Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von “Ministerialzulage” auf Ausgleichszahlung. Anrechnung von “Ministerialzulage” auf Ausgleichszulage. Tarifrecht öffentlicher Dienst. Tarifauslegung

 

Orientierungssatz

Auf eine Ausgleichszulage nach § 6 Abs. 1 UmzugsTV ist eine Zulage gemäß § 2 Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte bei obersten Bundesbehörden (“Ministerialzulage”) anzurechnen.

 

Normenkette

Tarifvertrag vom 24. Juli 1996 über Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juli 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (UmzugsTV) § 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 21.05.2002; Aktenzeichen 11 Sa 479/02)

ArbG Berlin (Urteil vom 15.01.2002; Aktenzeichen 86 Ca 25035/01)

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Ausgleichszulage.

Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin als chemisch-biologische Assistentin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der BAT und die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin war unter Eingruppierung in Vergütungsgruppe Vb der Anlage 1a zum BAT beschäftigt.

Im Zuge der Verlegung des BfArM nach Bonn wurde die in Berlin wohnhafte Klägerin zum 1. März 2001 zum Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit Dienstort Berlin versetzt. Da eine ihrer Eingruppierung entsprechende Tätigkeit nicht zur Verfügung stand, wurde ihr dort mit ihrem Einverständnis eine solche der Vergütungsgruppe VIb BAT übertragen. Seit Beginn ihrer Tätigkeit im Ministerium erhält sie eine Zulage gemäß § 2 Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte bei obersten Bundesbehörden (Ministerialzulage) in Höhe von 54,57 Euro monatlich. Diese Zulage wurde auf den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Ausgleichszulage nach § 6 Abs. 1 Tarifvertrag vom 24. Juli 1996 über Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juli 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (UmzugsTV) angerechnet. In der Tarifvorschrift heißt es:

“Verringert sich … die Vergütung des Angestellten, wird eine Ausgleichszulage in Höhe des jeweiligen Unterschiedsbetrages zwischen seiner Vergütung und der Vergütung gewährt, die ihm bei der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit zugestanden hätte. Zur Vergütung in diesem Sinne gehören

  • Grundvergütung,
  • Ortszuschlag,
  • Zulagen,

    • nach Fußnoten und Protokollnotizen in der Anlage 1a zum BAT, sofern sie drei Jahre ununterbrochen zugestanden haben
    • nach den Tarifverträgen über Zulagen an Angestellte

      • vom 17. Mai 1992
      • bei obersten Bundesbehörden oder bei obersten Landesbehörden vom 4. November 1971

Zulagen nach §§ 33 und 33a BAT/BAT-O und Zeitzuschläge und Überstundenvergütungen nach § 35 BAT/BAT-O bleiben unberücksichtigt.”

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Ministerialzulage müsse bei der Berechnung der Höhe der Ausgleichszulage unberücksichtigt bleiben. Diese Zulage werde nicht in § 6 Abs. 1 UmzugsTV als anzurechnender Vergütungsbestandteil aufgeführt. Die Beklagte sei verpflichtet, den einbehaltenen Anteil der Ausgleichszulage für die Monate März bis Dezember 2001 in unstreitiger Höhe von 545,66 Euro zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt

die Beklagte zur Zahlung von 545,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG auf jeweils 54,57 Euro seit dem 15. eines jeden Monats, beginnend mit dem 15. März 2001, zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen. Der Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Ausgleichszulage. Die ihr seit dem 1. März 2001 zustehende tarifliche Ministerialzulage ist auf die Ausgleichszulage nach § 6 Abs. 1 UmzugsTV anzurechnen.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Wortlaut des § 6 Abs. 1 UmzugsTV, von dem bei der Tarifauslegung grundsätzlich auszugehen ist (st. Rspr. des Senats, vgl. 28. Mai 1998 – 6 AZR 349/96 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2a der Gründe; 26. April 2001 – 6 AZR 2/00 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 37, zu 1a der Gründe; 29. August 2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24, zu 1b der Gründe), lässt eine Anrechnung der Ministerialzulage auf die Ausgleichszulage zu.

Die Tarifbestimmung fordert einen Vergleich von zwei Vergütungen. Es ist die aktuelle Vergütung auf dem neuen Dienstposten/Arbeitsplatz mit der Vergütung zu vergleichen, die dem Angestellten “bei der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit zugestanden hätte”. Die Klägerin erhielt bisher Vergütung im BfArM nach Vergütungsgruppe Vb der Anlage 1a zum BAT und bezog keine Ministerialzulage. Demgegenüber erhält sie auf dem neuen Dienstposten/Arbeitsplatz Vergütung nach Vergütungsgruppe VIb der Anlage 1a zum BAT, einschließlich der Ministerialzulage. Zwar mag es zutreffend sein, dass mit der Verwendung des Wortes “dieser” im Tarifwortlaut ein Bezug zu dem räumlich oder zeitlich näheren bzw. im Text zuletzt genannten Begriff beabsichtigt wird. Jedoch ist – worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat und der von der Klägerin selbst erwähnte Gegenbegriff “jener” verdeutlicht – der Wortlaut nur dann so eindeutig, dass jede andere Auslegung ausscheidet, wenn in der jeweils angezogenen Passage dieses verbale Gegensatzpaar insgesamt Verwendung findet (Duden, Die Grammatik 4. Aufl. 1984 S. 306; Wahrig/Wahrig-Burfeind Deutsches Wörterbuch 7. Aufl. 1999 S. 351 Stichwort: “dieses”). Vorliegend ist dies nicht der Fall.

