Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung von Scheinkommanditisten

 

Orientierungssatz

Geht der Rechtsschein auf das Bestehen einer KG, so haften die Gesellschafter, die der Geschäftsaufnahme unter dieser Bezeichnung zugestimmt haben, als ob die KG durch Eintragung im Handelsregister wirksam geworden wäre. Kommanditisten haften damit nur bis zur Höhe ihrer Einlagen. Haben sie die Einlage geleistet, so haften sie gemäß § 171 Abs 1 HGB persönlich nicht.

 

Normenkette

HGB §§ 1-2; BGB §§ 133, 157, 242; HGB § 176 Abs. 1, § 171 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 19.12.1984; Aktenzeichen 8 Sa 530/84)

ArbG München (Entscheidung vom 09.05.1984; Aktenzeichen 22 Ca 6951/82)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eishockeyspieler. Er war in der Saison 1981/1982 in der ersten Mannschaft des Eishockey-Clubs M e. V. (EHC) eingesetzt. Mit der "E -GmbH & Co B KG" hatte er einen undatierten schriftlichen Vertrag abgeschlossen, nach dem er ein monatliches Grundgehalt von 1.887,-- DM sowie eine Aufstiegsprämie erhalten sollte. Ferner war er als Repräsentant der Gesellschaft gegen ein monatliches Nettogehalt von 1.497,-- DM vorgesehen. Der Kläger hat die ihm zugesagten Bezüge nicht vollständig erhalten und deswegen neben den Beklagten des vorliegenden Verfahrens die Kommanditgesellschaft, die Komplementär-GmbH und den Verein in Anspruch genommen.

Geschäftsgegenstand der GmbH war die Planung und Ausrichtung von Spiel- und Sportveranstaltungen, insbesondere von Eishockeyspielen, ferner der Erwerb und die Nutzung von Warenzeichen, Lizenzen oder sonstigen Rechten, die Zahlung von Ausbildungsentschädigungen an die Eishockeyspieler, schließlich der Handel mit Spiel- und Sportartikeln sowie die Durchführung entsprechender Werbemaßnahmen. Die GmbH wurde im Handelsregister eingetragen. Über die Gründung der GmbH & Co KG wurde am 3. Juli 1981 ein Gesellschaftsvertrag geschlossen; zur Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister kam es jedoch nicht. Die Beklagten H und M sollten nach dem Gesellschaftsvertrag Kommanditisten mit einer Einlage von je 5.000,-- DM sein. Diese Einlagen zahlten sie unmittelbar nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages ein.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesellschafter in Anspruch. Er behauptet ferner, die Beklagten hätten vor und während der Saison 1981/82 der Mannschaft persönlich wiederholt zugesichert, sie würden eine Gesellschaft gründen und die Saison finanzieren; darin liege eine Garantieerklärung gegenüber jedem einzelnen Spieler.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verur-

teilen, an ihn 21.893,59 DM zuzüglich 4 %

Zinsen aus 12.458,59 DM seit 16.4.1982 und

aus jeweils weiteren 1.887,-- DM seit

20.4.1982, 20.5.1982, 20.6.1982, 20.7.1982

und 20.8.1982 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben bestritten, jemals zugesagt zu haben, die Saison 1981/82 zu finanzieren. Wohl hätten sie sich als Sponsoren für den Club eingesetzt und ihm einige 100.000,-- DM zugewendet.

Durch Teilurteil vom 9. Mai 1984 hat das Arbeitsgericht der Klage gegen die Beklagten H und M stattgegeben. Auf deren Berufung hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in Höhe von 18.116,59 DM nebst Zinsen weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann die geltend gemachten rückständigen Vergütungen nicht von den Beklagten verlangen.

I. Eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Beklagten besteht nicht.

1. Da die Beklagten die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Einlagen geleistet haben, scheidet eine persönliche Haftung als Kommanditisten bereits nach § 171 Abs. 1 HGB aus. Zudem ist keine Kommanditgesellschaft entstanden, sondern eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, da die Gesellschaft nicht im Handelsregister eingetragen worden ist. Die Gesellschaft hat kein Handelsgewerbe betrieben (§ 1 HGB), sondern allenfalls ein sonstiges gewerbliches Unternehmen (§ 2 HGB). Ihr Geschäftsgegenstand war auf die Durchführung von Sportveranstaltungen gerichtet. Der Verkauf von Waren war nur nebenher vorgesehen und ist nach Darstellung der Beklagten nie in Gang gekommen. Das haben das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht übereinstimmend festgestellt. Dagegen hat die Revision keine Rügen erhoben.

