Rz. 23

Die primäre Risikobeschreibung versichert nur Handlungen, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit erfolgen. Die Pflichtverletzung muss bei Ausübung dieser Tätigkeit begangen worden sein. Dies ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn durch das Verhalten des Organmitglieds die Organhaftung nach den §§ 43 GmbHG, § 93 AktG bzw. § 116 AktG ausgelöst wird.[1] Dies umfasst Fehlleistungen im Leistungs-, Vertrauens- und Treuepflichtverhältnis. Versichert sind auch Verstöße gegen die Treuepflichten, denen das Organmitglied unterliegt.[2] Vorzugswürdig ist eine objektive Betrachtung, nicht ob subjektiv die Organperson ihr Amt verlassen wollte, wodurch sie es meistens gerade verletzt. Die Verletzung der Treuepflicht betrifft gerade den Kernbereich der Organpflichten und fällt damit in die Ausübung dieser Tätigkeit.

 

Rz. 24

Es ist im Einzelfall festzustellen, ob es sich noch um eine Fehlleistung im Leistungs- oder Vertrauens- und Treuepflichtbereich handelt oder ob dieser Bereich verlassen wurde.[3] Zum Leistungsbereich gehören aber auch einfache Tätigkeiten wie die Sachbearbeitung einzelner Geschäftsvorfälle. Selbst wenn sich der Geschäftsführer in das Callcenter setzt und Kunden akquiriert oder betreut, gehört dies zur versicherten Tätigkeit. Es muss sich nicht um leitende Aufgaben handeln. Operative Tätigkeiten fallen auch unter das Merkmal "in Ausübung der Tätigkeit".[4] In den AVB kann Gegenteiliges vereinbart werden.[5] Auch gehören zum Leistungsbereich Arbeiten, die Fachkenntnisse außerhalb des Managements erfordern, wie Kenntnisse des Rechts. Sofern dem Organ hierfür kein gesondertes Mandat erteilt wird, wobei die Rechts- oder Steuerberatung eine Zulassung als Rechtsanwalt oder Steuerberater erfordern würde, ist die Organhaftung betroffen, weshalb diese Tätigkeit auch in Ausübung der Tätigkeit erfolgte. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob eine Subsidiaritätsklausel für anderweitige berufliche Tätigkeiten vereinbart wurde (siehe zu Subsidiaritätsklauseln, die Ausführungen unter B4-1.1 AVB D&O). Daher sind auch beratende Tätigkeiten für die Gesellschaft vom Versicherungsschutz umfasst und zwar sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch für die Gesellschaft gegenüber Dritten. Der Ansicht, dass durch das Tatbestandsmerkmal "in Ausübung der versicherten Tätigkeit" kein Versicherungsschutz für Verstöße bestehen soll, durch die der Geschäftsführer oder Vorstand anderweitige Fachkenntnisse einsetzt, die unter einer anderen Berufshaftung fallen oder die er bei untergeordneten Tätigkeiten begeht, ist daher nicht zu folgen.[6]

 

Rz. 25

 

Beispiel: "Fehler bei der Due-Diligence-Prüfung"[7]

Ein IT-Dienstleister in der Rechtsform der AG kauft einen Konkurrenzbetrieb in der Rechtsform der GmbH. Der Vorstandsvorsitzende ist Volljurist, er hat jahrelang bei einer Großkanzlei im Bereich Gesellschaftsrecht gearbeitet. Er prüft daher selbst rechtlich das Zielunternehmen auf etwaige Risiken. Bei den Marken übersieht er, dass diese nicht verlängert und daher im Markenregister gelöscht wurden. Eine Neueintragung der Marken scheitert, weil sofort andere Wettbewerber für sich gleichlautende Marken angemeldet haben. Es drohen kostenintensive Rechtsstreitigkeiten. Da der Unternehmenskaufvertrag vorsieht, dass Schäden erst ab 100.000 Euro vom Verkäufer zu erstatten sind, der Vermögensnachteil aber geringer ist, soll der Vorstandsvorsitzende der Käuferin haften. Der D&O-Versicherer meint, diese Tätigkeit gehöre nicht zu den Kernaufgaben des Vorstands. Dieser hätte die Due-Diligence-Prüfung einem zugelassenen Rechtsanwalt überlassen müssen. Wie hier das Gericht entscheiden wird, ist offen. Vorzugswürdig ist aber die Auffassung, dass auch diese Tätigkeit, die gerade den Organhaftungsanspruch aus § 93 AktG auslöst, von der D&O-Versicherung umfasst ist. Dass der Vorstand Spezialkenntnisse einsetzt, schadet nicht, sondern ist grundsätzlich erwünscht. Auch soweit ihm dort Versäumnisse unterlaufen, löst dies die Organhaftung aus.

 

Rz. 26

 

Beispiel: "Beratung für Versicherungsmakler GmbH"

Ein Kunde einer Versicherungsmakler GmbH nimmt diese wegen fehlerhafter Beratung beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung in die Haftung. Die Police erhält keine Dienstunfähigkeitsklausel, die der Versicherungsnehmer als Beamter gebraucht hätte. Dann hätte er unkompliziert auch die Rente aus dem privaten Versicherungsvertrag neben seiner Pension erhalten. Nun ist diese Rente nicht gewährt worden. Die Versicherungsmakler-GmbH ist hiergegen ebenfalls gegen Vermögensschäden versichert. Die Vermögenschadenhaftpflichtversicherung für Versicherungsvermittler ist gesetzlich vorgeschrieben. Sie unterhält aber auch eine D&O-Versicherung und möchte daher den Geschäftsführer in Rückgriff nehmen, der die fehlerhafte Beratung durchgeführt hat. Dieser hat die Beratung in Ausübung seiner Tätigkeit vorgenommen, so dass diese von der Deckung umfasst wäre, wobei allerdings wegen des gleichzeitig bestehenden Versicherungsschutzes unter die Vermögenschadenhaftpflichtversicherun...

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