Rdn 1426

 

Literaturhinweise:

Hunsmann, Die Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen im Strafverfahren, StRR 2014, 324

Reichenbach, Die Mitwirkung blinder Richter im Strafverfahren, NJW 2004, 3160

Schulze, Blinde Richter – aktueller Stand von Diskussion und Rechtsprechung, MDR 1995, 670.

 

Rdn 1427

1. Uneinheitlich beantwortet die Rspr. die Frage, ob ein blinder Richter an der HV teilnehmen kann. Der Meinungsstand dazu lässt sich im Einzelnen wie folgt zusammenfassen (zu allem a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 10 ff. m. zahlr. weit. Nachw. aus der Lit.; eingehend zur Diskussion und zum Stand der Rspr. Hunsmann StRR 2014, 324, 328; Reichenbach NJW 2004, 3160; Schulze MDR 1995, 670):

 

Rdn 1428

Einigkeit besteht zwischen dem 3. und 4. Strafsenat des BGH darüber, dass ein blinder Richter den Vorsitz in einer erstinstanzlichen HV nicht führen kann (BGHSt 35, 164; BGH NStE § 338 Nr. 1 Nr. 5; StV 1989, 143; a.A. Schulze MDR 1995, 670).
Ob darüber hinaus die Mitwirkung eines blinden (Tat-)Richters überhaupt unzulässig ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Der 4. Strafsenat des BGH neigt zu dieser Auffassung (BGHSt 34, 236; so wohl a. BVerfG NJW 2004, 2150 [für einen blinden Schöffen]), während demgegenüber der 3. (StV 1989, 143) und der 5. Strafsenat (zuletzt BGHSt 11, 74, 78 m.w.N.) der Meinung sind, dass grds. auch blinde Richter Tatrichter sein können. Die Besetzung des Gerichts sei nur beeinträchtigt, wenn es in der HV zur → Augenscheinseinnahme, Teil A Rdn 435, komme (s. die o.a. Rspr.; KK-Gericke, § 338 Rn 50; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 11; a. noch BGHSt 18, 51 [Verwendung einer Tatortskizze]; BGH MDR 1964, 522; zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch den blinden Richter Schulze MDR 1995, 671 f.; Reichenbach NJW 2004, 3160). Die Ausführungen gelten für blinde Schöffen entsprechend (Hunsmann StRR 2014, 324, 329).
Das OLG Zweibrücken ist hinsichtlich des Vorsitzenden einer Berufungsstrafkammer a.A. (vgl. NJW 1992, 2437). In der Berufungsinstanz soll die Mitwirkung eines blinden Vorsitzenden jedenfalls zulässig sein (dazu a. BVerfG NJW 1992, 2075, das die gegen diesen Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat).
 

Rdn 1429

2. Dass ein stummer Richter nicht mitwirken darf, folgt aus dem Grundsatz der Mündlichkeit der HV (Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 12; Hunsmann StRR 2014, 324, 329). Das Gleiche gilt für die Mitwirkung eines tauben Richters (BGHSt 4, 191, 193). Auch stumme/taube Schöffen sind von der HV ausgeschlossen (Hunsmann, a.a.O.).

 

Rdn 1430

 

3. Hinweis für den Verteidiger!

Hat ein Richter mit einer der o.a. körperlichen Behinderungen teilgenommen, liegt i.d.R. ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 1 vor. In der Revision muss dann vorgetragen werden, dass der Richter tatsächlich blind ist (BGHR StPO § 338 Nr. 1 Richter, blinder, Nr. 6). Es tritt, wenn der Verteidiger die Teilnahme des behinderten Richters nicht gerügt hat, keine Präklusion nach §§ 222a, 222b ein (BGHSt 34, 236; → Besetzungseinwand, Teil B Rdn 931).

[Autor] Burhoff

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