Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Schichtzulage im Pflegedienst

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Fortführung der Rechtsprechung des Senats zum Vorliegen von Schichtarbeit im Sinne des § 15 BAT (Urteil vom 14. Dezember 1993 - 10 AZR 368/93 - NZA 1994, 804 zur Veröffentlichung vorgesehen) und zur Nichterforderlichkeit eines gleichmäßigen Einsatzes des Arbeitnehmers in den verschiedenen Schichten (Urteil vom 13. Oktober 1993 - 10 AZR 294/92 - NZA 1994, 805).

 

Normenkette

BAT SR 2; BAT SR 2a Nr. 8; BAT §§ 33a, 15 Abs. 8, 8 Unterabs. 7

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 04.06.1993; Aktenzeichen 12 Sa 255/93)

ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.12.1992; Aktenzeichen 5 Ca 228/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Schichtzulage.

Die Klägerin war als Krankenschwester bis zum 30. September 1992 in den in der Trägerschaft des beklagten Landes stehenden medizinischen Einrichtungen der F , beschäftigt. Sie war in der klinik für Herz- und Gefäßchirurgie im Herz-OP eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung.

In den Operationsbereichen der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie war die Dienstzeit für die nichtärztlichen Mitarbeiter im Pflegedienst wie folgt geregelt:

Tagesdienst: 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr

Zwischendienst: 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr

Spätdienst mit anschl.

Bereitschaftsdienst: 12.00 Uhr bis 21.00 Uhr

bzw. 7.00 Uhr.

Die Klägerin war überwiegend im Tagesdienst und in geringem Umfang im Spätdienst bzw. Zwischendienst tätig. Sie bezog gemäß Nr. 8 der SR 2 a BAT bis zum 31. März 1991 bzw. ab 1. April 1991 nach § 33 a Abs. 2 b, bb BAT eine Schichtzulage von 70,-- DM brutto im Monat. Der insoweit mit der Bestimmung in Nr. 8 der SR 2 a wortgleiche § 33 a BAT lautet - soweit hier von Bedeutung - wie folgt:

"Wechselschicht- und Schichtzulagen

(1) ...

(2) Der Angestellte, der ständig Schichtarbeit

(§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7) zu leisten hat, er-

hält eine Schichtzulage, wenn

a) ...

b) die Schichtarbeit innerhalb einer Zeit-

spanne von mindestens

aa) 18 Stunden

bb) 13 Stunden

geleistet wird.

Die Schichtzulage beträgt in den Fällen des

a) ...

b) Unterabs. 1 Buchst. b

aa) ...

bb) Doppelbuchstabe bb 70,-- DM

monatlich."

§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT lautet:

"Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schicht-

plan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel

der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von

längstens einem Monat vorsieht."

Mit Schreiben vom 14. August 1991 teilte der Verwaltungsdirektor der Medizinischen Einrichtungen der F der Klägerin mit, sie beziehe die Schichtzulage zu Unrecht, weil kein ausgewogenes Verhältnis zwischen den geleisteten Schichten bestehe und forderte unter Berücksichtigung des § 70 BAT die Rückzahlung der Schichtzulagen ab 1. Februar 1991. Mit der Abrechnung für den Monat November 1991 wurden sodann für neun Monate - bis einschließlich Oktober 1991 - die bezahlten Schichtzulagen in Höhe von 70,-- DM monatlich einbehalten und die Zahlung von weiteren Schichtzulagen eingestellt.

