Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Kirchenmusikers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) vom 26.6.86 ist kein Tarifvertrag im Sinne von § 72a Abs 1 Nr 2 ArbGG und des entsprechenden allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriffes. Daher kann auf seine fehlerhafte Auslegung die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht gestützt werden.

2. Der Rechtsbehelf kann auch nicht mit der unrichtigen Anwendung kirchlichen Gesetzes- und Verordnungsrechts begründet werden.

3. Die Grundsätze über die Annahme und etwaige Ausfüllung von Tariflücken sind Bestandteil des allgemeinen staatlichen Tarifrechts. Auch auf die Verletzung dieser Grundsätze kann die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG 1979 nicht gestützt werden (Bestätigung des Beschlusses des erkennenden Senats vom 24. März 1987, 4 AZN 725/86 = AP Nr 31 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).

 

Normenkette

GG Art. 9, 140; TVG § 1; ArbGG § 72a

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.08.1988; Aktenzeichen 2 Sa 827/88)

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 03.05.1988; Aktenzeichen 1 Ca 142/88)

 

Gründe

Der Kläger steht als Kantor und Organist der S kirche im Angestelltenverhältnis in den Diensten der beklagten Kirchengemeinde. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien bestimmt, daß der Inhalt der "Notverordnung über die Regelung des für die kirchlichen Angestellten geltenden Dienstrechts vom 13. Juli 1961" sowie deren Änderungen und Ergänzungen als Vertragsinhalt zu gelten haben. Die demgemäß in Bezug genommene Ordnung über die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT-AO) vom 26. Juni 1986 bestimmt in § 1:

"Im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland ...

ist für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die

in einer der Rentenversicherung der Angestellten un-

terliegenden Tätigkeit beschäftigt sind (Angestellte)

der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar

1961 in der für die Angestellten des Landes Nord-

rhein-Westfalen geltenden Fassung, die sich aus dem

Bundes-Angestelltentarifvertrag 1961 und den dazu

ergangenen Änderungen ... ergibt, anzuwenden, so-

weit nicht durch das kirchliche Recht ... etwas an-

deres bestimmt ist."

In § 2 der "Besonderen kirchlichen Bestimmungen" heißt es:

"Für die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifver-

trages gilt folgendes:

1. Zur Überschrift

Der Bundes-Angestelltentarifvertrag findet unter

folgender Überschrift Anwendung:

Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher

Fassung - BAT-KF"

und außerdem in Nr. 13 zu § 22:

Die Eingruppierung der Angestellten richtet sich

nach den Vergütungsmerkmalen der Allgemeinen

Vergütungsordnung zum BAT-KF ....

Die Anlage 1 a zu § 22 BAT-KF - Allgemeine Vergütungsordnung zum BAT-KF - regelt unter den Berufsgruppen in Ziffer 1.3 die Vergütungsgruppen und Tätigkeitsmerkmale für Kirchenmusiker. Danach gilt für die Fallgruppe 13 (Kirchenmusiker mit der Großen Urkunde - über die Anstellungsfähigkeit (A-Kirchenmusiker) in A-Kirchenmusikerstellen bei hervorragenden Leistungen in Kirchenmusikerstellen mit großem Arbeitsumfang und besonderer Bedeutung nach mindestens elfjähriger Tätigkeit als hauptberuflicher A-Kirchenmusiker) die Vergütungsgruppe II a. Eine höhere Vergütung ist in der Vergütungsordnung zum BAT-KF für Kirchenmusiker nicht vorgesehen, auch nicht im Wege des Bewährungsaufstieges.

Der Kläger hat ein mindestens achtsemestriges Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik in Leipzig absolviert. Er ist Orgellehrer an der Landeskirchenmusikschule, an der Hochschule für Musik Rheinland sowie an der Hochschule für Musik Ruhr und Leiter des Seminars für evangelische Kirchenmusik an der Niederrheinischen Musikschule D. Er bezieht Vergütung nach VergGr. II a BAT-KF. Gemäß § 3 der innerkirchlichen Verordnung über die Amts- und Dienstbezeichnung der Kirchenmusiker wurde ihm der Titel eines "Kirchenmusikdirektors" verliehen.

Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn ab 1. Januar 1986 Vergütung nach VergGr. I b BAT zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Die Beklagte beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung des Rechtsbehelfs.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig.

Die Erfordernisse einer rechtserheblichen Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG hat der Kläger nicht dargetan. Eine solche setzt voraus, daß die angefochtene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der seinerseits von einem abstrakten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in der Gesetzesnorm genannten Gerichts abweicht, woraus zugleich folgt, daß eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechende Rechtsanwendung eine Divergenz nicht zu begründen vermag (vgl. den Beschluß des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1979 - 5 AZN 15/79 - AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 mit weiteren Nachweisen). Dabei müssen sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus der anzufechtenden wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, daß nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (vgl. BAGE 41, 188, 190 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz mit weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung nicht. Zwar verweist der Kläger auf zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts. Er legt jedoch keine divergierenden abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen und den angezogenen Urteilen dar. Soweit der Kläger das Urteil des erkennenden Senats BAGE 8, 25 (= AP Nr. 5 zu § 7 AZO) heranzieht, übersieht er, daß sich dieses Urteil mit der Abgeltung von Überstunden und in diesem Zusammenhang mit Fragen des § 612 BGB beschäftigt, während es im angefochtenen Urteil um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers geht und das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang mit Fragen des § 612 BGB überhaupt nicht befaßt.

Aber auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Beschwerde des Klägers unzulässig. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) kann die unterlassene Zulassung der Revision nur angefochten werden, wenn die Rechtssache die "Auslegung eines Tarifvertrages" betrifft (§ 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG). "Auslegung eines Tarifvertrages" im Sinne dieser Gesetzesnorm ist die fallübergreifende, abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe, so daß der Beschwerdeführer im einzelnen darzulegen hat, welche tariflichen Rechtsbegriffe das Landesarbeitsgericht verkannt oder bei der Subsumtion wieder aufgegeben hat und worin die Gründe für die entsprechenden Rechtsfehler liegen (vgl. BAGE 32, 203, 205 = AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz und BAGE 32, 228, 229 = AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

Auch diesen Erfordernissen entspricht die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Der Kläger rügt nämlich nicht die fehlerhafte Auslegung tariflicher Bestimmungen, sondern macht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache lediglich geltend, im BAT-KF liege eine Regelungslücke vor, weil es für besonders qualifizierte Kirchenmusiker weder einen Bewährungsaufstieg in die VergGr. I b noch nach allgemeinen Merkmalen eine höhere Vergütung als solche nach der VergGr. II a gebe. Die Grundsätze über die Annahme und etwaige Ausfüllung von Tariflücken sind jedoch Bestandteil des allgemeinen Tarifrechts. Sie haben ihre Grundlage vorzugsweise im TVG, aber auch im bürgerlichen Recht, im Verfassungsrecht sowie der allgemeinen juristischen Methodenlehre. Auf die Verletzung dieser Grundsätze kann daher die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG 1979 nicht gestützt werden (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats vom 24. März 1987 - 4 AZN 725/86 - AP Nr. 31 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz mit weiteren Nachweisen).

