Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschallohnsteuer. Abwälzung Teilzeitarbeitskräfte

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 5.8.1987 5 AZR 22/86.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 16.09.1986; Aktenzeichen 7 Sa 754/86)

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 26.02.1986; Aktenzeichen 1 Ca 1960/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die von ihr übernommene pauschalierte Lohnsteuer im Innenverhältnis auf die Klägerin abwälzen kann.

Die am 12. Oktober 1938 geborene Klägerin war vom 15. April bis zum 5. Juli 1985 als Reinigerin mit einer Arbeitszeit von täglich zwei Stunden bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte führt Gebäudereinigungsarbeiten aus. Die Parteien sind tarifgebunden.

Der Tarifstundenlohn hat im Zeitraum der Beschäftigung der Klägerin 9,09 DM brutto betragen. Die Beklagte hat hiervon die pauschale Lohn- und Kirchensteuer in Höhe von 10,7 % = 0,88 DM abgezogen und der Klägerin einen Stundenlohn von netto 8,21 DM ausgezahlt.

Die Beklagte hält sich hierzu nach folgender Vereinbarung im Arbeitsvertrag vom 15. April 1985 für berechtigt:

"Nettostundenlohn auf der Basis des tariflichen

Bruttostundenlohns 8,21 DM."

Darüber hinaus verweist die Beklagte auf § 26 Nr. 2 ihrer Betriebsvereinbarung vom 1. Januar 1979 ("Arbeitsordnung" genannt), wo es heißt:

"Trägt die NWG öffentlich-rechtlich die Steuerschuld

gegenüber dem Finanzamt (z. B. nach

§ 40 EStG), so kann im Verhältnis zum Arbeitnehmer

der Steuerbetrag von dem tariflich garantierten

Bruttostundenlohn in Abzug gebracht

werden."

Auf diese Betriebsvereinbarung wird im Anstellungsvertrag wie folgt hingewiesen:

"Der bevollmächtigte Einstellende bestätigt...

ein Exemplar der Betriebsvereinbarung ausgehändigt

zu haben. Der Arbeitnehmer hat Kenntnis,

daß der Inhalt des Arbeitsvertrages durch

die Betriebsvereinbarung mitbestimmt wird."

Die Klägerin wendet sich in diesem Rechtsstreit gegen die interne Belastung mit der pauschalen Lohnsteuer und fordert den Tariflohn als Nettolohn, weil nach ihrer Meinung die Beklagte die Pauschallohnsteuer nicht vom Bruttolohn abziehen dürfe. Das ergebe sich schon daraus, daß die pauschale Lohnsteuer eine Unternehmenssteuer eigener Art sei und der Arbeitgeber diese allein dem Finanzamt schulde. Die Beklagte habe die Klägerin hierdurch von ihrer Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt befreit und dürfe sie im Innenverhältnis damit nicht belasten. Insoweit fehle es an einer ausdrücklichen Abrede, denn die Vereinbarung eines Nettolohnes ohne Berechnung der Abzüge reiche dafür nicht. Außerdem könne die Beklagte eine solche Verpflichtung zu Lasten der Klägerin auch nicht durch ihre Betriebsvereinbarung vom 1. Januar 1979 begründen, die Abwälzung der Pauschallohnsteuer durch Betriebsvereinbarung verstoße nämlich gegen § 77 Abs. 3 BetrVG 1972. Danach errechne sich ein Abzug von 38,72 DM, den die Beklagte ihr ersetzen müsse.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie

38,72 DM netto nebst 4 % Zinsen seit

dem 13. September 1985 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und zur Begründung ausgeführt, es gebe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keinen gesetzlichen Grundsatz, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer abnehmen müsse, wenn er sich für das pauschale Lohnsteuerverfahren entscheide. Die Klägerin habe sich außerdem im Arbeitsvertrag verpflichtet, der Beklagten die pauschale Lohnsteuer zu erstatten. Im übrigen ergebe sich diese Verpflichtung aus § 26 Nr. 2 der Betriebsvereinbarung vom 1. Januar 1979. Selbst wenn eine Regelung hierüber durch Betriebsvereinbarung nicht zulässig sein sollte, habe die Klägerin den Inhalt der Betriebsvereinbarung arbeitsvertraglich anerkannt. Die Klägerin habe während des Arbeitsverhältnisses keine Einwendungen gegen die interne Belastung mit der Pauschallohnsteuer erhoben. Diese Abrechnung sei für sie steuerlich wesentlich günstiger gewesen als eine Einzelbesteuerung nach persönlichen Steuermerkmalen. Die Beklagte hätte sich aber nicht geweigert, eine individuelle Besteuerung des Lohnes durchzuführen, wenn die Klägerin es gewünscht hätte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision ihr Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet, denn das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte die pauschalierte Lohnsteuer (§ 40 a EStG) vom Bruttolohn der Klägerin einbehalten darf. Das entspricht der bisher schon vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Rechtsauffassung (vgl. zuletzt Urteil vom 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/77 - AP Nr. 1 zu § 40 a EStG). Hieran ist festzuhalten.

