Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertraglicher Zuschuß zum Kurzarbeitergeld

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 5 Nr. 3 Buchst. a des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie haben Angestellte in gekündigtem Arbeitsverhältnis, die Kurzarbeitverfahren müssen, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld, wenn das Arbeitsverhältnis vor Einführung der Kurzarbeit vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer aus welchen Gründen auch immer gekündigt wurde. Diese Tarifbestimmung verstößt jedenfalls insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als sie den Arbeitnehmern keinen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld einräumt, die bereits vor Einführung von Kurzarbeit einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Auch diesen Arbeitnehmern steht der Zuschuß zum Kurzarbeitergeld zu.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 31.08.1994; Aktenzeichen 5 Sa 1017/93)

ArbG München (Urteil vom 27.10.1993; Aktenzeichen 13 Ca 14815/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 31. August 1994 – 5 Sa 1017/93 – aufgehoben, soweit es auf die Berufungen der Beklagten die Klagen der Kläger zu 1. bis 5. abgewiesen hat.

2. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts München vom 27. Oktober 1993 – 13 Ca 9548/93, 9549/93, 9550/93, 9551/93 und 14815/93 – werden zurückgewiesen.

3. Von den erst- und zweitinstanzlichen Gerichtskosten haben der Kläger zu 6. 1/7 und die Beklagte 6/7 zu tragen. Von den erst- und zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten hat der Kläger zu 6. 1/7 zu tragen, die der Kläger zu 1. bis 5. hat die Beklagte voll zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre erst- und zweitinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst. Im Revisionsverfahren hat der Kläger zu 6. 1/35 der Gerichtskosten, die eigenen außergerichtlichen Kosten und von den bis zu seiner Revisionsrücknahme angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten 1/7 zu tragen. Die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die in der Revisionsinstanz verbliebenen Kläger zu 1. bis 5. (im folgenden: Kläger) Anspruch auf Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld nach § 5 Nr. 3 des kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) haben. Dort heißt es:

„Angestellte in gekündigtem Arbeitsverhältnis, die Kurzarbeitverfahren müssen, erhalten

  1. wenn das Arbeitsverhältnis vor Einführung der Kurzarbeit gekündigt wurde, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  2. wenn das Arbeitsverhältnis während der Kurzarbeit gekündigt wurde, innerhalb der tariflichen Kündigungsfrist

einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld. Der Zuschuß ist so bemessen, daß einschließlich des Kurzarbeitergeldes ein Verdienst erreicht wird, der dem der regelmäßigen Arbeitszeit entspricht.”

Die tarifvertragliche Anmerkung zu § 5 Nr. 3 MTV lautet:

„Die Bestimmungen gelten auch, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Angestellten gekündigt wurde.”

Bei den Klägern handelt es sich um fünf ältere Arbeitnehmer. Sie schlossen zwischen dem 25. Juni 1991 und dem 4. Februar 1992 mit der Beklagten auf der Grundlage der sog. 58er Regelung entsprechend der Betriebsvereinbarung vom 1. Juli 1990 aus Rationalisierungsgründen und auf Veranlassung des Arbeitgebers im wesentlichen gleichlautende Aufhebungsverträge. Darin vereinbarten sie eine Beendigung der jeweiligen Arbeitsverhältnisse zwischen dem 31. März 1994 und dem 31. März 1996 sowie die Zahlung von Abfindungen zwischen 73.000,– DM und 120.000,– DM.

Die Beklagte führte in ihrem Produktbereich Militärflugzeuge in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 30. September 1993 Kurzarbeit durch. Das Arbeitsamt hatte zuvor festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt seien.

Die Kläger nahmen in unterschiedlichem Umfang an der Kurzarbeit teil, erhielten aber keinen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld. Hiergegen haben sie sich mit ihren Klagen gewandt und von der Beklagten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld in rechnerisch unstreitiger Höhe verlangt.