Darüber hinaus verkennt der Kläger, daß es sich bei dem BAT-KF nicht um einen Tarifvertrag im Sinne von § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG handelt. Zwar wird im kirchlichen Rechtsbereich der BAT-KF üblicherweise als Tarifvertrag bezeichnet und werden seine Bestimmungen praktisch so angewendet wie der BAT im allgemeinen öffentlichen Dienst von Bund, Ländern und Gemeinden. Dennoch kommt aber dem BAT-KF die Rechtsqualität eines Tarifvertrages im allgemeinen arbeitsrechtlichen und insbesondere im Sinne von § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG nicht zu. Bereits aus dem Wortlaut dieser Gesetzesnorm, erst recht aber aus ihrem Sinn und Zweck und dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nämlich, daß der Gesetzgeber unter "Tarifverträgen" hier nur solche versteht, die nach Maßgabe des TVG zustandegekommen sind und dem vorgegebenen allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Tarifvertrages entsprechen. Es muß sich demgemäß also um solche Tarifverträge handeln, die in Vollzug der durch Art. 9 Abs. 3 GG diesen eingeräumten Rechtssetzungsautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. Arbeitgeberverbänden nach den Grundsätzen des im TVG näher geregelten staatlichen Tarifrechts aufgrund entsprechender Verhandlungen freier und voneinander unabhängiger Tarifvertragsparteien mit Normencharakter zustandegekommen sind (vgl. die Beschlüsse des Senats BAGE 34, 182, 184 = AP Nr. 9 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz und 13. Januar 1987 - 4 AZR 370/86 - AP Nr. 30 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz mit weiteren Nachweisen). Das trifft für den BAT-KF nicht zu (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 91). Er beruht vielmehr lediglich auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen Vereinbarungen, die freilich gültig im Rahmen der unter Verfassungsschutz stehenden Regelungsautonomie der Kirchen zustandegekommen sind (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der insoweit weitergeltenden Weimarer Reichsverfassung). Hiernach können weder die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) noch der BAT-KF als Tarifverträge im Sinne des § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG und des allgemeinen Tarifrechts angesehen werden (vgl. BAGE 34, 182, 184 = AP Nr. 9 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Soweit kirchenrechtliche Regelungen in anderem rechtlichen Zusammenhang einem Tarifvertrag gleichgestellt werden, ist das vom Gesetzgeber besonders normiert (vgl. § 6 Abs. 3 Beschäftigungsförderungsgesetz), was in § 72 a ArbGG nicht der Fall ist.

Soweit der Kläger weiter rügt, das Landesarbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß er mit Recht den Titel eines "Kirchenmusikdirektors" führe, rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung derjenigen kirchenrechtlichen Bestimmungen, in denen die Zuerkennung derartiger Amts- und Dienstbezeichnungen geregelt ist. Dabei handelt es sich um eine entsprechende Verordnung der vorliegend zuständigen evangelischen Landeskirche. Auf die unrichtige Anwendung kirchlichen Gesetzes- und Verordnungsrechts kann jedoch die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG aufgrund der einschränkenden Regelung in § 72 a Abs. 1 ArbGG nicht gestützt werden. Danach kann der Rechtsbehelf nicht einmal mit der Verletzung staatlichen Gesetzes- und Verordnungsrechts ohne Rücksicht auf seine Art und Bedeutung begründet werden (vgl. BAGE 41, 367, 372 = AP Nr. 25 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz mit weiteren Nachweisen). Demgemäß kann für kirchliches Gesetzes- und Verordnungsrecht nichts anderes gelten.

Damit kommt es auf die Frage, ob der vorliegende Fall tatsächlich grundsätzliche Bedeutung hat, nicht mehr entscheidend an. Der Kläger hat aber auch nicht dargelegt, inwiefern der vorliegende Rechtsstreit über den Einzelfall hinaus eine größere Zahl vergleichbarer Sachverhalte betreffen könnte (vgl. dazu den Beschluß des Senats vom 23. September 1981 - 4 AZN 346/81 - AP Nr. 20 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

Die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Feller

 

Fundstellen

BAGE 60, 344-349 (LT1-3)

BAGE, 344

NJW 1990, 2023

NJW 1990, 2023 (L)

NZA 1989, 769-771 (LT1-3)

ZTR 1989, 313-314 (LT1-3)

AP § 72a ArbGG 1979 (LT1-3), Nr 37

KirchE 27, 5-8 (LT)

PersR 1990, 86 (L1-3)

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