Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung. Fragebogenlüge

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; Stasiunterlagengesetz i.d.F. des 3. Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1996, § 19 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 13.10.1997; Aktenzeichen 5 Sa 261/97)

ArbG Stralsund (Urteil vom 23.10.1996; Aktenzeichen 4 Ca 433/96)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13. Oktober 1997 – 5 Sa 487/96 und 5 Sa 261/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin erlernte bis 1964 den Beruf einer Röntgenassistentin und arbeitete als solche in der Orthopädischen Klinik G…; später war sie Verkäuferin im Möbelhandelsgeschäft ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes. Ab dem 2. Dezember 1985 nahm sie ihre Berufstätigkeit als Röntgenassistentin an der Universität G… wieder auf und wurde vom beklagten Land am 3. Oktober 1990 als teilzeitbeschäftigte Röntgenassistentin mit einem monatlichen Bruttoentgelt von ca. 3.500,00 DM übernommen. Am 20. Juni 1991 füllte sie den sog. “Ehrenfragebogen” der Universität G… aus und verneinte dabei u. a. die Frage, ob sie über Personen an das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (im Folgenden: MfS/AfNS) – in welcher Funktion und über wen – berichtet habe. Dem Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im Folgenden: Gauck-Behörde) ist zu entnehmen, daß die Klägerin unter dem 16. Juni 1966 eine schriftliche Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS abgegeben und über zahlreiche Personen berichtet hat, wofür sie mehrfach Zuwendungen vom MfS erhielt; der letzte Bericht datiert vom 23. Mai 1974. Im ersten Vierteljahr ihrer Tätigkeit als inoffizielle Mitarbeiterin (IM) berichtete die Klägerin dem MfS über Veranstaltungen, an denen sie teilgenommen hatte (Ostseewoche, Medizinerball der Universität). Ab Oktober 1966 begann die Klägerin ausweislich der Unterlagen der Gauck-Behörde u. a. auch über das Sexualleben ihr bekannter Männer zu berichten (Dr. … Angehöriger der NVA-See, Bericht vom 11. Oktober 1966; Genosse Dr. …, mit dem die Klägerin intim war, Bericht vom 11. Oktober 1966; Student …, Bericht vom 3. Februar 1967). Am 4. März 1967 ließ sich die Klägerin in A… mit einem auszuforschenden Unteroffizier der NVA zusammenbringen, erschlich sich mit einer vom MfS vorbereiteten Legende dessen Vertrauen, entlockte ihm Republikfluchtabsichten und setzte sich sodann – gemäß vorheriger Absprache mit dem MfS – von der Veranstaltung ab, um den Führungsoffizieren umgehend das soeben Erfahrene zu berichten; hierfür erhielt die Klägerin Spesenersatz und eine Belohnung von 80 Mark. In der Folgezeit berichtete die Klägerin weiter über die Stimmung zur Versorgungslage oder zu offiziellen politischen Kampagnen; ab Dezember 1967 häuften sich Berichte mit Angaben über sexuelle Beziehungen einzelner DDR-Bürger (Klinikchef, Oberschwester, geflüchtete Fachärztin, private Geschäftsfrau, Drogeriebesitzerin). Am 2. April 1968 berichtete die Klägerin von einem Offiziersschüler, zu dem sie ein intimes Verhältnis unterhielt, daß dieser seine Zustimmung zur Flucht über die CSSR ihr gegenüber gegeben habe, aufgrund seiner Kontakte zur Volkspolizei eine Alkoholfahrt ohne Nachspiel überstanden und bei anderer Gelegenheit Unfallflucht begangen habe. Am 21. Mai 1968 folgt ein Bericht über das Intimleben zweier Offiziersschüler und eines Professors; am 18. Juni 1968 gab die Klägerin u. a. über ihren Chef und einen Professor an, sie hätten gegen Honorar Privatpatienten behandelt; am 3. Juli 1968 machte sie Angaben über Beziehungen, die ein geflüchteter Arzt gehabt haben soll; am 2. Oktober 1968 berichtete sie, daß Prof. … während eines Urlaubsaufenthaltes in der CSSR (illegal) Westdeutschland besucht haben solle und im übrigen Privatpatienten gegen Honorar und unter Benutzung von Klinikmaterial behandele. Am 6. November 1968 informierte sie über das Liebes- und Arbeitsleben einer SED-Genossin (Sekretärin), am 5. Dezember 1968 über die Lebensweise eines Mannes, zu dem sie ein intimes Verhältnis hatte, und zwar dahin, dieser habe bei der Verteilung von Ferienplätzen seine Bekannten und Freunde – so auch sie selbst – bevorzugt. Ab Anfang 1969 wurden die Berichte der Klägerin allgemeiner (Versorgungslage der Bevölkerung, allgemeine Meinung zur Entspannungspolitik der damaligen Bundesrepublik). Über einzelne Personen informierte die Klägerin aber noch am 28. Mai 1969, am 9. Dezember 1970, am 10. März 1971, am 9. März 1972 (u. a. Privatliquidationen von Universitätsprofessoren), am 14. November 1973 und 25. April 1974; im letzten Bericht vom 23. Mai 1974 wird über die Stimmung in der DDR zum Regierungswechsel in der Bundesrepublik berichtet. Alsdann wurde der IM-Vorgang der Klägerin “abverfügt”, da “in Richtung Absicherung des medizinischen Personals und in Richtung PID Jugend keine Perspektiven mehr” seitens des MfS gesehen wurden.

