Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. soziale Auswahl im Konzern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen (Bestätigung des Urteils des Senats vom 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 = BAGE 41, 72).

2. Die Pflicht zur sozialen Auswahl ist betriebsbezogen. Bei Vermittlung von Arbeitnehmern eines stillgelegten Betriebs auf freie Arbeitsplätze anderer Konzernunternehmen finden die Grundsätze der sozialen Auswahl keine Anwendung.

 

Normenkette

BetrVG § 113; KSchG § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25, Abs. 3 Fassung 1969-08-25

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 14.11.1983; Aktenzeichen 9 Sa 81/83)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.04.1983; Aktenzeichen 10 Ca 242/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie über die Wirksamkeit der von der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 26. April zum 30. Juni 1982.

Die 1950 geborene, verheiratete Klägerin, die Mutter von vier minderjährigen Kindern ist, war seit 13. August 1973 im Werk Berlin-Schwedenstraße der Beklagten zu 1) als Montiererin beschäftigt. In diesem Betrieb wurden ausschließlich Rundfunkgeräte, Verstärker und Cassettenrecorder produziert. Klägerin verdiente zuletzt monatlich 1.700,-- DM brutto. Am 28. Februar 1981 wurden in dem Betrieb 1.263 Arbeitnehmer (1173 Arbeiter und 90 Angestellte) beschäftigt.

Im Jahre 1981 führte die Beklagte zu 1) ihre Fertigung stufenweise zurück und reduzierte den Personalbestand bis zum 31. Dezember 1981 auf 478 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 27. März 1981 teilte die Beklagte zu 1) dem Präsidenten des Landesarbeitsamts gemäß § 8 AFG mit, sie beabsichtige das Personal um etwa 30 Angestellte und 400 bis 500 Lohnempfänger zu reduzieren und gab als Ursache die Lohnkostensituation an.

Bereits am 9. Mai 1980 hatten der Vorstand der Beklagten zu 1) und der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich gemäß § 112 BetrVG vereinbart, wonach zwischen Vorstand und Gesamtbetriebsrat Übereinstimmung bestand, daß zur Wiedererlangung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens umfangreiche Struktur- und Rationalisierungsmaßnahmen in den Jahren 1980 und 1981 durchgeführt werden mußten. In diesem Interessenausgleich verpflichtete sich die Beklagte zu 1), "alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten".

Mit Schreiben vom 11. Mai 1981 zeigte die Beklagte zu 1) dem Arbeitsamt gemäß § 17 KSchG die Entlassung von insgesamt 348 Arbeitnehmern stufenweise zum 20. Juni, 30. Juni und 31. Juli 1981 an. Diese Entlassungen wurden durch Bescheid vom 10. Juni 1981 genehmigt. Bereits mit Schreiben vom 29. Mai 1981 hatte die Beklagte zu 1) dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes ergänzend mitgeteilt, der Personalbestand solle bis zum 31. Dezember 1981 auf 30 Angestellte und 448 Arbeiter reduziert werden. Erläuternd fügte die Beklagte in diesem Schreiben hinzu:

"Im Rahmen einer Kooperation zwischen Thomson-Brandt,

Thorne, JVC und Telefunken ist beabsichtigt, eine

Videorecorder-Produktion in Berlin aufzubauen. Da-

durch wird die Möglichkeit geschaffen, den verblei-

benden Teil von 478 Mitarbeitern per 31.12.1981 des

Werkes in der Schwedenstraße, wo jetzt Rundfunk- und

Casetten-HiFi-Geräte hergestellt werden, weiter zu

beschäftigen.

Wie früher schon mitgeteilt, wird aus Gründen nicht

gegebener Wirtschaftlichkeit die Tongeräte-Fertigung

stufenweise zurückgeführt.

Als Fertigungsstätte für Video-Recorder sind vorhan-

dene Räumlichkeiten von AEG-Telefunken im Märkischen

Viertel vorgesehen."

Durch Gesellschaftsvertrag vom 7. Juli 1981 wurde dann die Beklagte zu 2) unter der damaligen Firmierung "Telefunken-Video GmbH" als 100-%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) gegründet und zu ihrem Geschäftsführer der Betriebsleiter der Beklagten zu 1) im Berliner Werk, der Ingenieur Wolfgang St, bestellt. Als Gegenstand des Unternehmens wurden die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Erzeugnissen auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik nebst Zubehör bezeichnet. Am 9. Juli 1982 erfolgte eine Änderung des Firmennamens in "J 2 T Video GmbH" (in das Handelsregister wurde die Firmenänderung am 20. Juli 1982 eingetragen). Gesellschafter dieser GmbH, der Beklagten zu 2), sind zu je 1/3 die Beklagte zu 1), die japanische Firma JVC und die britische Firma Thorne. Die Zweitbeklagte befaßt sich im Märkischen Viertel mit der Fertigung von Video-Recordern.

