Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Weiterbildungskosten aufgrund Tarifvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ein Anspruch auf Rückzahlung der Weiterbildungskosten nach Nr. 7 SR 2a BAT kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers weitergebildet worden ist.
  • Im Rahmen des Personalbedarfs wird ein Arbeitnehmer nur ausgebildet, wenn beim Arbeitgeber innerhalb des Bindungszeitraums wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, die mit einer Höhergruppierung verbunden sind und für die eine durch die Weiterbildung erlangte Qualifikation vorausgesetzt wird. Es reicht nicht aus, daß der Arbeitgeber lediglich eine allgemeine Qualifizierung seines Fachpersonals erreichen will.
  • Liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rückzahlung von Weiterbildungskosten nach Nr. 7 SR 2a BAT vor, ist nicht zusätzlich zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer ein beruflicher Vorteil erwachsen ist.
 

Normenkette

BAT SR 2a Nr. 7; GG Art. 12; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.1995; Aktenzeichen 14 Sa 1702/94)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen 1 Ca 2434/94)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen Teil der Kosten ihrer Weiterbildung zur Operations-Fachkrankenschwester an die Klägerin zurückzuzahlen.

Die 1957 geborene Beklagte erlernte den Beruf der Krankenschwester. Seit Oktober 1977 war sie als Operationsschwester tätig. In der Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 30. September 1993 war sie als Krankenschwester in der Zentralen Operationsabteilung des Krankenhauses G… der Klägerin beschäftigt. Nach § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Die Beklagte war bei der Klägerin zunächst in die VergGr. Kr. V BAT eingruppiert; ab 1. August 1989 war sie im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. Kr. VI Fallgr. 19 (BAT) höhergruppiert.

Auf Veranlassung der Klägerin nahm die Beklagte in der Zeit vom 1. April 1990 bis zum 31. März 1992 berufsbegleitend an einem Weiterbildungslehrgang zur Krankenschwester für den Operationsdienst teil. Hierüber hatten die Parteien am 1. April 1990 eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag getroffen, in welcher es u.a. heißt:

“§ 3 Die Weiterbildung findet während der Dienstzeit statt.

Der/die Lehrgangsteilnehmer(in) ist verpflichtet, an den Unterrichtsveranstaltungen teilzunehmen.

Der Jahresurlaub soll außerhalb der Unterrichtsphasen genommen werden.

§ 4 Die entstehenden Teilnahmekosten, einschließlich der notwendigen Fahrkosten für Einsätze außerhalb der Kliniken der Stadt, in Höhe von 6.250,00 DM, werden von den Kliniken übernommen.

Die/der Angestellte ist verpflichtet, den Kliniken die Aufwendungen für die Weiterbildung zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf seinen Wunsch oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Das gilt nicht, wenn die Angestellte wegen Schwangerschaft oder wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat. Zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis bzw. die Ausbildung endet:

  • während der Weiterbildung, die bis zum Beendigungstermin tatsächlich entstandenen Aufwendungen,
  • im ersten Jahr nach Abschluß der Weiterbildung die vollen Aufwendungen,
  • im zweiten Jahr nach Abschluß der Weiterbildung zwei Drittel der Aufwendungen,
  • im dritten Jahr nach Abschluß der Weiterbildung ein Drittel der Aufwendungen.

Die Beklagte bestand die abschließende Prüfung mit dem Gesamtergebnis “gut” und erhielt daraufhin die Ermächtigung, in Verbindung mit der Erlaubnis nach § 1 des Krankenpflegegesetzes die Berufsbezeichnung “Krankenschwester für den Operationsdienst (DKG)” zu führen.

Die Beklagte schied am 30. September 1993, 18 Monate nach dem Ende des Weiterbildungslehrgangs, bei der Klägerin aus und wechselte ab 1. Oktober 1993 als Krankenschwester im Operationsdienst in die St. Josefs-Krankenhaus H… GmbH. Hier wurde sie in die VergGr. Kr. VI Ziff. 1 der Anl. 2a zu den AVR-Caritas eingruppiert.

Unter Hinweis auf die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückzahlung von 4.166,67 DM, nämlich 2/3 der Weiterbildungskosten von 6.250,00 DM, auf. Die Beklagte lehnte dies ab.

Die Klägerin hat zuletzt geltend gemacht, Rechtsgrundlage für die Rückzahlungspflicht der Beklagten sei Nr. 7 Abs. 2 der Sonderregelung 2a zum BAT für Angestellte in Krankenanstalten (Nr. 7 SR 2a BAT). Diese Tarifbestimmung gelte kraft der Vereinbarung in § 2 des Arbeitsvertrags. Der Rückzahlungsvereinbarung in § 4 der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag komme keine eigenständige Bedeutung zu, sie wiederhole nur die tarifliche Rückzahlungsregelung.