Die Klägerin hatte mit ihrem Schreiben vom 23. August 1991 dem Begehren des Beklagten widersprochen. Sie ist der Auffassung, der Einbehalt durch das beklagte Land sei nicht berechtigt gewesen, da sie die Voraussetzungen für die Zahlung der Schichtzulage in Höhe von 70,-- DM brutto monatlich erfülle. Ihr stünden daher noch die Schichtzulagen für 20 Monate (Februar 1991 bis September 1992) in Höhe von 1.400,-- DM brutto zu.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie

1.400,-- DM zu zahlen und den Nettobetrag der mo-

natlichen Beträge von 70,-- DM ab jeweiliger Fäl-

ligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen, weil die Klägerin keinen Schichtdienst geleistet habe, sondern lediglich "versetzte Dienste". Die Dienste verliefen im wesentlichen parallel, insbesondere finde keine Ablösung der beteiligten Arbeitnehmer statt. Es liege schon gar keine Schichtarbeit im Tarifsinne vor, da die Klägerin nur gelegentlich und ausnahmsweise einmal Spätdienst wahrnehme, sonst aber im wesentlichen lediglich tagsüber arbeite; nach der tariflichen Regelung müsse aber ein gewisses Mindestverhältnis zwischen Tages- und Zwischendiensten einerseits sowie Spätdiensten andererseits gegeben seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben. Der Klägerin stand die Schichtzulage im Klagezeitraum zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe ständig Schichtdienst im Sinne von § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT geleistet, so daß ihr nach den tariflichen Vorschriften die Schichtzulage zu zahlen sei. Für das Vorliegen von Schichtarbeit sei es unerheblich, daß sich die verschiedenen Dienste überlappten. Die von der Klägerin und ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen zu erledigenden Aufgaben im Herz-OP seien identisch; es werde eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe von untereinander austauschbaren Arbeitnehmern erfüllt. Ein Abwechseln der Arbeitnehmer liege vor, weil die zu erfüllende Arbeitsaufgabe über die für die einzelnen Arbeitnehmer geltende Arbeitszeit hinausgehe. Für die Zahlung der Schichtzulage an die Klägerin spreche auch ihr Zweck, den Arbeitnehmern einen finanziellen Ausgleich dafür zu gewähren, daß die Schichtarbeit erheblich auf den Lebensrhythmus einwirke und dadurch zu Erschwerungen führe. Der Begründetheit der Klage stehe nicht entgegen, daß die Klägerin weitgehend im Tagesdienst arbeite und nur in geringem Umfang im Spätdienst sowie im Zwischendienst. Der Tarifvertrag fordere kein bestimmtes Verhältnis zwischen den einzelnen Schichten. Die Klägerin erfülle auch die weitere Voraussetzung nach § 33 a Abs. 2 b bb BAT, wonach die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet werden muß.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Auslegung der tariflichen Regelung sind zutreffend.

II. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der Schichtzulage bis zum 31. März 1991 nach Nr. 8 Abs. 3 Buchst. b der SR 2 a BAT und ab dem 1. April 1991 nach dem wortgleichen § 33 a Abs. 2 Buchst. b bb BAT in Verb. mit § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT in Höhe von monatlich 70,-- DM brutto zu. Sie kann daher die Auszahlung der einbehaltenen Beträge und die Weiterzahlung der Schichtzulage bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit dem 30. September 1992 verlangen.

Die Klägerin hat Schichtarbeit im Tarifsinne geleistet. Ihre Diensteinteilung erfolgte nach Dienstplänen, die Schichtarbeit im tariflichen Sinne (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT), also einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsahen. Von Schichtarbeit ist auszugehen, wenn mehrere Arbeitnehmer eine Arbeitsaufgabe in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge erledigen und dabei auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit tätig sind (BAG Urteil vom 18. Januar 1983 - 3 AZR 447/80 - AP Nr. 1 zu § 24 BMT-G II; Urteil vom 13. Oktober 1993 - 10 AZR 294/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Schichtarbeit im Sinne des § 15 BAT liegt danach auch dann vor, wenn Arbeitsbeginn und Arbeitsende täglich oder wöchentlich nach dem Dienstplan nur in einem geringen Abstand - von ein oder zwei Stunden - wechseln (BAG Urteil vom 14. Dezember 1993 - 10 AZR 368/93 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