1. Das Bundesarbeitsgericht hat in der vorgenannten Entscheidung auf der Grundlage der damaligen Steuergesetzgebung (§ 40 a in Verb. mit § 40 Abs. 3 EStG i. d. F. des Einkommensteuerreformgesetzes vom 5. August 1974 (BGBl. I S. 1769)) von einem "Besteuerungsverfahren eigener Art" gesprochen und die pauschale Lohnsteuer als Objektsteuer bzw. als "Arbeitgeber- oder Betriebssteuer" bezeichnet. Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 5. November 1982 - VI R 219/80 -, DB 1983, 207 die pauschalierte Lohnsteuer als eine "Unternehmenssteuer eigener Art" angesehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin gibt diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs keinen Anlaß, die Frage, ob der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer dem Arbeitnehmer auferlegen darf, anders als in der früheren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu beurteilen; denn auch das Urteil vom 22. Juni 1978 ist schon davon ausgegangen, daß die vom Arbeitgeber zu tragende pauschalierte Lohnsteuer steuerrechtlich von der Person des Arbeitnehmers gelöst ist.

2. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, die vom Arbeitgeber übernommene pauschale Lohnsteuer sei als Unternehmenssteuer eigener Art eine solche, die der Arbeitgeber von vornherein als einziger Steuerschuldner aufzubringen habe. Insoweit bestehe ein Unterschied zu der Lage, in der der Arbeitnehmer die Lohnsteuer sonst schulde und der Arbeitgeber sie nur für Rechnung des Arbeitnehmers abzuführen habe (§ 38 Abs. 3 EStG); im letzteren Falle erfülle der Arbeitgeber eine fremde Schuld und nicht - wie bei der pauschalen Lohnsteuer - eine eigene Verpflichtung.

Dieser Auffassung der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Sie verkannt die Reichweite des Steuerrechts und den Sinn der steuerrechtlichen Arbeitgeberhaftung. Wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis und dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu unterscheiden (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/77 - AP Nr. 1 zu § 40 a EStG zu 1 b der Gründe). Die Übernahme der Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber auch im arbeitsrechtlichen Innenverhältnis die Lohnsteuer tragen muß. Vielmehr bleibt es bei dem Grundsatz, daß die Lohnsteuer im Zweifel vom Arbeitnehmer selbst zu entrichten ist (vgl. BAG Urteil vom 22. Juni 1978, aaO). Daran ist festzuhalten. Der Arbeitgeber ist nämlich nicht von vornherein Schuldner der pauschalen Lohnsteuer gegenüber dem Finanzamt. Dazu kommt es erst, wenn er sie gegenüber dem Finanzamt übernimmt (§ 40 a Abs. 4 in Verb. mit § 40 Abs. 3 EStG). Das Gesetz spricht ausdrücklich von einer Übernahme der pauschalen Lohnsteuer (§ 40 Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber kann aber nur etwas übernehmen, was er vorher gerade nicht geschuldet hat. Vorher und ohne Ausübung des Wahlrechts bliebe der Arbeitnehmer Alleinschuldner der Lohnsteuer und der Arbeitgeber hätte dafür nur zusätzlich zu haften (§ 42 d EStG). Der Arbeitgeber ist kein originärer Steuerschuldner. Er befreit den Arbeitnehmer nur von einer bestehenden Steuerschuld und wird erst damit selbst zum Steuerschuldner im Außenverhältnis gegenüber dem Finanzamt.

§ 40 Abs. 3 EStG verfolgt keine arbeitsrechtlichen Ziele. Dem Gesetzgeber geht es nur um eine Vereinfachung des Abrechnungsverfahrens und in diesem Zusammenhang um die Vermeidung des Lohnsteuerjahresausgleichs (vgl. § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG).