Sie, die Klägerin, habe die Weiterbildung der Beklagten veranlaßt, weil sie mindestens 50 % ihres Pflegepersonals im Operationsbereich zu Fachkräften qualifizieren wolle. Als sie die Beklagte zur Weiterbildung aufgefordert habe, sei nur eine von 19 Planstellen in diesem Bereich mit einer weitergebildeten Fachkraft besetzt gewesen. Langfristig hätten diejenigen Beschäftigten besondere berufliche Perspektiven, die eine Fachweiterbildung absolviert hätten. Dies zeige sich auch an der Vergütungsstruktur des BAT. Während die nicht weitergebildete Krankenschwester im Operationsdienst erst nach sechsjähriger Bewährung in die VergGr. Kr. VI Fallgr. 19 BAT höhergruppiert werden könne, sei die Krankenschwester mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung im Operationsdienst bei entsprechendem Einsatz sogleich in die VergGr. Kr. VI Fallgr. 6a BAT eingruppiert. Ohne Bedeutung sei, daß die Beklagte die VergGr. Kr. VI (BAT) im Wege des Bewährungsaufstiegs bereits erreicht habe. Entscheidend sei, daß die Beklagte durch diese Weiterbildung eine allgemein anerkannte höhere Qualifikation erreicht habe. Dies bringe ihr auch auf dem Arbeitsmarkt Vorteile.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.166,67 DM nebst 4 % Zinsen p.a. hierauf seit dem 7. Juni 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erwidert: Rechtsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Klägerin könne nur die einzelvertragliche Vereinbarung sein. Diese habe als eine zugunsten der Beklagten abweichende Bestimmung Vorrang vor der Tarifregelung. Es bestehe kein Grund zur Rückzahlung der Fortbildungskosten. Die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme habe ihr, der Beklagten, keine neuen Kenntnisse vermittelt und auch keine beruflichen Vorteile gebracht. Die VergGr. Kr. VI BAT habe sie bereits vor der Weiterbildung erreicht gehabt; nach der Weiterbildung sei sie bei ihrer neuen Arbeitgeberin gleich hoch, nämlich in die VergGr. Kr. VI AVR-Caritas eingruppiert worden. Tatsächlich habe die Weiterbildung nur den eigenen Interessen der Klägerin gedient.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf anteilige Rückzahlung der Weiterbildungskosten.

I. Als Rechtsgrundlage für den Klageanspruch kommt allein Nr. 7 SR 2a BAT in Betracht.

1. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag oder Nr. 7 SR 2a BAT Rechtsgrundlage der Klageforderung ist; die Klageforderung scheitere daran, daß die Klägerin durch die Weiterbildung zur Operations-Fachschwester keinen geldwerten Vorteil erlangt habe. Diese Voraussetzung sei bei beiden Rechtsgrundlagen gleichermaßen zu beachten.

2. Der Senat folgt dem nicht.

a) Nr. 7 SR 2a BAT ist bereits deshalb Rechtsgrundlage für die Klageforderung, weil diese Bestimmung Teil des Bundes-Angestelltentarifvertrages ist, der seinerseits kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Parteien für das Arbeitsverhältnis galt.

Zwar sind die Parteien eines Arbeitsvertrags nicht gehindert, bei lediglich vereinbarter Geltung eines Tarifvertrags einzelne Punkte von den Bestimmungen des Tarifvertrags abweichend zu regeln; solche einzelvertraglichen Vereinbarungen haben dann als speziellere Regelungen gegenüber den allgemeinen Tarifbestimmungen Vorrang. Hier haben die Parteien aber keine abweichende Vereinbarung geschlossen. In der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag haben sie die tarifliche Regelung lediglich für den Einzelfall wiederholt. Der Vertrag beinhaltet nur, was ohnehin kraft des Tarifvertrags gilt.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist bei der Anwendung tarifvertraglicher Rückzahlungsklauseln für die Kosten von Weiterbildungsmaßnahmen nicht zu prüfen, inwieweit dem Arbeitnehmer durch die erfolgreiche Bildungsmaßnahme im Einzelfall ein geldwerter Vorteil erwachsen ist. Vielmehr besteht eine Rückzahlungspflicht bereits dann, wenn die maßgebliche tarifvertragliche Bestimmung ihrerseits einer Rechtmäßigkeitsprüfung standhält und ihre Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere ist dann nicht zusätzlich zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer im Einzelfall berufliche oder finanzielle oder geldwerte Vorteile erlangt hat. Anderes folgt auch nicht aus dem grundgesetzlichen Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Ob der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers Genüge getan ist, muß anhand der tariflichen Norm selbst geprüft werden, nicht aber (nochmals) im einzelnen Anwendungsfall (vgl. zuletzt zu Nr. 7 SR 2a BAT: BAG Urteil vom 6. September 1995 – 5 AZR 174/94 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe mit gem. Anm. zu Nr. 22 und 23, aaO, von Hoyningen-Huene).

