Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung einer Abgeordnetenpension

 

Orientierungssatz

Die Teilanrechnung der Abgeordnetenpension verstößt nicht gegen § 5 Abs 2 BetrAVG. Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Dies gilt aber nicht für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen (§ 5 Abs 2 Satz 2 BetrAVG).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; BetrAVG § 5 Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 8, 10

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.02.1987; Aktenzeichen 8 (14) Sa 78/86)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 05.06.1986; Aktenzeichen 18 Ca 213/85)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner früheren Arbeitgeberin, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Er will nicht hinnehmen, daß die Unterstützungskasse des Deutschen Gewerkschaftsbundes, eine gemeinsame Einrichtung des DGB, der ihn tragenden Gewerkschaften sowie gewerkschaftlicher Einrichtungen, ihm einen Teil seiner Abgeordnetenpension auf die betriebliche Versorgungsleistungen anrechnet.

Der Kläger, geboren am 24. Oktober 1920 und schwerbehindert, trat am 3. November 1956 in die Dienste der Beklagten. Vom 23. November 1966 bis zum 29. Oktober 1974 war er Abgeordneter des Bayerischen Landtags. Dort besteht ein Versorgungswerk, in das der Kläger während der Dauer des Mandats 20 % seiner Grunddiäten, insgesamt 32.861,-- DM, einzahlte. Neben seinem Abgeordnetenmandat blieb der Kläger weiterhin für die Beklagte tätig. Am 31. März 1983 trat er in den Ruhestand.

Seit dem 1. November 1980 erhält der Kläger vom Versorgungswerk des Bayerischen Landtags ein monatliches Ruhegeld von 2.410,-- DM. Sein gesetzliches Altersruhegeld, das er seit dem 1. April 1983 bezieht, betrug anfänglich 2.145,70 DM. Außerdem erhält er von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder aufgrund einer früheren Tätigkeit im öffentlichen Dienst einen monatlichen Versorgungsbetrag von 31,80 DM.

Die Beklagte hatte den Kläger für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bei der Unterstützungskasse des DGB angemeldet. Diese änderte mit Wirkung vom 1. November 1972 ihre Leistungsrichtlinien dahin, daß Abgeordnetenpensionen anzurechnen sind, soweit durch deren Bezug die Höchstversorgung von 75 % des Bemessungsentgelts (Durchschnittsbezüge im Jahr vor dem Ausscheiden) überschritten wird.

Die Unterstützungskasse des DGB setzte die betrieblichen Versorgungsleistungen des Klägers zunächst unter voller Anrechnung der Abgeordnetenpension auf den Mindestbetrag von monatlich 100,-- DM fest. Im Anschluß an das Urteil des Senats vom 22. April 1986 (- 3 AZR 100/83 - BAGE 51, 387 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) beschloß der Kassenvorstand, daß 20 % des Bemessungsentgelts anrechnungsfrei bleiben. Die Betriebsrente des Klägers wurde daraufhin neu berechnet; er erhielt nunmehr anfänglich monatlich 1.153,47 DM, seit Juli 1985 monatlich 1.170,77 DM und seit Juli 1986 monatlich 1.194,19 DM. Dementsprechend leistete die Kasse eine Nachzahlung für 42 Monate in Höhe von 44.575,50 DM.

Der Kläger ist auch mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er will erreichen, daß seine Abgeordnetenpension gänzlich unberücksichtigt bleibt. Die Differenz hat er für die Zeit vom 1. April 1983 bis zum 31. Januar 1987 als Rückstände und für die Zeit ab 1. Februar 1987 als laufende Leistungen verlangt.

Er hat vorgetragen, die Beklagte habe als seine frühere Arbeitgeberin und eines der Trägerunternehmen der Unterstützungskasse dafür einzustehen, daß die Abgeordnetenpension in voller Höhe anrechnungsfrei bleibe. Auf die Änderung der Richtlinien der Kasse im Jahre 1972 könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie das Mitbestimmungsrecht ihres Betriebsrats nicht beachtet habe. Zudem sei die Anrechnung der Abgeordnetenpension rechtswidrig, jedenfalls unbillig. Diese Versorgung beruhe auf seinen eigenen Beiträgen.

Der Kläger hat der Unterstützungskasse des DGB den Streit verkündet und zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

1. 45.182,76 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem

sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem

12. Januar 1987,

2. beginnend mit dem Monat Februar 1987 jeweils

am 1. eines jeden Monats monatlich über die

durch die Unterstützungskasse des DGB e.V. zu

erbringenden Zahlungen in Höhe von 1.194,19 DM

monatlich hinaus weitere 953,82 DM brutto auf

Lebenszeit

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe sämtliche Pflichten gegenüber dem Kläger erfüllt. Der Kläger müsse sich an die Kasse halten. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts habe der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz behauptet. Im übrigen sei die teilweise Anrechnung der Abgeordnetenpension nicht unbillig. Der Barwert seiner Abgeordnetenversorgung (340.388,40 DM) übersteige die Summe der eigenen Beiträge bei weitem.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger keine zusätzlichen Versorgungsleistungen.

