Entscheidungsstichwort (Thema)

Ärztlicher Bereitschaftsdienst neben Wechselschichtdienst

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus dem aufgrund des 50. Änderungstarifvertrages vom 22. November 1982 mit Wirkung vom 1. Januar 1983 in die Nr 8 Abs 7 der SR 2c zum BAT eingefügten UAbs 6, nach dem "ein Arzt, der ständig Wechselschichtarbeit (§ 15 Abs 8 UAbs 6 BAT) zu leisten hat, im Anschluß an eine Nachtschicht nicht zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden soll", geht eindeutig hervor, daß ein ständig Wechselschichtarbeit leistender Krankenhausarzt grundsätzlich verpflichtet ist, Bereitschaftsdienst zu leisten.

2. Diese Tarifnorm verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht (insbesondere nicht gegen den Rechtsgedanken des § 306 BGB) und ist daher rechtswirksam.

3. In welchem Umfang der Arbeitgeber im Einzelfall einen im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausarzt innerhalb der nach Nr 8 Abs 7 und Abs 8 der SR 2c zum BAT geltenden Höchstgrenzen zum Bereitschaftsdienst heranziehen darf, bleibt unentschieden.

 

Orientierungssatz

Frage, ob ein in der chirurgischen Ambulanz eines Krankenhauses im Wechselschichtdienst beschäftigter Facharzt für Chirurgie verpflichtet ist, Bereitschaftsdienst zu leisten.

 

Normenkette

BAT Anlage SR; BAT § 17; BGB § 306; BAT § 15 Abs. 8

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 26.04.1982; Aktenzeichen 2 Sa 25/82)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 31.08.1981; Aktenzeichen 4 Ca 212/80)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der seit Oktober 1979 ständig im Wechselschichtdienst beschäftigte Kläger verpflichtet ist, auch Bereitschaftsdienst zu leisten.

Der Kläger ist Facharzt für Chirurgie. Seit Anfang des Jahres 1971 arbeitet er im Angestelltenverhältnis in den Diensten der Beklagten als Chirurg in der chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses H. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. Juli 1977 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.

Seit dem Jahre 1976 hatte sich der Kläger dagegen gewehrt, von der Beklagten vermehrt zum ärztlichen Bereitschaftsdienst herangezogen zu werden. Es kam daher zu einem arbeitsgerichtlichen Prozeß zwischen den Parteien, in dem der Kläger die Feststellung begehrte, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, von ihm zu verlangen, durchschnittlich mehr als einmal in der Woche über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus ärztlichen Bereitschaftsdienst zu leisten. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Klage durch Urteil vom 26. November 1980 - 4 AZR 1181/78 - BAG 34, 281 = AP Nr. 6 zu § 17 BAT abgewiesen. Der Kläger hat hiergegen Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Seit Januar 1979 wird in der Ambulanz der chirurgischen Abteilung in einem fünfwöchigen Turnus Wechselschichtdienst durchgeführt. Dieser ist gestaffelt in den ersten Dienst von 8.00 bis 16.00 Uhr (Frühschicht), in den zweiten Dienst von 11.00 bis 19.00 Uhr (Spätschicht) und in den dritten Dienst von 18.30 bis 8.30 Uhr (Nachtschicht). Der Kläger arbeitet seit Oktober 1979 ständig im Wechselschichtdienst, und zwar in der ersten Woche von Montag bis Freitag in der Frühschicht, in der zeiten Woche Montag bis Freitag in der Spätschicht, in der dritten Woche Montag und Donnerstag in der Nachtschicht sowie Samstag und Sonntag von 9.00 bis 19.00 Uhr, in der vierten Woche Dienstag, Samstag und Sonntag in der Nachtschicht (hierbei von Samstag auf Sonntag bis 9.30 Uhr), in der fünften Woche Mittwoch und Freitag in der Nachtschicht (letztere bis 9.30 Uhr). Das ergibt eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers von 40 Stunden. Außer dem Kläger sind - wechselnd - jeweils vier Ärzte am Wechselschichtdienst der Ambulanz beteiligt. Für jeden der fünf Ärzte fallen danach innerhalb von fünf Wochen sieben Nachtschichten an.

