Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechselschichtzulage. Bereitschaftszeiten. Unterbrechung der Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienst

 

Leitsatz (amtlich)

Werden in einer Organisationseinheit wechselnde Arbeitsschichten und zu bestimmten Zeiten ausschließlich Bereitschaftsdienste iSd. § 7 Abs. 3 TVöD geleistet, wird nicht “ununterbrochen” iSd. § 7 Abs. 1 TVöD gearbeitet. Eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD wird deshalb nicht ausgelöst.

 

Orientierungssatz

1. Ob Wechselschicht iSd. § 7 Abs. 1 TVöD vorliegt, beurteilt sich nach der jeweiligen Organisationseinheit, für die Schichtpläne bestehen.

2. Wechselschichtarbeit liegt nur vor, wenn an allen Tagen der Woche “rund um die Uhr” ununterbrochen gearbeitet wird.

3. Wird ein bestimmter Zeitraum im gesamten Arbeitsbereich ausschließlich durch Bereitschaftsdienst iSd. § 7 Abs. 3 TVöD abgedeckt, unterbricht dies die Arbeitsleistung und eine Wechselschichtzulage wird nicht ausgelöst.

 

Normenkette

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 7 Abs. 1; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 7 Abs. 3; Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) § 8 Abs. 5; TVöD – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) § 45 Abs. 1, §§ 46, 48 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 10.09.2007; Aktenzeichen 12 Sa 62/07)

ArbG Lüneburg (Urteil vom 28.11.2006; Aktenzeichen 4 Ca 370/06)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. September 2007 – 12 Sa 62/07 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD.

Der Kläger ist für die Beklagte seit dem 5. September 1986 als Krankenpfleger mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden tätig. Sein Grundgehalt beträgt 2.642,00 Euro brutto monatlich. Die Beklagte betreibt ein städtisches Klinikum, das aus mehreren Abteilungen besteht. Der Kläger arbeitet in der chirurgischen Ambulanz – interne/neurologische Aufnahme – im Schichtdienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in insgesamt neun verschiedenen Schichten vorsieht. Es besteht eine Nachtschicht von 16.48 Uhr bis 1.00 Uhr mit Vollarbeit und daran anschließend ein Bereitschaftsdienst von 1.00 Uhr bis 6.30 Uhr.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) auf Grund beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Die Beklagte zahlt dem Kläger eine monatliche Schichtzulage gem. § 8 Abs. 6 TVöD iHv. 40,00 Euro brutto.

Der Kläger begehrt die Zahlung der Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD für den Zeitraum von Oktober 2005 bis September 2006 iHv. jeweils 105,00 Euro monatlich, abzüglich der geleisteten 40,00 Euro brutto, somit iHv. 780,00 Euro brutto. Der Kläger ist in diesem Zeitraum zu mindestens zwei Nachtschichten pro Monat herangezogen worden.

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) lautet in seinem Allgemeinen Teil mit den hier maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:

“§ 7

Sonderformen der Arbeit

(1) Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

(3) Bereitschaftsdienst leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.

§ 8

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

(4) Das Entgelt für Bereitschaftsdienst wird landesbezirklich – für den Bund in einem Tarifvertrag auf Bundesebene – geregelt. Bis zum Inkrafttreten einer Regelung nach Satz 1 gelten die in dem jeweiligen Betrieb … am 30. September 2005 jeweils geltenden Bestimmungen fort.

(5) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde.

…”

§ 45 Abs. 1, § 46 sowie § 48 Abs. 2 TVöD – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) haben folgenden Wortlaut:

“§ 45

Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

(1) Bereitschaftsdienst leisten die Beschäftigten, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.

§ 46

Bereitschaftsdienstentgelt

(1) Zum Zwecke der Entgeltberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit wie folgt als Arbeitszeit gewertet:

Stufe

Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes

Bewertung als Arbeitszeit

I

bis zu 25 v. H.

60 v. H.

II

mehr als 25 bis 40 v. H.