3. Die Lohnsteuer-Richtlinien gehen ebenfalls davon aus, daß im Innenverhältnis zum Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer und die pauschale Kirchensteuer vom Arbeitnehmer getragen werden kann (LStR zu § 40 a EStG Abschnitt 95 Abs. 1 Satz 4). In der Regel liegen der pauschalierten Lohnsteuererhebung zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zugrunde (BFH Urteil vom 25. Mai 1984 - VI R 223/80 - BStBl. 1984 Teil II S. 569, 570). Das trifft hier ebenfalls zu, denn die Beklagte hat im Arbeitsvertrag mit der Klägerin einen Nettostundenlohn von 8,21 DM auf der Basis des tariflichen Bruttostundenlohns vereinbart. Das Berufungsgericht hat diese Vereinbarung so verstanden, daß die Klägerin die pauschale Lohnsteuer tragen muß. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die Auslegung des Berufungsgerichts verstößt nicht gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze oder - wie die Revision meint - gegen Denkgesetze. Wenn die Beklagte die pauschale Lohnsteuer hätte übernehmen wollen, dann brauchte sie nicht zwischen dem Brutto- und Nettolohn zu unterscheiden, sondern der Bruttolohn wäre ungekürzt an die Klägerin auszuzahlen. Das hat die Beklagte aber gerade nicht vereinbart, denn sie wollte der Klägerin nur einen Nettolohn zahlen auf der Grundlage des tariflichen Bruttostundenlohnes. Die Klägerin hat dann aber die Lohnsteuer zu tragen. Hierbei kann es sich nur um die pauschalierte Lohnsteuer handeln. Das ergibt sich ferner aus § 26 Nr. 2 der Betriebsvereinbarung vom 1. Januar 1979 ("Arbeitsordnung" genannt), wo ausdrücklich geregelt ist, daß die Beklagte die pauschalierte Lohnsteuer vom Bruttolohn abzieht. Die Klägerin ist demgegenüber der Meinung, daß die in der Betriebsvereinbarung geregelte Überwälzung der Lohnsteuer gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße und daher unwirksam sei. Diese Streitfrage kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man die Betriebsvereinbarung für unwirksam hält, kann sie durch arbeitsvertragliche Bezugnahme Inhalt des Einzelarbeitsvertrages werden (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 236; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 36). Die Parteien haben aber vereinbart, daß die Betriebsvereinbarung Gegenstand des Arbeitsvertrages ist und diesen ergänzt.

5. Die Klägerin macht mit ihrer Revision weiter geltend, die Beklagte hätte sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, daß sie die pauschale Lohnsteuer auf die Klägerin überwälzen wolle. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte eine so weitgehende Verpflichtung hat. Die Beklagte hat die Klägerin aber schon durch Aushändigung eines Exemplars der Betriebsvereinbarung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die Klägerin die pauschale Lohnsteuer selbst tragen müsse.

6. Die vereinbarte Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch die Klägerin verstößt auch nicht gegen die zwingende Wirkung eines Tarifvertrages (§ 4 Abs. 1 und 3 TVG). Der tarifliche Bruttolohn wird hierdurch nicht unterschritten. Die Klägerin kann im Rahmen des geltenden Steuerrechts jederzeit frei entscheiden, wie der Lohnsteuerabzug künftig vorgenommen werden soll (BAG Urteil vom 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/77 - AP Nr. 1 zu § 40 a EStG, zu 3 der Gründe). Hiernach behält sie das Recht, eine Lohnsteuerkarte vorzulegen und die Heranziehung zur Lohnsteuer nach persönlichen Steuermerkmalen zu verlangen. Damit steht sie sich nicht schlechter als ein Arbeitnehmer, bei der die Lohnsteuer nicht pauschal berechnet und auf ihn abgewälzt wird. Die Beklagte hat in diesem Rechtsstreit erklärt, daß sie es der Klägerin freistelle, ob sie den pauschalen Lohnsteuerabzug behalten oder zur Besteuerung nach persönlichen Steuermerkmalen unter Vorlage einer Lohnsteuerkarte zurückkehren will. Die Klägerin ist darauf aber nicht eingegangen.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog ist durch

Urlaub an der Unterschrift

verhindert

Dr. Thomas

Werner Dr. Schönherr

 

Fundstellen

Haufe-Index 440297

HV-INFO 1989, 1725-1728 (LT1-2)

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