Entscheidungsstichwort (Thema)

Regreßansprüche des Haftpflicht- und Vollkaskoversicherers gegen den Kraftfahrer nach niederländischem Recht

 

Normenkette

ZPO §§ 12, 281, 293, 565 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2, §§ 830, 849; StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 2 Abs. 3; EGBGB Art. 30, 220 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 13.03.1991; Aktenzeichen 5 Sa 1099/89)

ArbG Wesel (Urteil vom 17.08.1989; Aktenzeichen 5 Ca 1849/88)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. März 1991 – 5 Sa 1099/89 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Amsterdam, nimmt als Kasko- und Haftpflichtversicherer eines in den Niederlanden zugelassenen Lastkraftwagens den Beklagten wegen ihrer unfallbedingten Aufwendungen in Anspruch. Der Lkw vom Typ Daimler-Benz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 16,5 Tonnen stand im Eigentum der Mercedes-Benz Vertretung B. B. V., A., die den Lkw an die Firma B. & Söhne – Handelsgärtnerei in A. vermietet hatte. Die Firma B. & Söhne schloß mit der Klägerin einen Haftpflicht- und Vollkaskoversicherungsvertrag für den vorstehend bezeichneten Lastkraftwagen. Im Vertrag wurde die Geltung des „Polismantel Nr. ME 82” vereinbart. Hierin heißt es in der vom gerichtlich ermächtigten Übersetzer Berkowicz erstellten Übersetzung u.a.:

„VERSICHERUNGSBEDINGUNGEN ALLGEMEIN

Artikel 1

BEGRIFFSUMSCHREIBUNGEN

Die Unterzeichner: die auf dem Versicherungsschein genannte(n) Versicherungsgesellschaft (en)

Die Versicherten:

a.

der Versicherungsnehmer

b.

jeder andere, der Eigentümer, Halter oder Fahrer des Kraftfahrzeugs ist

c.

diejenigen, die mit dem Kraftfahrzeug transportiert werden d. der Arbeitgeber der o.g. Versicherten, wenn er kraft Art. 1403 Abs. 3 BGB für Schaden haftet

Der Fahrer: unter Ausschluß eines jeden anderen derjenige, der, direkt hinter dem Steuer sitzend, das versicherte Fahrzeug tatsächlich steuert.

Das Kraftfahrzeug: das im Versicherungsschein beschriebene Fahrzeug mit seiner Standardausrüstung und die an, auf oder in dem Fahrzeug befestigten Accessoires und Reserveteile

Artikel 12

AUSSCHLIESSUNGEN

Von der Versicherung ist ausgeschlossen:

Absicht

1. Schaden, den ein Versicherter absichtlich, d.h. mutwillig verursacht hat;

Fahren ohne Führerschein

2.a.

Schaden, verursacht, während der tatsächliche Fahrer nicht im Besitz eines gültigen, für das Kraftfahrzeug gesetzlich vorgeschriebenen Führerscheins ist, es sei denn, dies ist ausschließlich seinem Versäumnis zuzuschreiben, den Führerschein verlängern zu lassen, und die Gültigkeit nicht länger als ein Jahr abgelaufen ist, oder

b.

der Fahrer das für das Lenken des Kraftfahrzeugs gesetzlich vorgeschriebene Alter noch nicht erreicht hat.

Atomkernreaktionen

11. Schaden, verursacht durch, auftretend bei oder sich ergebend aus Atomkernreaktionen, gleichgültig wie und wo die Reaktion entstand; Die Ausschließungen, genannt unter 1 bis einschließlich 7, gelten nicht für den Versicherten, der nachweist, daß sich die betreffenden Umstände ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen ereignet haben, und ihm diesbezüglich redlicherweise nichts vorzuwerfen ist.