Der Betrieb der Beklagten zu 2) ist mit neuen Fertigungseinrichtungen japanischer Herkunft ausgestattet.

In einer Betriebsversammlung vom 30. Juni 1981 hatte die Beklagte zu 1) bereits ihren Mitarbeitern im Werk Berlin-Schwedenstraße mitgeteilt, daß die Tongerätefertigung im Laufe des nächsten Jahres eingestellt werde. Unter dem 16. Oktober 1981 fertigte die Beklagte zu 1) ein Schreiben, daß sie insgesamt 431 Arbeitnehmern aushändigte, zu denen die Klägerin nicht gehörte. In diesem Schreiben teilte sie im Hinblick auf die für das Jahr 1982 beabsichtigte Betriebsstillegung des Betriebes in der Schwedenstraße mit, daß sie einen Arbeitsplatz in ihrer im Aufbau befindlichen Tochtergesellschaft Telefunken-Video GmbH anbieten könne.

Alle Arbeitnehmer, die aufgrund dieses Anschreibens ein Interesse an der Beschäftigung bei der Telefunken-Video GmbH bekundeten, wurden von der Beklagten zu 2) eingestellt, insgesamt 426 Arbeitnehmer. Diese Mitarbeiter wechselten schubweise zur Beklagten zu 2) über, nachdem dort die Fertigung von Videogeräten nach und nach anlief. Die Klägerin erhielt kein entsprechendes Schreiben. Sie befand sich zu jener Zeit in Mutterschutzurlaub. Mit Zustimmung des Betriebsrats wurde das Werk Schwedenstraße zum 30. September 1982 stillgelegt. Mit Schreiben vom 26. April 1982, das der Klägerin am 14. Mai 1982 ausgehändigt wurde, kündigte die Beklagte zu 1) der Klägerin zum 30. Juni 1982 wegen der bevorstehenden Betriebsstillegung. In dem Kündigungsschreiben teilte die Beklagte zu 1) mit, sie werde die Versetzungsmöglichkeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Konzern überprüfen. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung nicht. Nach dem Sozialplan vom 20. März 1980 steht der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 2.830,-- DM zu. Mit der beim Arbeitsgericht am 29. Mai 1982 eingegangenen Klage hat die Klägerin die von der Beklagten zu 1) ausgesprochene ordentliche Kündigung angegriffen.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Betrieb der Beklagten zu 1) in Berlin-Schwedenstraße sei auf die Beklagte zu 2) durch Rechtsgeschäft übergegangen; die Kündigung der Beklagten zu 1) sei deshalb mit Rücksicht auf § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB rechtsunwirksam. Weiterhin hat die Klägerin die soziale Auswahl der Beklagten zu 1) gerügt und sich insoweit auf eine von ihr überreichte Liste solcher Arbeitnehmerinnen berufen, die von der Beklagten zu 2) übernommen wurden und nach Auffassung der Klägerin weniger schutzbedürftig sind. Sie hat die Auffassung vertreten, dann, wenn nur eine begrenzte Anzahl von Arbeitnehmern in einen anderen Betrieb oder in ein anderes Unternehmen versetzt werden könne, habe der Arbeitgeber hierbei soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Statt dessen habe die Beklagte diejenigen Arbeitnehmer nicht an ihre Tochtergesellschaft vermittelt, die ihr deshalb nicht genehm gewesen seien, weil sie im Rahmen vorhergehender Massenentlassungen Kündigungsschutzklage erhoben hatten und aufgrund obsiegenden Urteils weiterhin im Betrieb der Beklagten zu 1) beschäftigt wurden. Außerdem seien diejenigen Arbeitnehmerinnen von dem Angebot ausgenommen worden, die sich im Mutterschutz befunden hätten. Schließlich bestehe vorliegend ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz, da die Beklagte zu 1) sich verpflichtet habe, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern vergleichbare Arbeitsplätze im Konzern anzubieten und im Kündigungsschreiben noch einmal wiederholt habe, es werde geprüft, ob der Klägerin ein vergleichbarer Arbeitsplatz im Konzern angeboten werden könne. Entgegen ihrer Verpflichtung habe die Beklagte zu 1) jedoch nichts unternommen, um einen vergleichbaren Arbeitsplatz im Konzern oder der neuaufgebauten Video-Produktion anzubieten. Die Beklagte zu 1) habe weder geprüft, ob die Klägerin im Werk Brunnenstraße eingesetzt werden könne noch habe sie die zum Zeitpunkt der Kündigung offenen Arbeitsplätze in der Video-Produktion daraufhin untersucht, ob die Klägerin dort beschäftigt werden könne.