Die Kläger sind der Auffassung, der Anspruch ergebe sich aus § 5 Nr. 3 MTV, der entweder erweiternd ausgelegt oder analog angewendet werden müsse. Jedenfalls müßten auch Arbeitnehmer den Zuschuß zum Kurzarbeitergeld erhalten, die aufgrund eines arbeitgeberseitig veranlaßten Aufhebungsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Der Anspruch ergebe sich im übrigen auch aus einer Gesprächsnotiz des Mitarbeiters Biermeier der Beklagten vom 2. Februar 1993 über ein Gespräch vom 1. Februar 1993 mit dem für die Einführung von Kurzarbeit bei der Beklagten zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitsamtes. In dieser auch dem Betriebsrat zugeleiteten Gesprächsnotiz heißt es unter Nr. 4:

„Mitarbeiter in Kurzarbeit und in gekündigtem Zustand (egal ob Eigenkündigung, Aufhebungsvertrag usw.) erhalten bis zum Austritt einen vom Arbeitgeber zu zahlenden Ausgleich zwischen bisherigem Netto und verkürztem Gehalt plus Kurzarbeitergeld. Unser Gehaltsbüro ist darauf vorbereitet.”

In ursprünglich getrennten Rechtsstreitigkeiten haben die Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. an den Kläger F. 655,66 DM netto,
  2. an den Kläger Fl. 879,96 DM netto,
  3. an den Kläger J. 1.555,81 DM netto,
  4. an den Kläger Dr. K. 3.012,40 DM netto nebst 4 % Zinsen aus 1.401,88 DM seit dem 15. Juli 1993,
  5. an den Kläger T. 1.278,49 DM netto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie ist der Auffassung, § 5 Nr. 3 MTV habe einen eindeutigen Wortlaut. Er regele bewußt den Fall nicht, daß ein aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheidender Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen werde. Damit scheide sowohl eine entsprechende Auslegung, als auch eine analoge Anwendung des § 5 Nr. 3 MTV aus. Auch aus der Gesprächsnotiz vom 2. Februar 1993 könnten die Kläger nichts für sich herleiten. Keiner der Kläger habe persönlich eine entsprechende Zusage erhalten.

Das Arbeitsgericht hat den ursprünglich sechs Klagen entsprochen. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen. Mit ihrer Revision streben die Kläger zu 1. bis 5. die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Urteile an. Der Kläger zu 6. hat seine Revision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Kläger Anspruch auf Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld. Dieser Anspruch folgt aus § 5 Nr. 3 MTV in Verb. mit Art. 3 Abs. 1 GG.

I. Der Anspruch der Kläger ergibt sich allerdings nicht allein aus dem Tarifvertrag. Die aufgrund von Aufhebungsverträgen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Kläger sind aus dem Kreis der von § 5 Nr. 3 MTV Begünstigten ausgeschlossen. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen.

§ 5 Nr. 3 MTV gibt nur solchen Arbeitnehmern einen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung, also einer einseitigen Gestaltungserklärung, endet. Dabei ist es nach der tarifvertraglichen Anmerkung zu § 5 Nr. 3 MTV ohne Bedeutung, ob die Kündigung durch den Arbeitgeber oder den ausscheidenden Arbeitnehmer selbst ausgesprochen wurde. Mit dieser Anmerkung haben die Tarifvertragsparteien zugleich deutlich gemacht, daß sie das Wort „gekündigt” im rechtstechnischen Sinne und nicht als Oberbegriff für alle, auch einvernehmliche, Formen der Vertragsbeendigung verwandt haben. Anderenfalls hätte es nahegelegen, einen solchen atypischen Wortsinn zumindest in der Anmerkung zum Normtext deutlich zu machen.

Auch die übrigen Regelungen des Manteltarifvertrages enthalten keine Hinweise darauf, daß die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die aufgrund von Aufhebungsverträgen ausscheiden, ebenso behandeln wollen wie solche, deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung endet.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt § 5 Nr. 3 MTV jedoch zumindest bei Fallgestaltungen, wie sie hier vorliegen, gegen Art. 3 Abs. 1 GG, § 5 Nr. 3 MTV räumt Arbeitnehmern in gekündigten Arbeitsverhältnissen einen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld ein, unabhängig davon, von wem und aus welchen Gründen gekündigt wurde. Dagegen sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines Aufhebungsvertrages endet, generell von dieser Leistung ausgenommen. Dafür gibt es jedenfalls dann keine einleuchtenden Gründe, wenn die Aufhebungsverträge wie hier vor der Einführung von Kurzarbeit abgeschlossen worden sind.

1. Die Gerichte für Arbeitssachen haben Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbes. gegen das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen (BAGE 22, 252, 267 = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3 b der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, zu II 3 der Gründe). Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht (BVerfGE 21, 362, 372 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO, zu B II 3 der Gründe). Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Mit der Tarifautonomie ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, wie ein Gesetzgeber Rechtsnormen zu schaffen. Dementsprechend müssen sie sich auch wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – NZA 1996, 48, 50, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

2. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden (BVerfGE 25, 198, 205; 25, 314, 321; 31, 101, 109; 36, 321, 338; 40, 65, 85; 49, 280, 283). Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe einen Leistungsanspruch vorzuenthalten, der der anderen Gruppe eingeräumt worden ist (st. Rechtspr. des BAG, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – zu II 2 a der Gründe, m.z.w.N., zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Einer derartigen Überprüfung hält die in § 5 Nr. 3 MTV getroffene Differenzierung nicht stand.

a) Der Zweck des von den Tarifvertragsparteien in § 5 Nr. 3 MTV begründeten Anspruchs auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß Kurzarbeit durchgeführt wird, um trotz vorübergehenden Arbeitsausfalls möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten (vgl. § 63 Abs. 1 AFG). Den Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz auf diese Weise gesichert werden soll, kann zugemutet werden, hierfür zeitweise die mit der Kurzarbeit verbundenen Einbußen beim laufenden Arbeitsentgelt hinzunehmen. Die Arbeitsplatzsicherung kommt aber den von § 5 Nr. 3 MTV erfaßten Personen nicht zugute. § 5 Nr. 3 MTV hat damit den Sinn, die Arbeitnehmer vor der zeitweisen Einkommenseinbuße zu bewahren, für die der mit der Kurzarbeit verbundene Vorteil nicht zum Tragen kommt, weil ihr Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bereits feststeht.

b) Bei diesem Leistungszweck ist kein Grund dafür erkennbar, warum Arbeitnehmer in einem gekündigten Arbeitsverhältnis unabhängig davon, wer gekündigt hat und aus welchem Grund gekündigt wurde, einen Anspruch auf den Zuschuß haben, während Arbeitnehmer von der Leistung ausgenommen sind, bei denen das bevorstehende Ausscheiden aufgrund eines Aufhebungsvertrages feststeht.

(1) Eine Gruppenbildung allein nach der rechtsgeschäftlichen Form der Vertragsbeendigung wäre allenfalls dann sachlich zu rechtfertigen, wenn die Tarifvertragsparteien nur das Einkommen solcher Arbeitnehmer während der Kurzarbeit hätten sichern wollen, bei denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein auf eine Entscheidung des Arbeitgebers zurückgeht. Eine solche Anspruchsbeschränkung streben die Tarifvertragsparteien aber nicht an. Sie räumen den Anspruch auf den Zuschuß auch den Arbeitnehmern ein, die ihr Arbeitsverhältnis aus eigenem Antrieb selbst gekündigt haben.

(2) Die vom Landesarbeitsgericht angesprochene Möglichkeit, im Rahmen eines ausgehandelten Aufhebungsvertrages einen ausgewogenen Ausgleich auch für Einkommenseinbußen bei der Durchführung von Kurzarbeit vereinbaren zu können, mag es rechtfertigen, Arbeitnehmer, die nach Einführung von Kurzarbeit einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszuschließen. Hier können die Tarifvertragsparteien möglicherweise bei einer typisierenden Betrachtung davon ausgehen, daß die mit der Kurzarbeit einhergehenden Verdienstminderungen bei den Aufhebungsverhandlungen erörtert und im Ergebnis berücksichtigt werden. Dies kann jedoch dahinstehen. Jedenfalls bei Aufhebungsverträgen, wie sie die Kläger abgeschlossen haben, ist eine solche Betrachtung nicht gerechtfertigt. Werden Aufhebungsverträge vor Einführung von Kurzarbeit und ohne erkennbaren Zusammenhang mit ihr abgeschlossen, besteht für die Vertragsparteien kein Anlaß, sich abstrakt mit Einkommenseinbußen im Zusammenhang mit Kurzarbeit zu befassen. Es kann deshalb auch nicht davon ausgegangen werden, daß derartige Verdienstausfälle bereits im Rahmen des Aufhebungsvertrages berücksichtigt worden sind. Dem haben die Tarifvertragsparteien Rechnung zu tragen, die im übrigen, wie die Regelung in § 5 Nr. 3 Buchst. a und b MTV zeigt, die Möglichkeit einer differenzierten Regelung gesehen haben, je nachdem, ob der Vertragsbeendigungstatbestand vor oder während der Einführung von Kurzarbeit eingetreten ist.

