Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieblicher Geltungsbereich des Verfahrens – TV Maler. Industrielle Lackierung von Metallteilen

 

Leitsatz (amtlich)

Von den Tarifverträgen für das Maler- und Lackiererhandwerk werden nur Handwerksbetriebe, nicht aber Industriebetriebe erfaßt.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Maler; Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 28. Dezember 1983 § 1 II, §§ 3-4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.12.1990; Aktenzeichen 6 Sa 1322/90)

ArbG Wuppertal (Urteil vom 17.09.1990; Aktenzeichen 4 Ca 2115/90)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Dezember 1990 – 6 Sa 1322/90 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Betrieb der Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages für das Verfahren über den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 28. Dezember 1983 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 1. Oktober 1987 (VerfTV) unterfällt und die Beklagte daher verpflichtet ist, Lohnnachweiskarten gem. diesem Tarifvertrag zu erstellen und ihren Arbeitnehmern auszuhändigen.

Die Klägerin ist seit dem 14. Mai 1984 als gewerbliche Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Lackierung von Metallgegenständen, wie z.B. Kupplungsgestängen für die Bundeswehr, Rädern für die Räderindustrie und von Werkzeugteilen. Die automatisierten Lackierarbeiten werden von sog. Lackierautomaten durchgeführt. Der für die Einrichtung der Arbeitsabläufe und die betriebliche Aufsicht verantwortliche Betriebsinhaber ist ausgebildeter Lackierer. Weiterhin sind zwei Söhne des Betriebsinhabers, von denen der eine als Elektriker und der andere als Lacklaborant ausgebildet ist, beschäftigt sowie neben der Ehefrau des Betriebsinhabers weitere 17 ungelernte Arbeitnehmer in einem Dauerarbeitsverhältnis und zusätzlich je nach Bedarf vier bis fünf ungelernte Aushilfen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Betrieb der Beklagten unterfalle als Ganzes dem fachlichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Verfahrenstarifvertrages im Maler- und Lackiererhandwerk. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihr Lohnnachweiskarten für die Dauer der Beschäftigung auszuhändigen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie die Lohnnachweiskarten der Jahre 1984, 1985, 1986, 1987, 1988 und 1989 ordnungsgemäß ausgefüllt herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt vertreten, sie betreibe eine Industrielackierung mit automatisierten Arbeitsabläufen und sei deshalb den Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks im Sinne des VerfTV nicht zuzuordnen. Der betriebliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erstrecke sich nicht auf alle Betriebe, die Maler- und Lackiererarbeiten ausführen, sondern nur auf entsprechende Handwerksbetriebe. Ihr Betrieb sei aber weder von der Struktur her als handwerklicher Betrieb anzusehen noch handele es sich bei den von ihren Arbeitnehmern durchzuführenden Tätigkeiten um Arbeiten, die dem Maler- und Lackiererhandwerk vorbehalten seien oder die dem praktischen und fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk zuzuordnen wären. Durch den Einsatz der speziellen Lackierautomaten seien Kenntnisse und Fertigkeiten des Maler- und Lackiererhandwerks nicht erforderlich. Die Arbeitsabläufe seien lediglich als manuelle Handhabung und Bedienung automatisierter Produktionsabläufe anzusehen, die von den beschäftigten ungelernten Kräften nach einer halbstündigen Arbeitseinweisung verrichtet werden könnten.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Betrieb der Beklagten unterfällt nicht dem Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifvertrages.

Als einzige Anspruchsgrundlage kommen die §§ 3 und 4 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung vom 28. Dezember 1983 in Betracht. Danach hat der Arbeitgeber für jeden gewerblichen Arbeitnehmer bzw. technischen und kaufmännischen Angestellten eine Lohnnachweiskarte bzw. einen Beschäftigungsnachweis zu führen. Voraussetzung hierfür ist, daß er dem Geltungsbereich dieses für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages unterfällt. § 1 Nr. 2 des VerfTV hat in der vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1984 gültigen Fassung (I Nr. 2 des Tarifvertrages vom 14. Dezember 1984 zur Änderung des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 28. Dezember 1983) den folgenden Wortlaut:

“Betrieblich:

Alle Betriebe, die Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metall-Lackierer-, Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten ausführen.

Die Betriebe fallen, soweit sie ihrer Tätigkeit nach überwiegend Arbeiten der in Abs. 1 genannten Art ausführen, grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Von diesem Tarifvertrag werden auch selbständige Betriebsabteilungen in fachfremden Betrieben erfaßt, soweit sie Arbeiten der in Abs. 1 genannten Art ausführen.

Werden in den Betrieben nach Abs. 1 in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn ein anderer Tarifvertrag sie in seinen Geltungsbereich einbezieht.

Nicht erfaßt werden Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen des Gerüstbaugewerbes.”

Ab 1. Januar 1985 hat er nach demselben Änderungstarifvertrag den folgenden Wortlaut:

“2. Betrieblich:

Alle Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks. Dies sind Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metall-Lackierer-, Gerüstbau-, Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten ausführen.

Die in Absatz 1 genannten Betriebe und selbständigen Betriebsabteilungen fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Von diesem Tarifvertrag werden auch selbständige Betriebsabteilungen in fachfremden Betrieben erfaßt, soweit sie Arbeiten der in Absatz 1 genannten Art ausführen.

Werden in den Betrieben nach Absatz 1 in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn ein spezieller Tarifvertrag sie in seinen Geltungsbereich einbezieht.

Nicht erfaßt werden Betriebe des Baugewerbes.

Nicht erfaßt werden Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen des Gerüstbaugewerbes, deren Tätigkeit sich überwiegend auf die gewerbliche Erstellung von Gerüsten erstreckt.”

Demgegenüber hatte der Tarifvertrag vom 28. Dezember 1983 hinsichtlich des betrieblichen Geltungsbereichs den folgenden Wortlaut:

“§ 1

Geltungsbereich

2. Betrieblich:

Alle Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks. Dies sind

  • Betriebe und Betriebsabteilungen, die Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metallackierer-, Gerüstbau-, Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten ausführen und mit dem Maler- und Lackiererhandwerk – auch als Nebenbetrieb – in die Handwerksrolle eingetragen sind

    und

  • Betriebe und Betriebsabteilungen, die insbesondere folgende Arbeiten ausführen:

    Maler-, Lackierer-, Tüncher-, Weißbinder-, Schildermaler-, Fahrzeug- und Metallackierer-, Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten.

    …”

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist entscheidend für die Frage, ob der Betrieb der Beklagten von dem so bezeichneten tariflichen Geltungsbereich erfaßt wird, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb vom fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge erfaßte Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen ist (vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 – 4 AZR 182/89 – AP Nr. 123 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N., und zuletzt BAG Urteil vom 13. März 1991 – 4 AZR 436/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Ausgehend von diesen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, der Betrieb der Beklagten werde von dem Geltungsbereich des VerfTV nicht erfaßt. Nach dem für die Tarifauslegung in erster Linie heranzuziehenden Wortlaut werden sowohl in den Tarifvertrag vom 28. Dezember 1983 wie in der ab 1. Januar 1985 geltenden Fassung ausdrücklich Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks erfaßt, die bestimmte Tätigkeiten ausführen. Auf eine besondere Hervorhebung des Maler- und Lackiererhandwerks im Text verzichtet die am 14. Dezember 1984 rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1984 vereinbarte Fassung des Tarifvertrages, der nach seiner Überschrift aber auch nur für das “Maler- und Lackiererhandwerk” gilt. Der Tarifvertrag vom 28. Dezember 1983 hat darüber hinaus in § 1 Ziff. 2a ausdrücklich die Eintragung mit dem Maler- und Lackiererhandwerk in die Handwerksrolle vorgesehen. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien lediglich Handwerksbetriebe ihrer Branche erfassen wollten und nicht auch die industrielle Fertigung. Dies wird bestätigt durch die Überlegung, daß Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite der Hauptverband des deutschen Maler- und Lackiererhandwerks ist. Dem steht nicht entgegen, daß die Tarifvertragsparteien in der ab 1. Januar 1985 gültigen Fassung, ebenso wie im Tarifvertrag vom 28. Dezember 1983 in seiner ursprünglichen Fassung hinzugefügt haben: “Dies sind Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die … ausführen” (§ 1 Nr. 2 Satz 2). Denn diese Aufzählung bezieht sich allein auf die Art der ausgeführten Arbeiten, nicht darauf, ob es sich um Handwerksoder Industriebetriebe handelt. Auch aus dem Umstand, daß die Tarifvertragsparteien, wie sich aus dem Hinweis auf “Betriebe” und “selbständige Betriebsabteilungen” ergibt, auch gegliederte Betriebe in den betrieblichen Geltungsbereich einbeziehen wollen, läßt nicht die Schlußfolgerung zu, auch Industriebetriebe seien einbezogen. Denn gerade im Maler- und Lackiererhandwerk sind auch größere gegliederte Betriebe anzutreffen, die auch andere Arbeiten in besonderen Betriebsabteilungen ausführen.

Nach dem unstreitigen und vom Landesarbeitsgericht festgestellten, mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Sachverhalt, werden im Betrieb der Beklagten ausschließlich automatisierte Lackierungen in Lackierautomaten durchgeführt. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer beschränkt sich im wesentlichen auf die Bedienung der Automaten sowie Sortier- und Zuarbeiten, die bereits nach einer halbstündigen Arbeitseinweisung von ungelernten Kräften ausgeführt werden können. Lackierarbeiten per Hand fallen nur ausnahmsweise an. Es werden mit Ausnahme der Söhne des Betriebsinhabers nur ungelernte Kräfte beschäftigt; die Söhne sind keine gelernten Maler oder Lackierer. Eine Fachaufsicht bei den Arbeiten ist nicht erforderlich. Der Betrieb der Beklagten ist daher kein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks, sondern ein Industriebetrieb und unterfällt deshalb nicht dem Verfahrenstarifvertrag, so daß der geltend gemachte Anspruch unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Schneider, Koerner, Müller-Tessmann

 

Fundstellen

NZA 1993, 42

RdA 1992, 158

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