Zu ihrem ersten Hilfsantrag hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte zu 1) sei durch die Beklagte zu 2) bevollmächtigt gewesen, den Arbeitnehmern eine Weiterbeschäftigung bei dieser anzubieten. Zwar seien die Arbeitsverträge von der Beklagten zu 2) unterzeichnet worden, jedoch habe die Beklagte zu 1) nur denjenigen ihrer Arbeitnehmer Arbeitsvertragsangebote gemacht, auf deren Weiterbeschäftigung auch sie Wert gelegt habe.

Soweit die Klägerin hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung gemäß § 113 BetrVG verlangt, hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte habe ihre Verpflichtung aus dem Interessenausgleich, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern vergleichbare Arbeitsplätze im Konzern anzubieten, verletzt. Die Beklagte zu 1) sei deshalb gemäß § 113 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, ihr eine Abfindung zu zahlen.

Zum dritten Hilfsantrag hat die Klägerin ausgeführt, mit dem Erhalt des Formschreibens vom 16. Oktober 1981 bezüglich der Beschäftigung bei der Beklagten zu 2) verbessere sich ihre Rechtsposition.

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch

die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 26. April

1982 nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, daß zwischen ihr und der Beklag-

ten zu 2) ab dem 1. Oktober 1982 ein Arbeitsver-

hältnis besteht zu den Bedingungen, wie sie bis

zum 30. September 1982 zwischen ihr und der Be-

klagten zu 1) vereinbart waren;

3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sie bis zum

rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden

Rechtsstreits weiterzubeschäftigen;

hilfsweise:

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, kraft der ihr

von der Telefunken-Video GmbH - jetzt die Be-

klagte zu 2) - erteilten Vollmacht ihr die Wei-

terbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) anzu-

bieten;

2. Die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner

zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung

gemäß § 113 BetrVG zu zahlen, deren Höhe gemäß

§§ 9, 10 KSchG in das Ermessen des Gerichts ge-

stellt wird, die aber unter Einschluß der der

Klägerin bereits gezahlten Abfindung nach dem

Sozialplan mindestens 7.650,-- DM betragen soll;

3. Die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr das Form-

schreiben vom 16. Oktober 1981 bezüglich der

Beschäftigung bei der Beklagten zu 2) auszuhän-

digen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung haben sie vorgetragen, die von der Beklagten zu 1) ausgesprochene ordentliche fristgerechte Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil wegen der erfolgten Stillegung des Betriebes eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin nicht mehr bestanden habe. Bei einer Betriebsstillegung komme es auf die Frage der sozialen Auswahl nicht an. Es treffe auch nicht zu, daß die Beklagte zu 2) den Betrieb der Beklagten zu 1) im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch Rechtsgeschäft übernommen habe. Die Beklagte zu 1) habe auch nicht gegen den Interessenausgleich verstoßen, weshalb der Antrag zur Zahlung einer Abfindung gemäß § 113 BetrVG unbegründet sei. Aus dem gleichen Grunde führe auch ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz nicht weiter. Die Beklagte zu 1) habe keinen Arbeitsplatz für die Klägerin im Konzern gehabt. Soweit die Klägerin auf die Betriebsstätte Brunnenstraße hinweise, müsse ihr bekannt sein, daß auch diese Betriebsstätte geschlossen werde. Die Beklagte zu 2) gehöre nicht zum Konzern AEG-Telefunken, vielmehr sei die Beklagte zu 1) an ihr nur zu 1/3 beteiligt. Abgesehen davon habe die Beklagte zu 2) keinen Arbeitsplatz in der Video-Produktion für die Klägerin zur Verfügung gehabt. Von noch 690 zum 30. September 1981 beschäftigten Arbeitnehmern hätten nur 426 einen Arbeitsvertrag erhalten. Im übrigen sei die Beklagte zu 1) nicht bevollmächtigt gewesen, für die Beklagte zu 2) ein Angebot zum Abschluß eines Arbeitsvertrages bei der Beklagten zu 2) zu machen. Das ergebe sich auch nicht aus dem Formschreiben vom 16. Oktober 1981.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision hat die Klägerin zunächst die ursprünglich gestellten Anträge weiterverfolgt mit Ausnahme des Antrages, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen. Der Fünfte Senat hat am 22. Mai 1985 beschlossen, das Verfahren insoweit abzutrennen, wie die Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) verfolgt (Klageantrag zu 1.) und Hilfsanträge zu 1. und 3. sowie zu 2. in Bezug auf die Beklagte zu 1) und hat das abgetrennte Verfahren zuständigkeitshalber an den erkennenden Senat abgegeben. In der Verhandlung vor dem Fünften Senat am 22. Mai 1985 hat die Klägerin den Hilfsantrag zu 2) zurückgenommen, soweit es um die Zahlungspflicht der Beklagten zu 2) geht. Der Fünfte Senat hat sodann durch Urteil vom 22. Mai 1985 die Revision der Klägerin gegen den Hauptantrag hinsichtlich der Beklagten zu 2) zurückgewiesen. Im übrigen verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten zu 1) sei sozial gerechtfertigt. Es hat ausgeführt, vorliegend sei der Betrieb Schwedenstraße mit Zustimmung des Betriebsrats zum 30. September 1982 stillgelegt worden. Bei der Stillegung handele es sich um eine Unternehmerentscheidung, die von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen sei. Aufgrund der Betriebsstillegung sei der Arbeitsplatz der Klägerin auch weggefallen. Dringende betriebliche Erfordernisse seien in der Regel allerdings nur anzuerkennen, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien Arbeitsplatz nicht möglich oder zumutbar sei. Vorliegend habe die Beklagte zu 1) behauptet, keine anderweitige geeignete Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin zu haben. Diese habe daraufhin nicht substantiiert dargelegt, wie sie sich eine anderweitige Beschäftigung im stillgelegten Betrieb vorstelle. Soweit die Klägerin sich darauf berufe, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, sie auch in anderen Betrieben des Unternehmens der Beklagten zu 1) bzw. in Konzernbetrieben zu beschäftigen, verkenne sie die Rechtslage. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht konzernbezogen. Zu einer Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens wäre die Beklagte nur verpflichtet gewesen, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hätte.