1. Soweit der Kläger geltend macht, die Unterstützungskasse des DGB dürfe die Abgeordnetenpension nicht anrechnen, hätte er diese verklagen müssen. Die Kasse gewährt Leistungen nur nach Maßgabe ihrer Richtlinien. Sie hat im Jahre 1972 ihre Richtlinien dahin geändert, daß Abgeordnetenpensionen bei der Berechnung der Versorgungsobergrenze zu berücksichtigen sind. Durch Urteil vom 22. April 1986 (aaO) hat der Senat entschieden, daß die Neufassung der Anrechnungsklausel in genereller Hinsicht keinen Bedenken begegnet, die Anrechnung in voller Höhe jedoch im Einzelfall zu unbilligen Härten führen kann. Nachdem der Kassenvorstand daraufhin bestimmt hat, daß bei einem Unterstützungsberechtigten, der vor der Änderung der Richtlinien (1. November 1972) eine Versorgungsanwartschaft erworben hatte und vorher in den Deutschen Bundestag oder in ein Landesparlament gewählt wurde, 20 % des Bemessungsentgelts anrechnungsfrei bleiben, sind auch im Falle des Klägers individuelle Unbilligkeiten vermieden. Dem Kläger bleiben, wie der Senat verlangt hat, aus den beiden bei der Anrechnung umstrittenen Versorgungsquellen angemessene Anteile. Er erhält von der Unterstützungskasse ein monatliches Ruhegeld, das anfänglich 1.153,47 DM betrug und eine Abgeordnetenpension von 2.410,-- DM. Das ist mehr, als der Kläger nach seinen Berechnungen von der Beklagten verlangen könnte (2.148,10 DM). Ohne die Abgeordnetenversorgungsbezüge erhielte der Kläger fiktiv auf der Grundlage seiner eigenen Berechnungen monatlich nur insgesamt 4.325,51 DM (2.148,01 DM von der Kasse, 2.145,70 DM Sozialversicherungsrente und 31,80 DM VBL-Rente). Die Differenz der tatsächlich erreichten Bezüge von 5.781,69 DM und 4.325,51 DM beträgt monatlich 1.456,18 DM. Hierfür hat der Kläger aufgrund eigener Beiträge nur 32.861,-- DM aufgewendet. Hinzu kommt, daß der Kläger bei seinem Eintritt in den Landtag am 23. November 1966 gerade erst die nach den Richtlinien der Kasse vorgesehene zehnjährige Wartezeit erfüllt hatte.

2. Die Teilanrechnung der Abgeordnetenpension verstößt nicht gegen § 5 Abs. 2 BetrAVG. Nach dieser Vorschrift dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung oder Berücksichtigung anderer Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Dies gilt aber nicht für Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG). Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschrift ist nicht der durch das Anrechnungsverbot betroffene Arbeitgeber, sondern jeder Arbeitgeber, der zu den sonstigen Versorgungsbezügen des Empfängers beigetragen hat (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rz 69, 85, 106). Da die eigenen Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk des Bayerischen Landtags die 50 %-Grenze nicht erreichen, unterfällt die Abgeordnetenpension nicht dem Anrechnungsverbot.

3. Schließlich kann der Kläger sein Begehren nicht darauf stützen, daß die Beklagte das Mitbestimmungsrecht ihres Betriebsrats verletzt habe. Zwar trifft es nicht zu, wie die Beklagte meint, daß der Kläger die Verletzung des Mitbestimmungsrechts erstmals in der dritten Instanz geltend gemacht habe; er hat schon im Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit Schriftsatz vom 10. Juni 1985 behauptet, die Versorgungsrichtlinien der Kasse seien ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts geändert worden. Ein Anspruch gegen die Beklagte als seine frühere Arbeitgeberin und eines der Trägerunternehmen der Gruppenunterstützungskasse scheitert jedoch daran, daß die Kausalität einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts im Unternehmen der Beklagten für die nachteilige Richtlinienänderung im Jahre 1972 nicht dargelegt ist. Wie der Senat in seinem Urteil vom 9. Mai 1989 (- 3 AZR 439/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen) näher ausgeführt und begründet hat, kann die regelmäßige Sanktion der Verletzung zwingender Mitbestimmungsrechte, die Unwirksamkeit der Maßnahme, bei einer Änderung der Leistungsrichtlinien einer Gruppenunterstützungskasse nur dann zur Unwirksamkeit der Änderung im Verhältnis zu den begünstigten Arbeitnehmern des betreffenden Trägerunternehmens führen, wenn die Beachtung des Mitbestimmungsrechts die verschlechternde Regelung hätte verhindern können. Zur Darstellung im einzelnen wird auf das Urteil vom 9. Mai 1989 (aaO, zu II der Gründe) Bezug genommen. Ebenso wie in jener Streitsache hat der Kläger hier keine Anhaltspunkte für die Annahme vortragen können, bei ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats der Beklagten wäre im zuständigen Organ der Gruppenunterstützungskasse eine Anrechnung der Abgeordnetenpension verhindert oder nur zu einem geringeren Anteil beschlossen worden. Unter diesen Umständen trifft die Beklagte selbst dann keine Ausfallhaftung, wenn sie das Mitbestimmungsrecht ihres Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt hat.

Dr. Heither Griebeling Bitter

Dr. Schmidt Arntzen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438558

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