Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagefrist bei Kündigung von Seeleuten während der Fahrt des Schiffes

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bleibt offen, ob die sechswöchige Klagefrist nach § 24 Abs 3 Satz 2 KSchG grundsätzlich bereits mit der Ankunft des Besatzungsmitglieds eines Seeschiffes in Deutschland beginnt, wenn ihm während der Fahrt des Schiffes gekündigt wird und er zurückkehrt, bevor das Schiff einen deutschen Hafen oder Liegeplatz erreicht. Auch bei einer Restriktion des Gesetzes kann die Klagefrist in jedem Falle frühestens an dem Tag der tatsächlichen Ankunft des Seemanns beginnen, und zwar auch dann, wenn er aus privaten Gründen (zB wegen Urlaubs) später nach Deutschland zurückkehrt als ihm möglich gewesen wäre.

 

Normenkette

BGB § 242; SeemG § 63; KSchG § 24 Fassung 1969-08-25

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 12.11.1984; Aktenzeichen 2 Sa 98/84)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.07.1984; Aktenzeichen S 1 Ca 375/82)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit dem 7. Dezember 1979 bei der Beklagten, einer Reederei mit dem Sitz in S, Kreis S, auf deren Motorschiff "Jan-Wilhelm" als Matrose beschäftigt. Seine monatliche Heuer betrug zuletzt 1.850,-- DM brutto nebst Zulagen.

Als das Schiff auf einer Reise im Hafen von Houston in Texas lag, sprach der Kapitän mit zwei Schreiben vom 19. März 1982 eine fristlose sowie vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 20. März 1982 aus. Beide Schreiben wurden dem Kläger am 19. März 1982 um 16.30 Uhr Ortszeit übergeben. Die fristlose Kündigung wurde auf § 64 Abs. 1 Nr. 3 SeemG gestützt und damit begründet, der Kläger habe seine Pflichten aus dem Heuerverhältnis beharrlich und in besonders grober Weise verletzt.

Der Kläger erhielt von der Beklagten für die Rückreise ein Flugticket ab Houston nach Hamburg über London und Amsterdam. Die Flugkosten zog die Beklagte von seiner Restheuer ab. Der Kläger flog noch am 19. März 1982 von Houston ab. In Amsterdam unterbrach er die Reise und blieb dort bis 1. April 1982. An diesem Tag fuhr er weiter zu seinen Eltern nach L. Das Motorschiff "Jan-Wilhelm" lief nach Ausspruch der Kündigung erstmals wieder am 9. Dezember 1982 einen deutschen Hafen an.

Mit der am 12. Mai 1982 zu Protokoll des Arbeitsgerichts Hannover erhobenen und schließlich an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigungen gewandt. Er ist der Ansicht, daß für die fristlose Kündigung kein Grund vorgelegen habe und die vorsorgliche ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Er hat demgemäß beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19. März 1982 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die fristlose Kündigung gelte als wirksam, weil die Klage nicht fristgerecht gemäß §§ 4, 24 Abs. 3 KSchG erhoben worden sei. Die sechswöchige Klagefrist des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG beginne bei Kündigungen während einer Schiffsreise grundsätzlich mit der Ankunft des Seemanns in der Bundesrepublik, sofern das Schiff erst später einen deutschen Hafen erreiche. Im vorliegenden Fall sei allerdings weiter zu berücksichtigen, daß der Kläger die Ankunft in Deutschland aus privaten Gründen durch den Aufenthalt in Amsterdam verzögert habe. Er müsse sich deshalb so behandeln lassen, als ob er spätestens am 20. März 1982 in Deutschland eingetroffen sei. Die am 12. Mai 1982 erhobene Klage sei somit verspätet.

Der Kläger hat geltend gemacht, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Klagefrist mit der erstmaligen Ankunft des Schiffes in einem deutschen Hafen beginne, wenn die Kündigung während der Fahrt ausgesprochen werde. Er habe den Aufenthalt in Amsterdam zu einem Kurzurlaub nutzen dürfen, nachdem er die Flugkosten selbst bezahlt habe.

