Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Heimerzieherin

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung einer Erzieherin mit einer Zusatzausbildung im Fernstudium

 

Normenkette

BAT-O § 11 S. 2

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 25.02.1994; Aktenzeichen 3 Sa 195/93)

ArbG Dresden (Urteil vom 11.05.1993; Aktenzeichen 4 Ca 650/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz (nunmehr Sächsisches Landesarbeitsgericht) vom 25. Februar 1994 – 3 Sa 195/93 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 11. Mai 1993 – 4 Ca 650/93 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

3. Die Anschlußberufung der Klägerin wird insgesamt zurückgewiesen.

4. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin ab 1. Januar 1993.

Die am 5. Juni 1956 geborene Klägerin hat am Institut für Lehrerbildung R den Fachschulabschluß mit der Befähigung zur Arbeit als Heimerzieherin sowie der Lehrbefähigung für die Fächer Kunst- und Musikerziehung der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule am 3. Juli 1976 erworben.

Nach einem zweijährigen berufsbegleitenden Fernstudium in der Fachrichtung „Pädagogik der intellektuell Geschädigten” erwarb die Klägerin am 31. Juli 1987 einen Hochschulabschluß der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Berufsbezeichnung „Erzieher für intellektuell Geschädigte”.

Ab dem 1. August 1976 war die Klägerin als Erzieherin und Lehrerin an allgemeinbildenden Schulen tätig. Seit dem 1. September 1987 war sie an der Sonderschule für Körperbehinderte in Dresden als Lehrerin tätig, seit dem 1. Januar 1993 als ständige Vertreterin des Schuldirektors. Nach einer Abordnung wurde die Klägerin auf ihren Antrag ab 1. August 1995 an die Schule für Geistig-Behinderte III versetzt und ist dort als stellvertretende Schulleiterin tätig. Nach den Personalunterlagen erhält sie seit 1. Juli 1995 Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O.

Mit Änderungsvertrag vom 12. September 1991 wurde eine Eingruppierung der Klägerin in die VergGr. IV b BAT-O festgestellt. In einer „1. Änderung zum Änderungsvertrag” vom 4. Februar 1992 wurde eine Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O ab 1. Juli 1991 festgelegt. Eine „2. Änderung zum Änderungsvertrag” vom 30. Juni 1992 sah zum 1. August 1992 eine Eingruppierung in die VergGr. IV b BAT-O vor. In einer Anlage zum Änderungsvertrag vom 30. Juni 1992, unterzeichnet am 21. Dezember 1992, heißt es unter Ziffer 1:

„Die bisherige Vergütungsgruppe IV b nach § 3 wird durch die Vergütungsgruppe V b ersetzt.”

Die vorgenannten Änderungsverträge haben, soweit es hier interessiert, folgenden Wortlaut:

㤠2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifrechtliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

§ 3

Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.”

Die Klägerin hat mit ihrer am 26. Januar 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, ihr stehe Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O ab 1. Januar 1993 zu. Sie habe als Erzieherin mit Lehrbefähigung eine Doppelqualifikation erlangt. Sie sei daher wie eine Unterstufenlehrerin zu behandeln, da deren Ausbildung weitgehend identisch mit ihrer gewesen sei. Außerdem arbeite sie seit 1987 ausschließlich als Lehrerin und müsse daher genauso wie eine solche behandelt werden. Sie gehe davon aus, daß sie Lehrerin mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung sei. Sie verfüge mit ihrem Fernstudium auch über das erforderliche zweijährige wissenschaftliche Hochschulstudium.

