Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendung für 10-jährige Unternehmenszugehörigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Jubiläumszuwendung für langjährige Unternehmenszugehörigkeit nach § 13 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Wohnungswirtschaft honoriert auch Zeiten der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu früheren volkseigenen Betrieben “Kommunale Wohnungsverwaltung” und zu den Gemeinden, die die kommunale Wohnungsverwaltung als Eigenbetriebe fortgeführt haben.

 

Normenkette

Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer in der Wohnungswirtschaft vom 22. Mai 1992 § 13; Einigungsvertrag Art. 22 Abs. 4; Kommunalverfassung DDR §§ 58-59; Umwandlungsgesetz § 58

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 09.08.1995; Aktenzeichen 2/9 Sa 1020/94)

ArbG Eisenach (Urteil vom 09.06.1994; Aktenzeichen 2 Ca 2387/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach § 13 des Manteltarifvertrags für die Angestellten und die gewerblichen Arbeitnehmer in der Wohnungswirtschaft in der Fassung von Januar 1992 (im folgenden: MTV).

Der Kläger war seit dem 1. September 1983 bei dem ehemaligen VEB “K… ” beschäftigt. Gemäß Art. 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages i.V.m. § 2 Abs. 1 Kommunalvermögensgesetz der DDR ist das zur Wohnungsversorgung genutzte Vermögen dieses ehemaligen VEB in das Eigentum der Stadt E… übergegangen. Dieses Vermögen war ein Unternehmen i.S. des § 58 Kommunalverfassung DDR.

Auf der Grundlage des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung der Stadt E… vom 27. Juni 1991 i.V.m. §§ 57 bis 59 Kommunalverfassung der DDR wurde das Unternehmen am 28. Juni 1991 unter Übertragung seines Vermögens gemäß § 58 Umwandlungsgesetz in eine neu errichtete GmbH umgewandelt.

Diese GmbH, die Beklagte, schloß in Vollziehung der Umwandlung mit den vormals beim VEB “K… ” beschäftigten Arbeitnehmern, die von der Stadt E… und danach von der Beklagten zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigt worden waren, am 1. Juli 1991 neue Arbeitsverträge, darunter auch mit dem Kläger.

Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis finden nach diesen Arbeitsverträgen die Bestimmungen des MTV für die Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen der Wohnungswirtschaft vom Januar 1992 bzw. der diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

§ 13 MTV in der Fassung vom Januar 1992 lautet wie folgt:

“§ 13

Jubiläumszuwendung

  • Beschäftigte, die dem Unternehmen 10 Jahre angehören, erhalten anläßlich des Jubiläums eine einmalige Jubiläumszuwendung in Höhe von mindestens 600,-- DM.
  • Beschäftigte, die dem Unternehmen 25 Jahre angehören, erhalten anläßlich des Jubiläums eine einmalige Jubiläumszuwendung in Höhe von mindestens 1.200,-- DM.
  • Beschäftigte, die dem Unternehmen 40 Jahre angehören, erhalten anläßlich des Jubiläums eine einmalige Jubiläumszuwendung in Höhe von mindestens 2.400,-- DM.
  • Beschäftigte, die dem Unternehmen 35 Jahre und länger angehören, aber noch nicht das 40jährige Jubiläum erreicht haben, und aus dem Unternehmen wegen Inanspruchnahme der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheiden, erhalten die Jubiläumszuwendung nach Abs. 3 anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Jubiläumszuwendung unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeit.
  • Die Beschäftigten in den neuen Ländern erhalten die Beträge gemäß Abs. 1-4, anteilig entsprechend der prozentualen Anpassung im VTV (1992 = 75 %), spätestens jedoch bis 31.12.1994 100 Prozent der Beträge unter Abs. 1-4.”