Beide Vorinstanzen haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, sie sei verspätet erhoben worden.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Kündigungsschutzklage ist entgegen der Ansicht beider Vorinstanzen rechtzeitig erhoben worden.

I. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 KSchG finden die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich auch auf Arbeitsverhältnisse der Besatzung von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen Anwendung. Die Absätze 2 bis 5 enthalten jedoch gewisse durch die Besonderheiten der Schiffahrt und des Luftverkehrs bedingte Sonderregelungen. In Abweichung von § 4 KSchG ist nach der Sondervorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Kündigungsschutzklage binnen drei Wochen, nachdem das Besatzungsmitglied zum Sitz des Betriebes zurückkehrt, zu erheben, spätestens jedoch binnen sechs Wochen nach Zugang der Kündigung. Wird die Kündigung während der Fahrt des Schiffes oder des Luftfahrzeuges ausgesprochen, so beginnt nach der Ausnahmebestimmung des Satzes 2 die Sechs-Wochen-Frist nicht vor dem Tag, an dem das Schiff oder das Luftfahrzeug einen deutschen Hafen oder Liegeplatz erreicht.

Wendet man § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG nach seinem Wortlaut auf den vorliegenden Fall an, so ist die Klage am 12. Mai 1982 rechtzeitig erhoben worden. Dem Kläger wurde als Mitglied einer Schiffsbesatzung während der Fahrt des Schiffes gekündigt. Das Schiff hat nach Ausspruch der Kündigung am 19. März 1982 erstmals am 9. Dezember 1982 einen deutschen Hafen erreicht. Erst von diesem Zeitpunkt an hätte die sechswöchige Klagefrist zu laufen begonnen.

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG müsse seinem Sinn und Zweck entsprechend dahin ausgelegt werden, daß für den Beginn der sechswöchigen Klagefrist auch bei einer während der Fahrt des Schiffes ausgesprochenen Kündigung das Eintreffen des gekündigten Besatzungsmitglieds in Deutschland der Ankunft des Schiffs in einem deutschen Hafen gleichstehe, wenn die Heimreise in anderer Weise als mit dem Schiff der Dienstleistung erfolge. Der Senat läßt offen, ob diese Würdigung zutrifft.

1. Im Schrifttum wird die Ansicht des Berufungsgerichts von Bemm/Lindemann (SeemG, § 62 Rz 46) und Herschel/Löwisch (KSchG, 6. Aufl., § 24 Rz 10) vertreten. Dagegen stellen Hueck (KSchG, 10. Aufl., § 24 Rz 5), KR-Becker (2. Aufl., § 24 KSchG, Rz 28), Rohlfing/Rewolle/Bader (KSchG, Stand Juni 1982, § 24, Anm. 6) ohne Einschränkung auf die erstmalige Ankunft des Schiffes der Dienstleistung in einem deutschen Hafen ab, wenn die Kündigung während der Fahrt ausgesprochen worden ist.

2. Der Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist eindeutig. Jedoch könnte eine teleologische Reduktion ihres Inhalts für den Fall erwogen werden, daß das Besatzungsmitglied vor Ankunft des Schiffes in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt.