Die von der Beklagten überreichte vergleichende Gegenüberstellung der Ausbildungspläne Lehrer unterer Klassen und Heimerzieher sei nicht maßgeblich, da sie nicht in den 80er Jahren studiert habe. Richtig sei, daß die Methodikstundenzahl der Heimerzieher für zwei Fächer und Heimatkunde sowie der Lehrer für untere Klassen für drei Fächer und Heimatkunde annähernd übereinstimmten. Ab ca. 1980 sei die Erzieherausbildung nicht mehr mit zwei Fächern durchgeführt worden. Auch während des Zusatzstudiums sei Deutsch- und Mathematikunterricht gelehrt worden, jedoch ohne Methodikprüfung. Im Rahmen des Zusatzstudiums sei Hauptbestandteil die Methodik für Lernbehinderte gewesen. Zumindest sei sie aber nach VergGr. IV b BAT-O zu vergüten, da sie unter Zugrundelegung der TdL-Richtlinien die Voraussetzungen der Fallgruppe 4 erfülle.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der beklagte Freistaat verpflichtet ist, sie ab 1. Januar 1993 gem. VergGr. IV a BAT-O, hilfsweise IV b BAT-O zu vergüten.

Der beklagte Freistaat hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, es lägen weder die Voraussetzungen für eine Eingruppierung nach VergGr. IV a BAT-O noch nach VergGr. IV b BAT-O vor. Die Klägerin verfüge nicht, wie in VergGr. IV a BAT-O zuvor Fallgruppe 5, nunmehr Fallgruppe 6 der TdL-Richtlinien vorausgesetzt, über einen Abschluß als Lehrer für untere Klassen sowie über einen wissenschaftlichen Hochschulabschluß von mindestens zwei Studienjahren. Bei letzterem handele es sich um ein zweijähriges Direktstudium oder um ein vierjähriges Fernstudium, wie sich aus einer Verwaltungsanweisung des Sächsischen Staatsministeriums für Finanzen vom 3. September 1992 ergebe. Dies folge auch aus der Protokollnotiz Nr. 1 zur Anlage 1 a zum BAT. Die Inhalte der Ausbildung für Unterstufenlehrer und für Heimerzieher seien ausweislich der eingereichten Gegenüberstellung der Stundenpläne nicht identisch gewesen. Die Gliederungsnummer E. I. der TdL-Richtlinien in der ab 1. August 1993 gültigen Fassung verlangten bei einem Fernstudium die doppelte Zeit.

Das Arbeitsgericht hat dem Hilfsantrag der Klägerin, festzustellen, daß die Rückstufung in die VergGr. V b BAT-O unwirksam ist, stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten sowie auf die Anschlußberufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden abgeändert und festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 1. Januar 1993 nach der VergGr. IV b BAT-O zu vergüten und im übrigen die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision erstrebt der beklagte Freistaat weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision unter Beschränkung ihres Anspruchs auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O bis zum 1. Juli 1995.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b BAT-O in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 1. Juli 1995.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungklage, bei der nach ständiger Rechtsprechung des Senats das nach § 256 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung zu bejahen ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Das gilt auch dann, wenn schon mit der Leistungsklage die Entgeltansprüche verfolgt werden könnten, da das Eingruppierungsfeststellungsurteil einer weitergehenden Rechtskraft fähig ist.

II. Die Revision ist auch begründet.

1. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin nicht tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden daher kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung Anwendung. Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits zunächst auf die folgenden Bestimmungen an:

a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991

3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die …

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …

b) In den auf § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 gestützten Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1 a BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 (TdL-Richtlinien), in der Fassung vom 16. Juli 1991, gültig ab 1. Juli 1991, heißt es:

E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis:

I. Eingruppierung

Die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis sind nach den nachstehenden Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren. Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen auf Lehrbefähigungen abgestellt wird, entscheiden die Länder darüber, ob eine in der ehemaligen DDR erworbene Lehrbefähigung als solche im Sinne dieses Abschnitts anerkannt werden kann.

In der Fassung der von der 7./13. Mitgliederversammlung der TdL am 16. Juli 1993 beschlossenen Änderung, gültig ab 1. August 1993, wurde an den letzten Satz folgender angefügt:

Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen Mindestzeiten eines Studiums oder einer Zusatzausbildung gefordert sind, beziehen sich diese auf die Zeit eines Direktstudiums bzw. einer Ausbildung in Vollzeit; bei einem Fernstudium bzw. bei einer berufsbegleitenden Ausbildung ist die doppelte Zeit anzusetzen.

a) Allgemeinbildende Schulen

Vergütungsgruppe V b

1. Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen.

