Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Gruppenunterstützungskasse des DGB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Betreiben mehrere Trägerunternehmen gemeinsam eine Gruppen-Unterstützungskasse, deren satzungsmäßige Organe über Form, Ausgestaltung und Verwaltung mehrheitlich entscheiden, so besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Vielmehr haben die Betriebsräte der einzelnen Trägerunternehmen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, soweit das Abstimmungsverhalten ihres Unternehmens bei Beschlüssen der satzungsmäßigen Unterstützungskassen-Organe über Fragen der Lohngestaltung (insbesondere des Leistungsplans) festzulegen ist.

2. Wird der Betriebsrat eines Trägerunternehmens bei mitbestimmungspflichtigen Fragen übergangen, führt das nicht zur Unwirksamkeit der Beschlüsse, die von den Organen der Gruppen-Unterstützungskasse satzungsgemäß gefaßt wurden. Welche Folgen die Rechtsverletzung im Verhältnis des Trägerunternehmens zu seinen versorgungsberechtigten Arbeitnehmern hat, bleibt unentschieden.

3. Will eine Unterstützungskasse im Rahmen eines bereits bestehenden Gesamtversorgungssystems die Anrechnung von Abgeordnetenpensionen neu einführen, so gebietet die Billigkeit einen Besitzstandsschutz zugunsten derjenigen versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die vor der Neuregelung und vor der Übernahme des Abgeordnetenmandats bereits hohe unverfallbare Anwartschaften erworben hatten.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 87 Altersversorgung; BetrAVG § 1 Unterstützungskasse, §§ 1-2; BGB § 315

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.1983; Aktenzeichen 12 Sa 1377/82)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 03.06.1982; Aktenzeichen 6 Ca 6284/81)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1983 – 12 Sa 1377/82 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich der Kläger die Versorgungsleistungen, die er als ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestags erhält, auf die von der Beklagten zu zahlende Betriebsrente anrechnen lassen muß.

Der Kläger ist am 28. April 1924 geboren. Er stand vom 1. September 1947 bis zum 31. Dezember 1950 im Dienste des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Vom 1. Januar 1951 bis zum 31. Januar 1956 war er bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr beschäftigt. Vom 1. Februar 1956 an war er wieder für den DGB tätig.

In der Zeit vom 21. Oktober 1969 bis zum 31. Dezember 1976 war der Kläger Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Das Arbeitsverhältnis mit dem DGB wurde zunächst fortgesetzt. In einem Schreiben des DGB an den Kläger vom 22. Dezember 1970 ist hierüber u.a. festgehalten:

„Der Geschäftsführende Bundesvorstand hat … beschlossen, Der entsprechend Deinem Schreiben vom 22. August 1970 mit Wirkung vom 1. Januar 1971 unter Entbindung Deiner Funktion als Leiter der Abteilung „Sozialpolitik” beim DGB – Landesbezirk B die Hälfte Deiner Bezüge fortzuzahlen.

Der geschäftsführende Bundesvorstand erwartet dafür eine entsprechende Mitarbeit in der Abteilung „Sozialpolitik” beim DGB-Bundesvorstand …

Im Falle des Erlöschens Deines Mandats als Bundestagsabgeordneter wird Dir die Weiterbeschäftigung zu vollen Bezügen in einer entsprechenden Funktion im Bereich des DGB zugesichert.

Die Versorgungsansprüche werden in der vollen Höhe Deiner Bezüge aufrecht erhalten.”

In einem neuen Arbeitsvertrag vom 1. Juli 1971 wurde das Schreiben vom 22. Dezember 1970 in Bezug genommen.

Ab 1. Dezember 1974 wurde der Kläger berufsunfähig. Das Arbeitsverhältnis mit dem DGB endete am 31. Dezember 1974. Das Abgeordnetenmandat übte der Kläger noch bis zum 31. Dezember 1976 aus.

Ab 1. September 1975 erhielt der Kläger neben einer Berufsunfähigkeitsrente aus der Angestelltenversicherung in Höhe von 869,40 DM und einer Unterstützung des DGB in Höhe von 207,82 DM von der beklagten Unterstützungskasse eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.295,– DM. Seine Diäten als Mitglied des Bundestags beliefen sich in dieser Zeit auf 2.543,21 DM monatlich. Ab 1. März 1977 erhielt der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente sowie weiterhin die bisherigen Versorgungsleistungen des DGB und der Beklagten. Am 1. April 1977 trat das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestags in Kraft (BGBl I 1977, 297). Aus der sieben Jahre und elf Monate dauernden Abgeordnetentätigkeit erhielt der Kläger ab 1. Oktober 1977 ein monatliches Ruhegeld von 1.490,– DM. Die Beklagte zahlte zunächst weiterhin die Unterstützungskassenrente von 1.295,– DM ohne Abzug.

Die beklagte Unterstützungskasse ist eine vom DGB, den angeschlossenen Einzelgewerkschaften und verschiedenen gewerkschaftlichen Einrichtungen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins unterhaltene gemeinsame Versorgungseinrichtung. Ihre Leistungsrichtlinien werden nach § 9 der Satzung von der Mitgliederversammlung beschlossen, die aus zwei Vertretern des DGB und je einem Vertreter der angeschlossenen Gewerkschaften besteht. Die übrigen Mitglieder werden von einem Vertreter des DGB oder einer Gewerkschaft vertreten. Bei Änderungen der Unterstützungsrichtlinien, über die mit Dreiviertelmehrheit zu beschließen ist, sind insgesamt drei Arbeitnehmer mit beratender Stimme zuzuziehen.

Im Jahre 1978 erfuhr die Beklagte, daß der Kläger nicht mehr Abgeordneter des Deutschen Bundestags war und daß er hieraus eine Abgeordnetenpension bezog. Deshalb berechnete sie die Unterstützungskassenrente neu und rechnete hierauf die Versorgungsbezüge aus der Abgeordnetentätigkeit an. Die betrieblichen Versorgungsbezüge wurden dadurch voll aufgezehrt. Jedoch gewährte die Beklagte dem Kläger den Mindestbetrag von monatlich 100,– DM gemäß § 19 der Richtlinien aus dem Jahre 1980.

Zur Begründung für die Kürzung berief sich die Beklagte auf § 11 Nr. 1 b ihrer Richtlinien in der seit dem 1. November 1972 geltenden Fassung. Darin war erstmals vorgesehen, daß auf die Betriebsrente, „soweit sie zusammen mit der Unterstützung 75 % des Durchschnittsbruttogehalts der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden übersteigen”, angerechnet werden:

„beamtenrechtliche Versorgungsbezüge sowie Versorgungsleistungen bzw. Abfindungen für Abgeordnete oder deren Witwen nach näherer Bestimmung durch den Kassenvorstand.”

Die gleiche Regelung enthalten die Richtlinien der Beklagten auch in der seit dem 1. Januar 1975 geltenden und allen späteren Fassungen.

Die Beklagte hat hiernach eine Zuvielzahlung von 18.478,– DM errechnet, die sie vom Kläger zurückverlangt. Der Kläger will dies nicht hinnehmen. Er hält die Anrechnung der Abgeordnetenversorgung für unbillig, weil unbeachtet bleibe, daß er sich seine betriebliche Altersversorgung ohne den umstrittenen Anrechnungsvorbehalt in einer Dienstzeit von 28 Jahren verdient habe. Die Änderung der Richtlinien im Jahre 1972 sei auch deshalb unwirksam, weil das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht gewahrt worden sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm Invaliden- bzw. Altersversorgung entsprechend ihren Richtlinien zu gewähren, und zwar unter Anwendung der für ihn günstigsten Richtlinien seit dem 1. Februar 1956 und ohne Anrechnung der Pension aus der Zeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag,
  2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn

    1. 71.820,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 3. Juni 1982 und
    2. ab 1. Januar 1982 monatlich 1.995,– DM. an Unterstützungsleistung

    zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält ihre Richtlinien für wirksam. Die Anrechnung verstoße nicht gegen das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 BetrAVG. Für die Änderung hätten unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und der Vermeidung von Überversorgungen sachliche Gründe vorgelegen. In einem System der Gesamtversorgung müßten auch die Abgeordnetenruhegelder angerechnet werden, soweit sie – wie hier – nicht überwiegend auf Eigenleistungen des Beschäftigten beruhten. Mit der Änderung ihrer Richtlinien habe sie nur auf die Einführung der Altersversorgung für Mitglieder des Deutschen Bundestags durch das Diätengesetz von 1968 (BGBl I, 334) reagiert. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG bestehe nicht. Die Änderung sei ordnungsgemäß von der Mitgliederversammlung beschlossen worden. Einer Zustimmung des Klägers habe es nicht bedurft, weil nach der Satzung ein Rechtsanspruch auf die Unterstützung ausgeschlossen sei und sich die Höhe der Leistungen nach den jeweils geltenden Richtlinien bestimme.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Den Feststellungsantrag hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig angesehen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt beim Berufungsgericht gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

A. Das Berufungsgericht hat den Hauptantrag zu Unrecht als unzulässig angesehen. Auch wenn es zutreffen sollte, daß der Kläger seine Betriebsrente ohne Anrechnung des Angeordnetenruhegeldes berechnen und beziffern kann, fehlte für das in erster Linie geltend gemachte Feststellungsbegehren nicht das in § 256 ZPO vorausgesetzte besondere Rechtschutzinteresse. Die Parteien streiten nur über ein bestimmtes Element des Zahlungsanspruchs, nämlich darüber, ob die Abgeordnetenpension auf die von der Beklagen zu erbringende betriebliche Altersversorgung anzurechnen ist. Wird über diese Frage entschieden, so ist damit zugleich der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt. Eine Erledigung des Streitstoffs auf diese Weise hat das Bundesarbeitsgericht stets als prozeßökonomisch angesehen und das entsprechende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO ausreichen lassen (BAG Urteil vom 1. Juni 1970 – 3 AZR 166/69 – AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt und seither ständig).

Im übrigen bedarf der Antrag der Klarstellung, soweit der Kläger die ihm „günstigsten Richtlinien” seit dem 1. Februar 1956 angewendet haben will. Die Begründung des Klagebegehrens zeigt, daß der Kläger nicht geklärt wissen will, welche die für ihn günstigsten Richtlinien seit dem Jahre 1956 sind; es geht ihm ausschließlich darum, eine Anrechnung der Abgeordnetenpension zu verhindern; die letzte Fassung der Richtlinien, die diese Anrechnung noch nicht vorsah, soll angewendet werden. Maßgebend sind danach die Versorgungsrichtlinien der Beklagten aus dem Jahre 1968.

B. Ob die Klage begründet ist, kann noch nicht abschließend entschieden werden.

I. Der Kläger kann sein Begehren allerdings nicht auf die unmittelbar zum DGB bestehenden Rechtsbeziehungen stützen.

Der Kläger macht geltend, der DGB habe ihn neben seiner Abgeordnetentätigkeit beschäftigt, seine Mitarbeit vergütet und, wie das Schreiben vom 22. Dezember 1970 zeige, ihm die Zusage gegeben, seine „Versorgungsansprüche in der vollen Höhe der Bezüge” aufrechtzuerhalten. Diese Sonderregelung sei so zu verstehen, daß weder die Bezüge noch die Versorgungsleistungen aus der Zeit als Abgeordneter auf seine betrieblichen Versorgungsansprüche angerechnet werden sollten. Zumindest habe der DGB einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet.

Ob dies zutrifft, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich. Verklagt ist allein die Unterstützungskasse, die für eine derartige Sondervereinbarung nicht einzustehen hätte. Sollte der DGB dem Kläger die ungeschmälerte Erhaltung seiner erdienten betrieblichen Versorgungsbezüge versprochen haben, und zwar losgelöst von der Versorgungsregelung der beklagten Unterstützungskasse und ohne Rücksicht auf den Erwerb weiterer Versorgungsrechte, so müßte die Beklagte nach ihrer Satzung eine solche Sonderzusage nicht erfüllen. Der Kläger könnte insoweit nur seinen Vertragspartner, den DGB, in Anspruch nehmen.

II. Der Kläger kann ferner die Unrechtmäßigkeit der umstrittenen Anrechnungsklausel nicht damit begründen, daß der Betriebsrat des DGB bei der Änderung der Richtlinien der beklagten Unterstützungskasse übergangen worden sei. Es kann insoweit unterstellt werden, daß das am 19. Januar 1972 in Kraft getretene Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972 schon maßgebend war. Es kann auch offen bleiben, ob der Betriebsrat des DGB der Neuregelung der Richtlinien der Beklagten vom 1. November 1972 zugestimmt hat. Auch insoweit scheitert das Klagebegehren schon daran, daß nicht der DGB, sondern die rechtlich selbständige Versorgungseinrichtigung verklagt ist.

1. Beizupflichten ist der Auffassung des Klägers, daß die Änderung des Leistungsplans einer selbständigen Unterstützungskasse eine mitbestimmungspflichtige Regelung darstellt. Betriebliche Versorgungsleistungen sind Entgelt für vorgeleistete Betriebstreue des Arbeitsnehmers und damit Teil der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Ferner sind Unterstützungskassen regelmäßig Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, bei deren Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Betriebsrat mitzubestimmen hat (vgl. im einzelnen den Beschluß des Senats vom 12. Juni 1975 – BAG 27, 194 ff. = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung).

Der vorliegende Rechtsstreit ist jedoch durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Beklagte die gemeinsame Versorgungseinrichtung einer Vielzahl verschiedener Arbeitgeber ist. Sie wird nicht nur von einem Trägerunternehmen unterhalten und dotiert, sondern durch Umlagen aller angeschlossenen Gewerkschaften und gewerkschaftlichen Einrichtungen. Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Beklagten werden in deren satzungsmäßigen Organen mehrheitlich entschieden. Ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte einzelner Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG scheidet damit aus. Das Gesetz sieht die Mitbestimmung nur für solche Sozialeinrichtungen vor, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist, auf unternehmerische Einrichtungen also, in denen auf unterschiedlichen Organisationsebenen eine einheitliche Arbeitnehmervertretung bestehen kann (§§ 147, 54 BetrVG). Die einzelnen Mitglieder der beklagten Unterstützungskasse bilden aber zusammen weder einen Betrieb, noch ein Unternehmen, noch einen Konzern. Sie wickeln lediglich ihre betrieblichen Versorgungen über eine gemeinsame Sozialeinrichtung ab.

2. Das bedeutet nicht, daß bei Gruppen-Unterstützungskassen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfiele. Über die gemeinsame Sozialeinrichtung werden zugleich Fragen der betrieblichen Lohngestaltung geregelt. Diese sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig und können der Regelungsmacht des Betriebsrats nicht dadurch entzogen werden, daß betriebsübergreifende Organe mit satzungsmäßiger Mehrheit Regelungen für alle angeschlossenen Trägerunternehmen bindend beschließen. Das Mitbestimmungsrecht in den einzelnen Betrieben muß vielmehr in der Weise verwirklicht werden, daß die einzelnen Mitgliedsunternehmen mit ihren zuständigen Betriebsräten die regelungsbedürfigen Fragen beraten, das Ergebnis aushandeln und dementsprechend das Abstimmungsverhalten ihrer Vertreter im zuständigen Organ der Gruppen-Unterstützungskasse festlegen.

Diese Form der Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kann nicht verhindern, daß die Willensbildung in der selbständigen Sozialeinrichtung zu einer anderen Lösung führt, als einzelne Trägerunternehmen mit ihren Betriebsräten vereinbart hatten. Tritt dieser Fall ein, ist die satzungsmäßig getroffene Entscheidung der Gruppen-Unterstützungskasse dennoch nicht wegen Verstoßes gegen Mitbestimmungsrechte einzelner Betriebsräte rechtsfehlerhaft. Wird für mehrere Betriebe eine gemeinsame Versorgungseinrichtung gegründet und sieht deren Satzung Mehrheitsentscheidungen vor, so gebietet schon diese rechtliche Konstruktion, daß die Regelungsvorstellungen einzelner Arbeitgeber und Betriebsräte unter Umständen zurücktreten müssen. Arbeitgeber und Betriebsräte, die eine solche Rechtsform wählen, beugen sich von vornherein der satzungsmäßigen Mehrheit. Sie nehmen billigend in Kauf, daß Mehrheitsentscheidungen möglich sind, die ihren eigenen Vorstellungen nicht entsprechen.

3. Für das Klagebegehren folgt hieraus: Selbst wenn die Neuregelung der Richtlinien im Jahre 1972 unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts zustande gekommen sein sollte, könnte der Kläger daraus zumindest im anhängigen Verfahren nichts herleiten.

a) Eine organschaftliche Gestaltung des Mitbestimmungsrechts gab es bei der Beklagten nicht, über Änderungen der Leistungsrichtlinien hat nach § 9 Abs. 1 der Satzung die Mitgliederversammlung mit Dreiviertelmehrheit zu entscheiden, wobei zwei Mitglieder der Beschäftigten des DGB und ein Beschäftigter einer Gewerkschaft mit beratender Stimme zuzuziehen sind. Nach § 5 Nr. 3 der Satzung haben ein Recht auf Vertretung in der Mitgliederversammlung nur der DGB und die ihn tragenden Gewerkschaften. Die übrigen Mitglieder können sich lediglich von den satzungsmäßigen Mitgliedern vertreten lassen. Eine paritätische Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen ist nicht vorgesehen und folglich auch nicht verletzt worden.

b) Sollte auf der betrieblichen Ebene die Arbeitnehmervertretung des DGB nicht beteiligt worden sein, so hätte das nicht zur Folge, daß die Änderung der Richtlinien wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts unwirksam wäre. Die vom Kläger allein in Anspruch genommene Beklagte hatte keinen Einfluß auf die Wahrung der Mitbestimmungsrechte durch den Arbeitgeber des Klägers (oder einen ihrer übrigen Mitglieder). Sie hat sich satzungsgemäß verhalten. Denkbar ist allerdings, daß sich eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts auf die vertragsrechtliche Lage der betroffenen Arbeitnehmer auswirkt. Aber eine solche vertragsrechtliche Sanktion könnte nicht im Verhältnis zu der beklagten Unterstützungseinrichtung eingreifen, sondern nur im Verhältnis des Begünstigten zu seinem Arbeitgeber, dem DGB. Sie muß deshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht geklärt werden.

III. Dennoch kann aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beklagte die Abgeordnetenpension des Klägers anrechnen durfte.

1. Dem Kläger war eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Satzung und der Unterstützungsrichtlinien der Beklagten zugesagt. In § 9 der Satzung ist ein Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen ausgeschlossen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG). Weiter ist dort bestimmt, daß für die Leistungen die jeweils geltende Fassung der Unterstützungsrichtlinien maßgebend ist. Das bedeutet, daß aus sachlichen Gründen, in genereller Form und im Rahmen der Billigkeit Änderungen der Versorgungsordnung zulässig sind (ständige Rechtsprechung des Senats, BAG 21, 46, 51 = AP Nr. 127 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B II der Gründe; 37, 217, 222 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu II 1 der Gründe).

2. Welches Gewicht ein sachlicher Grund haben muß, um Eingriffe in die rechtlich geschützte Position der Arbeitnehmer zu rechtfertigen, richtet sich auf der Seite des Arbeitgebers danach, ob sich die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, wie sie zur Zeit der Zusage bestanden, wesentlich verändert haben; auf der Seite der Arbeitnehmer kommt es darauf an, wie stark deren Besitzstand ist. Demgemäß hat der Senat unterschieden, ob in den unverfallbaren und insolvenzgeschützten Betrag der zeitanteilig erdienten Anwartschaft oder nur in die zugesicherten Zuwachsraten eingegriffen werden soll. Bei letzteren hat der Senat wiederum zwischen zeitanteilig erdienter Dynamik und dienstzeitabhängigen, also erst durch weitere Betriebstreue zu erdienenden Zuwächsen unterschieden. Je nach der Stärke des Besitzstandes setzt ein Eingriff zwingende, triftige oder nur sachliche Gründe voraus (dazu im einzelnen Urteil des Senats vom 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – DB 1986, 228). Es gelten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes (BVerfG, Beschluß vom 19. Oktober 1980 – BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu C III 1 der Gründe). Die Neuregelung muß insgesamt und im Einzelfall den Grundsätzen der Billigkeit entsprechen; sie muß einer Billigkeitskontrolle standhalten (für die ablösende Betriebsvereinbarung vgl. Beschluß des Senats vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAG 36, 327, 336 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 der Gründe).

a) In genereller Hinsicht begegnet die Neufassung der Anrechnungsklausel in den Richtlinien der Beklagten vom Jahre, 1972 keinen Bedenken. Mit der Änderung der Richtlinien verfolgt die Beklagte nur das schon vorher in der Versorgungsordnung erkennbare Ziel weiter, die Gesamtversorgung der begünstigten Arbeitnehmer auf 75 % des durchschnittlichen Bruttogehalts der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden zu begrenzen. Schon alle früheren Fassungen der Unterstützungsrichtlinien sahen vor, daß sich die Versorgungsberechtigten ihre Sozialversicherungsrente sowie Beamtenpensionen anrechnen lassen mußten. Die Anrechnung einer Abgeordnetenpension kam ursprünglich nicht in Betracht, weil die Ruhestandssicherung der Abgeordneten erst durch das Diätengesetz vom 3. Mai 1968 (BGBl I, 334) eingeführt wurde. Erst damit ergab sich für die Bundestagsabgeordneten die Möglichkeit, neben ihrer Unterstützungskassenrente eine zusätzliche Versorgung zu erwerben. Darin lag zugleich für die Beklagte ein sachlicher Grund, ihre Anrechnungsregeln zu ergänzen und das System der Gesamtversorgung durch die Anrechnung der Abgeordnetenpensionen abzurunden.

b) Im Falle des Klägers hingegen wird die volle Anrechnung der Abgeordnetenpension der Billigkeit nicht gerecht. Die gemäß der Neufassung der Unterstützungsrichtlinien „nach näherer Bestimmung durch den Kassenvorstand” zu treffende Entscheidung berücksichtigt die konkrete Interessenlage unzulänglich, weil sie in den schon erdienten Teil der Anwartschaft des Klägers eingreift.