75 v. H.

III

mehr als 40 bis 49 v. H.

90 v. H.

(2) Die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes erfolgt durch die Betriebsparteien …

(4) Das Entgelt für die nach den Absätzen 1 und 3 zum Zwecke der Entgeltberechnung als Arbeitszeit gewertete Bereitschaftsdienstzeit bestimmt sich nach der Anlage C.

(5) Die Beschäftigten erhalten zusätzlich zu dem Entgelt nach Absatz 4 für jede nach den Absätzen 1 und 3 als Arbeitszeit gewertete Stunde, die an einem Feiertag geleistet worden ist, einen Zeitzuschlag von 25 v. H. des Stundenentgelts ihrer jeweiligen Entgeltgruppe nach der Anlage C. Im Übrigen werden für die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit und für die Zeit der Rufbereitschaft Zeitzuschläge nach § 8 nicht gezahlt.

(8) Das Bereitschaftsdienstentgelt nach den Absätzen 1, 3, 4 und 5 kann im Falle der Faktorisierung nach § 10 Abs. 3 in Freizeit abgegolten werden. Dabei entspricht eine Stunde Bereitschaftsdienst

a)

nach Absatz 1

aa)

in der Stufe I

37 Minuten,

bb)

in der Stufe II

46 Minuten und

cc)

in der Stufe III

55 Minuten,

b)

nach Absatz 3

17,5 Minuten und

c)

bei Feiertagsarbeit nach Absatz 5 jeweils zuzüglich

15 Minuten.

§ 48

Wechselschichtarbeit

(2) Abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 ist Wechselschichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird.”

Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) bestimmte zur Wechselschichtarbeit in § 15 Abs. 8 Unterabs. 6:

“Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Angestellte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht (Nachtschichtfolge) herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, im streitgegenständlichen Zeitraum sei Wechselschichtarbeit in seiner Abteilung angefallen, da Bereitschaftsdienst Arbeitszeit sei und damit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter den Begriff der “ununterbrochenen Arbeit” im Sinne der tariflichen Definition der Wechselschichtarbeit falle. Die Wechselschichtzulage solle die sich aus der Arbeit in Wechselschicht und aus der Ableistung einer bestimmten Mindestzahl von Arbeitsstunden in der Nachtschicht ergebende Belastung vergüten und enthalte damit auch eine arbeitsschutzrechtliche Bedeutung. Da den Tarifvertragsparteien die Bewertung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes bekannt gewesen sei, seien sie gehalten gewesen, Bereitschaftszeiten ausdrücklich herauszunehmen, sofern sie nicht in den Begriff der Wechselschicht hätten einbezogen werden sollen.

Des Weiteren sei bei der Definition des Begriffs “Wechselschicht” nicht lediglich auf die Station abzustellen, in der der Arbeitnehmer tätig sei, sondern auf den gesamten Betrieb. Bezogen auf diesen Bereich werde im tariflichen Sinne “rund um die Uhr” gearbeitet, da im Klinikum in wechselnden Schichten über 24 Stunden eines Tages an sieben Tagen in der Woche Vollarbeit erbracht werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 780,00 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, es liege keine Wechselschicht iSv. § 8 Abs. 5 TVöD vor, da in der chirurgischen Ambulanz nicht ununterbrochen gearbeitet werde, denn in der betreffenden Organisationseinheit sei für alle Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst angeordnet worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch nach § 8 Abs. 5 TVöD auf Zahlung der Wechselschichtzulage für den streitgegenständlichen Zeitraum zusteht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass Wechselschichtarbeit iSv. § 7 Abs. 1 TVöD nicht vorliege, wenn im Schichtplan Zeiten reinen Bereitschaftsdienstes ausgewiesen seien. Bereits der Wortlaut in § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD spreche dafür, dass nur ununterbrochene Vollarbeit die Wechselschichtzulage auslöse. Es ergebe sich auch keine andere Auslegung auf der Grundlage der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993; nunmehr Richtlinie 2003/88/EG), da diese allein den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz betreffe. Aus dieser folge keine bestimmte Vergütungspflicht. Die Tarifvertragsparteien seien frei darin, im Einzelnen zu definieren, welche Erschwernisse sie mit einer Zulage ausgleichen wollen und welche nicht. Sie könnten bestimmen, dass besondere Belastungen zu einer höheren Vergütung führten. Da § 7 Abs. 1 TVöD auf “die Arbeit nach einem Schichtplan” abstelle, müsse derjenige, der einen Anspruch auf die Wechselschichtzulage geltend machen wolle, persönlich Arbeit nach einem solchen Schichtplan erbringen.

B. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 8 Abs. 5 TVöD.

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung.

2. Nach § 8 Abs. 5 TVöD erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage iHv. 105,00 Euro monatlich. Nach § 7 Abs. 1 TVöD ist Wechselschicht die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K verlangt für Krankenhäuser zudem noch eine zusätzliche Nachtschicht innerhalb des Referenzzeitraums.

3. Ein Anspruch besteht nicht, da in der chirurgischen Ambulanz, in der der Kläger tätig ist, nicht ununterbrochen bei Tag und Nacht in wechselnden Arbeitsschichten gearbeitet wird.

a) § 7 Abs. 1 TVöD stellt für die Frage, ob Wechselschichten vorliegen, darauf ab, ob im Arbeitsbereich des Angestellten ununterbrochen von Arbeitnehmern eine Arbeitsleistung erbracht wird. Die Vorschrift ist nahezu gleichlautend mit § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT bzw. § 67 Nr. 45 BMT-G II. Deshalb kann zur Auslegung dieser tariflichen Bestimmung die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).

bb) Aus dem Wortlaut von § 7 Abs. 1 TVöD ergibt sich, dass sich das Merkmal “ununterbrochen” nur auf den Arbeitsbereich des Angestellten bezieht. Es kommt nicht entscheidend darauf an, wie der Kläger meint, ob im gesamten Betrieb “rund um die Uhr” gearbeitet wird (vgl. BAG 27. April 2000 – 6 AZR 861/98 – AP BMT-G II § 14 Nr. 1; 5. Februar 1997 – 10 AZR 639/96 – AP BAT § 33a Nr. 14 = EzBAT BAT § 33a Nr. 15). Dies folgt daraus, dass § 7 Abs. 1 TVöD ausdrücklich auf die Arbeit nach einem Schichtplan verweist und damit das Vorliegen von Wechselschichtarbeit von der Organisationseinheit her definiert, in der der einzelne Arbeitnehmer tätig ist. Es wird vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer selbst in den entsprechenden Schichten eingesetzt werden muss. Für den Bereich der chirurgischen Ambulanz existiert ein eigener Schichtplan, nach welchem der Kläger eingesetzt wird und der damit für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 TVöD entscheidend ist. Sinn und Zweck der Regelung bestätigen das Auslegungsergebnis. Durch die Wechselschichtzulage soll die generelle Belastung durch die Schichtarbeit honoriert werden, die im Wesentlichen durch die unterschiedlichen, den Lebensrhythmus bestimmenden Wechselschichten zum Ausdruck kommt, ungeachtet einzelner konkreter Belastungsfaktoren (BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 207/98 – AP BAT § 33a Nr. 15 = EzBAT BAT § 33a Nr. 16; 5. Februar 1997 – 10 AZR 639/96 – AP BAT § 33a Nr. 14 = EzBAT BAT § 33a Nr. 15; 2. Oktober 1996 – 10 AZR 232/96 – AP BAT § 33a Nr. 12 = EzBAT BAT § 33a Nr. 14; 23. Juni 1993 – 10 AZR 127/92 – BAGE 73, 307). Diese Belastungen werden definiert durch den Schichtplan der Abteilung, in der der Arbeitnehmer tätig ist. Voraussetzung ist somit, dass zum einen im Arbeitsbereich des Arbeitnehmers Wechselschichtdienst iSd. § 7 Abs. 1 TVöD eingerichtet ist und zum anderen der Arbeitnehmer tatsächlich Wechselschichtarbeit leistet.

