Entscheidungsstichwort (Thema)

Tendenzeigenschaft eines Berufsbildungszentrums

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann ein auf der Basis der §§ 40 ff. AFG tätiges Berufsbildungszentrum unter dem Gesichtspunkt der erzieherischen Bestimmung nach § 118 Abs. 1 BetrVG Tendenzbetrieb sein?

 

Normenkette

BetrVG § 118 Abs. 1, § 106

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 08.11.1991; Aktenzeichen 2 TaBV 77/91)

ArbG Essen (Beschluss vom 26.03.1991; Aktenzeichen 2 BV 123/90)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. November 1991 – 2 TaBV 77/91 – aufgehoben, soweit über den Hilfsantrag des Antragstellers entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob das vom Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) betriebene Berufsförderungszentrum unmittelbar und überwiegend karitativen oder erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient und deshalb ein Wirtschaftsausschuß nicht zu bilden ist.

Der Antragsteller ist der aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat des Berufsförderungszentrums. Er bildete in seiner Sitzung vom 17. Oktober 1990 einen Wirtschaftsausschuß und teilte dies dem Arbeitgeber mit. Dieser hält die Bildung des Wirtschaftsausschusses wegen § 118 Abs. 1 BetrVG für unzulässig.

Der Arbeitgeber ist als eingetragener Verein organisiert und betreibt in E. ein sogenanntes Berufsförderungszentrum. § 1 seiner Satzung lautet:

„(1) Der Verein „Berufsförderungszentrum E.” hat die Errichtung und den Betrieb eines Modellzentrums für die berufliche Anpassung Erwachsener im Rahmen der Maßnahmen zur Arbeits- und Berufsförderung der Bundesanstalt für Arbeit zum Zweck.

(2) Der Verein hat im einzelnen folgende Aufgaben:

  1. Ausbilder in Kurzlehrgängen auszubilden, Erfahrungen aus der Praxis von Ausbildern ständig auszutauschen, die hier gewonnenen Erkenntnisse unter Hinzuziehung der Verbände der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber weiterzugeben;
  2. fortschrittliche Umschulungsmethoden in stofflicher, didaktisch-pädagogischer und technischer Hinsicht zu entwickeln;
  3. auf Berufe des überörtlichen Bedarfs, für die keine betriebsnahen Ausbildungsmöglichkeiten bestehen, und, um Erfahrungen im Sinne der Buchstaben a), b), d) zu sammeln, auf sonstige Berufe umzuschulen;
  4. die Einrichtung in der Weise auszugestalten, daß sie auch in anderen Schwerpunktgebieten der Bundesrepublik ein Beispiel geben und u.U. wiederholt werden kann;
  5. berufliche Ausbildungspläne für Erwachsene zu erarbeiten;
  6. erwachsenengerechte Prüfungsverfahren zu entwickeln.”

Nach § 2 der Satzung verfolgt der Arbeitgeber ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Das Berufsförderungszentrum verfügt über ca. 1.100 Teilnehmerplätze in den Bereichen Umschulung, berufliche Fortbildung, Übungswerkstatt und umschulungsvorbereitende Maßnahmen. Die durchgeführten Berufsbildungsmaßnahmen erstrecken sich auf Umschulung und berufliche Fortbildung. Am 23. Januar 1991 (Stichtag) nahmen insgesamt 1.172 Personen an Berufsbildungsmaßnahmen teil, davon 830 an Umschulungsmaßnahmen, die zwischen 20 und 24 Monate dauern und nach staatlich anerkannten Ausbildungsordnungen durchgeführt werden. Im Berufsförderungszentrum werden seit 1984 auch Kurse zur beruflichen Fortbildung arbeitsloser Metallfachkräfte in der CNC-Technik durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine dreimonatige Vollzeitmaßnahme. 1989 wurde die zwölfmonatige Fortbildungsmaßnahme „Produktionstechnik” neu in das Berufsbildungsprogramm aufgenommen. Eine weitere Vollzeitmaßnahme, die sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten erstreckt, dient der beruflichen Fortbildung „Automatisierungstechnik”. Eine ebenfalls einjährige Maßnahme wird im Bereich „DV-Organisation und Datentechnik” durchgeführt. Darüber hinaus werden im Rahmen der beruflichen Fortbildung Wochenkurse angeboten. Die Übungswerkstatt des Berufsförderungszentrums bietet berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten für langfristig arbeitslose Arbeitnehmer in den Berufsbereichen Bauhauptgewerbe, Baunebengewerbe, Metall, Holz sowie Garten- und Landschaftsbau an. Die Qualifizierung in der Übungswerkstatt ist nicht auf formale Abschlüsse, sondern darauf gerichtet, ein höchstmögliches Maß an Sicherheit in beruflicher Praxis zu gewinnen. Das Berufsförderungszentrum führt weiterhin umschulungsvorbereitende Maßnahmen in Form von Bildungserprobungen und Informationsseminaren für arbeitslose Arbeitnehmer durch. Diese Maßnahmen sollen den Teilnehmern bei der Entscheidung über die Umschulungsrichtung Hilfe leisten. Als weitere umschulungsvorbereitende Maßnahmen werden eine Fernvorförderung, ein Berufsorientierungstag und eine Orientierungsstufe für Frauen in gewerblich-technischen Berufen angeboten. Zusätzlich werden Projekte in Form von Modellversuchen durchgeführt.

Im Berufsförderungszentrum sind ca. 360 Arbeitnehmer tätig. Etwa die Hälfte von ihnen ist zum überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit bei Langzeitmaßnahmen im Rahmen der Berufsbildung und Berufsausbildung tätig.

Der antragstellende Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Berufsförderungszentrum diene nicht unmittelbar und überwiegend karitativen oder erzieherischen Bestimmungen. Erzieherischen Bestimmungen diene ein Unternehmen nur dann, wenn auch tatsächlich Erziehung Unternehmensgegenstand sei, also die Tätigkeit des Unternehmens auf die geistig-ideelle Persönlichkeitsentfaltung und auf eine Einwirkung auf die Persönlichkeit ausgerichtet sei. Im Berufsförderungszentrum hingegen würden nur Fertigkeiten vermittelt. Wesentliche Aufgabe sei die Durchführung der beruflichen Bildungsmaßnahme selbst und sonst nichts. Eine jeder Ausbildung immanente persönlichkeitsbildende Auswirkung sei ein eher zufälliges, beiläufiges Ergebnis der Bildungsmaßnahmen. Die Teilnehmer im Bereich der beruflichen Bildung würden nicht danach ausgewählt, ob sie bestimmten Problemgruppen angehörten oder bei ihnen persönliche Defizite vorlägen. Der bei dem Berufsförderungswerk bestehende Fachbereich 3 „Psychologische und soziale Dienste” bestehe aus einem Psychologen, der nur wenige Stunden pro Woche psychologische Beratung durchführen könne. Für die Sozialbetreuung seien nur zwei Sozialarbeiter vorgesehen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Arbeitgeber zu verpflichten, den im Unternehmen gebildeten Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen,

hilfsweise

festzustellen, daß im Unternehmen des Arbeitgebers ein Wirtschaftsausschuß zu bilden ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Berufsförderungszentrum diene sowohl karitativen als auch erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG. Für das Berufsförderungszentrum stehe der erzieherische Zweck der durchgeführten Maßnahmen im Vordergrund, wie sich aus § 1 der Satzung ergebe. Der dort verwendete Begriff der beruflichen Anpassung Erwachsener sei dem der Erziehung gleichzusetzen. Das Berufsförderungszentrum widme sich ausschließlich einer Zielgruppe von Arbeitnehmern, deren Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme notwendig sei, weil sie arbeitslos seien und beruflich wieder eingegliedert werden müßten, von Arbeitslosigkeit bedroht seien oder keinen beruflichen Abschluß hätten. Zwar würden die Teilnehmer nicht danach ausgewählt, ob sie zu dieser Problemgruppe gehörten, jedenfalls lägen aber zum großen Teil bei den Teilnehmern die entsprechenden Merkmale vor. Das Berufsförderungszentrum verfolge den Zweck, diesen Menschen unter gezielter Persönlichkeitsentwicklung die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu ermöglichen und sie durch ausbildungsbegleitende psychologische, pädagogische und soziale Hilfen auf ihre Berufstätigkeit vorzubereiten. Die Maßnahmen erschöpften sich nicht in der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, sondern die persönlichkeitsbildende Komponente sei deren integraler Bestandteil. Die Maßnahmen seien davon geprägt, den Arbeitslosen „Schlüsselqualifikationen” zu vermitteln, die sie in die Lage versetzten, sich zu selbständigen, eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln, die sich ohne fremde Hilfe möglichst selbst helfen könnten.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag als unzulässig und den Hilfsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat nur noch seinen bisherigen Hilfsantrag weiter. Soweit sich seine Rechtsbeschwerde zunächst auch gegen die Abweisung seines bisherigen Hauptantrages richtete, hat er sie zurückgenommen. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die im aufrechterhaltenen Umfang zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen nicht den Schluß, ein Wirtschaftsausschuß sei im Berufsförderungszentrum nicht zu bilden, weil es unmittelbar und überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG diene und damit die §§ 106 bis 110 BetrVG nicht anzuwenden seien.

1. Einer erzieherischen Bestimmung im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG wird dann gedient, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit des Menschen geformt werden soll. Erzieherischen Bestimmungen können auch Einrichtungen dienen, die keine Schulen im herkömmlichen Sinne sind. Entscheidend ist jeweils, daß die Persönlichkeit des Menschen und seine Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft gefördert werden sollen (BAGE 62, 156, 162 f. = AP Nr. 43 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe; BAG Beschluß vom 3. Juli 1990 – 1 ABR 36/89 – AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972, zu B IV 2 b der Gründe, m.w.N.). Auf Erziehung in diesem Sinne muß das Unternehmen oder der Betrieb ausgerichtet sein. Die bloße Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten ist noch nicht Erziehung im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (BAG Beschluß vom 7. April 1981 – 1 ABR 62/78 – AP Nr. 17 zu § 118 BetrVG 1972, zu B I 2 b der Gründe). Erziehung im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG kann, abgesehen von Methoden und Zielen, nur dann stattfinden, wenn sie mit einer gewissen Nachhaltigkeit gegenüber dem einzelnen zu erziehenden Menschen vorgenommen wird (BAGE 62, 156, 163 = AP Nr. 43 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe). Erziehung in diesem Sinn ist nicht nur gegenüber Kindern und Jugendlichen möglich. Auch Erwachsene können in ihrer Persönlichkeit noch geformt und ihre Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter gefördert werden (BAG Beschluß vom 3. Juli 1990 – 1 ABR 36/89 – AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972, zu B IV 2 b der Gründe).

2. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Maßstab für das Vorliegen einer erzieherischen Bestimmung sei die sich zum Beispiel aus der Satzung ergebende Zielsetzung der Bildungseinrichtung. Erziehung beziehe sich nicht nur auf die Vermittlung von Wertvorstellungen, sondern es gehörten hierzu vielmehr auch anerkannte pädagogische Maßstäbe, eine längere zeitliche Einwirkungsmöglichkeit und ein festumrissenes Bildungsziel. Ein solches Ziel sei auch die dauerhafte Eingliederung einer Person in die Gesellschaft und ihr Arbeitsfeld.

Das Bestehen eines bestimmten didaktischen Konzepts für die Durchführung der Bildungsmaßnahmen folge bereits aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber das Berufsförderungszentrum als Modellzentrum unterhalte. Auch die Berücksichtigung der für die jeweiligen Berufe vorgesehenen Ausbildungsordnungen sei nur auf dem Hintergrund eines entsprechenden Konzeptes denk- und durchführbar. Unerheblich sei, ob sämtliche Modellvorstellungen auch tatsächlich Eingang in die einzelnen Schulungsmaßnahmen fänden. Entscheidend sei, daß die Maßnahmen darauf ausgerichtet seien, den Teilnehmern einen Ausbildungsabschluß zu ermöglichen oder ihnen in sonstiger Weise Hilfestellung für die Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu gewähren. Diese Ausrichtung ergebe sich nicht nur aus der Satzung des Arbeitgebers, sondern auch aus den Vorschriften der §§ 40 ff. AFG. Diese gewährten einem bestimmten Personenkreis Förderung, weil er, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage gewesen sei, den angestrebten Platz im Arbeitsleben zu behalten oder zu erreichen. Es liege auf der Hand, daß Menschen, die über einen längeren Zeitraum hinweg arbeitslos gewesen seien, Defizite – gleich welcher Art – aufwiesen, denen besondere Beachtung zukommen müsse und auf die sich die Unterrichtsformen einzustellen hätten. Entscheidend sei, daß auf die Teilnehmer der berufsbildenden Maßnahmen so eingewirkt werde, daß sie auf dem Hintergrund eines für sie entwickelten Programms, das auf die besonderen Schwierigkeiten dieses Personenkreises abgestellt sei, eine Entwicklung erführen, die es ihnen ermögliche, wieder oder erstmals den von ihnen gewünschten Platz in der Gesellschaft und der Arbeitswelt einzunehmen.

3. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht den Schluß, das Berufsförderungszentrum diene erzieherischen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.

a) Auch Berufsbildungseinrichtungen gehören zu den Unternehmen mit erzieherischen Bestimmungen, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender und berufsbildender Fächer die Persönlichkeit eines Menschen geformt werden soll (BAGE 62, 156, 162 f. = AP Nr. 43 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe; BAGE 58, 92, 98 f. = AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 118 Rz 21; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 55; Küchenhoff, NZA 1992, 679, 683; Oldenburg, NZA 1989, 412, 414 f.). Auch mit der Ausbildung zu einem praktischen Beruf kann eine Erziehung im Sinne von Persönlichkeitsbildung verbunden sein (vgl. Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 19). Maßnahmen für Arbeitslose, die von Bildungsträgern in Gemeinschaft mit der oder für die Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt werden, brauchen sich nicht auf eine Fachbildung innerhalb einer einzelnen Berufssparte zu beschränken, sondern können mit dem Ziel der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben auch einem erzieherischen Ziel dienen (vgl. Küchenhoff, NZA 1992, 683). Dabei kann jedoch nicht schon aus der bloßen Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen auf eine entsprechende erzieherische Bestimmung der Einrichtung geschlossen werden. Vielmehr bedarf es hierzu tatsächlicher Feststellungen, daß die Bildungseinrichtung ihre persönlichen und sonstigen Mittel mit der Zielrichtung einsetzt, nicht nur fachspezifischen Unterricht zu erteilen, sondern überwiegend erzieherischen Bestimmungen zu dienen (vgl. BAG Beschluß vom 3. Juli 1990 – 1 ABR 36/89 – AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972, zu B IV 2 b der Gründe; Küchenhoff, NZA 1992, 683; Oldenburg, NZA 1989, 415). Die bloße, wenn auch auf didaktischen Konzepten beruhende Vermittlung arbeitstechnischer Kenntnisse und Fertigkeiten genügt demgegenüber nicht. Der mit jeder Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten verbundene erzieherische Wert besagt noch nichts darüber, ob die Betätigung im Unternehmen selbst darauf ausgerichtet ist, Erziehung zu bewirken. Die Zielsetzung der unternehmerischen Betätigung muß Erziehung sein. Die Betätigung muß der Verfolgung dieser Zielsetzung dienen (BAG Beschluß vom 7. April 1981 – 1 ABR 62/78 – AP Nr. 17 zu § 118 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe).

b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung ein Modellzentrum für die berufliche Anpassung Erwachsener im Rahmen der Maßnahmen zur Arbeits- und Berufsförderung der Bundesanstalt für Arbeit unterhält, noch nicht auf die erzieherische Bestimmung der Einrichtung geschlossen werden. Diese Satzungsbestimmung allein macht das Berufsförderungszentrum noch nicht zum Tendenzbetrieb. Entscheidend ist, ob die hier entwickelte Tätigkeit lediglich darauf gerichtet ist, Kenntnisse und Fertigkeiten für einen Beruf zu vermitteln oder ob der jeweilige Unterricht satzungsgemäß auch darauf ausgerichtet ist, Erziehung im dargelegten Sinne zu bewirken (vgl. BAG Beschluß vom 3. Juli 1990 – 1 ABR 36/89 – AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972).

Auch der in § 1 Abs. 2 der Satzung im einzelnen beschriebenen Aufgabenstellung läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, daß die Bildungseinrichtung eine bestimmte Erziehungsauffassung oder ein bestimmtes Erziehungsmodell verfolgt. Dem steht nicht entgegen, daß, wie das Landesarbeitsgericht annimmt, die Durchführung der Bildungsmaßnahmen nur vor dem Hintergrund eines entsprechenden Konzeptes denk- und durchführbar ist. Auch die bloße Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten bedarf eines strukturierten Unterrichtsaufbaus und damit notwendig eines zumindest didaktischen Konzeptes. Dies beinhaltet aber nicht schon deshalb eine darüber hinausgehende erzieherische Zielsetzung. Die Vorschriften der §§ 40 ff. AFG stehen einer solchen Zielsetzung zwar nicht entgegen; aus ihnen läßt sich aber umgekehrt auch nicht ableiten, daß eine Bildungseinrichtung, die Maßnahmen nach diesen Vorschriften durchführt, stets erzieherischen Bestimmungen dient. Auch wenn, wie das Landesarbeitsgericht ausführt, die Förderung nach dem AFG den Zweck hat, Hilfestellung zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu gewähren, folgt daraus nicht, daß ein Bildungsträger, der solche Maßnahmen durchführt, Erziehung verfolgt und sie Zweck seiner Tätigkeit ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts reicht es nicht aus, daß die Teilnehmer an den Bildungsmaßnahmen eine Hilfe zur Persönlichkeitsentfaltung dadurch erfahren, daß sie durch konkrete Ausbildungsmaßnahmen und sonstige Hilfen in die Lage versetzt werden, wieder aktiv am gesellschaftlichen Leben durch Integration in die Arbeitswelt teilzunehmen. Einer erzieherischen Bestimmung wird im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG nur dann gedient, wenn gerade die Persönlichkeitsentfaltung oder -bildung der Hauptzweck der Bildungseinrichtung ist, nicht jedoch dann, wenn dies sich als ein bloßer, mit jeder Bildung letztlich verbundener erzieherischer Nebeneffekt darstellt.