Vergütungsgruppe IV b

3. Lehrer „mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen”, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen.

4. Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung und mit einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung

in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen.

Vergütungsgruppe IV a

6. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen. 4)

4) Hierunter fallen auch Lehrer, die nach Abschluß des dritten Studienjahres der Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen ein weiterführendes zweijähriges Direktstudium an der Pädagogischen Hochschule „Erich Weinert”, Magdeburg, erfolgreich abgeschlossen haben und Unterricht an einer Sonderschule erteilen.

2.a) Das Landesarbeitsgericht hat mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt, daß die Klägerin nicht tarifgebunden ist. Die Parteien haben in § 3 des Arbeitsvertrages vereinbart, daß sich die Vergütungen nach den Regelungen der Richtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in deren jeweiliger Fassung richtet. Die Klägerin ist als Lehrkraft tätig und wird daher gemäß § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages zum BAT-O von dessen Anlage 1 a nicht erfaßt. Damit sind für die Eingruppierung der Klägerin allein die TdL-Richtlinien maßgebend. Außer Betracht bleibt dagegen die in § 11 Satz 2 BAT-O in Bezug genommene Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345).

b) Unter Zugrundelegung der TdL-Richtlinien ist ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O seit dem 1. Januar 1993 nicht gegeben.

Nach Abschnitt E. I. S. 1 der TdL-Richtlinie vom 24. Juni 1991 in der Fassung vom 16. Juli 1993 sind die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis nach den „nachstehenden Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren”. Unter die in Frage kommenden Fallgruppen der VergGr. IV b der TdL-Richtlinien fällt die Klägerin nicht.

aa) Die Fallgruppe 3

„Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen”

ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht erfüllt, denn die Klägerin hat gerade keine Ausbildung als Lehrerin erhalten, sondern die einer Heimerzieherin. Der Senat hat für eine „Erzieherin in Heimen und Horten” in der Tätigkeit einer Unterstufenlehrerin bereits dargelegt, daß diese keine Lehrerin im Sinne der 2. Besoldungs-Übergangsverordnung (2. BesÜV) ist (BAG Urteil vom 26. April 1995 – 4 AZR 97/95 – AP Nr. 7 zu § 11 BAT-O). Er hat hierzu folgendes ausgeführt:

„Das Recht der damaligen DDR unterschied zwischen Lehrern, Erziehern in Heimen und Horten und Pionierleitern (Verordnung über die Neuregelung der Ausbildung der Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen, der Pionierleiter, der Kindergärtnerinnen und Erzieher in Heimen und Horten vom 15. Mai 1953, GBl. DDR S. 728 f., §§ 1–4, 7, 9). Die Lehrer verfügen über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung. Die Erzieher in Heimen und Horten haben zwar auch eine Fachschulausbildung. Im Vordergrund stand aber nicht die pädagogische Ausbildung zum Lehrer. Im ersten und zweiten Ausbildungsjahr waren die Lehrpläne für die Ausbildung der Lehrer für die Unterstufe (Klassen 1–4), der Pionierleiter mit Lehrbefähigung für die Unterstufe und der Erzieher in Heimen und Horten mit Lehrbefähigung für die Unterstufe gleich. Die Differenzierung nach Lehrern für die Unterstufe, Pionierleitern und Erziehern in Heimen und Horten erfolgte im dritten und vierten Ausbildungsjahr (Schulpraktikum) (vgl. Wendt: Die Entwicklung der Lehrerausbildung in der Sowjetischen Besatzungszone seit 1945, Bonn 1957, S. 33). Die Ausbildung der Lehrer für die Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen schloß mit der staatlichen Abschlußprüfung ab, durch sie die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen erworben haben (§ 1 Abs. 4 VO vom 15. Mai 1953, a.a.O.). Die Ausbildung der Pionierleiter schloß mit der staatlichen Abschlußprüfung ab, durch die die Befähigung zur Arbeit als Pionierleiter und die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Unterstufe für die allgemeinbildenden Schulen erworben wurden (§ 7 Abs. 4 VO vom 15. Mai 1953, a.a.O.). Die Ausbildung der Erzieher in Heimen und Horten schloß mit der staatlichen Abschlußprüfung ab, durch die die Befähigung zur Arbeit als Erzieher in Heimen und Horten und die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Unterstufe der allgemeinbildenden Schule erworben wurde (§ 9 VO vom 15. Mai 1953, a.a.O.). Dies zeigt deutlich, daß – bei gleichlanger Ausbildung, nämlich vier Jahre – bei der Ausbildung der Erzieher in Heimen und Horten nicht die pädagogische Ausbildung zum Lehrer, sondern vorrangig die pädagogische Ausbildung zum Erzieher im Rahmen des allgemeinen pädagogischen Erziehungsziels, das auch für Heime und Horte galt, vermittelt wurde. Daß die Erzieher zumindest nach einigen Dienstjahren in Heimen und Horten entsprechend ihrer zugleich erworbenen Lehrbefähigung als Unterstufenlehrer eingesetzt wurden, ändert daran nichts”.