1. Der Senat hat in dem Urteil vom 14. Dezember 1993 (- 10 AZR 368/93 -) ausgeführt, die Tarifvertragsparteien hätten in § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT bestimmt, was im Anwendungsbereich des BAT unter Schichtarbeit zu verstehen sei. Maßgebliches Kriterium hierfür sei der regelmäßige Wechsel der täglichen Arbeitszeit. Schichtarbeit im Tarifsinne liege demzufolge bei einem täglichen bzw. wöchentlichen Wechsel von Arbeitsbeginn und -ende vor, wobei es auf den Umfang der Arbeitszeitverschiebung nicht ankomme. Dies folge aus der Auslegung der tariflichen Bestimmungen nach deren Tarifwortlaut, dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und dem von ihnen beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifnormen (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). So folge aus § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT, daß die Tarifvertragsparteien jeglichen regelmäßigen Wechsel der Arbeitszeit für die Annahme von Schichtarbeit als wesentlich angesehen haben. Aus § 33 a Abs. 2 Buchst. b BAT in Verb. mit der Protokollnotiz ergebe sich, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, Schichtarbeit sei in der Weise möglich, daß zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht mehr oder weniger als 13 Stunden liegen. Beträgt diese Zeitspanne weniger als 13 Stunden, erhalte der Angestellte keine Schichtzulage; beträgt sie mindestens 13 bis weniger als 18 Stunden, betrage die Schichtzulage 70,-- DM monatlich. Aus dem in diesen Regelungen zum Ausdruck gekommenen Willen der Parteien des BAT ergebe sich, daß diese davon ausgegangen seien, Schichtarbeit im Sinne von § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT liege auch dann vor, wenn zwischen dem Beginn der ersten Schicht und dem Ende der letzten Schicht weniger als 13 Stunden liegen. Daraus folge, daß die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Umfang der Arbeitszeitverschiebung für die Annahme von Schichtarbeit nicht vorausgesetzt haben.

Das Argument des beklagten Landes, daß die von der Klägerin zu leistenden Dienste im wesentlichen parallel zueinanderliefen, steht nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, der Annahme von Schichtarbeit nicht entgegen.

2. Wie der Senat in der Entscheidung vom 13. Oktober 1993 (- 10 AZR 294/92 -) bereits entschieden hat, ist für die Annahme von Schichtarbeit nicht vorauszusetzen, daß die verschiedenen Schichten (Tagesdienst, Zwischendienst, Spätdienst) in einem annähernd gleichen Umfang geleistet werden. Ein solches Erfordernis finde im BAT keine Stütze. Ausgehend vom Wortlaut des BAT und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, wie er in den tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat, ergebe sich, daß der BAT in den §§ 33 a und 15 einen - wenn auch nur annähernd - gleichmäßigen Einsatz des Angestellten in den verschiedenen Diensten nicht verlangt. Auch vom Sinn und Zweck der tariflichen Regelung her sei ein gleichmäßiger Einsatz des Angestellten nicht erforderlich. Soweit in der Kommentarliteratur davon ausgegangen wird, die Heranziehung des Angestellten zu allen Schichten müßte in etwa gleichgewichtig sein (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Juni 1993, § 33 a Erläuterung 2; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand Juli 1993, § 33 a Erläuterung 2; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand September 1994, § 33 a Rz 7) könne das weder dem Begriff der Schichtarbeit noch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung in § 33 a BAT entnommen werden.

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin Schichtarbeit im Tarifsinne geleistet; ihr steht daher die tarifliche Schichtzulage im Klagezeitraum zu. Entsprechend ihrem geänderten Antrag war daher das beklagte Land zur Auszahlung der einbehaltenen Schichtzulage und Weiterzahlung der Schichtzulage bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1992 zu verurteilen. Die Revision des beklagten Landes bleibt somit ohne Erfolg.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Matthes Dr. Freitag Hauck

Rosendahl Thiel

 

Fundstellen

Haufe-Index 436644

ZTR 1995, 75-76 (ST1)

EzBAT § 33a BAT, Nr 8 (ST1)

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