Der Kläger ist der Ansicht, er sei 10 Jahre beim selben Unternehmen beschäftigt und habe daher Anspruch auf die Jubiläumszuwendung. Da die Beklagte eine Zahlung abgelehnt hat, hat er im vorliegenden Verfahren beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 450,00 DM nebst 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 28. Oktober 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Sinn und Zweck der tariflichen Jubiläumszuwendung sei die Honorierung von Unternehmenstreue gegenüber dem Arbeitgeber. Da es sich bei der Jubiläumszuwendung um eine neue und eigene betriebliche Zusatzleistung handele, die es zuvor nicht gegeben habe, könnten frühere Beschäftigungszeiten nicht angerechnet werden. Mit dem Arbeitsvertrag vom 1. Juli 1991 sei ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden, so daß der Kläger dem Unternehmen noch keine zehn Jahre angehöre.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 13 Abs. 1 und 6 MTV einen Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung in Höhe von 450,00 DM hat. Nach § 13 Abs. 1 MTV erhalten Beschäftigte, die dem Unternehmen zehn Jahre angehören, eine einmalige Jubiläumszuwendung. Die Auslegung des zwischen den Parteien allein streitigen Tarifbegriffs “Unternehmen” ergibt, daß der Kläger im gesamten Zeitraum dem Unternehmen der Beklagten angehört hat.

1. Der MTV enthält keine Definition des Begriffs Unternehmen, sondern setzt ihn voraus. Sein Inhalt ist damit für das in Betracht kommende Rechtsgebiet nach dem Sinn und Zweck der Norm im jeweiligen Regelungszusammenhang zu ermitteln (ständige Rechtsprechung vgl. BAG Beschlüsse vom 5. Dezember 1975 – 1 ABR 8/74 – und vom 11. Dezember 1987 – 7 ABR 49/87 – BAGE 27, 359 = AP Nr. 1 und BAGE 57, 144 = AP Nr. 7 zu § 47 BetrVG 1972). Damit bestimmt sich der tarifliche Unternehmensbegriff allein nach dem Sinn und Zweck der Jubiläumszuwendung gemäß § 13 MTV. Leistungszweck der Jubiläumszuwendung ist es, die langjährige Zugehörigkeit des Beschäftigten zum Unternehmen und damit die Unternehmenstreue zu belohnen (vgl. dazu BAG Urteil vom 22. Mai 1996 – 10 AZR 618/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Ein Unternehmen ist nach allgemeiner Definition eine organisatorische Einheit, in der ein oder mehrere zusammengefaßte Betriebe einen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verfolgen (vgl. dazu BAG Urteil vom 30. Juni 1994 – 8 AZR 544/92 – AP Nr. 1 zu Art. 22 Einigungsvertrag). Damit wird für den Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung vorausgesetzt, daß die Einheit der Organisation während der Zeit der Beschäftigung des Klägers die gleiche geblieben sein muß. Diese Voraussetzung ist gegeben.

Nach den für die Revisionsinstanz gemäß § 561 Abs. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht das Unternehmen der Beklagten seit Beginn der Beschäftigung des Klägers im Jahre 1983 und auch nach der Umwandlung im Jahr 1991 als ein “Unternehmen der Wohnungswirtschaft” und damit als organisatorische Einheit fort. Der Kläger war zunächst seit dem 1. September 1983 bei dem ehemaligen VEB “K… “beschäftigt. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, daß es sich bei ehemaligen VEB um eine einheitliche Organisation im Tätigkeitsbereich der Wohnungsverwaltung handelt. Nach Art. 22 Abs. 4 Satz 1 und 3 Einigungsvertrag ist das Vermögen, das sich in Rechtsträgerschaft der volkseigenen Betriebe der Wohnungswirtschaft befand, mit Wirksamwerden des Beitritts in das Eigentum der Kommunen – hier auf die Stadt E… – kraft Gesetzes übergegangen. Von dieser Übertragung werden nicht nur der von volkseigenen Wohnungsbetrieben verwaltete Wohnraum, sondern sämtliche Betriebsmittel erfaßt (vgl. dazu BAG Urteil vom 13. Juli 1994 – 4 AZR 555/93 – AP Nr. 14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit). Damit blieb die Einheit der Organisation “K…” erhalten. Sie wurde gemäß § 59 der Kommunalverfassung DDR vom 17. Mai 1990 (GBl. I, 255 f.) als Unternehmen der Wohnungswirtschaft geführt. Nach § 59 Abs. 3 Kommunalverfassung DDR gelten für diese Unternehmen die Bestimmungen über die Eigenbetriebe (§ 58) entsprechend. Von dem Bestehen eines Eigenbetriebes ging auch die Stadt E… in dem Umwandlungsprotokoll aus. Dieser Eigenbetrieb ist als Unternehmen der Stadt E… gemäß § 58 Umwandlungsgesetz rechtswirksam in die Beklagte umgewandelt worden (vgl. dazu im einzelnen BAG Urteil vom 30. Juni 1994 – 8 AZR 544/92 – aaO, zu C II 1c aa (1) der Gründe). Damit war die Unternehmensidentität gewahrt. Diese tatsächliche und rechtliche Bewertung ist auch zwischen den Parteien unstreitig.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten verlangt § 13 MTV nicht, daß während der 10-jährigen Unternehmenszugehörigkeit auch der Rechtsträger des Unternehmens derselbe geblieben sein muß. § 13 MTV honoriert nicht die Treue zu einem bestimmten Arbeitgeber, sondern zu einem Unternehmen. Von daher sind auch die Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Kläger Arbeitnehmer des VEB “K…” und später der Stadt E… war.