Auch dem ersten Hilfsantrag der Klägerin, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr kraft einer angeblich von der Beklagten zu 2) erteilten Vollmacht die Weiterbeschäftigung bei der Zweitbeklagten anzubieten, müsse der Erfolg versagt bleiben. Bei dem Schreiben der Erstbeklagten vom 16. Oktober 1981 handele es sich in rechtlicher Hinsicht lediglich um eine Aufforderung zur Mitteilung darüber, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert sei.

Der Klägerin stehe auch keine Abfindung nach § 113 BetrVG zu. Zwar habe die Beklagte zu 1) sich in dem am 9. Mai 1980 mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleich verpflichtet, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsangehörigen nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten zu 2) sei jedoch nicht in Betracht gekommen, da diese nicht ein Konzernbetrieb der Beklagten zu 1), sondern ein eigenständiges Unternehmen gewesen sei. Die Betriebsstätte Brunnenstraße der AEG-Telefunken sei inzwischen im wesentlichen auch stillgelegt worden. Eine Abweichung vom Interessenausgleich könne daher nicht festgestellt werden.

B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts war im Ergebnis zu folgen.

I. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe den Begriff der Sozialwidrigkeit verkannt.

1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Hauptantrag, festzustellen, daß die Kündigung zum 26. April 1982 nicht sozial gerechtfertigt sei und das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

2. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. statt vieler BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.) aus, unternehmerische Entscheidungen (= innerbetriebliche Gründe einer Kündigung) seien im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Richtig ist auch, daß die Betriebsstillegung eine solche Unternehmerentscheidung ist und ein dringendes betriebliches Erfordernis nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG darstellt.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt eine Betriebsstillegung den endgültigen Entschluß des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben (BAG Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40). Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, daß auf Beschluß der Beklagten zu 1) im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die Produktion in dem Betrieb Schwedenstraße zum 30. September 1982 auf Dauer eingestellt worden ist. Die Parteien haben in diesem Zusammenhang nur darüber gestritten, ob wegen der Aufnahme der Produktion von Video-Recordern (die bei der Beklagten zu 1) nicht hergestellt wurden) auf einem anderen Betriebsgelände (im Märkischen Viertel) mit im wesentlichen neuen Produktionsmitteln ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB anzunehmen ist. Dies hat der Fünfte Senat im Urteil vom 22. Mai 1985 (- 5 AZR 30/84 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) verneint. Dementsprechend ist davon auszugehen, daß dieser Betrieb der Beklagten zu 1) zum 30. September 1982 stillgelegt worden ist.

c) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiterhin angenommen, die Sozialwidrigkeit der Kündigung ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, daß der Klägerin statt zum 30. September 1982 (dem Zeitpunkt der Betriebsstillegung) bereits zum 30. Juni 1982 gekündigt worden ist. Der Senat hat bereits durch Urteil vom 27. Februar 1958 (BAG 6, 1 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung) entschieden, habe eine Rationalisierungsmaßnahme bereits greifbare Formen angenommen, so könne eine betriebsbedingte Kündigung schon dann ausgesprochen werden, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung ergebe, daß bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Bedarf für die Tätigkeit des Arbeitnehmers entfalle. Das gleiche muß auch für Betriebsstillegungen gelten. Vorliegend hat die Beklagte zu 1) dargelegt, Arbeitnehmer, denen wegen längerer Kündigungsfristen erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1. Oktober habe gekündigt werden können, hätten mangels Beschäftigungsmöglichkeit von der Arbeit freigestellt werden müssen. Außerdem hat die Beklagte vorgetragen, die Tongeräte-Fertigung sei etappenweise zurückgeführt worden und aus diesem Grunde seien in entsprechendem Umfang 1981 und 1982 Kündigungen ausgesprochen worden. Dementsprechend hat die Klägerin auch selbst zwei weitere Kündigungen der Beklagten zu 1) gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen zum 28. Februar und 31. Mai 1982 vorgelegt und ihrerseits nicht behauptet, wenigstens in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1982 sei noch Arbeit für sie vorhanden gewesen.

3. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen ist, die Klägerin in einem anderen Betrieb des Unternehmens der Beklagten zu 1) bzw. in einem Betrieb des Konzerns AEG-Telefunken zu beschäftigen, ist dem Berufungsgericht ein Rechtsfehler unterlaufen, auf dem indessen das Berufungsurteil nicht beruht.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Kündigungsschutzrecht sei betriebs-, allenfalls unternehmensbezogen. Diese Formulierung ist dem Senatsurteil vom 14. Oktober 1982 (BAG 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern) entnommen. Sie ist leicht mißverständlich, weil sie den Eindruck entstehen lassen kann, der Senat bezweifele, daß das Kündigungsschutzgesetz auch unternehmensbezogen sei. Tatsächlich hat der Senat entschieden, das Kündigungsschutzgesetz sei grundsätzlich betriebsbezogen, aber seit der Neufassung des § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 durch das BetrVG 1972 und das BPersVG 1974 hinsichtlich der Weiterbeschäftigungspflicht unternehmensbezogen. Die Möglichkeit, den Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterzubeschäftigen, ist deshalb auch dann nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu berücksichtigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung deswegen nicht widersprochen hat (BAG Urteil vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 32 im Anschluß an BAG 25, 278 und die herrschende Meinung in der Literatur: so Löwisch, DB 1975, 349; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 184; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 306; Müller, ZfA 1982, 475, 489; Otto, SAE 1975, 5; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 507; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 102 Rz 134; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 176, m.w.N.; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, 2. Aufl., Rz 159; Hillebrecht, VAA 1983, 101 ff.; einschränkend Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 114 b und c, der auf die Besonderheiten des Einzelfalles abstellen will, so, ob der Arbeitnehmer für das ganze Unternehmen eingestellt worden ist).

b) Dementsprechend hätte das Landesarbeitsgericht nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, die Beklagte zu 1) habe eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb ihres Unternehmens schon deshalb nicht prüfen müssen, weil der Betriebsrat der Kündigung nicht widersprochen hatte. Die Beklagte zu 1) hat jedoch dargelegt, in ihrem anderen Betrieb (Brunnenstraße) in Berlin habe sie keinen Arbeitsplatz für die Klägerin, vielmehr werde auch dieser Betrieb in Kürze stillgelegt und auch sonst sehe sie keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin. Die Klägerin hätte hierauf nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast (BAG Urteil vom 3. Februar 1977 - 2 AZR 476/75 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG 42, 151) ihrerseits vortragen müssen, in welchem anderen Betrieb der Beklagten zu 1) ein freier Arbeitsplatz für sie vorhanden sei. Dies hat sie nicht getan.

Dementsprechend ist die Kündigung auch nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte zu 1) der Klägerin keine Beschäftigung in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens angeboten hatte.

4. Die Revision rügt auch zu Unrecht, das Berufungsgericht habe vorliegend die Konzernbezogenheit des Kündigungsschutzes verkannt.