b) In der chirurgischen Ambulanz wird nicht ununterbrochen in wechselnden Arbeitsschichten gearbeitet.

aa) Wechselschichten liegen vor, wenn in dem Arbeitsbereich “rund um die Uhr” an allen Kalendertagen gearbeitet wird (BAG 22. Februar 2001 – 6 AZR 603/99 – ZTR 2002, 332; 27. April 2000 – 6 AZR 861/98 – AP BMT-G II § 14 Nr. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Juli 2008 § 7 Rn. 4; Dassau/Wiesend-Rothbrust TVöD 5. Aufl. § 7 Rn. 4; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand September 2008 § 7 Rn. 5). In dem Arbeitsbereich muss ununterbrochen 24 Stunden an allen Arbeitstagen gearbeitet werden. So liegt Wechselschichtarbeit nicht vor, wenn in aller Regel an Sonn- und Feiertagen keine Schichtarbeit anfällt (vgl. BAG 3. Dezember 1986 – 4 AZR 21/86 – ZTR 1987, 95). Des Weiteren ist keine Wechselschichtarbeit gegeben, wenn die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringer Form, unterbrochen wird (vgl. BAG 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – BAGE 59, 73). Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Definition in § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD den Begriff der Wechselschicht abschließend und eindeutig formuliert. Danach steht jede Unterbrechung der täglichen Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, der Annahme von Wechselschichtarbeit entgegen.

bb) Es kommt nicht darauf an, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird. Weiterhin ist auch nicht erforderlich, dass in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD § 7 Rn. 5).

cc) Ist zu bestimmten Zeiten in der Organisationseinheit nur ein Bereitschaftsdienst oder eine völlige Arbeitsruhe angeordnet, kann keine Wechselschichtzulage anfallen.

(1) In seiner Entscheidung vom 5. Februar 1997 (– 10 AZR 639/96 – AP BAT § 33a Nr. 14 = EzBAT BAT § 33a Nr. 15) hat der Senat zu der fast wortgleichen Vorschrift § 15 Abs. 8 Unterabs. 6 BAT ausgesprochen, dass es an einer ununterbrochenen Arbeitsleistung im Betrieb oder Arbeitsbereich des Angestellten fehle, wenn zu bestimmten Zeiten im Betrieb oder Arbeitsbereich überhaupt keine Arbeitsleistung durch Arbeitnehmer erbracht werde. Werde in einem bestimmten Arbeitsbereich für alle Mitarbeiter nur Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst angeordnet, liege keine Wechselschicht vor, da es dann einen Zeitraum gebe, in dem im Arbeitsbereich überhaupt nicht gearbeitet werde und somit eine Unterbrechung der wechselnden Arbeitsschichten gegeben sei. Hieran ist bezüglich des Bereitschaftsdienstes auch für den TVöD festzuhalten.

(2) Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD sind wechselnde Arbeitsschichten erforderlich, in denen ununterbrochen bei Tag und bei Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Bereitschaftsdienst leisten hingegen nach § 7 Abs. 3 TVöD und § 45 Abs. 1 TVöD-BT-K Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Der Bereitschaftsdienst ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden. Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Es ist eine Prognose notwendig für den Bereich, für den Bereitschaftsdienst eingerichtet werden soll (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD § 45 BT-K Rn. 4). Für Bereiche, in denen mit einer Beanspruchung während der Bereitschaftsdienste von durchschnittlich 50 v. H. und mehr der Gesamtzeit zu rechnen ist, ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst nicht zulässig. Damit unterscheidet sich dieser Dienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die von dem Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt (BAG 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – BAGE 109, 254; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD § 7 Rn. 29), aber auch von den Bereitschaftszeiten, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen (BAG 24. September 2008 – 10 AZR 669/07 –).