a) Der Tarifbegriff Unternehmen verlangt zwar denknotwendig, daß ein Inhaber als Unternehmensträger vorhanden ist. Diese Zusammengehörigkeit von Organisation und Unternehmensträger bedeutet jedoch nicht, daß es für das Bestehen bzw. Fortbestehen der organisatorischen Einheit “Unternehmen” erforderlich ist, daß auch die Identität des Inhabers stets erhalten bleibt. Der Unternehmensinhaber kann vielmehr im Laufe der Zeit wechseln. Der Wechsel des Unternehmensinhabers als Arbeitgeber ist damit für die Identität und den Fortbestand des Unternehmens ohne rechtliche Bedeutung. Deshalb ist auch der Rechtsgrund für den Wechsel sowie die Rechtsform des Unternehmens beim Wechsel rechtlich unerheblich, solange nur die Einheit der Organisation mit ihren Geschäfts- und Tätigkeitszwecken und im wesentlichen identischer Belegschaft bestehen bleibt (vgl. dazu Kraft, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 4 Rz 29, m.w.N.; Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 1 Anm. 72, m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Landesarbeitsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Identität der Belegschaft gewahrt ist, weil die Beschäftigten und damit auch das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen sind. Durch den von Art. 22 Abs. 4 Satz 1 und 3 Einigungsvertrag bewirkten Übergang des Unternehmens VEB “K…” auf die Stadt E… ist diese als Gesamtrechtsnachfolgerin auch in die Rechtsverhältnisse der Beschäftigten eingetreten (vgl. BAG Urteil vom 13. Juli 1994 – 4 AZR 555/93 – aaO). Aufgrund der am 28. Juni 1991 gemäß § 58 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 2 Umwandlungsgesetz erfolgten Umwandlung sind diese Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten von der Stadt E… im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen (vgl. BAG Urteil vom 30. Juni 1994 – 8 AZR 544/92 – aaO). Damit ist auch die Identität der Belegschaft gewahrt. Der Kläger und die anderen Arbeitnehmer sind Arbeitnehmer der Beklagten geworden. Der Abschluß der neuen Arbeitsverträge ändert daran nichts.

3. Die Beklagte macht geltend, der Arbeitgeber, der eine Zuwendung für langjährige Betriebstreue verspricht, könne Zeiten der Zugehörigkeit zum Betrieb ausschließen, in denen er noch nicht selbst Inhaber des Betriebes war. Das ist zutreffend. Eine solche Regelung hat die Beklagte jedoch nicht getroffen. Der Anspruch des Klägers ergibt sich vielmehr aus § 13 MTV, dessen Anwendung die Beklagte in den Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern vereinbart hat. § 13 MTV schließt aber Zeiten der Unternehmenszugehörigkeit unter früheren Unternehmensträgern, auch wenn sie vor dem Beitritt gelegen haben, nicht aus. Das folgt eindeutig aus § 13 Abs. 6 MTV, wonach Arbeitnehmer in den neuen Ländern die Jubiläumszuwendung erst ab 1. Januar 1995 in voller Höhe erhalten. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn für Arbeitnehmer der Unternehmen der Wohnungswirtschaft in den neuen Bundesländern die Unternehmenszugehörigkeit vor dem Beitritt unberücksichtigt bleiben sollte. Bis zum 1. Januar 1995 hätte dann kein Arbeitnehmer eine 10-jährige Unternehmenszugehörigkeit erreicht. Eine Bestimmung über die Kürzung der Jubiläumszuwendung liefe ins Leere.

Die Revision der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Lindemann, Wolf

 

Fundstellen

Haufe-Index 875279

NZA 1997, 506

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