Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderliche Instandsetzungskosten. Musikinstrumente

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK trägt der Arbeitgeber, soweit der Musiker (Arbeitnehmer) ein eigenes Instrument benutzt, die “als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten”. Für die Höhe der erforderlichen Instandsetzungskosten sind das Interesse des Musikers als Eigentümer des Instruments und das Interesse des Arbeitgebers an der Einsparung von Betriebskosten gegeneinander abzuwägen. Es kann nicht gefordert werden, daß der Musiker stets von dem niedrigsten Instandsetzungsangebot Gebrauch macht.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 242, 670; Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 i.d.F. vom 22. September 1987 § 12 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 05.10.1989; Aktenzeichen 17 Sa 874/89)

ArbG Münster (Urteil vom 07.03.1989; Aktenzeichen 3 Ca 1947/88)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Oktober 1989 – 17 Sa 874/39 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Kläger sind Orchestermusiker. Sie verlangen von der Beklagten Ersatz der Kosten für die Instandsetzung ihrer Musikinstrumente.

Die Kläger sind Mitglieder des Symphonieorchesters der Städtischen Bühnen der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der Fassung vom 22. September 1987 Anwendung, der u. a. folgendes regelt:

§ 12 Instrumente

  • Der Musiker ist verpflichtet, jedes ihm zur Benutzung zugewiesene Instrument pfleglich zu behandeln. Der Arbeitgeber trägt die erforderlichen Instandsetzungskosten …
  • Soweit dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt worden ist, hat er ein gutes Instrument in tadellosem und spiel fertigem Zustand zu benutzen …. Der Arbeitgeber trägt ferner die als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten, wenn sie in angemessenem Verhältnis zum Zeitwert des Instrumentes stehen.

Die Beklagte stellt den Musikern ihres Symphonieorchesters keine Instrumente zur Verfügung. Die drei Kläger spielen auf eigenen Instrumenten.

Nachdem die Beklagte zunächst die Auswahl der Fachbetriebe für die Instandsetzung der Instrumente den Musikern überlassen hatte, forderte sie diese im April 1987 auf, aus Haushaltsgründen künftig vor Durchführung der Instandsetzungsarbeiten zwei detaillierte Kostenvoranschläge einzuholen.

Der Kläger zu 1) reichte einen Kostenvoranschlag der Herstellerfirma seiner Oboe, die er im Jahre 1974 für 3.400,-- DM erworben hatte, ein. Die Generalüberholung sollte 1.140,-- DM kosten. Der Kostenvoranschlag einer anderen Firma betrug 700,-- DM. Der Kläger zu 1) ließ wie in der Vergangenheit sein Instrument bei der Herstellerfirma generalüberholen. Hierfür wurden ihm die veranschlagten Kosten in Rechnung gestellt.

Der Kläger zu 2) reichte einen Antrag auf Erstattung der Kosten für die Generalüberholung seiner Querflöte, die einen Zeitwert von ca. 15.000,00 DM hat, ein. Er hatte das Instrument 1960 gekauft und in der Folgezeit regelmäßig bei einer Firma in Berlin überholen lassen, bis diese Anfang der 70er Jahre ihren Betrieb schloß. Er ließ die Instandsetzungsarbeiten in der Folgezeit bei einer Firma T… durchführen, deren Inhaber zuvor bei der Berliner Firma beschäftigt war. Der Kostenvoranschlag der Firma T… belief sich auf 1.120,00 DM. Der zweite Kostenvoranschlag belief sich auf 845,00 DM. Die beauftragte Firma T… stellte ihm die veranschlagten Kosten in Rechnung.

Der Kläger zu 3) reichte einen Kostenvoranschlag des Herstellers seines Fagotts ein. Das Instrument hatte er im Jahre 1980 für 19.000,-- DM gekauft. Die Instandsetzungskosten wurden mit 3.686,-- DM veranschlagt. Der zweite Kostenvoranschlag belief sich auf 2.475,-- DM. Die vom Kläger zu 3) beauftragte Herstellerfirma stellte die veranschlagten Kosten in Rechnung.