Auf den Stationen der chirurgischen Abteilung wird nicht im Wechselschichtdienst gearbeitet. Die Arbeiten auf der Station werden tagsüber von den Stationsärzten verrichtet. Für die übrigen Zeiten sind Bereitschaftsdienste eingerichtet, zu denen die Stationsärzte und in reduziertem Umfang auch die im Wechselschichtdienst arbeitenden Ärzte herangezogen werden. Letztere leisten Bereitschaftsdienst - von einzelnen Ausnahmen auf Wunsch des betreffenden Arztes abgesehen - nur in der Woche, in der sie zur Frühschicht eingeteilt sind. Ein Bereitschaftsdienst dauert montags bis freitags jeweils von 16.30 Uhr bis 8.00 Uhr. An Wochenenden von 8.00 bis 8.00 Uhr. Der Kläger ist von Januar bis Oktober 1980 zu zehn Bereitschaftsdiensten, höchstens zwei im Monat, herangezogen worden. Auch danach wurde er in manchen Monaten zu zwei, in anderen Monaten nicht zu Bereitschaftsdiensten herangezogen.

Wegen der Frage, ob die Ärzte der chirurgischen Ambulanz auch zum Bereitschaftsdienst herangezogen werden dürfen, hat sich der Personalrat des Allgemeinen Krankenhauses H mit Schreiben vom 23. Juni 1980 ablehnend geäußert und nach § 80 Hamburgisches Personalvertretungsgesetz die Schlichtungsstelle angerufen. Daraufhin fand im Jahre 1981 ein Einigungsstellenverfahren (§ 81 Hamburgisches Personalvertretungsgesetz) statt, an dem der Personalrat und die Beklagte beteiligt waren. Das Verfahren endete mit dem Spruch, daß ein Arzt, der am Wechselschichtdienst teilnimmt, nur einmal im Monat Bereitschaftsdienst zu leisten braucht.

Der Kläger ist der Auffassung, er sei zur Leistung von Bereitschaftsdienst neben dem Wechselschichtdienst nicht verpflichtet. Das ergebe sich schon aus den tariflichen Vorschriften. Durch die Einführung des Wechselschichtdienstes sei auch sein Arbeitsvertrag entsprechend geändert worden; dabei sei es gerade darum gegangen, die Bereitschaftsdienstleistungen abzulösen, weil die Zeit ohne Arbeitsleistung nicht mehr überwogen habe. Die Einführung des Wechselschichtdienstes sei von den Ärzten nur mit Rücksicht auf einen Wegfall des Bereitschaftsdienstes akzeptiert worden. Er habe auch nicht in die Leistung von Bereitschaftsdienst eingewilligt. Schließlich verstoße die Beklagte durch die Anordnung von Bereitschaftsdienst gegen ihre Fürsorgepflicht, die eine solche gesundheitsschädliche Doppelbeanspruchung verbiete. Wegen der übermäßigen Belastung sei die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten gefährdet.

Der Kläger hat beantragt,

der Beklagten zu untersagen, ihn während einer

Periode des Schichtdienstes gleichzeitig zum

Bereitschaftsdienst heranzuziehen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der BAT nebst seinen Sonderregelungen erlaube es, neben einem Wechselschichtdienst auch Bereitschaftsdienst anzuordnen. Sie habe den Wechselschichtdienst nicht eingeführt, um den Bereitschaftsdienst voll zu ersetzen. Der Kläger habe sich damit einverstanden erklärt, Bereitschaftsdienst zu leisten. Die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers bestehe nicht, weil in jedem Falle ausreichende Erholungsphasen und viel Freizeit verblieben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Kläger ist nach den kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltenden tariflichen Bestimmungen (Nr. 8 Abs. 7 der SR 2 c zum BAT) dazu verpflichtet, neben dem Wechselschichtdienst auch Bereitschaftsdienst zu leisten.

I. Das Landesarbeitsgericht geht ohne Rechtsfehler davon aus, daß aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung der BAT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Da der Kläger als Arzt in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus beschäftigt ist, gelten zwischen den Parteien auch die "Sonderregelungen für Angestellte als Ärzte und Zahnärzte an den in den SR 2 a und SR 2 b genannten Anstalten und Heimen" (SR 2 c BAT) als Vertragsrecht. Nach § 2 BAT sind diese Sonderregelungen Bestandteil des BAT. Der ärztliche Bereitschaftsdienst wird in Nr. 8 der SR 2 c BAT näher geregelt. Danach ist der Arzt verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Abs. 1 Satz 1). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (Abs. 1 Satz 2).

1. Durch den 50. Änderungstarifvertrag vom 22. November 1982 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1983 die folgende Vorschrift als Unterabs. 6 des Abs. 7 der Nr. 8 SR 2 c BAT eingefügt:

"Der Arzt, der ständig Wechselschichtarbeit (§ 15

Abs. 8 Unterabs. 6) zu leisten hat, soll im An-

schluß an eine Nachtschicht nicht zum Bereit-

schaftsdienst herangezogen werden."