Die Klägerin wurde persönlich im März 1996 zu dem Vorwurf einer Zusammenarbeit mit dem MfS und ihren Erklärungen im Ehrenfragebogen angehört, wobei sie u. a. in einer schriftlichen Stellungnahme vom 22. April 1996 erklärte, sie habe die Frage 22 mit nein beantwortet, weil sie seit ca. 20 Jahren nichts mehr mit dem Staatssicherheitsdienst zu tun gehabt habe; als man sie 1966 gezwungen habe zu unterschreiben, habe sie nicht gewußt, was MfS bedeutet habe; sie habe nur über Dinge gesprochen, die allgemein schon bekannt gewesen seien; an eine Fahrt nach A…, um dort einen Armeeangehörigen zu treffen, erinnere sie sich nicht; auch nicht daran, hierfür 80 Mark erhalten zu haben. Nach Anhörung des zuständigen Personalrats, der zu der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung seine Zustimmung erteilte, kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 24. Juni 1996 das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 1996 auf.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die lange zurückliegende Tätigkeit für das MfS weise ebenso wie die wahrheitswidrige Beantwortung von Fragen nicht auf eine mangelnde persönliche Eignung für den öffentlichen Dienst hin; sie habe bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage 1991 befürchten müssen, sofort entlassen zu werden, weil seinerzeit in der Selbstanzeige regelmäßig kein Milderungsgrund für eine auszusprechende Kündigung gesehen worden sei. Sie meint, nach Tätigkeiten für das MfS, die vor dem 31. Dezember 1975 abgeschlossen waren, hätte nicht mehr gefragt werden dürfen, weil sie davor durch ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht geschützt werde, nämlich Informationen preisgeben zu müssen, die sie selbst belasteten.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Belang – beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 24. Juni 1996 zum 31. Dezember 1996 nicht aufgelöst worden ist.

Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Klägerin habe sich nicht nur für die Dauer von mindestens sechs Jahren in erheblichem Maße in den Unrechtsapparat des MfS der ehemaligen DDR verstrickt, sondern sie habe auch durch die wahrheitswidrige Beantwortung des Ehrenfragebogens, durch das anfängliche Ableugnen einer Berichterstattung über bestimmte Personen und ihre Uneinsichtigkeit gezeigt, daß sie für eine Verwendung im öffentlichen Dienst ungeeignet sei. Auch das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, daß die systematische und umfassende Ausforschung der eigenen Bevölkerung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ein besonders abstoßendes Herrschaftsinstrument des Einparteiensystems der DDR gewesen sei, wozu die Klägerin ihren Anteil beigetragen habe.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß die außerordentliche Kündigung vom 24. Juni 1996 unwirksam ist, im übrigen – also bezüglich der ordentlichen Kündigung – hat es die Klage abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin auch die Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die der Klägerin gegenüber ausgesprochene ordentliche Kündigung wirksam ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen, was die ordentliche Kündigung angeht, wie folgt begründet: Diese sei aus Gründen in der Person sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil die Klägerin ebenso durch ihre Tätigkeit für das MfS wie durch die bewußt falsche Beantwortung des Fragebogens 1991 und ihr nachfolgendes Verhalten bei der Aufklärung des Sachverhalts sich als ungeeignet für den öffentlichen Dienst erwiesen habe. Die zeitlich unbeschränkte Fragestellung, die der Klägerin 1991 vorgelegt worden sei, verletze nicht deren allgemeines Persönlichkeitsrecht, zumal es nicht um vor dem Jahre 1970 abgeschlossene Vorgänge gehe; es sei auch nicht das Maß des Zumutbaren überschritten, wenn nur danach gefragt werde, ob die Klägerin über Personen an das MfS berichtet habe. Daß die Klägerin den Fragebogen bewußt falsch beantwortet habe, sei den zahlreichen Berichterstattungen über Personen in ihrem Umfeld und auf die sie angesetzt worden sei, zu entnehmen. Als ihre Lüge 1996 bekannt geworden sei, habe die Klägerin immer noch nicht die Gelegenheit wahrgenommen, reinen Tisch zu machen; so habe sie u. a. in der Berufungsbegründung noch vortragen lassen, daß Berichte von ihr nach 1968 nicht existierten.

II. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts tritt der Senat bei. Die Rüge der Revision, das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei verletzt, weil sie 1991 nicht verpflichtet gewesen sei, die Frage 22 im Ehrenfragebogen richtig zu beantworten, greift nicht durch. Im übrigen geht die Revision auf die sorgfältig begründeten Details der vorinstanzlichen Entscheidung kaum ein.

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf geprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. Urteile vom 13. Juni 1996 – 2 AZR 483/95 – AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969, auch zu Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2a der Gründe und vom 4. Dezember 1997 – 2 AZR 750/96 – AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2a der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angegriffene Urteil stand.

a) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß das beklagte Land der Klägerin die Fragen im Ehrenfragebogen stellen durfte und daß insbesondere die Frage Nr. 22

“Haben Sie über Personen an das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit berichtet, in welcher Funktion und über wen?”