2. Auch § 176 Abs. 1 HGB begründet keine Haftung der Beklagten. Die Vorschrift regelt nur, unter welchen Voraussetzungen ein Kommanditist unbeschränkt wie ein persönlich haftender Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzutreten hat und setzt daher ebenfalls das Bestehen einer Kommanditgesellschaft voraus. § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB stellt klar, daß die Bestimmung nicht anzuwenden ist, wenn die Gesellschaft, wie hier, kein Grundhandelsgewerbe betreibt und nicht im Handelsregister eingetragen ist.

3. Die Beklagten haften auch nicht nach Rechtsscheinsgrundsätzen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine handelsrechtliche Gesellschafterhaftung entstehen, wenn die Gesellschaft im Rechtsverkehr als Handelsgesellschaft auftritt, obwohl eine Handelsgesellschaft mangels Eintragung im Handelsregister nicht entstanden ist. Gesellschafter, die dem zugestimmt haben, müssen sich von einem auf den Rechtsschein vertrauenden Geschäftspartner so behandeln lassen, wie wenn sie Gesellschafter einer Handelsgesellschaft wären. Aus dem Vertrauen auf den Rechtsschein kann aber niemand weitergehende Ansprüche herleiten, als er haben würde, wenn der Rechtsschein der wirklichen Rechtslage entspräche. Daraus folgt: Geht der Rechtsschein auf das Bestehen einer Kommanditgesellschaft, so haften die Gesellschafter, die der Geschäftsaufnahme unter dieser Bezeichnung zugestimmt haben, als ob die Kommanditgesellschaft durch Eintragung im Handelsregister wirksam geworden wäre. Kommanditisten haften damit nur bis zur Höhe ihrer Einlagen. Haben sie die Einlage geleistet, so haften sie gemäß § 171 Abs. 1 HGB persönlich nicht (vgl. BGHZ 12, 105, 109; 17, 13, 17; 61, 59, 62, 65 ff.; 63, 45, 48; 69, 95, 98 ff.).

b) Die Revision bekämpft diese Auffassung ohne Erfolg. Der Grund für eine gegebenenfalls beschränkte Haftung der Gesellschafter einer in der Gründung befindlichen Kommanditgesellschaft ist die Unterscheidung des Gesetzgebers in soll- und mußkaufmännische Gesellschaften. Wenn die Rechtsscheinshaftung nicht weitergehen kann, als wenn der Rechtsschein der Wirklichkeit entspräche, so kann auch § 176 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entgegen der Unterscheidung des Gesetzgebers und unter Außerachtlassung des § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB angewendet werden.

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der im Schrifttum vertretenen gegenteiligen Ansicht auseinandergesetzt und ist bei seiner Auffassung geblieben (vgl. insbes. BGHZ 69, 98 ff.). Seine Rechtsprechung ist überzeugend. Insbesondere trifft es nicht zu, daß der falsch firmierende Gesellschafter mit einem Haftungsprivileg belohnt wird; die Haftungsbeschränkung einzelner Gesellschafter ist der Rechtsform der Kommanditgesellschaft vielmehr immanent. Auch der Kläger konnte aufgrund des Auftretens der Gesellschaft im Rechtsverkehr nur darauf vertrauen, daß eine Kommanditgesellschaft entstanden sei. Dann mußte er aber auch damit rechnen, daß die Beklagten nur Kommanditisten sein wollten und ihre Einlagen bereits geleistet hatten, ihre persönliche Haftung mithin ausgeschlossen war.

4. Auch eine Haftung der Beklagten als Gesellschafter der tatsächlich entstandenen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts scheidet aus. In einer bürgerlich- rechtlichen Gesellschaft richtet sich die Vertretungsmacht des oder der geschäftsführenden Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag. Sieht dieser die Errichtung einer Kommanditgesellschaft vor, so gilt im Zweifel die hierfür gewollte Geschäftsführungs- und Vertretungsregelung. Daraus folgt, daß die Vollmacht des Geschäftsführers im Verhältnis zu den als Kommanditisten vorgesehenen Gesellschaftern nur dahin geht, sie gegenständlich beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen und den Betrag ihrer Einlagen zu verpflichten (BGH LM BGB § 709 Nr. 6). Das muß auch ein Dritter gegen sich gelten lassen, wenn ihm die Gesellschaft unter der Firma einer Kommanditgesellschaft entgegentritt. Hieraus kann er ersehen, daß ein Teil der Gesellschafter nur wie Kommanditisten haften will und die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers demgemäß begrenzt ist (BGHZ 61, 59, 67).

Im Streitfall gilt nichts anderes. Der Kläger mußte davon ausgehen, daß die Vertretungsmacht der für die Gesellschaft handelnden Personen in der dargestellten Weise beschränkt war.