Artikel 14

RÜCKGRIFFSANSPRUCH DER UNTERZEICHNER

Wenn die Unterzeichner kraft des Gesetzes über Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (W.A.M.) oder eines damit übereinstimmenden ausländischen Gesetzes gegenüber dem Geschädigten zu Schadensersatz verpflichtet ist, und ein Versicherter kraft Gesetzes oder dieses Versicherungsvertrages kein Recht auf Deckung hat, sind die Unterzeichner berechtigt, hinsichtlich des von ihnen Geschuldeten, als auch aller in der Sache entstandenen Kosten, auf den haftenden Versicherten oder aber auf den Versicherungsnehmer zurückzugreifen, dies unbeschadet der Bestimmung des Art. 12, letzter Absatz. Der Rückgriffsanspruch gegenüber Versicherten steht den Unterzeichnern auch zu bei Schaden, der nach Beendigung der Versicherung oder Deckung entstanden ist.

Wenn der Schaden durch eine andere Person als der Versicherungsnehmer verursacht ist, nachdem die Deckung gemäß Art. 7 zu a beendet ist, werden die Unterzeichner von ihrem Rückgriffsanspruch auf den Versicherungsnehmer keinen Gebrauch machen, vorausgesetzt, er hat der Verpflichtung zur Information, die kraft dieses Artikels auf ihm ruht, entsprochen.

ERGÄNZENDE BEDINGUNGEN FÜR DIE KASKOVERSICHERUNG

Artikel 15

UMFANG DER VERSICHERUNG

Die Versicherung deckt den Versicherungsnehmer gegen Schaden wegen Beschädigung oder Verlust des Kraftfahrzeugs, entstanden durch;

a. Brand, Explosion, Kurzschluß und Blitzeinschlag;

Artikel 16

AUSSCHLIESSUNGEN

Die Versicherung gibt keine Deckung, wenn:

  1. es sich um einen Fall handelt, genannt in Art. 12 unter 1, 2, 5, 6, 7, 10 und 11; die diesbezüglichen Ausschließungen sind ebenfalls anwendbar auf die Kasko-Versicherung;
  2. der Schaden verursacht wurde, während ein Anhänger oder ein anderer Gegenstand nach dem W.A.M. Teil des Kraftfahrzeugs ausmachte, außer in den Fällen, beschrieben in Art. 11 unter 3, jedoch eingeschränkt durch das hier unter 3 Bestimmte;
  3. der Schaden sich bezieht auf Beschädigung oder Verlust eines Anhängers oder eines anderen Gegenstandes, der nach dem W.A.M. Teil des Kraftfahrzeuges ausmachte, es sei denn, die Versicherung wurde auf diesen Anhänger oder den anderen Gegenstand für anwendbar erklärt;
  4. der Schaden sich ergibt aus dem nicht ordentlichen Gebrauch-machen-können des Kraftfahrzeugs, denn wohl in Wertminderung besteht;

Die unter 1 und 2 genannten Ausschließungen – außer denen wegen Belästigung, Forderung durch die Obrigkeit und Atomkernreaktionen, wie sie genannt werden in Art. 12 unter 10 und 11 – gelten nicht für den Versicherungsnehmer, der nachweist daß die diesbezüglichen Umstände sich ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen ergeben haben und ihm hinsichtlich dessen nichts vorzuwerfen ist.”

Der Beklagte ist niederländischer Staatsangehöriger und war als Kraftfahrer bei der Firma B. & söhne angestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde schwerpunktmäßig in den Niederlanden nach niederländischem Recht abgewickelt.

Am 18. Juli 1985 war der Beklagte mit dem vorstehend bezeichneten Lkw auf einer Geschäftsfahrt nach Kassel. Bei dieser Fahrt nahm er seinen Bekannten J. L. mit. L. ist deutscher Staatsangehöriger und besaß keine Fahrerlaubnis der Klasse 2, was der Beklagte wußte. Auf der Bundesautobahn A 44 Dortmund-Kassel kam es in der Nähe der Raststätte Soester Börde Süd zu einem Verkehrsunfall. Der bei der Klägerin versicherte Lastkraftwagen fuhr mit einer Geschwindigkeit von 95 km/h ohne eine vorherige Ausweich- oder Bremsreaktion auf einen Tanklastzug eines deutschen Unternehmens auf. Der Tanklastzug war zuvor über die Beschleunigungsspur auf den rechten Fahrstreifen der Bundesautobahn gefahren und hatte eine Geschwindigkeit von 58 km/h erreicht. Die Lastzüge prallten auf der rechten Fahrspur der Autobahn mit hundertprozentiger Überdeckung aufeinander. Dabei wurde L. im Führerhaus des von der Klägerin versicherten Lkw auf dem Fahrersitz sitzend eingeklemmt. Er mußte durch die Feuerwehr mit schwerem Gerät befreit werden. Der Beklagte erlitt schwere Verletzungen, insbesondere Rippenserienbrüche. Beide Lastkraftwagen wurden erheblich beschädigt. Aus dem Tanklastzug liefen ca. 8.000 Liter Heizöl auf die Fahrbahn aus.