a) Nach dem Senatsurteil vom 14. Oktober 1982 (BAG 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, mit zust. Anm. von Wiedemann) ist das Kündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen. Der Senat hat aber in jener Entscheidung ausgeführt, aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltungen seien Ausnahmefälle denkbar, in denen eine konzernbezogene Betrachtung geboten sei. Davon sei nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereiterklärt habe, sondern auch und vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergebe. Der Arbeitnehmer könne nach dem Arbeitsvertrag von vornherein für den Unternehmens- und den Konzernbereich eingestellt worden sein oder sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmens- bzw. Konzerngruppe einverstanden erklärt haben. Bei einer solchen Vertragsgestaltung müsse der Arbeitgeber als verpflichtet angesehen werden, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen kündige. Gleiches müsse aber auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine diesbezügliche Zusage mache oder eine Übernahme durch einen anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb in Aussicht stelle. Dies sind aber keine Beispiele für eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf den Konzern. Vielmehr kann der Arbeitnehmer bei derartigen Fallgestaltungen einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Verschaffung eines Arbeitsvertrages haben. Insoweit hat der Senat die Anregungen von Konzen (Arbeitsrechtliche Drittbeziehungen, ZfA 1982, 259 ff.) und Martens (Das Arbeitsverhältnis im Konzern in 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 367, 375) aufgegriffen, bei einer durch die gegebenen Umstände konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht auch eine erweiterte "Versetzungspflicht" anzunehmen. Voraussetzung dafür ist allerdings weiterhin, daß dem Beschäftigungsbetrieb aufgrund einer Abstimmung mit dem herrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluß auf die "Versetzung" eingeräumt worden und die Entscheidung darüber nicht dem grundsätzlich zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden ist.

b) Vorliegend hat sich die Beklagte in dem Interessenausgleich vom 9. Mai 1981 gegenüber dem Gesamtbetriebsrat verpflichtet, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten.

Hierdurch ist noch keine Selbstbindung der Beklagten zu 1) eingetreten, die zu einer konzerndimensionalen Betrachtung führt. Der Interessenausgleich nach § 112 BetrVG gibt den betroffenen Arbeitnehmern nämlich keinen Rechtsanspruch, den sie gerichtlich durchsetzen könnten. Sie haben bei einer pflichtwidrigen Abweichung des Unternehmers vielmehr nach § 113 BetrVG nur den Anspruch auf einen Nachteilsausgleich (vgl. z.B. statt vieler Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 112 Rz 123). Damit stünde in Widerspruch, wenn an die Nichtbeachtung des Interessenausgleichs die Rechtsfolge der Sozialwidrigkeit der Kündigung geknüpft würde.

Auch die Formulierung in dem Interessenausgleich spricht gegen eine Selbstbindung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern, hat sich die Beklagte zu 1) doch nur verpflichtet, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern einen vergleichbaren Arbeitsplatz im AEG-Telefunken- Konzern anzubieten. Sie kann nur als Verpflichtung gegenüber dem Gesamtbetriebsrat verstanden werden, nicht aber als Rechtsgrundlage des einzelnen Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung. Die Klägerin behauptet denn auch nicht, die Beklagte zu 1) habe nicht die notwendigen Schritte unternommen, um möglichst vielen Arbeitnehmern einen vergleichbaren Arbeitsplatz im Konzern zu verschaffen. Sie rügt nur, daß gerade ihr keine Weiterbeschäftigung angeboten worden sei, obwohl sie sozial schutzbedürftiger sei als andere Arbeitnehmer, denen eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) angeboten worden sei.

c) Eine begrenzte Selbstbindung der Beklagten zu 1) ergibt sich allerdings aus dem Kündigungsschreiben der Beklagten zu 1), in dem ausgeführt wird, es werde die Versetzungsmöglichkeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Konzern überprüft. Diese Ankündigung enthält insoweit eine Selbstbindung gegenüber der Klägerin, als die Beklagte erklärt, sofern möglich, werde sie der Klägerin einen anderen Arbeitsplatz im Konzern anbieten. Die Ankündigung ist insofern ungewöhnlich, als sie sich im Kündigungsschreiben findet. Damit hat die Beklagte zu 1) darauf hinweisen wollen, daß der Klägerin gekündigt werden müsse, weil bis jetzt noch keine Beschäftigungsmöglichkeit gefunden worden ist, sie aber weiterhin Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern suche, deren Auffinden bei der Größe des Konzerns naturgemäß längere Zeit dauere.

5. Hauptsächlich beruft sich die Klägerin für ihre Ansicht, ihre Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, auf das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 16. Oktober 1981, das die Beklagte zu 1) 431 Arbeitnehmern des Betriebs Schwedenstraße zugehen ließ und in dem sie mitteilte, sie könne den betreffenden Arbeitnehmern in ihrer im Aufbau befindlichen Tochtergesellschaft, der Telefunken-Video GmbH, einen neuen Arbeitsplatz anbieten. Die Klägerin hat ausgeführt, alle Arbeitnehmer, die dieses Schreiben erhalten und ihr Interesse bekundet hätten, seien von der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt worden. Auch ihr, der Klägerin, hätte eine Weiterbeschäftigung angeboten werden müssen, weil sie sozial schutzbedürftiger sei als eine ganze Reihe anderer Arbeitnehmer, die die Aufforderung erhalten hätten, ihr Interesse zu bekunden.

Auch dieser Vortrag der Klägerin ist nicht geeignet, die Kündigung als sozialwidrig erscheinen zu lassen.

a) Mit der Zusendung der gleichlautenden Schreiben vom 16. Oktober 1981 an 431 Beschäftigte des Betriebs Schwedenstraße, in dem auch die Klägerin beschäftigt war, hat die Beklagte zumindest für diejenigen Arbeitnehmer, die dieses Schreiben erhalten haben, einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen sich diese darauf verlassen konnten, die Beklagte zu 1) vermittle ihnen einen Arbeitsvertrag für die Beschäftigung bei der Telefunken-Video GmbH. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob das Schreiben ein Angebot der Beklagten zu 1) auf Abschluß eines Vertrages enthält, welcher seinerseits auf Abgabe eines Arbeitsvertragsangebots durch die Beklagte zu 2) gerichtet war oder ob es sich hierbei lediglich um eine Aufforderung zur Mitteilung darüber handelte, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert war.

b) Die Klägerin hatte aber keinen Anspruch darauf, statt anderer, sozial stärkerer Arbeitnehmer ein solches Schreiben zu erhalten mit der Folge, dann auch bei der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt zu werden.

aa) Der Senat hat im Urteil vom 15. März 1984 (- 2 AZR 24/83 - SAE 1985, 302, mit zust. Anm. von Mummenhoff) entschieden, das Gebot der sozialen Auswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung gelte nicht entsprechend für Fälle, in denen der Arbeitgeber im Anschluß an eine betriebsbedingte Kündigung wegen Arbeitsmangels später wegen verringerten Personalbedarfs nur einen Teil der bisherigen Belegschaft erneut einstelle.

bb) Entsprechendes gilt auch für den Fall, in dem - wie vorliegend - der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit sämtlichen Arbeitnehmern löst, aber einem Teil der Restbelegschaft einen Arbeitsplatz in einer Tochtergesellschaft anbietet. Im Unterschied zu der Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber, die nach § 1 Abs. 2 KSchG auch unternehmensbezogen ausgestaltet ist, fehlt es an einer entsprechenden Regelung für den Bereich der sozialen Auswahl. Aufgrund dieser gesetzlichen Wertung ist für den Bereich der sozialen Auswahl von der grundsätzlichen Betriebsbezogenheit des individuellen Kündigungsschutzes auszugehen (BAG Urteil vom 25. April 1985 - 2 AZR 140/84 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35, zu B II 2 der Gründe; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 345; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 123; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 58; vgl. zu den Auswirkungen weiter Weller, AuR 1986, 225, 230). Wird der Betrieb wie vorliegend stillgelegt, das Arbeitsverhältnis mit allen Arbeitnehmern gelöst und einem Teil der Belegschaft ein Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen angeboten, bleibt daher für eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG kein Raum.

Eine solche Übertragung der Grundsätze der sozialen Auswahl auf die Vermittlung von Arbeitnehmern in andere Unternehmen, wäre im Ergebnis eine soziale Auswahl bei der Einstellung durch einen neuen Arbeitgeber.

6. Hat also im Betrieb Schwedenstraße keine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten durchgeführt werden können, weil das Arbeitsverhältnis mit sämtlichen Arbeitnehmern wegen der Betriebsstillegung gelöst worden ist und finden die Grundsätze der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG auf die Vermittlung von Arbeitsplätzen bei einem anderen Unternehmen keine Anwendung, so war die Kündigung gegenüber der Klägerin auch nicht sozialwidrig.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht den ersten Hilfsantrag der Klägerin für nicht begründet gehalten, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihr kraft der ihr von der Telefunken-Video GmbH - jetzt die Beklagte zu 2) - erteilten Vollmacht die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) anzubieten.

Es kann dahinstehen, ob das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 16. Oktober 1981 lediglich eine Aufforderung zur Mitteilung darüber ist, ob der betreffende Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung durch die damalige Telefunken-Video GmbH interessiert sei, oder ob das Schreiben gegenüber den Arbeitnehmern, die dieses Schreiben erhalten haben, die unbedingte Zusage eines Vertragsangebotes durch die Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) in der damaligen Firmierung der Telefunken-Video GmbH, für den Fall enthält, daß der betreffende Arbeitnehmer innerhalb der angegebenen Frist sein Interesse an einem Arbeitsvertrag bekundete. Denn unstreitig hat gerade die Klägerin das Schreiben vom 16. Oktober 1981 mit anliegendem Formblatt nicht erhalten. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf verwiesen, daß die Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen hat, aus welchen Tatsachen sich ergeben soll, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet gewesen ist, auch der Klägerin eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2) anzubieten.