II. Das Berufungsgericht ist den Behauptungen des Klägers nicht nachgegangen, die Beklagten hätten sich persönlich durch verschiedene Erklärungen zur Zahlung der Spielergehälter verpflichtet. Es hält diese Erklärungen für bedeutungslos, weil sie nicht gegenüber den Spielern abgegeben worden seien und die Beklagten tatsächlich auch eine Gesellschaft gegründet hätten, die ihrerseits mit dem Kläger und den übrigen Spielern Verträge abgeschlossen habe. Die Revision rügt dies als einen Verstoß gegen § 286 ZPO. Ihre Rüge ist jedoch unbegründet.

1. Der Kläger hatte hierzu unter Beweisantritt behauptet, am 29. Juni 1981 habe beim Beklagten H eine Besprechung stattgefunden, in der beide Beklagten erklärt hätten, sie würden die Saison finanziell absichern und die Verbindlichkeiten abdecken. Sie würden dafür eigens eine Gesellschaft gründen, die den Zahlungsverkehr regeln werde. Weiteres Ergebnis der Besprechung sei gewesen, daß der Zeuge Z und der Geschäftsführer der GmbH R den Auftrag erhalten hätten, mit den Spielern Vertragsverhandlungen zu führen. Auch dem Kläger habe der Zeuge Z mitgeteilt, die kommende Saison sei abgesichert, sie werde von den Beklagten finanziert; die Beklagten würden eine Gesellschaft gründen, die den Zahlungsverkehr abwickle. Daraufhin sei der Spielervertrag unterzeichnet worden. Über die Konstruktion der Vorgesellschaft habe man bis dahin nie gesprochen. Diese sei erst am 10. September 1981 in einer Pressekonferenz offengelegt worden. Der Beklagte H habe dann 300.000,-- DM zur Verfügung gestellt, der Beklagte M nichts. Später, als der Verein schon in eine finanzielle Krise geraten sei, hätten beide Beklagten zugesagt, nochmals 50.000,-- DM zu zahlen. Auch daraufhin habe nur der Beklagte H, nicht der Beklagte M gezahlt.

2. Die Revision vertritt die Auffassung, durch ihr Verhalten hätten die Beklagten einen viel weitergehenden Rechtsschein gesetzt als durch eine bloße Zustimmung zu einer rechtsgeschäftlichen Tätigkeit der Kommanditgesellschaft. Die Beklagten hätten den Eindruck erweckt, entweder selbst oder als Gesellschafter der Vorgesellschaft für die Verbindlichkeiten des Vereins unbeschränkt eintreten zu wollen. Dem kann nicht gefolgt werden.

a) Die Erklärung, eine Gesellschaft gründen zu wollen, sagt noch nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang eine Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten übernommen wird. Außer bei der Kommanditgesellschaft ist auch bei der GmbH die Gesellschafterhaftung grundsätzlich auf die Einlage begrenzt. Mithin konnte der Kläger aus dem Hinweis auf die beabsichtigte Gesellschaftsgründung nicht schließen, die beiden Beklagten hafteten dessen ungeachtet persönlich und unbegrenzt. Die bloße Beteiligung an einer Gesellschaft kann die Annahme des Rechtsscheins unbeschränkter Gesellschafterhaftung nur dann rechtfertigen, wenn die betreffende Gesellschaftsform das vorsieht, etwa eine offene Handelsgesellschaft gegründet werden soll.

b) Die Erklärung, man werde die Saison finanzieren, reicht ebenfalls nicht aus, eine persönliche Haftung der Beklagten anzunehmen. Deren Äußerungen standen nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung. Für sämtliche Beteiligten war ersichtlich, daß Zahlungen an die Spieler nur über die Gesellschaft abgewickelt werden sollten. Der Kläger hat auch nichts dafür vorgetragen, daß die Beklagten zu erkennen gaben, unmittelbar und persönlich für die Spielergehälter eintreten zu wollen oder daß auch nur einer der beiden jemals persönlich Spielergehälter bezahlt habe. Die nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Zahlungen haben sie geleistet, der Beklagte H darüber hinaus weitere 300.000,-- DM. Daß der Beklagte H nochmals zusätzlich 50.000,-- DM zahlte, nachdem die Gesellschaft notleidend geworden war, besagt nichts anderes. Es handelte sich dabei um einen Nachschuß an die Gesellschaft. Eine Erklärung, abermals zusätzliche Zahlungen leisten und persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten eintreten zu wollen, läßt sich auch daraus nicht entnehmen.

Schaub Griebeling Dr. Steckhan

Kunze Dr. Menzel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438728

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