Der Bereitschaftsdienst wird gemäß § 8 Abs. 4 TVöD gesondert vergütet und zwar zusätzlich zur regulären Vergütung. Bereitschaftszeiten hingegen werden in bestimmter Weise auf die Arbeitszeit angerechnet oder stellen sogar die regelmäßige Arbeitszeit dar, wie beispielsweise im Falle von Feuerwehrleuten oder Rettungssanitätern (vgl. BAG 24. September 2008 – 10 AZR 669/07 –), und werden mit der regelmäßigen Vergütung entgolten. Auch wenn nach dem äußeren Bild Bereitschaftsdienst und Bereitschaftszeiten häufig vergleichbar scheinen, zumal der Anteil der Vollarbeit in beiden Fällen weniger als die Hälfte betragen muss, bestehen neben der unterschiedlichen Bezahlung weitere Unterschiede. Arbeitnehmer, die Bereitschaftszeiten leisten, sind in stärkerem Maße an den Aufenthaltsort gebunden als Arbeitnehmer, die im Bereitschaftsdienst sind. Erstere müssen jederzeit die Arbeit – auch aus eigener Initiative – aufnehmen, während Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst durchaus ruhen oder schlafen können und erst auf die Aufforderung des Arbeitgebers, die Arbeit aufzunehmen, tätig werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben diese Unterschiede in der Intensität der Beanspruchung als unterschiedlich belastend angesehen und daher unterschiedlich ausgeglichen. In § 46 Abs. 5 Satz 2 TVöD-BT-K ist auch geregelt, dass abgesehen von den dort ausdrücklich genannten Vergütungen Zeitzuschläge nach § 8 TVöD nicht gezahlt werden.

Sieht ein Schichtplan wie im vorliegenden Fall vor, dass ein regelmäßiger Wechsel der täglichen Arbeitszeit in insgesamt neun verschiedenen Schichten stattfindet und sich von 1.00 Uhr bis 6.30 Uhr ein Bereitschaftsdienst anschließt, legt dieser Schichtplan die regelmäßige Arbeitszeit des Angestellten mit einem im Voraus feststehenden Unterbrechungszeitraum fest. Dieser Unterbrechungszeitraum liegt außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – BAGE 106, 252). Hätten die Tarifvertragsparteien den Bereitschaftsdienst bei der ununterbrochenen Arbeit berücksichtigen wollen, hätten sie dies im Tarifvertrag klargestellt. Die nahezu wortgleiche Übernahme der Vorgängerregelung des § 7 Abs. 1 TVöD spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien ihrer Regelung keinen anderen Erklärungswert geben wollten.

(3) Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus der Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit nicht, dass auch der Bereitschaftsdienst im Sinne einer europarechtskonformen Auslegung unter den Begriff der “ununterbrochenen Arbeit” iSv. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD fällt.

Zwar war nach dem Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes bis zum 31. Dezember 2003 Bereitschaftsdienst gemäß § 5 Abs. 3 ArbZG keine Arbeitszeit, sondern galt als Ruhezeit (vgl. auch BAG 30. Januar 1996 – 3 AZR 1030/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: DRK Nr. 5 = EzA TVG § 4 Rotes Kreuz Nr. 2). Die Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes war hingegen Arbeitszeit in diesem Sinne. Mit Wirkung ab 1. Januar 2004 ist die Neufassung des Arbeitszeitgesetzes in Kraft getreten, wonach Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn gilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass im Gegensatz zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Februar 1997 (– 10 AZR 639/96 – AP BAT § 33a Nr. 14 = EzBAT BAT § 33a Nr. 15) nunmehr der Bereitschaftsdienst unter den Begriff der “ununterbrochenen Arbeit” fällt.