Die Beklagte erstattete dem Kläger zu 1) 912,-- DM, dem Kläger zu 2) 963,30 DM und dem Kläger zu 3) 2.885,91 DM. Die Kläger haben die Differenz zu den von ihnen bezahlten Rechnungsbeträgen begehrt, die sich aus den Beträgen der Kostenvoranschläge zuzüglich Mehrwertsteuer, Porto- und Transportkosten ergibt.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, daß sie für die Instandsetzung ihrer eigenen Instrumente Firmen ihres Vertrauens wählen könnten. Zur Durchführung dieser Arbeiten seien die Herstellerfirmen besonders geeignet, weil sie Originalteile verwendeten. Die hierbei anfallenden Kosten seien erforderlich und daher von der Beklagten nach § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK zu erstatten.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 399,34 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung, an den Kläger zu 2) 313,50 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung und an den Kläger zu 3) 1.522,54 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, den Klägern sei zumutbar gewesen, die preisgünstigsten Firmen zu beauftragen. Da sich die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten in der Spielzeit 1986/87 gegenüber der Spielzeit 1983/84 verdoppelt hätten, sei sie zu Einsparungsmaßnahmen gezwungen gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten bis auf einen die Transportkosten des Klägers zu 3) betreffenden Betrag von 85,50 DM zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger bitten um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kläger hätten Anspruch auf Ersatz der für die Instandsetzung ihrer Musikinstrumente gemachten Aufwendungen. Die Instandsetzungskosten seien im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK erforderlich gewesen. Die Kläger seien als Eigentümer der Instrumente berechtigt gewesen, die Reparaturfirma auszuwählen, sofern die Instandsetzungskosten nicht in einem Mißverhältnis zur Reparaturleistung stünden. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger schon über mehrere Jahre ihre Instrumente bei den beauftragten Firmen ohne Beanstandung zur Wartung und Reparatur gegeben. Die Kläger zu 1) und 3) hätten darüberhinaus ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Reparaturfirmen gehabt, weil diese die Instrumente gebaut hätten und somit bei notwendigen Reparaturen Originalersatzteile verwendeten. Bei dieser Sachlage seien die um etwa ein Drittel gegenüber den Vergleichsangeboten teuereren Reparaturkosten nicht zu beanstanden.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

II. Der Anspruch der Kläger auf Zahlung der für die Instandsetzung ihrer Musikinstrumente geleisteten Kosten ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK begründet. Danach trägt der Arbeitgeber die als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten, wenn sie im angemessenen Verhältnis zum Zeitwert des Instruments stehen. Diese Voraussetzungen sind in bezug auf die von den Klägern geltend gemachten Beträge gegeben.

1. Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK läßt sich allerdings nicht herleiten, unter welchen Voraussetzungen die Kosten für Instandsetzungsarbeiten in einem zum Vergleichsangebot teuereren Reparaturbetrieb als erforderlich anzusehen sind. Dies läßt sich jedoch aus der Gesamtregelung des § 12 TVK bestimmen.

a) Der Begriff der vom Arbeitgeber zu tragenden “erforderlichen Instandsetzungskosten” ist sowohl in § 12 Abs. 1 Satz 2 wie auch in § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK enthalten. Dabei spricht das Tatbestandsmerkmal “erforderlich” in Abs. 1 Satz 2, wo es um die arbeitgebereigenen Instrumente geht, dafür, daß die Tarifvertragsparteien eine nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit einschränkende Regelung getroffen haben. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß auch im Falle des Abs. 2 Satz 3 stets von dem niedrigsten bzw. kostengünstigeren Instandsetzungsangebot Gebrauch zu machen ist. Diese Regelung unterscheidet sich von der des Abs. 1 Satz 2 dadurch, daß in ihr die Kostentragungspflicht für die Instandsetzung musikereigener Instrumente geregelt ist. Würden beide Fallgestaltungen gleichbehandelt, würde dies den beiderseitigen Interessen nicht gerecht, die im Fall des Abs. 2 dadurch gekennzeichnet sind, daß das Instrument dem Musiker gehört und von diesem in einem tariflich im einzelnen vorgeschriebenen Zustand zu benutzen ist.

b) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Regelung gemäß § 12 Abs. 1 TVK dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, dem Musiker arbeitgebereigene Instrumente zuzuweisen und damit die Instandsetzungskosten wirtschaftlich und sparsam zu gestalten. Wählt der Arbeitgeber diese Möglichkeit nicht und läßt er statt dessen musikereigene Instrumente zum Einsatz kommen, so sind bei der Bestimmung der gemäß § 12 Abs. 2 TVK erforderlichen Instandsetzungskosten die Interessen des Musikers zu berücksichtigen, die es im Einzelfall rechtfertigen können, eigene Instrumente nicht bei irgendeinem, sondern bei einem bestimmten Reparaturbetrieb instandsetzen zu lassen.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TVK hat der Musiker ein gutes Instrument in tadellosem und spielfertigem Zustand zu benutzen. Er ist damit für den Zustand des Instruments allein verantwortlich.

Er muß die Entscheidungen treffen bezüglich der Pflege, der Instandhaltung und der notwendigen Reparaturarbeiten. Der Musiker hat somit für die ordnungsgemäße Durchführung anfallender Arbeiten zu sorgen und trägt das Risiko des Gelingens dieser Arbeiten. Verschlechtert sich durch unsachgemäße Pflege- und Reparaturarbeiten der Zustand des Instruments, so muß er eine Wertminderung hinnehmen, notfalls sogar ein neues Instrument anschaffen, um auch künftig mit einem Instrument in tadellosem und spielfertigem Zustand seine vertragsgemäße Arbeitsleistung erbringen zu können.