Es kann unterstellt werden, daß die Beklagte zu 1) bevollmächtigt gewesen ist, 431 Arbeitnehmern ihrer Restbelegschaft das Schreiben vom 16. Oktober 1981 mit Formblatt auszuhändigen und damit eine Zusage für ein Vertragsangebot bei der Beklagten zu 2) zu geben. Es kann weiter unterstellt werden, daß es der Beklagten zu 1) überlassen war, ihrerseits die 431 Arbeitnehmer aus der Restbelegschaft auszusuchen, denen sie ein Schreiben vom 16. Oktober 1981 überlassen wollte, und zwar ohne dabei an die Grundsätze der sozialen Auswahl gebunden zu sein. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, woraus sich ergeben soll, daß die Beklagte zu 1) ermächtigt war, mehr als 431 Arbeitnehmern das Schreiben auszuhändigen.

III. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht den Antrag der Klägerin abgewiesen, ihr eine Abfindung nach § 113 BetrVG zu zahlen.

Zwar hat die Beklagte zu 1) in dem am 9. Mai 1980 mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleich vereinbart, werde sie alle notwendigen Schritte unternehmen, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern nach Arbeitsaufgabe und Entgelt vergleichbare Arbeitsplätze in der bisherigen Betriebsstätte oder in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten. Es ist auch nicht richtig, wie das Berufungsgericht meint, daß eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bei der Beklagten zu 2) nicht in Betracht gekommen wäre, da diese kein Konzernbetrieb der Beklagten zu 1), sondern ein eigenständiges Unternehmen gewesen sei. Die Beklagte zu 2) war in der damaligen Firmierung der Telefunken-Video GmbH eine 100-%ige Tochter der Beklagten zu 1). Deshalb hätte die Beklagte zu 1) der Klägerin das Vermittlungsschreiben vom 16. Oktober 1981 mit Formbogen zusenden können, denn auch an diesem Tage war die Beklagte zu 2) als damalige Telefunken-Video GmbH noch eine 100-%ige Tochter der Beklagten zu 1).

Dennoch hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Abfindung nach § 113 BetrVG. Einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitnehmer nur dann, wenn der Unternehmer von einem Interessenausgleich ohne zwingenden Grund abweicht. Dies hat die Beklagte zu 1) jedoch nicht dadurch getan, daß sie statt der Klägerin anderen Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz bei ihrer Tochtergesellschaft angeboten hat. Dafür, daß die Beklagte zu 1) im übrigen nicht die notwendigen Schritte unternommen hätte, um möglichst vielen Belegschaftsmitgliedern vergleichbare Arbeitsplätze in anderen Betriebsstätten des AEG-Telefunken-Konzerns anzubieten, hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Der Betrieb Brunnenstraße in Berlin ist - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - in der Zwischenzeit im wesentlichen auch stillgelegt worden. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, die Beklagte zu 1) sei vom Interessenausgleich nicht abgewichen.

IV. Bezüglich des Hilfsantrages Nr. 3, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, der Klägerin das Formschreiben vom 16. Oktober 1981 bezüglich der Beschäftigung bei der Beklagten zu 2) auszuhändigen, hat die Klägerin ihre Revision nicht begründet. Es ist auch keine Rechtsgrundlage für eine solche Aushändigung zu erkennen. Entweder hatte die Beklagte zu 1) die - vom Senat abgelehnte - Verpflichtung, bei der Auswahl der Arbeitnehmer, denen sie das Schreiben vom 16. Oktober 1981 übergab, die Grundsätze der sozialen Auswahl zu beachten, dann wäre die Kündigung unwirksam, oder die Beklagte zu 1) hatte bei der Aushändigung des Schreibens vom 16. Oktober 1981 nicht die Grundsätze der sozialen Auswahl zu beachten, dann gibt es auch keine Rechtsgrundlage für eine nachträgliche Aushändigung dieses Schreibens an die Klägerin.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Hillebrecht Dr. Weller Ascheid

Thieß Dr. Kirchner

 

Fundstellen

DB 1986, 2547-2548 (LT1-2)

NZA 1987, 125-126 (LT1-2)

RdA 1986, 403

RzK, I 5d Nr 14 (LT1-2)

SAE 1987, 129-133 (LT1-2)

ZIP 1986, 1410

ZIP 1986, 1410-1414 (LT1-2)

AP § 1 KSchG 1969 Konzern (LT1-2), Nr 4

ArbuR 1986, 181-181 (T)

EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl, Nr 22 (LT1-2)

JuS 1987, 328-328 (LT1-2)

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