Das Amtsgericht Soest verurteilte L. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und den Beklagten wegen Beihilfe hierzu rechtskräftig zu Geldstrafen.

Mit der am 18. April 1988 beim Landgericht Kleve eingereichten Klage hat die Klägerin L. und den Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 73.803,99 hfl. in Anspruch genommen. Das Landgericht Kleve hat mit Beschluß vom 22. Juli 1988 den Rechtsstreit gegen den Beklagten abgetrennt, sich insoweit für „funktionell unzuständig” erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Arbeitsgericht Wesel verwiesen. Das Landgericht Kleve hat L. mit Grundurteil vom 31. März 1989 und Schlußurteil vom 4. August 1989 zur Zahlung von 73.217,99 hfl. verurteilt. Nach Klageerweiterung macht die Klägerin nunmehr Ersatz ihrer behaupteten Kaskoaufwendungen in Höhe von 73.218,99 hfl. und ihrer behaupteten Aufwendungen im Rahmen der Haftpflichtversicherung in Höhe von 64.872,39 DM geltend.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe L. unberechtigt das Führen des Lastkraftwagens überlassen und entweder auf dem Beifahrersitz Platz genommen oder sich in die im hinteren Teil des Führerhauses befindliche Schlafkabine begeben. L. habe dann entweder aus Übermüdung oder Unaufmerksamkeit oder wegen seiner fehlenden Fahrpraxis den ohne weiteres vermeidbaren Auffahrunfall verursacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage wäre auch dann begründet, wenn der Beklagte das Fahrzeug geführt und den Unfall selbst verursacht hätte.

Sie hat weiter behauptet, aufgrund Vereinbarung mit der Firma B. & Söhne habe sie an die Eigentümerin des Lastkraftwagens den durch Sachverständigengutachten ermittelten Schadensbetrag in Höhe von 73.218,99 hfl. gezahlt. Die entsprechende Überweisung sei von der Bank Mees und Hope NV am 23. September 1985 ausgeführt worden. Den Haftpflichtschaden habe die Versicherungsgesellschaft Securitas, Bremen, im Namen der Klägerin abgewickelt und hierzu an die Geschädigten einschließlich Rechtsverfolgungskosten 59.971,48 DM geleistet. Diesen Betrag sowie die in Rechnung gestellten Gebühren in Höhe von 5.800,– habe sie der Securitas erstattet.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 73.218,99 hfl. nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1985 sowie 64.872,39 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. November 1988 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, zum Unfallzeitpunkt habe er selbst den Lastkraftwagen geführt. Er sei kurz vor oder bei dem Auffahren auf den Tanklastzug aus dem Führerhaus abgesprungen. Wie sein Bekannter L. dann auf den Fahrersitz gelangt sei, habe er nicht wahrgenommen. Er hat die Auffassung vertreten, den Fahrer des Tanklastzuges treffe ein nicht unerhebliches Mitverschulden an dem Auffahrunfall.

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen unzureichender Substantiierung der ersatzfähigen Versicherungsleistungen als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Einholung eines Rechtsgutachtens die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Sie rügt die unzureichende Ermittlung und unrichtige Anwendung niederländischen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses wird nach ergänzender Ermittlung niederländischen Rechts darüber zu befinden haben, ob und in welcher Höhe der Klägerin Ansprüche auf Ersatz der behaupteten Versicherungsleistungen zustehen.