4. Dem Landesarbeitsgericht kann nach den bisher von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen auch insoweit nicht gefolgt werden, als es gemeint hat, der erzieherischen Bestimmung würde hier unmittelbar und überwiegend (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG) gedient.

a) Für die Feststellung, ob der Zweck einer Einrichtung des Arbeitgebers überwiegend einer in dieser Vorschrift genannten Bestimmung dient, kommt es darauf an, in welchem Umfang und mit welcher Intensität die Einrichtung ihre Tätigkeit diesen Zielen im Vergleich zu anderen, nicht tendenzgeschützten Zielen widmet. Ein geeigneter Maßstab zur Feststellung der überwiegenden Bestimmung ist gerade bei gemeinnützigen, nicht auf Gewinn ausgerichteten Unternehmen und Betrieben, in welcher Größenordnung das Unternehmen oder der Betrieb seine personellen und sonstigen Mittel zur Verwirklichung seiner tendenzgeschützten und seiner nicht tendenzgeschützten Ziele regelmäßig einsetzt. Bei – wie hier – personalintensiven Unternehmen ist in erster Linie auf den Personaleinsatz abzustellen und zu prüfen, ob mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Personals zu Tendenzverwirklichung eingesetzt wird. Dabei kommt es nicht allein auf die Arbeitszeit der eigentlichen Tendenzträger an, sondern auf die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer, die an der Tendenzverwirklichung mitwirken (BAGE 62, 156, 167 ff. = AP Nr. 43 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2 c der Gründe; BAG Beschluß vom 3. Juli 1990 – 1 ABR 36/89 – AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972, zu B IV 2 c der Gründe).

b) Das Landesarbeitsgericht hat seine Ansicht, das Berufsbildungszentrum diene erzieherischen Bestimmungen unmittelbar und überwiegend, damit begründet, der überwiegende Teil der Maßnahmen erstrecke sich auf einen längeren Zeitraum, und die unmittelbar mit den Berufsbildungsmaßnahmen beschäftigten Arbeitnehmer führten zum überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit diese Tätigkeit aus.

c) Diese Feststellungen lassen nicht erkennen, ob mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Personals zur Tendenzverwirklichung eingesetzt wird. Wenn man davon ausgeht, nur die Hälfte der Arbeitnehmer sei zum überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit bei Langzeitmaßnahmen im Rahmen der Berufsbildung tätig, so wäre dadurch diese Voraussetzung noch nicht erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat indessen im einzelnen keine Feststellungen getroffen, in welchem Umfang die personellen und gegebenenfalls sonstigen Mittel für die vom Berufsförderungszentrum angebotenen Berufsbildungsmaßnahmen eingesetzt werden und welche Maßnahmen der Verwirklichung einer erzieherischen Bestimmung des Berufsförderungszentrums dienen. Eine Beurteilung, in welcher Größenordnung Mittel zur Verwirklichung der tendenzgeschützten und nicht tendenzgeschützten Ziele regelmäßig eingesetzt werden, ist dem Senat nicht möglich. Auch hierzu wird das Landesarbeitsgericht weitere Feststellungen zu treffen haben.

d) Das Landesarbeitsgericht hat es, von seinem Standpunkt aus zutreffend, dahinstehen lassen, ob das Berufsförderungszentrum karitativen Bestimmungen dient. Mangels entsprechender Feststellungen ist auch in diesem Punkt eine abschließende Beurteilung nicht möglich.

5. Dementsprechend war der angefochtene Beschluß aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Erweist sich, daß das Berufsförderungszentrum erzieherischen Bestimmungen dient, wird das Landesarbeitsgericht auch Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Zweck der Einrichtung unmittelbar und überwiegend dieser erzieherischen Bestimmung dient.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Ruppert, Schmoldt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1081343

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