Die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EG Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18), geändert durch Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. EG Nr. L 195 vom 1. August 2000 S. 41), nunmehr Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EG Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9), nachfolgend Arbeitszeitrichtlinie, gibt kein anderes Auslegungsergebnis vor. Danach stellt Bereitschaftsdienst Arbeitszeit dar. Nach Art. 2 Nr. 1 Arbeitszeitrichtlinie ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (3. Oktober 2000 – C-303/98 – [SIMAP] EuGHE I 2000, 7963) ist die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Anwesenheit eines Arbeitnehmers in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers verbunden mit der Pflicht, bei Bedarf die berufliche Tätigkeit auszuüben, in vollem Umfang Arbeitszeit iSd. Art. 2 Nr. 1 Arbeitszeitrichtlinie.

Die Arbeitszeitrichtlinie betrifft jedoch nur den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – BAGE 106, 252; 24. Oktober 2000 – 9 AZR 634/99 – AP BUrlG § 11 Nr. 50 = EzA BUrlG § 11 Nr. 48). Nach Art. 1 Abs. 2 hat sie zum Gegenstand die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, den Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen, die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus. Es handelt sich um Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer gesundheitsschädlichen Überbeanspruchung durch Arbeit. Zur Frage der Vergütung von Arbeitszeit enthält die Richtlinie dagegen keine Bestimmungen.

Auch das Arbeitszeitgesetz hat wie die Arbeitszeitrichtlinie den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz zum Gegenstand. Nach § 1 ArbZG besteht der Gesetzeszweck darin, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.

Demgegenüber bestimmen § 8 Abs. 5 und § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Wechselschichtzulage zu zahlen ist. Damit ist die Vergütung betroffen. Ob eine bestimmte Zeit als Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitrichtlinie oder des Arbeitszeitgesetzes zu behandeln ist, sagt nichts darüber aus, in welcher Weise sie zu vergüten ist (vgl. BAG 12. März 2008 – 4 AZR 616/06 –).

Die Tarifvertragsparteien dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen oder eine unterschiedliche Vergütung vorsehen (BAG 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – BAGE 109, 254).

(4) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Wechselschichtzulage eine Erschwerniszulage ist. Zwar kann eine Erschwernis auch darin liegen, dass der Angestellte innerhalb einer Schicht Bereitschaftsdienst leistet. Ein regelmäßiger Wechsel der täglichen Arbeitszeit, der erheblich auf den Lebensrhythmus einwirkt und dadurch zu Erschwerungen führt, liegt auch in diesem Fall vor (vgl. dazu BAG 5. Februar 1997 – 10 AZR 639/96 – AP BAT § 33a Nr. 14 = EzBAT BAT § 33a Nr. 15). Es ist daher keine Voraussetzung, dass der Angestellte selbst “rund um die Uhr” im Sinne von Vollarbeit tätig ist, wenn in der Organisationseinheit ununterbrochen gearbeitet wird. Wenn es aber einen Zeitraum gibt, in dem im Arbeitsbereich ausschließlich Bereitschaftsdienst angeordnet ist, sind die wechselnden Arbeitsschichten unterbrochen.

Den Tarifvertragsparteien steht es frei, zu bestimmen, welche Erschwernisse sie in welcher Weise ausgleichen wollen. Sie haben sich dafür entschieden, dass Schichtarbeit eine Zulage gemäß § 8 Abs. 6 TVöD auslöst und die Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD davon abhängig ist, dass ununterbrochen in dem jeweiligen Arbeitsbereich gearbeitet wird.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Thiel, Zielke

 

Fundstellen

Haufe-Index 2083591

BAGE 2010, 42

BB 2008, 2794

DB 2009, 184

EBE/BAG 2009

FA 2009, 12

FA 2009, 93

NZA 2009, 272

NZA 2009, 64

ZTR 2009, 74

EzA-SD 2008, 12

MDR 2009, 150

PersV 2009, 237

RiA 2009, 209

AUR 2009, 59

PflR 2009, 12

FSt 2010, 240

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