvertragsbezogen und somit nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die Revision verkennt, daß Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Unternehmens der Beklagten außer Betracht bleiben müssen. Einem Unternehmer steht es auch grundsätzlich frei, statt Arbeiten selbst mit eigenen Arbeitnehmern zu erledigen, die Arbeiten an Subunternehmer zu vergeben (vgl. BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101).

      Schließlich hat das Berufungsgericht auch mit Recht darauf hingewiesen, für die Berechtigung der Kündigung komme es auf die Sachlage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Eventuelle spätere Verzögerungen oder Änderungen des Ablaufplans in diesem Zusammenhang sind folglich unerheblich und lassen nicht auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Entschlusses der Beklagten zur Betriebsstillegung schließen. Soweit es also bei der Abwicklung der restlichen Aufträge der Beklagten wegen des ursprünglich nicht vorhersehbaren extrem hohen Krankenstandes ab September 1998 von über 50 % in Einzelfällen planwidrig zum Einsatz von Leiharbeitnehmern kam, ändert dies nichts daran, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der ernsthafte und dokumentierte Stillegungsbeschluß der Beklagten vom 5. Juni 1998 ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG begründete, welches die streitige Kündigung bedingte.

  • Dem Landesarbeitsgericht ist ferner darin beizupflichten, daß das unternehmerische Stillegungskonzept der Beklagten für eine soziale Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG keinen Raum ließ. Mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitsverhältnisse hat die Beklagte gerade keine Differenzierung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern vorgenommen. Der Schutzzweck des § 1 Abs. 3 KSchG geht dahin, sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmern den Arbeitsplatz längerfristig zu erhalten, nicht aber ihnen bloß längere Kündigungsfristen als in § 622 BGB bzw. dem einschlägigen Tarifvertrag vorgesehen einzuräumen. Zudem wäre mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist bei sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern gemessen an den die Arbeitsgerichte bindenden unternehmerischen Vorgaben der Beklagten ein Arbeitskräfteüberhang entstanden. § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet den Arbeitgeber jedoch nicht, auch nicht vorübergehend, einen solchen Überhang in Kauf zu nehmen.
  • Die Beklagte hat auch dem Betriebsrat bei der Anhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG die Kündigungsgründe ausreichend mitgeteilt. Sie hat insoweit angegeben, der operative Betrieb des Unternehmens solle schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 1998 vollständig und endgültig aufgegeben werden, alle Arbeitsplätze im Unternehmen würden ersatzlos wegfallen und die Frage einer Sozialauswahl stelle sich nicht, da allen Mitarbeitern zum nächstmöglichen Termin gekündigt werden sollte. Damit hat die Beklagte ihre Stillegungsentscheidung als Kündigungsgrund hinreichend verdeutlicht. Einer Mitteilung der Absicht, ihre Verpflichtungen gegenüber Auftraggebern teilweise mit dem Einsatz von Subunternehmern zu erfüllen, bedurfte es nicht, weil der Einsatz von Subunternehmern keine Fortsetzung des eigenen Betriebs mit eigenen Arbeitnehmern beinhaltet, die mitgeteilte Stillegungsabsicht also unberührt läßt. Insoweit handelt es sich nicht um ein Nachschieben wesentlicher Informationen zu den Kündigungsgründen, sondern allenfalls um eine auch nach Abschluß des Anhörungsverfahrens zulässige Erläuterung (BAG 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39).

    Dem Betriebsrat war damit entgegen der Ansicht der Revision eine arbeitsvertragsbezogene Argumentation zugunsten des Klägers nicht abgeschnitten. Der Betriebsrat hätte durchaus darauf hinweisen können, daß er Einsatzmöglichkeiten für den Kläger auch nach Ablauf der Kündigungsfrist sehe, weil einzelne Baustellen nach dem mitgeteilten unternehmerischen Konzept der Beklagten nicht bis 31. Dezember 1998 fertiggestellt werden könnten. Zwar hätte die Beklagte ihr Konzept (teilweise) durchbrechen müssen, wenn sie sich auf entsprechende Vorschläge des Betriebsrats eingelassen hätte. Dies ist jedoch bei betriebsbedingten Kündigungen nichts Ungewöhnliches und stellt die Rechtswirksamkeit der Anhörung des Betriebsrats nicht in Frage. Auch im übrigen läßt die Betriebsratsanhörung keine Fehler erkennen.

  • An § 17 f. KSchG scheiterte die Entlassung des Klägers schon deshalb nicht, weil die Beklagte bezogen auf den 30. September 1998 nicht innerhalb von 30 Kalendertagen 10 vH oder mehr als 25 der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer entließ. Insoweit hat die Revision auch keine Rügen mehr erhoben.
 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Fischermeier, Dr. Bartel, Nielebock

 

Fundstellen

Haufe-Index 892450

ARST 2001, 236

SAE 2001, 287

ZInsO 2001, 822

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