I. Das Berufungsgericht ist zu Recht von der internationalen und sachlichen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ausgegangen, denn der Beklagte hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sinne von § 12 ZPO in der Bundesrepublik Deutschland. Soweit die Klägerin Ansprüche geltend macht, die nicht nach § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen sind, folgt die Zuständigkeit aus § 281 ZPO sowie aus § 2 Abs. 3 ArbGG.

II. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, niederländisches Recht sei maßgeblich. Diese Auffassung ist nur zum Teil zutreffend. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß gemäß Art. 220 Abs. 1 EGBGB die Bestimmung des Art. 30 EGBGB auf das Arbeitsverhältnis des Beklagten zur Firma B. & Söhne Handelsgärtnerei, A., keine Anwendung findet, weil dieses Arbeitsrechtsverhältnis vor dem 1. September 1986 abgeschlossen war. Gleichwohl hat das Berufungsgericht unter Beachtung der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur alten Rechtslage richtig erkannt, daß die arbeitsrechtliche Beziehung des Beklagten zur Firma B. & Söhne sich nach niederländischem Recht bestimmte. Gleiches gilt für die versicherungsrechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Firma B. & Söhne sowie dem Beklagten. Es ist jedoch unbeachtet geblieben, daß die Rechtsbeziehungen des Beklagten zu den deutschen Geschädigten des auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetretenen Verkehrsunfalls gemäß dem Tatortprinzip deutschem Deliktsrecht unterliegen. Dies ist für die Haftpflichtschäden erheblich, weil die Klägerin insofern aus übergegangenem Recht der Geschädigten vorgeht.

III.1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne keinen Ersatz ihrer Aufwendungen im Rahmen der Kaskoversicherung in Höhe von 73.218,99 hfl. (fortan „Kaskoschaden”) und ihrer Aufwendungen im Rahmen der Haftpflichtversicherung in Höhe von 64.872,39 DM (fortan „Haftpflichtschaden”) verlangen.

Falls der Beklagte den Lastkraftwagen unberechtigterweise seinem Bekannten L. zur Führung überlassen habe, könne die Klägerin keinen Ersatz des Kaskoschadens verlangen, weil ein etwaiger Ersatzanspruch des Arbeitgebers des Beklagten nicht auf sie gemäß Art. 284 Wetboek van Koophandel (W. v. K.) habe übergehen können. Der Beklagte sei mitversicherte Person des Vollkaskoversicherungsvertrages gewesen; er könne deshalb nicht als Dritter im Sinne von Art. 284 W. v. K. angesehen werden. Von einem Anspruchsübergang könne zudem nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin nach dem Versicherungsvertrag nicht zu einer Leistung an den Arbeitgeber des Beklagten verpflichtet gewesen sei. Weil nach dem Vortrag der Klägerin ein Fahrer den Lastkraftwagen geführt habe, der nicht im Besitz eines gültigen Führerscheins war, habe gemäß Art. 12 Nr. 2 Buchst. a der Versicherungsbedingungen der Klägerin sowohl in der Kasko- als auch in der Haftpflichtversicherung keine Deckungspflicht und keine Einstandspflicht gegenüber Dritten bestanden. Darüber hinaus könne gegen den Beklagten deshalb kein Rückgriff genommen werden, weil gemäß Art. 20 der niederländischen AKB nur der regreßpflichtig sei, der vorsätzlich gehandelt habe. Ein entsprechender Vorsatz des Beklagten sei nicht festzustellen. Nach den Versicherungsbedingungen der Klägerin sei der Rückgriff im Rahmen der Kaskoversicherung ausgeschlossen, weil der Beklagte nicht absichtlich oder mutwillig im Sinne von Art. 12 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen gehandelt habe. Hinsichtlich des Haftpflichtschadens scheide ein Anspruchsübergang gemäß Art. 284 W. v. K. aus den gleichen Gründen wie beim Kaskoschaden aus. Darüber hinaus habe der Beklagte hinsichtlich des Schadenseintritts nicht absichtlich oder mutwillig im Sinne von Art. 12 Nr. 1 Versicherungsbedingungen der Klägerin gehandelt.