a) Die Sondervorschrift des § 24 Abs. 3 KSchG (§ 22 Abs. 3 KSchG a. F.) soll nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. I/2090, zu § 22 KSchG) sicherstellen, daß trotz der Erschwerung der Rechtsverfolgung, die sich aus den besonderen Verhältnissen der Schiffahrt und des Luftverkehrs ergeben kann, den Besatzungsmitgliedern genügend Zeit bleibt, um die für die Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlichen Schritte zu unternehmen. Deshalb gilt nach Satz 1 Halbsatz 1 die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG für Besatzungsmitglieder nur dann, wenn sie zum Sitz des Betriebes zurückkehren. Kehrt das Besatzungsmitglied jedoch an einen anderen Ort im Inland zurück, so ist die Klage nach Satz 1 Halbsatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Durch diese Regelung soll verhindert werden, daß das Besatzungsmitglied seine persönliche Rückkehr ins Inland verzögert und dadurch die Klagefrist unangemessen lange hinausschiebt (KR-Becker, aaO, Rz 27). Eine Ausnahme von der Anknüpfung an den Zugang der Kündigung für die Berechnung der Sechs-Wochen-Frist enthält Satz 2, wenn die Kündigung während der Fahrt des Schiffes erklärt wird; die Frist beginnt dann nicht vor dem Tag der Ankunft des Schiffes in einem deutschen Hafen zu laufen.

Der Gesetzgeber ist bei dieser Ausnahmeregelung erkennbar davon ausgegangen, daß das Besatzungsmitglied grundsätzlich nicht selbst den Zeitpunkt der Rückkehr ins Inland bestimmen kann und ihm deshalb die Rechtsverfolgung vor den deutschen Gerichten unbillig erschwert würde, wenn gleichwohl die Klagefrist mit dem Zugang der Kündigung begänne. Dem entspricht die materiell- rechtliche Ausgangslage nach der ordentlichen Kündigung des Heuerverhältnisses. Nach § 63 Abs. 3 SeemG in der vor Inkrafttreten des Dritten Änderungsgesetzes vom 1. März 1983 (BGBl I, 215) geltenden Fassung setzte sich nach ordentlicher Kündigung durch den Reeder oder das Besatzungsmitglied das Heuerverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zur Ankunft des Schiffes in einem Hafen im Geltungsbereich des Grundgesetzes fort, höchstens jedoch auf die Dauer von sechs Monaten. Diese Vorschrift sollte den Reeder davor schützen, daß ein Besatzungsmitglied nach eigener Kündigung im Ausland von Bord geht und das Schiff dann unterbesetzt ist. Sie soll aber zum anderen auch den Seemann davor bewahren, daß sein Heuerverhältnis nach einer Kündigung durch den Reeder zu einer Zeit endet, in der das Schiff nicht in einem deutschen Hafen liegt und es deshalb schwieriger für ihn ist, zugleich auf einem anderen deutschen Schiff anzuheuern. Außerdem soll der Seemann davor geschützt werden, die Rückreise nach Deutschland selbst, unter Umständen noch mit eigenen finanziellen Mittel durchführen zu müssen (BAG Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 553/75 - AP Nr. 4 zu § 63 SeemG). Bei außerordentlicher Kündigung durch den Reeder nach § 65 SeemG oder durch den Seemann nach § 67 SeemG hat der Seemann gemäß § 72 SeemG einen Rückbeförderungsanspruch gegen den Reeder. Bei fristloser Kündigung durch den Reeder nach § 64 SeemG besteht ein solcher Anspruch nicht. Der Reeder darf den Seemann jedoch nach § 71 SeemG grundsätzlich nicht an einem Ort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zurücklassen.