II. Dessen ungeachtet erweist sich das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO).

1. Nr. 7 SR 2a BAT, vgl. auch Nr. 7 SR 2a BG-AT und Nr. 7 SR 2a Kn-AT, verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht. Das hat der Senat in seinen Urteilen vom 6. September 1995 näher begründet (– 5 AZR 174/94 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe ≪mit gem. Anm. zu Nr. 22 und 23, aaO, von Hoyningen-Huene≫ sowie – 5 AZR 172/94 –, – 5 AZR 618/94 – und – 5 AZR 744/94 –, alle n.v.). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

2. Nr. 7 Abs. 1 SR 2a BAT setzt neben der Veranlassung durch den Arbeitgeber voraus, daß die Fort- oder Weiterbildung “im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers” vorgenommen wurde.

“Im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers” erfolgt die Fort- und Weiterbildung, wenn beim Arbeitgeber innerhalb des Bindungszeitraumes von drei Jahren (Abs. 2 Unterabs. 2 Nr. 7 SR 2a BAT) wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung zu erwerbende Qualifikation Voraussetzung ist. Auch insoweit wird auf die Urteile des Senats vom 6. September 1995 Bezug genommen. Dabei ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, mehr Arbeitnehmer weiterzubilden als Stellen sicher zu besetzen sein werden. Dies ist schon deshalb geboten, weil auch mit dem Ausscheiden weitergebildeten Personals zu rechnen ist. Zudem muß der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, unter mehreren weitergebildeten Arbeitskräften auszuwählen. Der Arbeitgeber hat darzulegen, daß im Bindungszeitraum Stellen zu besetzen sein werden, für die die jeweilige Fort- und Weiterbildung vorausgesetzt wird. Zumindest muß er vortragen, daß und aus welchen Gründen er innerhalb des Bindungszeitraumes wahrscheinlich Arbeitnehmer mit der zu erwerbenden Qualifikation benötigt, um vakante, vakant werdende oder neue Stellen zu besetzen.

Diese Auslegung der Nr. 7 Abs. 1 SR 2a BAT ist auch im Hinblick auf die in Abs. 2 aaO geregelten Rückzahlungspflichten geboten: Je eher der auf Kosten seines Arbeitgebers weitergebildete Arbeitnehmer bei diesem mit einem seiner Weiterbildung entsprechenden beruflichen Aufstieg rechnen kann, desto eher ist ihm die Rückzahlung der vom Arbeitgeber aufgewendeten Beträge zuzumuten, wenn er das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet. Im übrigen verlieren länger zurückliegende Fort- und Weiterbildungen ohne entsprechende berufliche Tätigkeit an Wert (BAG Urteil vom 14. Juni 1995 – 5 AZR 960/93 – AP Nr. 21 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter I 2b der Gründe).

3. Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, daß sie innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Fortbildungsmaßnahme der Beklagten freie oder frei werdende Stellen zu besetzen gehabt hätte, so daß die Beklagte mit einem beruflichen Aufstieg hätte rechnen können. Hierauf kam es der Klägerin nicht an; der Klägerin ging es vielmehr um eine “Qualitätssicherung”. Die Beklagte war schon lange bevor sie auf Veranlassung der Klägerin an der Weiterbildungsmaßnahme teilnahm, als Krankenschwester im Operationsdienst tätig, und wurde in derselben Höhe vergütet, wie sie es aufgrund der Weiterbildung hätte erreichen können. Sie war im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. Kr. VI Fallgr. 19 BAT eingruppiert. Aufgrund ihrer Weiterbildung hatte sie lediglich – ohne Rücksicht auf ihre vorherige Bewährung – Anspruch auf Eingruppierung in dieselbe Vergütungsgruppe, allerdings eine andere Fallgruppe, nämlich die Fallgr. 6a.

Unter solchen Umständen liegt die Weiterqualifizierung von Arbeitnehmern nur dann “im Rahmen des Personalbedarfs” des Arbeitgebers, wenn er nicht nur – wie die Klägerin – “Qualitätssicherung” im Hinblick auf die Zukunft betreiben will, sondern für derart weitergebildete Fachkräfte ein der Weiterbildung entsprechender beruflicher Aufstieg innerhalb des Bindungszeitraumes wahrscheinlich ist. Hierzu hätte die Klägerin darlegen müssen, daß in diesem Zeitraum entsprechende Aufstiegsstellen, z.B. solche i.S.d. VergGr. Kr. VII Fallgr. 4 zu besetzen seien und daß sie hierfür bevorzugt auf Krankenschwestern oder -pfleger zurückgreife, die die Weiterbildung erfolgreich absolviert haben.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Kreienbaum

Zugleich für den ehrenamtlichen Richter Dr. Kalb, der am 31.12.1996 ausgeschieden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 885452

NWB 1997, 674

NZA 1997, 663

PersR 1997, 228

PflR 1997, 44

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