Falls der Beklagte den Lastkraftwagen selbst gesteuert habe, stehe der Klägerin ebenfalls kein Anspruch auf Ersatz des Kaskoschadens zu. Die Voraussetzungen des Art. 284 W. v. K. lägen auch in diesem Falle nicht vor. Darüber hinaus habe die Klägerin das nach der Rechtsprechung der niederländischen Gerichte in Fragen der Arbeitnehmerhaftung notwendige Verschulden des Beklagten in der Form des „schweren Vorwurfs” nicht schlüssig dargelegt. Die Behauptung einer Unaufmerksamkeit oder einer Übermüdung reiche nicht aus, das Vorliegen eines schweren Vorwurfs zu belegen. Der Einstandspflicht des Beklagten stehe desweiteren Art. 16 Nr. 1, 14, 12 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen der Klägerin entgegen, weil der Beklagte den Unfall nicht durch absichtliches oder mutwilliges Verhalten herbeigeführt habe. Bezüglich des Haftpflichtschadens seien weder Art. 284 W. v. K. noch Art. 12 der Versicherungsbedingungen der Klägerin erfüllt. Bewußte Fahrlässigkeit genüge nicht, um eine absichtliche oder mutwillige Herbeiführung des Schadens bejahen zu können.

2. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin sei gegenüber Dritten nicht zum Ersatz der Schäden verpflichtet gewesen, weil die Ersatzpflicht durch Art. 12 Nr. 2 Buchst. a der Versicherungsbedingungen wegen Fehlens der notwendigen Fahrerlaubnis von der Versicherung ausgeschlossen gewesen sei. Das trifft nicht zu. Nach dem Rechtsgutachten des Direktors des Instituts für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln, Prof. Dr. Alexander Lüderitz, besteht in den Niederlanden eine Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeugeigentümers gemäß Art. 31 Wegenverkeerswet (W.V.W.). Die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeuge in den Niederlanden bestimmt sich nach dem Gesetz über die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (WET aansprakelijkheidsverzekering motorrijtuigen – W. A. M.). Danach besitzt der Deckungsausschluß der Versicherungsbedingungen der Klägerin im Außenverhältnis keine Rechtserheblichkeit. Lediglich im Innenverhältnis besteht beim Deckungsausschluß eine Rückgriffsmöglichkeit. In der von Prof. Dr. Lüderitz mitgeteilten Übersetzung lautet Art. 15 Abs. 1 WAM wie folgt:

„Deutsch:

1. Der Versicherer, der nach diesem Gesetz den Schaden eines Geschädigten ganz oder zum Teil ersetzt, obwohl die Haftung für den Schaden nicht durch eine mit ihm geschlossene Versicherung gedeckt war, hat in Höhe des Betrages der Ersatzleistung gegen die verantwortliche Person Recht auf Rückgriff. Das im vorangehenden Satz bestimmte gilt nicht in Bezug auf die haftbare Person, die nicht Versicherungsnehmer ist, es sei denn sie konnte nicht in gutem Glauben annehmen, daß ihre Haftung von einer Versicherung gedeckt sei.”

Von dieser Rechtslage geht auch Art. 14 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen der Klägerin aus, soweit es darin heißt:

„Wenn die Unterzeichner kraft des Gesetzes über Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (W.A.M.) oder eines damit übereinstimmenden ausländischen Gesetzes gegenüber dem Geschädigten zu Schadenersatz verpflichtet ist (sie), und ein Versicherter kraft Gesetzes oder dieses Versicherungsvertrages kein Recht auf Deckung hat, sind die Unterzeichner berechtigt, hinsichtlich des von ihnen Geschuldeten, als auch aller in der Sache entstandenen Kosten, auf den haftenden Versicherten oder aber auf den Versicherungsnehmer zurückzugreifen, dies unbeschadet der Bestimmung des Art. 12, letzter Absatz.”