Aus dieser ihm tarifvertraglich zugewiesenen Verantwortung für den Zustand seines Instruments folgt, daß der Musiker bei der Vergabe von Instandsetzungsarbeiten ein gewisses Handlungsermessen hat. Er kann nur dann seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß erfüllen, wenn er bei der Vergabe der Wartungsarbeiten zuverlässige Firmen beauftragen darf. Die Erforderlichkeit der Instandsetzungskosten bestimmt sich daher nicht nur nach dem Umfang der anfallenden Arbeiten, sondern auch nach der Qualifikation der beauftragten Firma. Bei der von ihm vorzunehmenden Beurteilung hat der Musiker neben seinen Interessen als Eigentümer des Instruments und als Arbeitnehmer auch die Interessen des Arbeitgebers an der Einsparung von Betriebskosten angemessen zu berücksichtigen. Dies folgt aus § 242 BGB. Das Interesse des Arbeitgebers wird zugunsten des Interesses des Musikers dadurch begrenzt, daß dieser sein Instrument im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers einsetzt. Dieser erspart dadurch die Anschaffung teuerer Musikinstrumente und vermeidet damit eine beträchtliche Kapitalbindung. Der Musiker dagegen muß einmal für die Anschaffungskosten des Instruments aufkommen und trägt darüber hinaus das Risiko der Wertminderung, die gerade durch unsachgemäß durchgeführte Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten eintreten kann. Er entlastet durch die Benutzung des eigenen Instruments den Arbeitgeber in einem nicht unerheblichen finanziellen Umfang.

Nach alledem ist es somit interessen- und sachgerecht, den Begriff der “als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten” gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK so auszulegen, daß der Musiker unter sachgerechter Berücksichtigung aller Umstände für die Reparatur seines Instruments einen Anbieter auswählen kann. Begrenzt wird sein Ermessen dadurch, daß die Instandsetzungskosten in einem angemessenen Verhältnis zum Zeitwert des Instruments stehen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 TVK) und nicht zu einer Kostenbelastung führen, die dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zumutbar ist.

2. Das Berufungsgericht hat aufgrund seiner mit Revisionsrügen nicht angefochtenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen zu Recht bei sämtlichen Klägern die geltend gemachten Instandsetzungskosten als erforderlich angesehen.

a) Bei dem Begriff der erforderlichen Instandsetzungskosten handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch die Tatsacheninstanz vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ihr Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und alle entscheidungserheblichen Tatumstände Berücksichtigung gefunden haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Urteil vom 10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP Nr. 15 zu § 24 BAT, m.w.N.).

b) Dieser eingeschränkten Nachprüfung halten die Erwägungen des Berufungsgerichts stand.

Ausgehend davon, daß die Instandsetzungskosten unstreitig im angemessenen Verhältnis zum Zeitwert der Instrumente standen, hat des Berufungsgericht darauf abgestellt, alle Kläger hätten die Auswahl der Instandsetzungsfirmen deshalb getroffen, weil die ausgewählten Betriebe schon in der Vergangenheit die Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten zur vollen Zufriedenheit der Kläger ausgeführt hätten. Die Kläger zu 1) und 3) hätten hierbei jeweils die Herstellerfirmen ihrer Instrumente beauftragt, zu denen ein Vertrauensverhältnis bestanden habe. Der Kläger zu 2) besäße zu dem von ihm beauftragten Unternehmen besonderes Vertrauen, weil der Inhaber dieser Firma zuvor in einem Unternehmen tätig gewesen sei, das seit dem Jahr 1960 sein Instrument gewartet hatte. Wieder hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Kosten der beauftragten Instandsetzungsfirmen seien zwar etwa um 1/3 höher als die der Vergleichsfirmen. Daraus allein lasse sich jedoch noch nicht schließen, daß der finanzielle Aufwand in einem “greifbaren Mißverhältnis” zum Erfolg gestanden habe.

Diese Erwägung hat das Berufungsgericht zwar bei Subsumtion unter die hier nicht einschlägige Bestimmung des § 670 BGB angestellt, die es entsprechend anwenden wollte. Sie genügt jedoch den Anforderungen, die nach den vorstehenden Ausführungen des Senats an die rechtsirrtumsfreie Anwendung des Begriffs der “als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten” im Sinne des § 12 Abs. 2 TVK zu stellen sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Freitag, Ramdohr, Carl

 

Fundstellen

Haufe-Index 838610

BAGE, 354

NZA 1992, 746

RdA 1992, 224

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge