Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelvertragliche Tantiemeregelung. Auslegung

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 20.01.1993; Aktenzeichen 14 (18) Sa 1014/92)

ArbG Iserlohn (Urteil vom 04.06.1992; Aktenzeichen 4 Ca 2906/91)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. Januar 1993 – 14 (18) Sa 1014/92 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Tantiemeansprüche.

Der Kläger war vom 1. April 1965 bis 30. Juni 1989 bei der … S. GmbH & Co. KG beschäftigt. Seit dem 1. April 1970 war er Leiter der Hauptabteilung Laboratorium und Qualitätswesen. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 9.650,– DM. Der Arbeitsvertrag vom 25. November 1985/25. Februar 1986 enthielt unter § 3 Nr. 3.3 folgende Tantiemeregelung:

„Außerdem erhält Herr Dr. H. für jedes Geschäftsjahr, das mit Gewinn abschließt eine Jahresabschlußvergütung nach folgender Staffel:

≫=

1 Mio DM Gewinn

30 % eines Monatsgehaltes

≫=

2 Mio DM Gewinn

40 % eines Monatsgehaltes

≫=

3 Mio DM Gewinn

50 % eines Monatsgehaltes

≫=

4 Mio DM Gewinn

60 % eines Monatsgehaltes

≫=

5 Mio DM Gewinn

70 % eines Monatsgehaltes

≫=

6 Mio DM Gewinn

80 % eines Monatsgehaltes

≫=

7 Mio DM Gewinn

90 % eines Monatsgehaltes

≫=

8 Mio DM Gewinn

100 % eines Monatsgehaltes.

Gewinn in diesem Sinne ist der Gewinn lt. Steuerbilanz nach Abzug des Aufwandes für diese Jahresabschlußvergütung. Die Jahresabschlußvergütung ist fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung.”

Für das Geschäftsjahr 1987/1988 erhielt der Kläger eine Jahresabschlußvergütung in Höhe von 40 % eines Monatsgehaltes, obwohl die S. GmbH & Co. KG für dieses Geschäftsjahr keinen Gewinn erzielte. Die Beklagte wurde am 1. Juli 1989 Alleininhaberin der S. GmbH & Co. KG, wobei u.a. die bisherigen Kommanditisten ihre Anteile an die Beklagte veräußerten. Sie führte das Unternehmen ohne die bisherige Firma fort.

Die Beklagte zahlte an den Kläger Ende 1989 für das Geschäftsjahr 1988/1989 eine Jahresabschlußvergütung von 40 % eines Monatsgehalts. Nach dem „reinen” Betriebsergebnis hatte die S. GmbH & Co. KG für das Geschäftsjahr 1988/1989 keinen Gewinn erzielt. Nur bei Berücksichtigung der Veräußerungsbeträge der Kommanditanteile der Kommanditisten in der Steuerbilanz der S. GmbH & Co. KG ergab sich ein Gewinn i. H. von 12 Millionen DM.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage den Differenzbetrag zu 100 % eines Monatsgehaltes. Er hat gemeint, für die Gewinnermittlung im Sinne des § 3 Nr. 3.3 seines Arbeitsvertrages seien die Sonderbilanzen über den Veräußerungsgewinn bezüglich der Kommanditanteile in die Gesamtbilanz mit einzubeziehen. Das folge aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Seit 1973 seien auch Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen zu Lasten von Tantiemeberechtigten berücksichtigt worden. Der Kläger hat weiter auf ein Schiedsurteil vom 2. August 1990 verwiesen, das in einem Schiedsverfahren zwischen der persönlich haftenden Gesellschafterin der Komplementärin der S. GmbH & Co. KG und deren Geschäftsführern ergangen ist. Den dortigen Klägern seien Tantiemeansprüche zuerkannt worden, die unter Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns der Kommanditisten der S. GmbH & Co. KG bemessen worden sind,