Anhaltspunkte für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei Dritten gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet gewesen, sind nicht ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht mitversicherte Person im Rahmen der Vollkaskoversicherung. Die Kaskoversicherung ist eine Sachversicherung, die den Versicherungsnehmer hinsichtlich des versicherten Gegenstandes vor bestimmten Risiken schützt. Dementsprechend lautet Art. 15 der durch den Versicherungsvertrag in Bezug genommenen „Versicherungsbedingungen Kraftfahrzeugversicherung Modell ME 82” der Klägerin in der vom vereidigten Übersetzer erstellten deutschen Fassung:

„Die Versicherung deckt den Versicherungsnehmer gegen Schaden wegen Beschädigung oder Verlust des Kraftfahrzeugs, entstanden durch …”

Daß in Art. 1 dieser Versicherungsbedingungen unter der Überschrift „Begriffsumschreibungen” der Fahrer des Kraftfahrzeugs und die mit dem Kraftfahrzeug transportierten Personen als „Versicherte” definiert werden, begründet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Annahme, der Fahrer sei selbst Versicherter der Vollkaskoversicherung. Art. 1 der Versicherungsbedingungen bestimmt nicht seinerseits den Kreis der versicherten Personen in der Vollkaskoversicherung, sondern gibt lediglich Begriffsbestimmungen im Interesse einer erleichterten Lesbarkeit der nachfolgenden Vertragsbedingungen. Dabei wird in Art. 1 und auch den nachfolgenden Bestimmungen zwischen dem Versicherungsnehmer und den Versicherten unterschieden. In einem besonderen Abschnitt unter der Überschrift „Ergänzende Bedingungen für die Kaskoversicherung” (Art. 15 ff.) wird das Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer behandelt. Dementsprechend wird in Art. 16 am Ende der gutgläubige „Versicherungsnehmer” von den vorstehend aufgeführten „Ausschließungen” ausgenommen. Demgegenüber spricht die parallele Bestimmung für den Bereich der Haftpflichtversicherung (Art. 12 am Ende) von „Versicherten”.

Das Bestehen einer Vollkaskoversicherung begünstigt die beim Versicherungsnehmer beschäftigten Arbeitnehmer nur dann, wenn der Rückgriff der Vollkaskoversicherung gegenüber diesen Personen ausgeschlossen ist (vgl. z.B. § 15 der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden AKB).

Folglich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es seien keine Ansprüche gemäß Art. 204 W. v. K. auf die Klägerin übergegangen, weil der Beklagte kein Dritter im Sinne dieser Bestimmung sei, unzutreffend begründet. Die Rechtsfrage, ob der Beklagte in diesem Sinne „Dritter” ist, bedarf vielmehr einer ergänzenden Feststellung gemäß § 293 ZPO. Danach ist das ausländische Recht zu ermitteln, das sich aufgrund der Rechtslehre und Rechtsprechung entwickelt hat. Sollte sich in den Niederlanden die Rechtspraxis entwickelt haben, Arbeitnehmer nicht als Dritte im Sinne von Art. 284 W. v. K. anzusehen, bedürfte dies der Feststellung aufgrund ergänzenden Sachverständigengutachtens. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, der Beklagte sei kein Dritter im Sinne dieser Bestimmung, weil er mitversicherte Person des Kaskoversicherungsvertrages war.

c) Das Berufungsgericht hat Art. 20 der niederländischen AKB angewendet, ohne zu begründen, warum diese für das Vertragsverhältnis der Klägerin zur Firma B. & Söhne oder im Verhältnis zum Beklagten gelten. Nach dem vom Berufungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten sind die im Gutachten mitgeteilten Vertragsbestimmungen keine allgemeinen Versicherungsbestimmungen im Sinne der deutschen AKB, weil das niederländische Recht solche nicht kennt. Der Gutachter hat weiter ausgeführt:

„Inwieweit die im folgenden zugrunde gelegten AKB nach Palm (a.a.O.) Modellcharakter haben, läßt sich daher nicht sagen. … Ob und welche „Voorwarden van verzekering …” (AKB) die Klägerin in casu zugrunde legen kann, hängt ab vom Versicherungsvertrag und etwaigen Ergänzungen, die zwischen der Klägerin und dem Arbeitgeber des Beklagten vereinbart wurden. Diese sind gegebenenfalls vom Gericht zu ermitteln. Im folgenden wird von den hier bekannten Bedingungen ausgegangen, weil wahrscheinlich ist, daß die konkret maßgeblichen Bedingungen ihnen zumindest ähneln.”