Durch diese Bestimmung, die zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (26. April 1982) noch nicht vorhanden war und daher vom Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt werden konnte, ist nunmehr mit Wirkung vom 1. Januar 1983 eindeutig klargestellt, daß auch ein ständig im Wechselschichtdienst beschäftigter Krankenhausarzt grundsätzlich dazu verpflichtet ist, auch Bereitschaftsdienst zu leisten. Dieser Standpunkt entspricht auch der allgemeinen Ansicht in der einschlägigen Kommentarliteratur (vgl. Böhm/Spiertz, BAT, 3. Aufl., SR 2 a BAT, Nr. 6 Rz 69; Crisolli/Tiedtke, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Bd. I, SR 2 c BAT, Nr. 8, Anm. 42 a; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Bd. II, SR 2 a BAT, Nr. 6 Rz 23; Breier/Kiefer/Uttlinger, BAT, Bd. II, SR 2 c BAT, Erläuterung 6 g 3 - S. 368.24 f. -). Durch die Vereinbarung einer Sonderregelung über die zeitliche Lage des Bereitschaftsdienstes bei einem im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausarzt haben die Tarifvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie übereinstimmend von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Bereitschaftsdienstes neben Wechselschichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT) ausgehen. Anders ist die in Nr. 8 Abs. 7 Unterabs. 6 der SR 2 c zum BAT enthaltene zeitliche Begrenzung des Bereitschaftsdienstes nicht zu erklären. Diese tarifliche Bestimmung ist auch im Streitfall anzuwenden, obwohl sie erst am 1. Januar 1983 und damit nach der am 26. April 1982 erfolgten Verkündung des angefochtenen Urteils in Kraft getreten ist. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob bereits vor Inkrafttreten der zuletzt genannten Bestimmung die Heranziehung der im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausärzte zu Bereitschaftsdienst aufgrund der übrigen Regelungen in Nr. 8 SR 2 c BAT tarifrechtlich grundsätzlich zulässig gewesen ist, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat. Da der Kläger einen vermeintlichen Unterlassungsanspruch für die Zukunft verfolgt, hat auch noch das Revisionsgericht zwischenzeitliche Änderungen des maßgeblichen Tarifvertrages zu beachten und die Rechte und Pflichten der Parteien aufgrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. BAG 2, 226, 227 = AP Nr. 4 zu § 52 RegelungsG, zu II der Gründe; BAG 7, 197, 206 f. = AP Nr. 2 zu § 7 AltbankenG Berlin, zu 3 der Gründe, jeweils für Gesetzesrecht; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 73 Rz 4 m.w.N.).

2. Durch die aufgrund des 50. Änderungstarifvertrages vom 22. November 1982 mit Wirkung vom 1. Januar 1983 geschaffene Vorschrift der Nr. 8 Abs. 7 Unterabs. 6 der SR 2 c zum BAT haben die Tarifvertragsparteien durch die Anerkennung der grundsätzlichen Zulässigkeit von ärztlichem Bereitschaftsdienst neben Wechselschichtarbeit zugleich klargestellt, daß die zulässige Anzahl, die zulässige Dauer und die zulässige zeitliche Lage der Bereitschaftsdienste auch beim Wechselschichtdienst leistenden Arzt durch die Absätze 7 und 8 der Nr. 8 SR 2 c BAT geregelt werden.

Ein Arzt, der ständig Wechselschichtarbeit zu leisten hat, kann nach Nr. 8 Abs. 7 Unterabs. 1 der SR 2 c zum BAT in den Stufen C und D im Kalendermonat bis zu sechs Bereitschaftsdiensten herangezogen werden. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei der zuletzt erwähnten Tarifbestimmung um eine Ermächtigung des Arbeitgebers handelt, Bereitschaftsdienst bis zu einer bestimmten Höchstgrenze anzuordnen, welche im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers steht (Urteile des Vierten Senats vom 26. November 1980 - 4 AZR 1181/78 - BAG 34, 281 = AP Nr. 6 zu § 17 BAT und vom 24. Februar 1982 - 4 AZR 223/80 - BAG 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT).

3. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die in Nr. 8 Abs. 7 Unterabs. 6 der SR 2 c zum BAT zum Ausdruck gekommene grundsätzliche Zulässigkeit der Anordnung von Bereitschaftsdiensten gegenüber ständig im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausärzten nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht.

a) Ein Verstoß gegen die Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924 (RGBl. I, 66) kommt nicht in Betracht. Diese Verordnung enthält keine Krankenhausärzte erfassenden Bestimmungen, wie das Bundesarbeitsgericht wiederholt festgestellt hat (vgl. BAG 9, 147, 154 = AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu II 1 der Gründe; BAG 34, 281 und 38, 69 = AP Nr. 6 und 7 zu § 17 BAT; zustimmend Meisel, Anm. zu AP Nr. 7, aaO).

b) Ein Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung scheidet ebenfalls aus. Dabei kommt es auf die Streitfrage, ob die Arbeitszeitordnung auf angestellte Krankenhausärzte Anwendung findet (verneinend das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, zuletzt BAG 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT mit Nachweisen; offen gelassen von BAG 34, 281 = AP Nr. 6 zu § 17 BAT), nicht an. Denn die Arbeitszeitordnung verbietet nicht die Kombination von Wechselschichtdienst und Bereitschaftsdienst. Es ist ohne weiteres möglich, dabei die Vorschriften über arbeitsfreie Zeiten und Ruhepausen (§ 12 Arbeitszeitordnung) sowie die übrigen Regelungen der Arbeitszeitordnung einzuhalten.

c) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die grundsätzliche Zulässigkeit von Bereitschaftsdiensten (unabhängig von ihrer Anzahl, Dauer, Intensität und zeitlichen Lage) bei den im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausärzten auch nicht gegen den Rechtsgedanken des § 306 BGB oder gegen Verfassungsgrundsätze.

Das Landesarbeitsgericht führt zu Recht aus, es seien keine Anforderungen erkennbar, die mit der menschlichen Leistungsfähigkeit und den besonderen Standespflichten eines Arztes in so hohem Maße unvereinbar seien, daß damit die Rechtsgestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien als überschritten anzusehen wären. Das Bundesarbeitsgericht hat Bereitschaftsdienst neben der allgemeinen Tagesarbeit in erheblichem Umfang zugelassen (aa0, AP Nr. 6 und Nr. 7 zu § 17 BAT). Wechselschichtarbeit belastet gegenüber Tagesarbeit nicht so viel stärker, daß neben ihr Bereitschaftsdienst schlechthin unzulässig wäre. Der Senat verkennt nicht, daß ständige Wechselschichtarbeit insbesondere dann, wenn ein hoher Nachtschichtanteil vorliegt, zu erheblichen Störungen im natürlichen Lebensrhythmus eines Arbeitnehmers führen kann und daher die Gefahr von gesundheitlichen Beeinträchtigungen besteht. Auch die mit einer derartigen Arbeitszeitgestaltung verbundenen negativen Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen des Arbeitnehmers führen nicht zu einer generellen Unzulässigkeit von Bereitschaftsdiensten. Sowohl die gesundheitlichen Gefahren als auch die mit einer derartigen Arbeitszeitgestaltung verbundenen negativen sozialen Auswirkungen stellen Umstände dar, die der Arbeitgeber im Einzelfall bei dem Umfang des Bereitschaftsdienstes unter Fürsorgegesichtspunkten zu berücksichtigen hat.

Die von den Tarifvertragsparteien grundsätzlich als zulässig anerkannte Heranziehung der ständig im Wechselschichtdienst beschäftigten Krankenhausärzte zu Bereitschaftsdiensten (Nr. 8 Abs. 7 Unterabs. 6 der SR 2 c zum BAT) ist nicht auf die Leistung eines schlechthin unmöglichen oder unzumutbaren Arbeitspensums gerichtet. Die tarifrechtliche Regelung verstößt daher weder gegen den Grundsatz der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) noch gegen das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG).

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß mit dem Kläger einzelvertraglich kein Ausschluß der Leistung von Bereitschaftsdiensten vereinbart worden ist.

Zur Begründung seines Standpunktes hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, die Parteien hätten seine Freistellung vom Bereitschaftsdienst vereinbart. Sein Vortrag, in einigen Krankenhäusern sei Wechselschichtdienst eingeführt worden, um den Bereitschaftsdienst der betreffenden Ärzte abzulösen, sage im wesentlichen nur etwas über den Grund der Einführung aus. Daraus könne auch nicht die Absicht der Beklagten abgeleitet werden, zukünftig auf die Anordnung von Bereitschaftsdienst zu verzichten, obwohl dieser erforderlich werde. Darüber hinaus fehle es an einem Beweisangebot des Klägers.