(3) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien mit ihrer Gruppenbildung in § 5 Nr. 3 MTV nur solche Arbeitnehmer begünstigen wollten, deren Existenzsicherung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ungeklärt ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Begünstigung der Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, deutlich gemacht, daß für sie die Existenzsicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein entscheidender Gesichtspunkt ist. Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst kündigen, haben typischerweise ein neues Arbeitsverhältnis als Grundlage für ihre weitere Existenzsicherung (vgl. BAG Urteil vom 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 –, zur Veröffentlichung bestimmt, zu III 2 a der Gründe, m.w.N.).

(4) Ebensowenig haben die Tarifvertragsparteien bei ihrer Gruppenbildung darauf abgestellt, ob die Vertragsbeendigung typischerweise mit der Zahlung einer Abfindung verbunden ist. Wäre es den Tarifvertragsparteien hierauf angekommen, hätten sie auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch eine unter einen Sozialplan fallende Kündigung beendet wird, aus dem Kreis der von § 5 Nr. 3 MTV Begünstigten ausgeschlossen. Es kommt deshalb im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage nicht darauf an, ob die Aufhebungsverträge so, wie dies bei den Klägern der Fall ist, die Zahlung einer erheblichen Abfindung vorsehen.

(5) Die Zeit, die zwischen dem Beendigungstatbestand, und der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt, ist nach dem im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Tarifvertragsparteien für die Anspruchsberechtigung ohne Bedeutung. Die Tarifvertragsparteien haben in § 5 Nr. 3 Buchst. a MTV für die Anspruchsberechtigung nicht darauf abgestellt, mit welcher Frist das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist. Es ist deshalb auch ausgeschlossen, Arbeitnehmer, die mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag mit langer Auslauffrist vereinbart haben, aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten auszunehmen.

III. Der Verstoß von § 5 Nr. 3 MTV gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG führt nicht zur Nichtigkeit der Bestimmung insgesamt, sondern nur zu deren Unwirksamkeit, soweit sie Arbeitnehmer aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausschließt, die vor Einführung von Kurzarbeit einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. § 5 Nr. 3 MTV enthält auch ohne diesen stillschweigenden Anspruchsausschluß eine sinnvolle, in sich geschlossene und dem Normzweck entsprechende Regelung. Angesichts ihrer sozialpolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung muß angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien nicht auf die Zuschußregelung insgesamt verzichtet hätten, wenn sie erkannt hätten, daß der Anspruchsausschluß zu Lasten der Arbeitnehmer, die aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheiden, gleichheitswidrig ist.

Vor Einführung von Kurzarbeit gekündigte Arbeitnehmer haben demnach aufgrund einer rechtswirksamen Regelung einen Zuschußanspruch erlangt. Damit läßt sich die von Verfassungs wegen gebotene Gleichbehandlung für die Vergangenheit nur dadurch herstellen, daß die Kläger als Angehörige der vom Manteltarifvertrag zu Unrecht von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossenen Arbeitnehmergruppe den geltend gemachten und der Höhe nach unstreitigen Zuschußanspruch nach Maßgabe des Tarifvertrages haben. Die Tarifvertragsparteien sind zwar nicht gehindert, für die Zukunft eine Gleichbehandlung auf einer niedrigeren Ebene herbeizuführen. Für die in der Vergangenheit liegenden Kurzarbeitsperioden müssen die Kläger aber so behandelt werden, als hätten sie in diesem Zeitraum in einem gekündigten Arbeitsverhältnis gestanden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1, 566, 515 Abs. 3 ZPO.

 

Unterschriften

Kremhelmer, Böck, Bepler, Kaiser, Hofmann

 

Fundstellen

NZA 1996, 778

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