2. Auch der Gesamtzusammenhang der Tarifbestimmung sowie deren Sinn und Zweck bestätigen dieses Auslegungsergebnis.

Der weitere Regelungsgehalt des § 6 Abs. 1 UmzugsTV spricht gegen die Auslegung der Tarifbestimmung in der von der Klägerin erwünschten Weise. Die in § 6 Abs. 1 Satz 2 (erster Spiegelstrich) enthaltene Zulagenregelung wäre gegenstandslos, träfe ihre Rechtsauffassung zu, nach der sich auch die anzurechnenden Vergütungsbestandteile der aktuellen Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 richteten. Nach dieser Tarifvorschrift zählen zu den berücksichtigungsfähigen Zulagen ua. solche, die einem Angestellten nach Fußnoten und Protokollnotizen in der Anlage 1a zum BAT mindestens drei Jahre ununterbrochen zugestanden haben. Bezogen auf die aktuelle Tätigkeit bestünde für diese Zulagen entweder kein Anwendungsbereich oder sie wären mangels Zeitablauf nur in den ersten drei Jahren zu berücksichtigen, nach Ablauf dieses Zeitraums nicht mehr. Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien in § 6 Abs. 1 UmzugsTV einen Positivkatalog an berücksichtigungsfähigen Vergütungsbestandteilen benannt, die auf Seiten der bisherigen Beschäftigung in die Berechnung der Ausgleichszulage einfließen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die in diesem Katalog nicht aufgeführten Vergütungsbestandteile die auszugleichende Vergütungsdifferenz zwischen der bisherigen und der aktuellen Vergütung mindern sollen.

Das von der Klägerin erstrebte Auslegungsergebnis steht auch im Widerspruch zu dem aus der Präambel und den anderen Bestimmungen des UmzugsTV folgenden Regelungszweck der Ausgleichszulage. Wie das Verfahren bei der Arbeitsplatzsicherung in § 5 UmzugsTV sowie die weiteren flankierenden Maßnahmen der Beschäftigungssicherung zeigen, stellt der UmzugsTV einen Ausgleich dar zwischen der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung einerseits sowie dem sozialen Bestandsschutz der Arbeitnehmer andererseits. Nach der Präambel des UmzugsTV zielen die Regelungen dieses Tarifvertrags darauf ab, den Umzug “sozialverträglich auszugestalten”. Daraus wird erkennbar, dass mit dem UmzugsTV lediglich eine sozialverträgliche Umsetzung angestrebt wird, die nicht den Ausgleich eines jeglichen Nachteils fordert. Diesen Anforderungen genügen auch Regelungen, die im Verhältnis zu den bisherigen Entgeltbedingungen ein annähernd gleiches Vergütungsniveau gewährleisten. Dieses Ziel wird durch die Anrechnung der Ministerialzulage auf die Ausgleichszulage nicht in Frage gestellt. Die Klägerin wäre – worauf bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat – bei Zugrundelegung ihrer Auffassung, durch die Versetzung in die neue Dienststelle finanziell besser gestellt, als hätte sie ihre Tätigkeit in der bisherigen Dienststelle fortgeführt.

3. Nichts anderes ergibt sich bei einer Einbeziehung der Stellung des § 6 Abs. 1 UmzugsTV in das Gesamtsystem der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, die als Einheit verstanden werden müssen. Entgegen der Auffassung der Klägerin regelt § 26 BAT keinen für alle Tarifregelungen im öffentlichen Dienst geltenden, einheitlichen Vergütungsbegriff, sondern Bestandteile der Vergütung. Soweit der BAT auf die in § 26 BAT geregelten Vergütungsbestandteile Bezug nimmt, wird dies regelmäßig durch einen entsprechenden Klammerzusatz zum Ausdruck gebracht (vgl. § 33 BAT). Von dieser Regelungstechnik haben die Tarifvertragsparteien des UmzugsTV gerade keinen Gebrauch gemacht und damit die Eigenständigkeit des Vergütungsbegriffs in § 6 Abs. 1 UmzugsTV verdeutlicht.

 

Unterschriften

Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler Reimann, Matiaske

 

Fundstellen

ZTR 2004, 199

AP, 0

PersR 2004, 445

Tarif aktuell 2004, 12

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