1. Soweit die Revision hiergegen Verfahrensrügen erhoben hat, hat der Senat diese geprüft und teils für unzulässig, teils für unbegründet erachtet. Von einer Begründung der Entscheidung wird insoweit gemäß § 565 a ZPO abgesehen.

2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein einzelvertraglicher Ausschluß von Bereitschaftsdiensten sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Abgesehen davon, daß das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Klägers, durch die Einführung der Wechselschichtdienstarbeit sei konkludent der Ausschluß von Bereitschaftsdiensten vereinbart worden, zu Recht als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat, liegt auch keine Verkennung der Beweislast vor. Die Revision verkennt, daß der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien auf die entsprechenden tarifrechtlichen Regelungen Bezug nimmt, in denen die grundsätzliche Zulässigkeit von Bereitschaftsdiensten in den Fällen der hier vorliegenden Art anerkannt wird. Für eine günstigere, d.h. hiervon abweichende einzelvertragliche Regelung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

III. Der Streitfall erfordert keine Stellungnahme zu der Frage, in welchem Umfang die Beklagte berechtigt ist, den Kläger zu Bereitschaftsdiensten heranzuziehen.

Dem Kläger geht es nach seinem Klageantrag und seinem Sach- und Rechtsvortrag nicht um die Klärung, in welchem Umfang die Beklagte ihn innerhalb der tarifrechtlichen Höchstgrenzen zu Bereitschaftsdiensten heranziehen darf. Der Kläger hat in den Vorinstanzen erklärt, er wolle festgestellt wissen, daß er während einer Wechselschichtdienstperiode generell nicht verpflichtet sei, Bereitschaftsdienst zu leisten, also unabhängig davon, in welcher Länge Ruhepausen während des Bereitschaftsdienstes anfallen sollten (vgl. Sitzungsniederschrift vom 26. April 1982; LAG-Urteil S. 5). Zur Anzahl, Dauer und zeitlichen Lage seiner Bereitschaftsdienste hat er nur im Zusammenhang mit der Begründung seiner Auffassung, Bereitschaftsdienst sei schlechthin unzulässig, vorgetragen. Auf besondere persönliche Belastungen hat er sich nicht berufen. Soweit er für einzelne Monate die Anzahl der Bereitschaftsdienste genannt hat, ergibt sich, daß er nie mehr als zweimal, durchschnittlich aber nur einmal monatlich herangezogen worden ist. Die Beklagte hat niemals geäußert, sie beabsichtige eine verstärkte Heranziehung des Klägers. Auch der Kläger hat dies nicht behauptet. Soweit die Revision vorbringt, der Spruch der Einigungsstelle aus dem Jahre 1981 stelle lediglich eine vorläufige Regelung für die Dauer des vorliegenden Rechtsstreits dar, handelt es sich um unzulässigen neuen Sachvortrag (§ 561 Abs. 1 ZPO). Abgesehen davon ergibt sich auch hieraus nicht, daß die Beklagte gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gebracht habe, sie werde ihn in Zukunft verstärkt zum Bereitschaftsdienst heranziehen.

Bei dieser Sachlage würde es gegen § 308 ZPO verstoßen und zudem auf die Erstattung eines - vom Kläger gar nicht begehrten - Rechtsgutachtens hinauslaufen, wenn der Senat darüber entscheiden würde, welche Grenzen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst im vorliegenden Fall bestehen. Die Anordnung von Bereitschaftsdienst entsprechend dem Klagantrag zu untersagen, setzt voraus, daß Bereitschaftsdienst überhaupt unzulässig ist. Eine Untersagung unter bestimmten Voraussetzungen, mit bestimmten Modifikationen oder in bestimmtem Umfang hat der Kläger weder unmittelbar noch hilfsweise begehrt.

Es kann daher insbesondere dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die tarifkonforme Heranziehung des Klägers zu Bereitschaftsdiensten eine Fürsorgepflichtverletzung darstellen kann. Die bisherige Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst (ein- bis zweimal im Monat) stellt jedenfalls keine Fürsorgepflichtverletzung dar, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat. Für besondere Umstände (etwa eine besondere gesundheitliche oder familiäre Belastung, eine besonders belastende Ausgestaltung der Wechselschichtarbeit, eine ungünstige Verteilung der Arbeit während des Bereitschaftsdienstes oder ähnliches), die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, ist der Arbeitnehmer darlegungspflichtig. Solche Umstände hat der Kläger nicht dargelegt.

Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Dr. Seidensticker Roeper Dr. Becker

Gossen Seiler

 

Fundstellen

Haufe-Index 441203

AP § 15 BAT (LT1-3), Nr 6

RiA 1986, 8-8 (T)

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