Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Fahrpreisermäßigung. Ablösung. Gleichbehandlung

 

Normenkette

BGB §§ 242, 133, 280 Abs. 1, § 1922; Einigungsvertrag Art. 20 Anlage I Kap. VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 14

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 30.05.1996; Aktenzeichen 7 Sa 259/95)

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 12.01.1995; Aktenzeichen 6 Ca 3583/94)

 

Tenor

I. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhart vom 30. Mai 1996 – 7 Sa 259/95 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu je 1/3 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Kläger sind die gemeinschaftlichen Erben des am 28. Februar 1998 verstorbenen ursprünglichen Klägers Reinhardt H.. Sie verlangen in der Revisionsinstanz von der Beklagten Schadenersatz, weil diese in den Jahren 1994 bis 1996 dem Erblasser und seiner Familie arbeitsvertraglich geschuldete Fahrpreisvergünstigungen nicht gewährt habe.

Der Erblasser war seit dem 1. September 1979 zunächst als Justitiar, später als Fachdirektor für Beschaffung und Absatz und schließlich als Abteilungsleiter für Personal und Soziales bei der ehemaligen Deutschen Reichsbahn (DR) im Gleisbaubetrieb N. beschäftigt. Nachdem die DR eine „Hauptabteilung Eisenbahn-Bundesamt” in der Reichsbahndirektion H eingerichtet hatte, wurde er aufgrund seiner Bewerbung mit Wirkung vom 30. Dezember 1993 dorthin versetzt. Wegen der Privatisierung der Deutschen Bahn errichtete die Beklagte mit Wirkung vom 1. Januar 1994 das Eisenbahnbundesamt (EBA) als selbständige Bundesoberbehörde, mit einer Außenstelle in H. Die Aufgaben dieser Behörde bestehen im wesentlichen in der Aufsicht über die Deutsche Bahn AG und in der Genehmigung von verkehrstechnischen Vorhaben. Seit dem 1. Januar 1994 war der Erblasser in dieser Außenstelle des EBA tätig.

Die DR gewährte dem Erblasser und seinen Angehörigen Fahrvergünstigungen für die Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen in ihrem Netz und in den Streckennetzen ausländischer Bahnen. Rechtsgrundlage hierfür war zunächst § 39 des Rahmenkollektivvertrages für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn (RKV-DR), in dem es hieß:

„Freifahrt für persönliche Zwecke

Grundsätze zur Freifahrtgewährung

§ 39

Die Freifahrt der Eisenbahner für persönliche Zwecke richtet sich nach den Bestimmungen der Freifahrvorschrift der Deutschen Reichsbahn.”

In der hierzu erlassenen Freifahrvorschrift DV 129 (gültig ab 1. Dezember 1976) hieß es u.a.:

„0. Vorbemerkungen

Die Freifahrvorschrift enthält die Bestimmungen über die Gewährung von Freifahrten für alle in einem Arbeits- bzw. Berufsausbildungsverhältnis stehenden Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn sowie für solche in Einrichtungen außerhalb der Deutschen Reichsbahn, die aufgrund von Vereinbarungen in die Anwendung des § 39 des Rahmenkollektivvertrages für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn einbezogen sind.

Freifahrten werden für gute gesellschaftliche und fachliche Leistungen gewährt und stellen keinen Teil der Entlohnung dar.

1. Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich

Die Freifahrvorschrift gilt für… die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn …

1.1 Berechtigte

1.1.1 Freifahrten erhalten Beschäftigte, die in einem Arbeitsrechts- oder Berufsausbildungsverhältnis zur Deutschen Reichsbahn stehen.

Mit Wirkung vom 1. Juli 1991 trat der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Reichsbahn (AnTV-DR) in Kraft. Dieser enthält keine Regelungen zu Fahrvergünstigungen. Die Freifahrvorschrift DV 129 wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch die DV 053 „Vorschrift über Fahrvergünstigungen des Personals” (VFP/DR) abgelöst. Diese enthält u.a. folgende Regelung:

„…

§ 2

Begriff der Fahrvergünstigungen

(2) Die Fahrvergünstigungen für außerdienstliche Reisen der Eisenbahner und ihrer Familienangehörigen sind eine freiwillige Leistung der Deutschen Reichsbahn, auf die ein Rechtsanspruch nicht geltend gemacht werden kann.

…”

Im September 1993 war die Fahrvergünstigungsregelung für zukünftige Mitarbeiter des EBA Thema einer Sitzung des Führungskreises der Deutschen Bahn. In dem Sitzungsprotokoll vom 27. September 1993 heißt es u.a.:

„…

Soziale Vergünstigungen

Diejenigen Mitarbeiter, die zu EBA und BEV wechseln, sollen die gleichen sozialen Vergünstigungen bekommen wie die zukünftigen DB AG-Mitarbeiter (Besitzstandswahrung).

…”

Weiterhin existiert ein Schreiben der zentralen Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn vom 15. November 1993 an nachgeordnete Stellen, in dem es u.a. heißt:

„…

Im übrigen wird es für Mitarbeiter der DB und DR, die beim BEV oder EBA verwendet werden, eine Fahrvergünstigungsregelung geben.

Wir bitten, die Mitarbeiter Ihres Hauses, die an einer Verwendung beim BEV oder EBA interessiert sind, entsprechend zu informieren.

…”

Auf das Arbeitsverhältnis des Erblassers fand seit dem 1. Januar 1994 der BAT-O Anwendung (Art. 3 § 2 Abs. 4 Satz 1 ENeuOG). Die Beklagte gewährte dem Erblasser seitdem befristet bis zum 31. Dezember 1996 eine Freifahrtberechtigung ausschließlich für die Fahrten vom Wohnort zum Arbeitsort („Jobtickef). In dem entsprechenden Erlaß des Präsidenten des EBA vom 29. April 1994 heißt es u.a.:

„…

1. Für eine Übergangszeit, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1996, können diejenigen EBA-Beschäftigten, die am 31.12.1993 in den Diensten von DB und DR standen, Fahrkarten B (2. Klasse) für die Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte erhalten.

3. Weitergehende Fahrvergünstigungen dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des EBA sowie deren Familienangehörigen nicht gewährt werden.

Die Fahrvergünstigungsdienste der DB AG sind gehalten, hinsichtlich der zum EBA gewechselten ehemaligen DB- und DR-Angehörigen wie folgt zu verfahren:

a) Die von DB und DR ausgegebenen

– Fahrkarten …

sollen bis zum 30.04.1994 eingezogen werden.

…”

Der Erblasser stellte am 16. Mai 1994 einen Antrag auf Weitergewährung der Fahrpreisvergünstigungen im bisherigen Umfang. Diesen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 1994 ab. Auch ein dagegen gerichteter Widerspruch des Erblassers vom 10. Juni 1994 wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 1. Juli 1994 abschlägig beschieden.

Für die Mitarbeiter des Bundeseisenbahnvermögens (BEV) gilt weiterhin der AnTV-DR. Sie erhalten ebenso wie die Beschäftigten der DB AG Fahrvergünstigungen im bisherigen Umfang. Bei dem BEV handelt es sich um ein Sondervermögen der Beklagten, dem vor allem fiskalische Aufgaben obliegen, so die Verwaltung des der DB AG zugewiesenen Personals, Angelegenheiten der Beamtenversorgung, Verwaltung, Tilgung und Bewirtschaftung der übernommenen Altschulden der DB AG, Verwaltung und Verwertung der Liegenschaften, Aufrechterhaltung und Weiterführung der Sozialeinrichtungen und Selbsthilleeinrichtungen der bisherigen Bundeseisenbahnen.

Der Erblasser hat die Auffassung vertreten, mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte sei diese in sämtliche Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers eingetreten. Dementsprechend sei die Beklagte auch zur Fortführung der bis zum 31. Dezember 1993 praktizierten Freifahrtregelung verpflichtet, denn gegenüber der DR habe ein Rechtsanspruch auf diese Leistungen bestanden. Jedenfalls sei die Beklagte aus betrieblicher Übung zur Weitergewährung verpflichtet. Durch die Erklärung im Protokoll der Sitzung des Führungskreises der DB vom 27. September 1993 und das Schreiben der zentralen Hauptverwaltung der DB vom 15. November 1993 habe die Beklagte besondere Vertrauensschutztatbestände geschaffen. Danach habe er auf die unveränderte Weiterführung der Freifahrtregelung auch für Mitarbeiter des EBA vertrauen dürfen. Unabhängig von der früheren Rechtslage bestehe sein Anspruch jedenfalls nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Danach sei die Beklagte verpflichtet, ihn ebenso zu behandeln wie die Mitarbeiter der DB AG und des BEV. Für einen Ausschluß der EBA-Mitarbeiter von der Freifahrtregelung bestehe kein sachlicher Grund.

Der Erblasser hat die in den Jahren 1992 und 1993 von ihm und seiner Familie durchgeführten Freifahrten aufgelistet und deren Wert mit 10.804,80 DM bzw. 13.008,00 DM beziffert und beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, ihm mit Wirkung vom 1. Januar 1994 an Freifahrten mit den Eisenbahnen entsprechend dem Berechtigungsnachweis A (1. Klasse) mit 16 Einzelfahrten für alle Strecken in der Bundesrepublik Deutschland und entsprechend dem Besitz der Fahrkarte A (1. Klasse) unbegrenzte Benutzung der Eisenbahnen in den Direktionen Erfurt, Halle und Berlin der Deutschen Bahn AG zu gewähren;
  2. ihm, seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern bis zum Abschluß von deren Ausbildung Freifahrten entsprechend der Anspruchsberechtigung für Fahrten ausländischer Bahnen sowie ermäßige Fahrten mit der internationalen Ermäßigungskarte für Eisenbahnpersonal (FIP-Karte), auf Strecken ausländischer Eisenbahnen zu gewähren;
  3. seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern bis zu deren Ausbildungsabschluß entsprechend Berechtigungsnachweis A (1. Klasse) mit acht Einzelfahrten in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren;
  4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr 1994 und für den Bestand des Arbeitsverhältnisses weiterhin jährlich einen Betrag in Höhe von 12.000,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Erblasser habe keinen Anspruch auf die begehrten Freifahrten. Die Vorschrift des § 613 a BGB sei auf die Rechtsbeziehungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht anwendbar, da dieses kraft Gesetzes von der DR auf die Beklagte übergegangen sei. Ungeachtet dessen bestehe ohnehin kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Fahrvergünstigungen. Die Regelung des RKV-DR sei ersatzlos durch den nachfolgenden AnTV-DR aufgehoben worden. Auch könne der Anspruch nicht auf eine betriebliche Übung gestützt werden. Eine solche habe während der Geltungsdauer des RKV-DR neben der tariflichen Regelung nicht entstehen können. Für den danach geltenden AnTV-DR habe der in der DV 053 enthaltene ausdrückliche Freiwilligkeitsvorbehalt eine weitergehende betriebliche Übung verhindert. Der Erblasser könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Dieser habe nur innerbetriebliche Geltung und könne mithin nicht als Vergleichsmaßstab zwischen privatwirtschaftlichen Unternehmen und der Beklagten herangezogen werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Erblassers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger nur noch den in den Vorinstanzen gestellten Hilfsantrag auf Schadensersatz als einzigen Hauptantrag weiter, wobei dessen Umfang dadurch eine Beschränkung erfahren hat, daß der Erblasser am 5. Juni 1996 zum Beamten ernannt wurde. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

In der Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht am 28. Mai 1998 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:

  1. Die Beklagte zahlt an die Kläger 5.000,– DM.
  2. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
  3. Die Kosten des Vergleichs tragen die Parteien je zur Hälfte. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.
  4. Beide Parteien können diesen Vergleich bis zum 18. Juni 1998 widerrufen.

In einem am 17. Juni 1998 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten heißt es:

„In Sachen

H. ./. Bundesrepublik Deutschland

widerrufen wir namens und in Vollmacht der Beklagten den in der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 1998 abgeschlossenen Widerrufsvergleich. Die Angelegenheit ist für die Beklagte von grundsätzlicher Bedeutung. Wir bitten deshalb um eine streitige Entscheidung.”

Die Kläger machen geltend, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich am 28. Mai 1998 beendet worden, da die Beklagte den unter diesem Datum geschlossenen Vergleich nicht widerrufen habe, und verfolgen im übrigen ihren Revisionsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Der Rechtsstreit ist durch den von den Parteien am 28. Mai 1998 abgeschlossenen Vergleich nicht beendet worden. Dieser ist von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Juni 1998, am gleichen Tag beim Bundesarbeitsgericht eingegangen, wirksam widerrufen worden. Der Widerruf eines Vergleichs ist eine Prozeßhandlung. Bei einer Prozeßhandlung gilt der Wille, der in ihr verkörpert ist (BGH Urteil vom 10. März 1994 – IX ZR 152/93 – NJW 1994, 1537, 1538). Die Regeln für die Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB) gelten entsprechend. Danach ist unzweifelhaft, daß die Beklagte durch Einreichung des genannten Schriftsatzes den Vergleich vom 28. Mai 1998 widerrufen hat. In dem Schriftsatz sind das Gericht, das Aktenzeichen des Rechtsstreits und die Parteien richtig bezeichnet. Lediglich das Datum des Vergleichs (28. Mai 1998) ist irrtümlich mit dem Ende der im Vergleich vereinbarten Widerrufsfrist (18. Juni 1998) verwechselt worden. Hierbei handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit. Diese ist unschädlich, da nach dem in dem Schriftsatz zum Ausdruck gekommenen Willen aus der Sicht des Gerichts, demgegenüber der Widerruf zu erklären war, keine Zweifel bestehen, daß als Gegenstand des Widerrufs nur der Vergleich vom 28. Mai 1998 in Betracht kommt. Einen weiteren Vergleich haben die Parteien in diesem Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht nicht geschlossen. Auch die Kläger haben keine sonstige Vereinbarung zwischen den Parteien behauptet, auf den der Widerruf sich beziehen könnte.

II. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Kläger haben nach § 1922 BGB keinen Anspruch des Erblassers auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung erworben. Ein solcher stand dem Erblasser nicht zu. Dieser besaß in der Zeit seit dem 1. Januar 1994 keinen Anspruch auf Fahrpreisermäßigung, für den die Beklagte nach § 280 Abs. 1 BGB einstehen müßte.

1. Dem Erblasser stand kein tariflicher Anspruch gegen die Beklagte auf Weitergewährung von Freifahrten zu.

Ursprünglich bestand bei der DR eine tarifliche Regelung über die Gewährung von Fahrvergünstigungen an Mitarbeiter. Nach § 39 RKV-DR richtete sich die Gewährung von Freifahrten nach den Bestimmungen der Freifahrvorschrift der DR. Nach DV 129 waren Beschäftigte der DR berechtigt, auf den Strecken der DR deren Züge unentgeltlich zu nutzen. Zwar wurden solche Freifahrten nach den Vorbemerkungen zur DV 129 für „gute gesellschaftliche und fachliche Leistungen gewährt” und stellten „keinen Teil der Entlohnung” dar. Gleichwohl ändert dies nichts daran, daß den Beschäftigten nach dieser Regelung ein Rechtsanspruch zustand, wie der Wortlaut in Ziff. 1.1.1 der DV 129 deutlich macht.

Die Bestimmungen des RKV-DR sind durch den ab 1. Juli 1991 geltenden AnTV-DR abgelöst worden. Die Ablösung früherer Rahmenkollektivverträge ist in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 14 zum Einigungsvertrag geregelt. Danach gilt insoweit die auch sonst für das Verhältnis von zwei aufeinanderfolgenden Tarifverträgen maßgebende Zeitkollisionsregel. Der spätere Tarifvertrag löst den vorhergehenden Tarifvertrag unabhängig davon ab, ob diese Ablösung zugunsten oder zum Nachteil der Arbeitnehmer erfolgt (BAG Urteil vom 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B II 1 der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, § 4 Rz 149). Der AnTV-DR enthält keine Bestimmungen über die Gewährung von Freifahrten. Er hat damit zuungunsten des Erblassers die frühere tarifliche Regelung über Freifahrten abgelöst. Auch der BAT-O, der seit dem 1. Januar 1994 für den Erblasser als Mitarbeiter des EBA galt, traf zugunsten des Erblassers keine Regelung, auf die er den ursprünglichen Klageanspruch hätte stützen können.

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch des Erblassers auf Gewährung von Freifahrten aufgrund betrieblicher Übung verneint.

Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden (BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – AP Nr. 46 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 1 a der Gründe; Urteil vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, zu B I der Gründe; BAG Urteil vom 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 1 der Gründe).

Die DR bzw. die Beklagte gewährten in der Vergangenheit Fahrvergünstigungen. Hieraus konnte jedoch keine betriebliche Übung im Rechtssinne entstehen, soweit die Leistungsgewährung aufgrund anderer kollektivrechtlicher oder individualrechtlicher Anspruchsgrundlage erfolgte (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81BAGE 49, 151, 159 = AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972, zu 4 b der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1989 – 8 AZR 310/87BAGE 61, 87, 93 = AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe).

Eine betriebliche Übung des von den Klägern behaupteten Inhalts schied somit für die Zeit bis zum 30. Juni 1991 aus, weil bis dahin der RKV-DR galt. Sie schied auch für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1993 aus, weil die hier streitige Arbeitgeberleistung während dieser Zeit auf der DV 053 beruhte.

Auch in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1991 und dem 31. Dezember 1991 ist eine betriebliche Übung nicht entstanden. In dieser Zeit war zwar an die Stelle des RKV-DR bereits der AnTV-DR getreten, der einen Anspruch nicht vorsah. Die Arbeitgeberin begründete aber auch während dieser Zeit dadurch, daß sie weiterhin leistete, keine betriebliche Übung. Sie leistete vielmehr auf der Grundlage der DV 129, die am 1. Januar 1992 durch die DV 053 ersetzt wurde. Davon, daß die Arbeitgeberin sich nach dem 30. Juni 1991 durch dieses Verhalten trotz der neuen Tariflage zu unwiderruflicher Leistung verpflichten wollte, war aus der Sicht der Arbeitnehmer nicht auszugehen. Dies folgt daraus, daß der öffentliche Arbeitgeber mangels anderer Anhaltspunkte grundsätzlich nur normgemäß leisten will (BAG Urteil vom 24. März 1993 – 5 AZR 16/92BAGE 73, 1, 3 = AP Nr. 38 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – AP Nr. 46 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 18. Januar 1996 – 6 AZR 314/95 – AP Nr. 25 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, zu III 3 der Gründe). Solche Anhaltspunkte bestanden hier nicht. Im Gegenteil: Als eine das Vertrauen des Erblassers und seiner Arbeitskollegen hindernde Norm kam hier insbesondere § 6 Abs. 4 der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) in Betracht, nach der die Eisenbahnen Fahrpreisermäßigung u.a. für den Eisenbahndienst ohnehin nur ohne Gewährung eines Rechtsanspruchs einräumen konnten.

3. Der Erblasser hatte auch keinen Anspruch auf Gewährung von Freifahrten aufgrund einer Gesamtzusage.

Bei einer Gesamtzusage sagt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern generell eine bestimmte Leistung bei Vorliegen bestimmter Leistungsvoraussetzungen zu (BAG Urteil vom 9. August 1983 – 3 AZR 196/81 –, n.v.; MünchArbR/Richardi, 1992, § 12 Rz 38; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 1996, § 81 II 3, S. 595). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aus dem von ihm als „Festlegung” bezeichneten Schreiben vom 15. November 1993 und dem Protokoll vom 27. September 1993 mangels inhaltlicher Bestimmtheit einen Rechtsanspruch des Erblassers nicht abgeleitet. Eine Gesamtzusage enthielt jedoch die zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene DV 053, auf deren Grundlage der Erblasser und seine Familienangehörigen in den Jahren 1992 und 1993 Freifahrten im Wert von 11.804,80 DM bzw. 13.008,00 DM durchführten. Da die Gewährung nach § 2 Abs. 2 DV 053 jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit stand, konnte die Beklagte diese freiwillige Leistung jederzeit wieder einstellen (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP Nr. 187 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 der Gründe; Urteil vom 5. Juni 1996 – 10 AZR 883/95 – AP Nr. 193 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 der Gründe), was sie gegenüber den Mitarbeitern des EBA mit Wirkung vom 1. Januar 1994 dadurch getan hat, daß sie die freiwillige Leistung nur noch auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt hat und dies sogar nur befristet bis zum 31. Dezember 1996. Für den streitgegenständlichen Zeitraum wirkte diese Gesamtzusage somit nicht mehr im Sinne des Klageanspruchs.