Als die Beklagte am 1. November 1972 ihre Anrechnungsregelung änderte, stand der Kläger seit mehr als 25 Jahren in Diensten von Trägerorganisationen der Beklagten (ÖTV und DGB). Wäre der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so wäre seine Versorgungsanwartschaft nach der Unverfallbarkeitsrechtsprechung des Senats (BAG 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt) nicht erloschen, sondern zeitanteilig nach dem Verhältnis von geleisteter und erreichbarer Dienstzeit erhalten geblieben. Dieser erdiente Teilbetrag wird jedoch durch die Neufassung der Anrechnungsklausel erheblich gekürzt. Die undifferenzierte Anwendung der Anrechnungsklausel hat für den Kläger zur Folge, daß ihm die zusätzliche Dienstzeit bis zum 31. Dezember 1974 die voll wirksam werden sollte und durch Beiträge für das volle Gehalt belegt wurde, nur schadete. Seine Betriebsrente wird bis auf den Mindestbetrag von 100,– DM monatlich aufgezehrt, weil er als Abgeordneter in den Diensten des DGB verblieb anstatt sofort auszuscheiden. Das ist mit dem Gebot der Billigkeit nicht zu vereinbaren und widerspricht den Grundsätzen, die der Senat aus Anlaß der Verfallklauseln entwickelt hat und die durch das Betriebsrentengesetz bestätigt wurden.

c) Hieraus folgt nicht, daß eine billige Entscheidung nur zu dem Ergebnis führen könnte, eine Anrechnung der Abgeordnetenpension sei gänzlich zu unterlassen. Unbillig ist nur, daß der Kassenvorstand der Beklagten die grundsätzlich sachgerechte Anrechnungsvorschrift undifferenziert auf den Kläger angewendet hat, ohne auf die damit verbundene besondere Härte Rücksicht zu nehmen. Eine billige Entscheidung muß dem Kläger aus den beiden Quellen seiner Altersversorgung Anteile erhalten, die seine fortgesetzte Betriebstreue neben der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats nicht gegenstandslos macht. Es erscheint denkbar, entsprechend dem Grundgedanken des § 2 BetrAVG die Betriebsrente anteilig zu kürzen, soweit sie auf denselben Bezugszeitraum wie die Abgeordnetenpension entfällt, dem Kläger also eine Kürzung für die Zeit vom 21. Oktober 1969 (Beginn des Mandats) bis zum 31. Dezember 1974 (Ende des Arbeitsverhältnisses) zuzumuten. Denkbar sind aber auch andere Lösungen, etwa die Erhaltung eines Grundbetrags, wie ihn das Bundesverfassungsgericht für die Witwenrente bei eigenen Versorgungsansprüchen als erforderlich ansieht (Beschluß vom 11. Oktober 1972 – 2 BvR 407/76 – BVerfGE 46, 97 = AP Nr. 112 zu Art. 3 GG, zu B II 2 der Gründe).

3. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, welche Anrechnung dem Gebot der Billigkeit entspricht. Das Berufungsgericht hat dazu keine näheren Feststellungen getroffen; es hat lediglich ausgeführt, Anhaltspunkte für eine unbillige Ermessensentscheidung des Kassenvorstandes seien nicht ersichtlich, weil für die Versorgungsobergrenze 75 % des vollen Gehalts berücksichtigt wurden, obwohl der Kläger während seiner Mandatsträgerschaft tatsächlich nur das halbe Gehalt für seine Beratertätigkeit beim DGB erhalten habe. Das ist, wie ausgeführt, eine unvollständige Würdigung. Das Berufungsgericht wird, um zu billigen Ergebnissen zu gelangen, zunächst prüfen müssen, in welcher Höhe die Anwartschaft des Klägers bei Beginn seiner Abgeordnetentätigkeit bereits erdient war. Von diesem Ausgangsbetrag muß dem Kläger mindestens ein angemessener Teil erhalten bleiben. Die Zeit, in der er zusätzlich eine Abgeordnetenpension erdiente (21. Oktober 1968 bis 31. Dezember 1974) darf dagegen mit Rücksicht auf die später eingeführte Anrechnungsklausel und das Gesamtversorgungsprinzip der Richtlinien unberücksichtigt bleiben. Weitere Hinweise kann der Senat nicht geben, weil den Parteien zunächst Gelegenheit gegeben werden muß, zu den Billigkeitserwägungen des Senats Stellung zu nehmen.

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Schaub, Griebeling, Dr. Schwarze, Grimm

 

Fundstellen

BAGE, 387

RdA 1986, 272

ZIP 1986, 862

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