Die Versicherungsbedingungen der Klägerin enthalten keine Regelung, die dem Art. 20 der vom Gutachter mitgeteilten AKB entspricht.

d) Zu Unrecht ist das Berufungsurteil davon ausgegangen, die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, der Firma B. & Söhne den Vollkaskoschaden zu ersetzen. Im Verhältnis zu ihrer Versicherungsnehmerin kann sich die Klägerin nicht auf den Ausschlußgrund des Art. 12 Nr. 2 Buchst. a „Fahren ohne Führerschein” berufen, weil der Versicherungsnehmerin dieser Umstand nicht im Sinne von Art. 16 bekannt war und ihr wegen des Verhaltens des Beklagten kein Schuldvorwurf zu machen ist.

Das Berufungsgericht nimmt an, Art. 16 und 12 der Versicherungsbedingungen der Klägerin enthielten einen Ausschluß des Rückgriffs der Kaskoversicherung gegen den Fahrer des Kraftfahrzeugs. Das trifft nicht zu. Vielmehr regeln diese Bestimmungen den Ausschluß der Versicherung im Verhältnis zum Versicherungsnehmer. Die Frage des Rückgriffs ist in Art. 16 der Versicherungsbedingungen nicht geregelt.

IV. Das Landesarbeitsgericht wird das maßgebliche niederländische Recht vollständig ermitteln und den behaupteten Sachverhalt durch Beweiserhebung aufklären müssen. Dabei wird folgendes zu beachten sein:

1. Ansprüche der Klägerin, falls der Beklagte seinem Bekannten L. die Führung des Lastkraftwagens im Unfallzeitpunkt überlassen hatte:

a) Kaskoschaden

aa) Der Klägerin könnte gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des Kaskoschadens aus übergegangem Recht gemäß Art. 284 W. v. K. in Verb. mit den Bestimmungen des niederländischen Arbeitsrechts über die Schlechtleistung (ähnlich der deutschen positiven Vertragsverletzung) oder der unerlaubten Handlung zustehen. Nach ihrem Sachvortrag hat die Klägerin der Firma B. & Söhne den am Lastkraftwagen eingetretenen Schaden in der Weise ersetzt, daß sie den gutachterlich festgestellten Schadensbetrag abzüglich des Selbstbehalts an die Eigentümerin des Lastkraftwagens überwies. Damit könnte der Ersatzanspruch der Firma B. & Söhne gegen den Beklagten kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen sein. Hierzu bedarf es gemäß § 293 ZPO der Ermittlung der maßgeblichen Bestimmungen des Rechts der Arbeitnehmerhaftung in den Niederlanden. Das Berufungsgericht kann sich hierzu nicht auf die Feststellung des maßgeblichen Verschuldensmaßstabes (schwerer Vorwurf) beschränken. Darüber hinaus wird zu ermitteln sein, wie der Begriff des „Dritten” im Sinne von Art. 284 W. v. K. in der Rechtspraxis interpretiert wird. Desweiteren wird über die streitigen Behauptungen der Klägerin zur Unfallursache und der Schadenshöhe Beweis erhoben werden müssen. Für einen Regreßverzicht der Klägerin sind nach der gegenwärtigen Lage keine Anhaltspunkte gegeben.

bb) Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes besteht Grund zu der Annahme, daß gemäß Art. 1438 Abs. 3 Burgerlijk Wetboek im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs Ansprüche der B. BV als Eigentümerin des Lastkraftwagens gegen den Beklagten mit der Erfüllung des behaupteten Schadens durch die Klägerin auf die Firma B. & Söhne und damit auf die Klägerin übergegangen sein könnten. Auch insofern wird ein Rechtsgutachten einzuholen sein.

b) Haftpflichtschaden

Der Klägerin könnte gegen den Beklagten aus §§ 823 Abs. 2, 830 BGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG in Verb. mit Art. 15 Abs. 1 W. A. M. ein Anspruch auf Ersatz des Haftpflichtschadens zustehen.