von dieser grundsätzlich wahrheitsgemäß beantwortet werden mußte. Dies entspricht – wenn auch im Zusammenhang mit einer allgemeinen Fragestellung nach der Zusammenarbeit mit dem bzw. Arbeit für das MfS – der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteile vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Nr. 53 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; vom 13. Juni 1996 – 2 AZR 483/95 – AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969; vom 13. März 1997 – 2 AZR 506/96 – n. v.; vom 20. August 1997 – 2 AZR 42/97 – n. v. und vom 4. Dezember 1997 – 2 AZR 750/96 – AP, aaO; so auch BVerfG Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94, 195/95 und 2189/95 – BVerfGE 96, 171). Diese Rechtsprechung ist, wobei wegen der Einzelheiten auf die genannten Entscheidungen verwiesen wird, damit begründet worden, der öffentliche Dienstherr habe die aus dem öffentlichen Dienst der Deutschen Demokratischen Republik übernommenen Arbeitnehmer vor der Übernahme nicht der sonst üblichen Einstellungsüberprüfung unterziehen können, habe aber andererseits in verhältnismäßig kurzer Zeit eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung, die nunmehr der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet war, zu schaffen gehabt. Die Eignungsüberprüfung konnte damit nur nachträglich erfolgen mit dem Ziel, ungeeigneten Arbeitnehmern zu kündigen, was für eine begrenzte Übergangszeit durch die Sonderkündigungsvorschriften des Einigungsvertrages erleichtert wurde. Der legitime Zweck der Eignungsüberprüfung rechtfertigte grundsätzlich die gestellten Fragen nach einer MfS-Tätigkeit und der Abgabe einer Verpflichtungserklärung, und es war den übernommenen Arbeitnehmern auch regelmäßig zumutbar, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Das gilt vorliegend auch für die Fragestellung Nr. 22 im Ehrenfragebogen, zumal sie gegenüber der allgemein formulierten Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem bzw. Arbeit für das MfS im Interesse der Befragten eingeschränkt ist, nämlich dahin nur zu beantworten, ob über Personen an das Ministerium für Staatssicherheit – in welcher Funktion und über wen – berichtet worden ist. Damit wird die Fragestellung speziell auf ein Denunziantentum konzentriert, wie es für die konspirative Arbeit des MfS typisch war, wobei es (so auch BVerfG, aaO) für den öffentlichen Arbeitgeber weitaus schwieriger war, sich über Verstrickungen eines Mitarbeiters in dieser Arbeit Gewißheit zu verschaffen, so daß er in stärkerem Umfang auf die Mitwirkung des Arbeitnehmers angewiesen war. Der Umfang, in dem das Fragerecht gegenüber der Klägerin ausgeübt wurde, überschreitet – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend argumentiert – nicht das Maß des Zumutbaren. Mit der in Rede stehenden Fragestellung hat das beklagte Land klargestellt, daß es nur im Falle einer derart gravierenden Mitarbeit für das MfS, die in (denunziatorischen) Berichten über Personen bestand, vom jeweiligen Mitarbeiter einen eigenen Beitrag zur schnellen Aufklärung erwartete. Insofern ist der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zuzustimmen, daß die Klägerin in Anbetracht dieses deutlich eingeschränkten Erkenntnisinteresses des beklagten Landes um so mehr zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage verpflichtet war. Das Zurücktreten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts war damit nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt.

Dabei geht das Berufungsgericht in zeitlicher Hinsicht davon aus, und zwar in ausdrücklicher Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO), daß Tätigkeiten für das MfS, die vor dem Jahre 1970 abgeschlossen sind, keine oder jedenfalls nur äußerst geringe Bedeutung für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses haben können und damit noch keinen verläßlichen Schluß auf die heutige Einstellung des Betroffenen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit für seine Geeignetheit im öffentlichen Dienst zulassen.

Nach den für den Senat nach § 561 ZPO verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin ihre Berichtstätigkeit nicht vor 1970 abgeschlossen, sondern insbesondere auch über Personen noch am 9. Dezember 1970, am 10. März 1971, am 9. März 1972 (Privatliquidationen von Universitätsprofessoren) sowie am 14. November 1973, am 25. April 1974 und zuletzt am 23. Mai 1974 – wenn auch dort “nur” zur Stimmung in der DDR zum Regierungswechsel in der Bundesrepublik – berichtet. Die Revision verkennt selbst nicht, daß nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG berechtigt war, Tatsachen zu erfragen, deren Kenntnis zur Ausübung des Kündigungsrechts notwendig ist. Entgegen der Auffassung der Revision verletzt aber das vom Landesarbeitsgericht angenommene Fragerecht nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG) und verstößt schon gar nicht gegen § 31 BVerfGG. Soweit nach dieser Bestimmung die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts u. a. alle Gerichte binden, hält sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in den Grenzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997. Es ist im Gegenteil die Klägerin, die ihrerseits die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze nicht gegen sich gelten lassen will, wenn sie mit der Revision argumentiert, Tätigkeiten vor dem 31. Dezember 1975 für das MfS seien für das Arbeitsverhältnis nicht (mehr) relevant. Soweit die Revision meint, aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 Stasiunterlagengesetz in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I, 2026 f.) herleiten zu können, Tätigkeiten vor dem 31. Dezember 1975 für das MfS sollten generell keine Auswirkungen mehr für das Arbeitsverhältnis haben, übersieht sie, daß die geänderte Fassung des § 19 Stasiunterlagengesetz nach Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Stasiunterlagengesetzes vom 20. Dezember 1996 erst am 1. August 1998 in Kraft tritt. Mit anderen Worten: Die hier bereits im Jahre 1995 erteilte Gauck-Auskunft ist voll verwertbar, sie unterliegt nicht der zeitlichen Einschränkung der Neufassung des § 19 Stasiunterlagengesetz. Der Senat ist auch bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 42/97 – RzK I 5i Nr. 127, zu II 2b der Gründe) davon ausgegangen, eine Einschränkung des Fragerechts ergebe sich nicht für MfS-Tätigkeiten, die bis in das Jahr 1974 hineinreichten, wie dies auch hier der Fall war.