4. Der Erblasser hatte gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Gewährung von Freifahrten aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

Dieser verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BAG Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 AZR 259/96 – AP Nr. 2 zu § 3 d BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 11. Februar 1998 – 10 AZR 22/97 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 1 der Gründe).

Soweit die Kläger auf die Arbeitnehmer der DB AG als Vergleichsgruppe verweisen, schied eine Pflicht der Beklagten zur Gleichbehandlung des Erblassers schon deshalb aus, weil es sich bei der DB AG um einen anderen Arbeitgeber handelt. Aber auch im Vergleich zu den Mitarbeitern des BEV bestanden hinreichende sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung des Erblassers.

Für die Ermittlung der maßgeblichen Differenzierungskriterien ist vom Leistungszweck auszugehen (BAG Urteil vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – AP Nr. 143 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, zu II 2 der Gründe; Urteil vom 18. Juni 1997 – 5 AZR 259/96 – AP Nr. 2 zu § 3 d BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 1 der Gründe; Urteil vom 29. Oktober 1997 – 5 AZR 425/96 –, n.v., zu II 1 der Gründe). Die Gewährung von Fahrvergünstigungen an Bedienstete ist nach dem eigenen Vortrag der Kläger eine im Eisenbahnwesen historisch gewachsene Sonderleistung. Ähnlich wie die Abgabe verbilligter Flugscheine durch Flugreiseunternehmen, die Abgabe verbilligter Energie durch Energieunternehmen oder sonstige Personalrabatte verschiedenster Produktions- oder Vertriebsunternehmen dient sie einer verstärkten Identifikation des Arbeitnehmers mit dem Produkt „seines Unternehmens”. Grundvoraussetzung für eine solche Sonderleistung ist dementsprechend immer, daß das jeweilige zur Leistung verpflichtete Unternehmen selbst einen engen Bezug zu dem verbilligt abgegebenen Produkt aufweist. In dieser Beziehung unterscheiden sich EBA und BEV.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die unterschiedlichen Aufgaben von EBA einerseits und BEV andererseits hingewiesen. Nach Art. 1 § 3 Abs. 2 ENeuOG besteht die wesentliche Aufgabe des BEV in der Verwaltung des Personals, das der DB AG zugewiesen ist. Die Arbeitnehmer des BEV stehen somit in mehr oder weniger enger arbeitsmäßiger Beziehung zu dem bei der DB AG mit dem eigentlichen Fahrdienst beauftragten Personal. Demgegenüber obliegen dem EBA vorwiegend hoheitliche Aufgaben, u.a. im Bereich der Eisenbahnaufsicht, der Planfeststellung für die Schienenwege sowie bei Erteilung und Widerruf von Betriebsgenehmigungen. Das EBA ist damit Teil der allgemeinen Verwaltung. Konsequenterweise ist es daher auch als selbständige Bundesoberbehörde organisiert worden und nicht Teil des BEV geblieben. Die unterschiedliche Aufgabenstellung von EBA und BEV und die damit verbundene Differenzierung zwischen Eisenbahnwesen und Verwaltung wird durch die tarifliche Situation, der Anwendbarkeit von BAT einerseits und AnTV-DR andererseits bestätigt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1,100 Abs. 1 ZPO, da § 100 Abs. 4 ZPO auf unterliegende Gesamtgläubiger keine Anwendung findet (vgl. OLG Koblenz Beschluß vom 17. September 1990 – 5 W 309/90 – MDR 1991, 257; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl. 1998, § 100 Rz 43).

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Bruse, Dr. Pühler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1126940

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