b) Anders ist jedoch die Ausgangslage, wenn das Besatzungsmitglied vor der Ankunft des Schiffes auf andere Weise, insbesondere mit einem anderen Schiff, mit einem Flugzeug oder auf dem Landwege nach Deutschland zurückkehrt. Dieser Fall tritt im modernen Schiffsverkehr häufiger ein, da die Zahl der Schiffe, die monate- oder jahrelang keinen deutschen Hafen mehr anlaufen, ständig zunimmt (Fettback, Anm. zu AP Nr. 4 zu § 63 SeemG). Dem Seemann ist es dann möglich, bereits vor der Rückkehr seines Schiffes sein Klagerecht in Deutschland wahrzunehmen. Dies läßt den Gedanken aufkommen, insoweit eine verdeckte Regelunglücke anzunehmen, die durch teleologische Reduktion dahin zu schließen ist, daß die Sechs-Wochen-Frist bereits mit der Ankunft des Seemanns in Deutschland beginnt. In ähnlicher Weise hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 15. März 1973 - 2 AZR 255/72 - = AP Nr. 3 zu § 63 SeemG) die bereits erwähnte materiell-rechtliche Vorschrift des § 63 Abs. 3 SeemG a. F. einschränkend ausgelegt und aufgrund einer Restriktion angenommen, das Heuerverhältnis setze sich nach ordentlicher Kündigung durch den Reeder bei vorzeitiger Einreise des Besatzungsmitglieds nach Deutschland nur bis zu diesem Zeitpunkt fort, sofern der Reeder für eine angemessene und kostenfreie Rückbeförderung sorge. Denn in diesem Fall ist es dem Seemann - ebenso wie bei einer Rückreise mit dem Schiff selbst - möglich, umgehend wieder auf einem deutschen Schiff anzuheuern. Der Ansicht von Hueck (aaO), im Gegensatz zu § 63 Abs. 3 SeemG a. F. stehe bereits der Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG einer Gleichsetzung der Ankunft des Seemanns mit der des Schiffes in Deutschland entgegen, kann nicht beigepflichtet werden. Nach seinem Wortlaut war auch § 63 Abs. 3 SeemG a. F. eindeutig. Allein deshalb verbietet sich keine teleologische Reduktion, da eine verdeckte Regelungslücke gerade dann vorliegt, wenn eine Norm entgegen ihrem Wortsinn, aber gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 375).

3. Es lassen sich jedoch auch beachtliche Gründe gegen eine solche einschränkende Auslegung des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG anführen. Auch zur Zeit der Entstehung des KSchG bestand nach der Entwicklung des Luft- und Schiffsverkehrs die Möglichkeit einer Rückbeförderung des gekündigten Seemanns nach Deutschland vor der Rückkehr seines Schiffes. Es ist deshalb nicht ohne weiteres auszuschließen, daß der Gesetzgeber diese Möglichkeit bedacht und trotzdem den Beginn der Klagefrist von dem als Regeltatbestand angesehenen Eintreffen des Schiffes abhängig machen wollte. Er hat auch die weitere Entwicklung des Schiffsverkehrs nicht zum Anlaß einer Änderung dieser Verfahrensnorm genommen, andererseits jedoch durch das Dritte Änderungsgesetz des Seemannsgesetzes (aa0) die materiell-rechtliche Vorschrift des § 63 Abs. 3 SeemG dem Grundgedanken des Senatsurteils vom 15. März 1973 (aa0) entsprechend geändert. Diese Umstände könnten gegen die Annahme einer von Anfang an bestehenden oder später entstandenen planwidrigen Unvollkommenheit der gesetzlichen Regelung der Klagefrist im Fall der vorzeitigen Heimkehr des Seemanns sprechen.

III. Die vorstehend erörterte Streitfrage braucht jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht abschließend beantwortet zu werden. Auch wenn unterstellt wird, die Klagefrist habe schon mit der Ankunft des Klägers in Deutschland am 1. April 1982 begonnen, endete sie am 13. Mai 1982 und wurde durch die am 12. Mai 1982 erhobene Klage gewahrt. Denn der weitergehenden Ansicht des Berufungsgerichts, wegen der Unterbrechung der Rückreise in Amsterdam müsse für die Berechnung der Klagefrist von dem Tag, an dem der Kläger ohne diesen Aufenthalt in Deutschland eingetroffen wäre, und damit spätestens vom 20. März 1982 ausgegangen werden, kann nicht gefolgt werden.

1. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Aufenthalt in Amsterdam sei privater Natur gewesen. Die in § 24 Abs. 3 KSchG angesprochene Rückkehr des Seemanns nach Deutschland beziehe sich aber auf eine Reise im Dienste der Reederei und umfasse somit nur die mit dem Einsatz auf einem Schiff verbundene An- und Abreise. Diese Einschränkung entspreche auch dem Sinn und Zweck der Sonderregelung, den wegen seiner Tätigkeit auf einem Schiff ortsabwesenden Arbeitnehmer nicht an die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zu binden, weil deren Einhaltung gerade wegen der Abwesenheit erschwert oder unmöglich gemacht werde. Der Kläger habe überdies selbst nach seinem Aufenthalt in Amsterdam noch ausreichend Zeit gehabt, die Kündigungsschutzklage rechtzeitig zu erheben.

2. Eine so weitgehende Einschränkung der Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist jedenfalls auch bei der Annahme einer Regelungslücke nicht zulässig. Der Gesetzgeber hat sowohl in § 4 als auch in § 24 KSchG für den Beginn der Klagefrist auf objektiv bestimmte oder jedenfalls bestimmbare Tatbestände wie den Zugang der Kündigung oder die Ankunft des Schiffes in einem deutschen Hafen angeknüpft. In diesem Rahmen würde sich noch die Auslegung halten, bei Ankunft des Seemanns in Deutschland auf diesen Zeitpunkt für die Fristberechnung abzustellen. Dagegen widerspricht es der Gesamtregelung, die Wahrung der Klagefrist noch von weiteren, zu Abgrenzungs- und Auslegungsschwierigkeiten führenden Tatbeständen wie dem dienstlichen oder privaten Anlaß der Rückreise und ihrer Dauer abhängig zu machen. Im Regelfall tritt für den Reeder hierdurch auch keine unzumutbare Ungewißheit darüber ein, ob seine Kündigung noch durch Klage angefochten wird. Denn der im Ausland entlassene und nach Deutschland zurückkehrende Seemann wird sich normalerweise keinen längeren Aufenthalt zu privaten Zwecken im Ausland leisten können. Heuert er im Ausland auf einem anderen Schiff an und kehrt nicht nach Deutschland zurück, beginnt die Klagefrist ohnehin erst mit der Ankunft des Schiffes seines früheren Reeders in Deutschland.

Verzögert der Seemann aus privaten Gründen die Rückreise nach Deutschland ungewöhnlich lange, kann das Klagerecht nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 242 BGB verwirken. Hierfür müssen aber neben der zeitlichen Verzögerung noch weitere Umstände hinzukommen (Umstandsmoment). Der Inhaber des Rechts muß durch sein Zuwarten bei dem Anspruchsgegner die Erwartung hervorgerufen haben, der Vertragspartner werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Der Gegner muß sich ferner verständlicherweise darauf eingestellt haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Schließlich muß dem Gegner die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nun nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein (BAG Urteil vom 28. Juli 1960 - 2 AZR 105/59 - AP Nr. 17 zu § 242 BGB Verwirkung, Bl. 2 R, m.w.N.). Hierfür hat im vorliegenden Fall die Beklagte nichts Erhebliches vorgetragen. Geht man von dem 20. März 1982 als dem möglichen Ankunftstag des Klägers in Deutschland für die Fristberechnung aus, so mußte sich die Beklagte bis zum 3. Mai 1982 (der letzte Tag der Sechs-Wochen-Frist, der 1. Mai 1982, war ein Feiertag) ohnehin auf eine Klageerhebung einrichten. Sie hat zumindest nichts dafür vorgetragen, daß ihr eine Verzögerung um neun Tage nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten gewesen sei.

IV. Da die Klage somit rechtzeitig erhoben worden ist, muß das Berufungsgericht prüfen, ob die fristlose Kündigung der Beklagten wirksam ist. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Mauer Dr. Wolter

 

Fundstellen

RdA 1986, 139

RzK, I 10c Nr 10 (LT1)

AP § 24 KSchG 1969 (LT1), Nr 1

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