Hieran wird auch für die TdL-Richtlinien festgehalten. Für die Ausbildung der Klägerin zur Heimerzieherin ergibt sich entsprechendes. Daß sich die Ausbildungsinhalte zwischen den Lehrern unterer Klassen und der Heimerzieher unterschieden haben, ergibt sich aus dem eigenen Vortrag der Klägerin. So wurden die Lehrer unterer Klassen im Gegensatz zu den Heimerziehern in der Methodik des Deutschunterrichts 264 Stunden und in der Methodik des Mathematikunterrichts 201 Stunden unterrichtet, während andererseits die Heimerzieher in der Methodik der Kunsterziehung 524 Stunden statt 333 Stunden wie die angehenden Lehrer unterer Klassen und in der Methodik der Musik 539 Stunden unterrichtet wurden.

Die Richtlinien unterscheiden darüber hinaus zwischen „Angestellten in der Tätigkeit von Lehrern” (vgl. VergGr. V b Fallgruppe 1 und IV b Fallgruppe 4) einerseits und „Lehrern” andererseits. Die reine Lehrbefähigung in einem oder zwei Fächern, wie sie die Klägerin aufweist, reicht nach den TdL-Richtlinien nicht aus, um in die VergGr. IV b aufzurücken, da andernfalls eine Aufteilung in „Angestellte mit entsprechender Ausbildung in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen” einerseits und „Lehrern mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen die Unterricht an einer Sonderschule erteilen” andererseits unverständlich wäre. Die TdL-Richtlinien verwenden den Begriff des Lehrers in demselben Sinn wie die 2. BesÜV (BAG Urteile vom 26. April 1995 – 4 AZR 905/93 – AP Nr. 6 zu § 11 BAT-O und – 4 AZR 145/94 –, n.v.).

Es fehlt der Klägerin damit ein Abschluß als Lehrer für untere Klassen. Zu Recht weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Abschluß der Klägerin als Heimerzieherin mit Lehrbefähigung für die unteren Klassen gem. Art. 37 Abs. 1 EV im Beitrittsgebiet weiter gilt, er jedoch dadurch nicht aufgewertet oder in einen Abschluß als Lehrer für untere Klassen uminterpretiert werden kann.

bb) Die Klägerin fällt auch nicht unter die von ihr in Anspruch genommene Fallgruppe 4 der VergGr. IV b der TdL-Richtlinie, die folgende Arbeitnehmer erfaßt:

„Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, … und mit einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen.”