aa) Den Anspruch der geschädigten Dritten gegen den Beklagten auf Ersatz ihrer durch den Unfall vom 18. Juli 1985 erlittenen Schäden hat die Klägerin insbesondere durch den Vortrag des Inhalts des gegen den Beklagten ergangenen Strafurteils des Amtsgerichts Soest schlüssig gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 BGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG dargelegt. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (herrschende Meinung, vgl. statt aller Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl., § 21 StVG Rz 27 sowie BGH Urteil vom 16. Oktober 1990 – VI ZR 65/90 – VersR 1991, 196, zu § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG). Gegen das Schutzgesetz hätte der Beklagte durch seine vorsätzlich geleistete Beihilfe zu der von L. begangenen Straftat verstoßen und damit eine adäquat kausale Bedingung für die am Vermögen Dritter eingetretenen Schäden gesetzt. Hierüber wird Beweis zu erheben sein.

bb) Nach Art. 15 Abs. 1 W. A. M. steht der Versicherung in Höhe des Betrages der Ersatzleistung gegen die verantwortliche Person ein Recht auf Rückgriff zu. Ob es sich hierbei um einen gesetzlichen Forderungsübergang oder einen Abtretungsanspruch oder eine andere Form des Forderungsübergangs handelt, ist durch Sachverständigengutachten zu klären. Sollte danach der etwaige Anspruch auf die Klägerin übergegangen sein, wären die weiteren Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 W. A. M. gegeben, denn der eingetretene Schaden wäre im Verhältnis zum Beklagten nicht durch die Haftpflichtversicherung gedeckt gewesen. Hätte L. den Lkw geführt, wäre der eingetretene Haftpflichtschaden gemäß Art. 12 Nr. 2 Buchst. a der Versicherungsbedingungen der Klägerin von der Versicherung ausgeschlossen gewesen. Dieser Ausschließungsgrund ist auch gegenüber dem Beklagten erheblich, denn er wußte, daß L. keine Fahrerlaubnis der Klasse 2 besaß. Er war weder im Sinne von Art. 12 der Versicherungsbedingungen der Klägerin noch im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 2 W. A. M. gutgläubig.

2. Ansprüche der Klägerin, falls der Beklagte den Lastkraftwagen im Unfallzeitpunkt selbst gefahren hat:

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe weder einen schweren Vorwurf im Sinne der Regeln der Arbeitnehmerhaftung noch die Voraussetzungen des Deckungsausschlusses gemäß Art. 12 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen schlüssig dargelegt. Dem könnte gefolgt werden. Es müßte allerdings geklärt werden, ob dem Beklagten bewußte Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, oder, nach Einholung eines entsprechenden Rechtsgutachtens, die herrschende Rechtspraxis in den Niederlanden bewußt fahrlässiges Handeln als nicht tatbestandsmäßig im Sinne des Wortes „opzet” ansieht.

b) Unaufgeklärt ist weiterhin, ob im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleiches Ansprüche der Firma B. BV gegen den Beklagten wegen Eigentumsverletzung auf die Klägerin übergegangen sein könnten. Gegebenenfalls müßte geklärt werden, ob nach niederländischem Recht die Vollkaskoversicherung des Arbeitgebers die Regelungen einer Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers auch dann gegen sich gelten lassen muß, wenn sie aus übergegangenem Recht Dritter Ansprüche erhebt.

3. Die Klägerin begehrt Zahlung von Zinsen in Höhe von 4 % auf

die jeweiligen Klagforderungen. Das insofern maßgebliche Recht wird unter Beachtung von § 849 BGB sowie des niederländischen Rechts zu ermitteln sein.

4. Nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 1989 hat der Beklagte am 28. Oktober und 28. November 1988 jeweils 100,– DM auf die Klagforderung gezahlt. Seinerzeit hat die Klägerin ihren Klageantrag entsprechend ermäßigt, den ursprünglichen Antrag aber später ohne Angabe ihrer Gründe wieder gestellt.

5. Im Falle einer Verurteilung des Beklagten wird § 281 Abs. 3 ZPO zu beachten sein.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Haible, Hannig

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065155

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