Das Wichtigste in Kürze:

1. Grundlage von Beweisanträgen des Verteidigers im EV ist § 163a Abs. 2.
2. Hat der Verteidiger sich zur Antragstellung entschlossen, gehen die Ermittlungsbehörden seinem Antrag aber nicht nach, ist diese Entscheidung für den Verteidiger grds. nicht anfechtbar.
3. Einen Sonderfall des Beweisantragsrechts des Beschuldigten im EV regelt § 166, wonach der Beschuldigte, wenn er richterlich vernommen wird, zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann.
 

Rdn 1229

 

Literaturhinweise:

Beining, Gerichtliche Beweiserhebung im Zwischenverfahren, HRRS 2016, 407

Borowsky, Zum Beweisantragsrecht im Ermittlungsverfahren, StV 1986, 455

Dahs, Zur Verteidigung im Ermittlungsverfahren, NJW 1985, 1113

Krekeler, Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, NStZ 1991, 367

Kretschmer, Begriff und Bedeutung des Beweisantrages außerhalb der Hauptverhandlung, StraFo 2013, 184

Nelles, Der Einfluß der Verteidigung auf Beweiserhebungen im Ermittlungsverfahren, StV 1986, 74

Neuhaus, Fehlerquellen im Ermittlungsverfahren aus Sicht der Verteidigung, StV 2015, 185

Quedenfeld, Beweisantrag und Verteidigung in den Abschnitten des Strafverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil, in: Festschrift für Peters, 1984, S. 215

Schäfer, Das Recht des Beschuldigten auf Gehör im Ermittlungsverfahren, wistra 1987, 165

Schlothauer, Der Beweiserhebungsanspruch des Beschuldigten gegenüber dem Ermittlungsrichter (§ 166 Abs. 1 StPO), StV 1995, 158

ders., Die Verteidigung des inhaftierten Mandanten, StraFo 1995, 5

Schreiber, Zum Beweisantragsrecht im Ermittlungsverfahren, in: Festschrift für Baumann, 1992, S. 383

Vogel, Psychologie im Ermittlungs- und im Zwischenverfahren Oder: von (schl)echter und halber Strafverteidigung, StraFo 2020, 223.

 

Rdn 1230

1.a) Grundlage von Beweisanträgen des Verteidigers im EV ist § 163a Abs. 2, wonach, wenn der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen beantragt, diese zu erheben sind, wenn sie Bedeutung haben (eingehend zum Beweisantragsrecht im EV Borowsky, Krekeler, Kretschmer, ­Nelles, jeweils a.a.O.; s.a. Junker, Rn 127 ff.; Alsberg/Tsambikakis, Rn 585 ff.).

 

Rdn 1231

b) Über die Auslegung dieser Vorschrift besteht Streit (vgl. die Nachw. bei Meyer-Goßner/Schmitt, § 163a Rn 15 und die weit. Nachw. bei Bosbach, Rn 254). Gestritten wird insbesondere darum, ob die Vorschrift die Ermittlungsbehörden verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Nach einer in der Lit. zunehmend vertretenen Auffassung soll § 163a Abs. 2 dem Beschuldigten einen Beweiserhebungsanspruch gewähren, deshalb sei das Merkmal "von Bedeutung" in § 163a Abs. 2 nur als sog. unbestimmter Rechtsbegriff aufzufassen (LR-Erb, § 163a Rn 107; Krekeler NStZ 1991, 367; Nelles StV 1986, 77; Eisenberg, Rn 555; auch wohl Junker, Rn 128; Kretschmer StraFo 2013, 184 m.w.N.; vgl. noch Neuhaus StV 2015, 185, 187). Nach wohl (noch) h.M. in der Kommentar-Lit. (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; KK-Griesbaum, § 163a Rn 8) handelt es sich hingegen bei der Entscheidung über den Beweisantrag um eine reine Ermessensentscheidung der StA, weshalb die Ermittlungsbehörden nicht an die strengen Regeln des § 244 Abs. 3 gebunden seien, sondern sich im Rahmen des § 244 Abs. 2 (frei) bewegen könnten (KK-Griesbaum, a.a.O.). Begründet wird dies damit, dass § 163a Abs. 2 nur eine Konkretisierung der in § 160 Abs. 2 normierten Verpflichtung der StA darstellt (s.u.a. Quedenfeld, a.a.O., S. 219).

2. Legt man die o.a. h.M. zugrunde, muss der Verteidiger Folgendes beachten:

 

Rdn 1232

a) Der Verteidiger kennt die Einlassung seines Mandanten (→ Einlassung des Beschuldigten, Teil E Rdn 2017). Auf deren Grundlage muss er zunächst die grundsätzliche Entscheidung treffen, ob die im Zusammenhang damit von seinem Mandanten angegebenen Entlastungsmöglichkeiten, die i.d.R. den Ermittlungsbehörden unbekannt sind, überhaupt ins EV eingeführt und besonders unter Beweis gestellt werden sollen. Dabei wird er darauf abstellen, ob sein Mandant durch die zu beantragenden Beweise wirklich entlastet wird (Alibi!). Ist das der Fall, muss er die Beweise in das Verfahren einführen und darf damit grds. nicht bis zur HV warten (Dahs, Rn 445; Bosbach, Rn 253; so wohl auch Kretschmer StraFo 2013, 184). Das gilt auch, wenn bei erst späterer Antragstellung das Beweismittel dann verloren gegangen sein kann (z.B. Unfallspuren auf der Straße oder [Tat-]Spuren am Opfer oder Beschuldigten). Schließlich wird sich eine Antragstellung auch dann empfehlen, wenn die Beweiserhebung dazu führen kann, dass die StA das Verfahren ggf. einstellt (Junker, Rn 130; ­Junker/Armatage, Rn 135; → Einstellung des Verfahrens, Allgemeines, Teil E Rdn 2042, m.w.N.).

 

Rdn 1233

Allerdings muss der Verteidiger auch berücksichtigen, dass Polizei und StA – trotz des Gebots des § 160 Abs. 2, das durch den Beweisantrag aktualisiert wird – Beweisanträgen des Verteidigers im EV nicht unbedingt gern nachgehen, da diese den Abschluss der Ermittlungen i...

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