Denn die Klägerin verfügt nicht über eine mindestens zweijährige entsprechende Zusatzausbildung. Ihr zweijähriges Fernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1985 bis 1987 vermag dieses Tätigkeitsmerkmal nicht zu erfüllen. Denn soweit in den Tätigkeitsmerkmalen eine Zusatzausbildung gefordert ist, bezieht sich diese auf die Zeit eines Direktstudiums bzw. einer Ausbildung in Vollzeit; bei einem Fernstudium bzw. einer berufsbegleitenden Ausbildung ist die doppelte Zeit anzusetzen. Zwar erfaßt der Wortlaut „von mindestens zwei Studienjahren” sowohl ein Direkt- als auch ein Fernstudium. Der Richtliniengeber hat mit dieser Regelung eine qualitative Mindestanforderung festgelegt, mit der ein entsprechendes qualitatives Niveau der wissenschaftlichen Hochschulausbildung sichergestellt werden soll. Daraus folgt jedoch, daß ein Fernstudium nur dann einem Direktstudium gleichgesetzt werden kann, wenn es die gleichen qualitativen Anforderungen beinhaltet. Diese Differenzierung war auch schon während der früheren DDR-Zeit vorhanden. Nach der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Volksbildung und des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen zur Ausbildung von Pädagogen für Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 1. August 1984 (VuM Nr. 8/84 S. 117 ff.) wird durchweg zwischen Direkt- und Fernstudium unterschieden. Zwei Direktstudienjahre werden bei der Ausbildung von Diplomlehrern bzw. Diplomerziehern und Diplomvorschulerziehern verlangt (§ 3 Abs. 1 und 2 der Anweisung) sowie bei den Diplomlehrern, Diplomerziehern und Diplomvorschulerziehern in den in § 4 Abs. 1 genannten Fachrichtungen.

Ein vierjähriges Direktstudium wurde bei Diplomlehrern und Diplomerziehern an der Sektion Pädagogik und Psychologie der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock (§ 3 Abs. 1 c) verlangt. Dieses korrespondiert mit der VergGr. III Fallgruppe 3, unter E. I.a der TdL-Richtlinien, die für Sonderschullehrer als Sonderschulpädagoge im Unterricht an einer Sonderschule ebenfalls ein wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens vier Jahren verlangt.

Bei der Ausbildung von Lehrern und Erziehern in der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten (§ 3 Abs. 3 der Gemeinsamen Anweisung), wie sie die Klägerin absolviert hat, wird dagegen ein einjähriges Direktstudium oder ein zweijähriges Fernstudium verlangt. Ein zweijähriges Fernstudium ist auch bei der Ausbildung von Lehrern und Erziehern in anderen Fachrichtungen (§ 4 Abs. 2) als Voraussetzung genannt.

Aus dieser Systematik folgt, daß in den TdL-Richtlinien mit „einem wissenschaftlichen Hochschulstudium von zwei Studienjahren” nur ein Direktstudium gemeint sein kann. Würde nämlich ein zweijähriges Fernstudium ausreichen, könnten nur solche Erzieher in der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten die Voraussetzungen der VergGr. IV b, Fallgruppe 4 der TdL-Richtlinien erfüllen, die ein Fernstudium abgeleistet haben. Demgegenüber könnten die Erzieher der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten, die ein einjähriges Direktstudium nach § 3 Abs. 3 a der Gemeinsamen Anweisung vom 1. August 1984 abgeleistet haben, diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese Auslegung der TdL-Richtlinien würde damit nicht zu einem sachgerechten Ergebnis führen.

Für die Zeit ab 1. August 1993 hat dies der Richtliniengeber im übrigen durch die Ergänzung der Ziff. E. I. in der ab diesem Zeitpunkt gültigen Fassung auch ausdrücklich festgelegt.

Damit kann offenbleiben, ob der Abschluß der Klägerin als Erzieherin für intellektuell Geschädigte eine „sonderpädagogische Zusatzausbildung” im Sinne der TdL-Richtlinien darstellt.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Bott, Schneider, Hecker, Fieberg

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093048

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