b) Die Revision befaßt sich im übrigen nicht mit der einzelfallbezogenen Würdigung des Landesarbeitsgerichts, insbesondere beanstandet sie nicht die vom Berufungsgericht getroffene Interessenabwägung. Aus revisionsrechtlicher Sicht sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat betont, die Klägerin habe nicht nur 1991 den Fragebogen bewüßt falsch beantwortet, sondern habe auch in der Folgezeit bei den Vorhaltungen nach Vorlage des Gauck-Berichtes die Unwahrheit gesagt; so habe sie im Schreiben vom 22. April 1996 die Falschbeantwortung gegenüber dem beklagten Land damit zu erklären versucht, daß sie sich an den Vorgang A…, der ihr seinerzeit vorgehalten worden war, nicht erinnern könne und im übrigen “bei den Treffen mit einem Mitarbeiter vom MfS nur über Dinge gesprochen (habe), die allgemein schon bekannt waren”. Das Landesarbeitsgericht hat ihr das erstere – wie schon zuvor das Arbeitsgericht – als unglaubwürdige Schutzbehauptung nicht abgenommen, ohne daß die Revision hierzu Einwände erhebt. Angesichts des mehrseitigen Treffberichts des Führungsoffiziers der Klägerin, in dem in allen Einzelheiten beschrieben ist, wie die Klägerin seinerzeit auf den NVA-Unteroffizier angesetzt wurde und diesen Auftrag auch minuziös durchgeführt hat, wäre das Gegenteil völlig unglaubhaft. Die insoweit vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen (§ 561 ZPO) werden von der Revision ersichtlich auch nicht gerügt. Angesichts dieses herausragenden Beispiels einer Denunziation unter vielen anderen, bei der die Klägerin Republikfluchtgedanken des NVA-Offiziers eruieren sollte und dem Betreffenden auch abgelockt hat, erweist sich ihre Einlassung als widerlegt, sie habe nur über Dinge gesprochen, die allgemein schon bekannt gewesen seien. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht weiter darauf hin, daß die Klägerin auch noch 1996 gelogen habe, werde außerdem mit dem weiteren Inhalt der Arbeitsakte der Gauck-Behörde belegt. Die Revision stellt nicht die Argumentation des Landesarbeitsgerichts in Abrede, die Klägerin habe auch Anfang 1996, als ihre Lüge bekannt geworden sei, schon vor der Zentralen Personalkommission des beklagten Landes die Gelegenheit nicht wahrgenommen, reinen Tisch zu machen, sondern habe sich auf angeblich vorliegende Erinnerungslücken berufen. Wenn im Hinblick auf diese und weitere Überlegungen das Landesarbeitsgericht zum Schluß gekommen ist, die Klägerin habe sich als Persönlichkeit erwiesen, die für ihre schwere Verstrickung in die Tätigkeit des MfS auch nach vielen Jahren eine auf sie zukommende Verantwortung nicht zu übernehmen bereit sei und die statt dessen mit Unwahrheiten und Verharmlosungen versuche, ihren Arbeitsplatz zu bewahren, und sei deshalb für den öffentlichen Dienst ungeeignet, so ist diese Gesamtabwägung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Kuemmel-Pleißner, Mauer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628897

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