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.790,– DM brutto nebst 9 % Zinsen seit dem 20. Dezember 1989 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil laßt keinen Rechtsfehler erkennen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Tantieme i. H. von 100 % eines Monatsgehalts nach § 3 Nr. 3.3 seines Arbeitsvertrages. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 1988/1989 nicht mit einem Gewinn laut Steuerbilanz i. S. des § 3 Arbeitsvertrag abgeschlossen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die hiergegen erhobenen Rügen der Revision sind unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat eine einzelvertragliche Vereinbarung ausgelegt. Bei der Regelung der Parteien handelt es sich um eine nichttypische, einzelfallbezogene Vereinbarung, deren Auslegung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt lediglich, ob das Berufungsgericht allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt hat, ob Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen oder ob wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben ist (BAG Urteil vom 12. Juli 1990 – 2 AZR 39/90 – AP Nr. 87 zu § 613 a BGB, zu III 1 der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP Nr. 63 zu § 74 HGB; BAG Urteil vom 3. Mai 1994 – 9 AZR 516/92 – n.v.). Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.

2. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB ist nicht erkennbar. Das Landesarbeitsgericht hat über den Wortlaut der Vereinbarung hinaus den wirklichen Willen der Parteien erforscht (§ 133 BGB), indem es auf den Sinn und Zweck der Tantiemeregelung abgestellt hat. Hiergegen hat die Revision keine begründeten Rügen erhoben. Ihr Hinweis, es finde sich in der Vereinbarung kein Anhaltspunkt dafür, daß zur Ermittlung der Tantiemehöhe allein auf das Betriebsergebnis der Beklagten abzustellen sei, und die Beklagte habe es versäumt, eine dementsprechende Beschränkung in die Vereinbarung aufzunehmen, ist unbeachtlich. Diese allein auf den Wortlaut der Vereinbarung abstellende Interpretation des Klägers mißachtet § 133 BGB.

3. Das Berufungsgericht hat auch nicht wesentlichen Auslegungsstoff unberücksichtigt gelassen. Es hat bei seiner Auslegung die Praxis bei der persönlich haftenden Gesellschafterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten beachtet, Abschreibungen aus den Ergänzungsbilanzen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen der Kommanditisten zu Lasten der anspruchsberechtigten Geschäftsführer zu berücksichtigen. Seine Beurteilung, daß dieses Verhalten eines anderen Arbeitgebers zu anderslautenden Verträgen einer anderen Mitarbeitergruppe bei der Auslegung des Vertrages der Parteien ebenso ohne Bedeutung ist wie das dazu ergangene Schiedsurteil, ist auslegungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die hiergegen gerichteten, auf Treu und Glauben sowie auf Gleichbehandlung gestützten Rügen der Revision verkennen nicht nur den revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab. Der Kläger übersieht auch, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Vergangenheit ihm gegenüber keine Maßnahmen getroffen hat, auf deren Fortsetzung der Kläger in der Zukunft vertrauen durfte. Der Kläger verkennt weiter, daß er sich nicht auf Gleichbehandlung berufen kann, weil ungleiche Sachverhalte zu beurteilen waren. Weder kann die Berücksichtigung von Abschreibungen mit der Nicht-Berücksichtigung von Veräußerungsbilanzen verglichen werden, noch liegen gleichlautende vertragliche Vereinbarungen vor.

4. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, es sei unklar geblieben, ob wann und in welchem Umfang die bei der Veräußerung von Kommanditanteilen zu Tage tretenden stillen Reserven gebildet worden seien, sind entgegen der Revision auslegungsrechtlich nicht zu beanstanden und prozeßrechtlich zutreffend. Das Vorbringen des Klägers zur Auflösung stiller Reserven, für deren Bildung er von Februar 1986 bis Juni 1989 mitgesorgt haben könnte, ist ohne jegliche Substanz. Soweit der Kläger mit seinem revisionsrechtlichen Vorbringen eine Verletzung des § 139 ZPO rügen will, ist die Rüge unzulässig. Der Kläger hat versäumt, im einzelnen vorzutragen, welche Frage das Landesarbeitsgericht hätte stellen müssen und welche konkreten Antworten er dann darauf gegeben hätte.

5. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Auslegung nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen. Das gilt auch für die Berücksichtigung steuerrechtlicher Grundsätze.

II. Der Kläger hat keine Ansprüche aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Streitfall waren ungleiche Sachverhalte zu bewerten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Dörner, Dr. Weiss, Volpp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083575

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