Rz. 10

Ein wichtiger Anwendungsfall der Eigenschadenklausel ist im Bereich der leitenden Angestellten eröffnet, die in der D&O-Versicherung mitversichert werden können.[1] Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung würden diese Mitarbeiter gegenüber der Gesellschaft als ihrer Arbeitgeberin nicht für einfache Fahrlässigkeit haften. Bei sog. mittlerer Fahrlässigkeit kommt nur eine anteilige Haftung in Betracht. Bei grober Fahrlässigkeit besteht nur ausnahmsweise, ggf. anteilig ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber, bei Vorsatz scheidet dieser komplett aus. Dies legen die sog. Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs fest, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt wurden.[2] Der Gesetzgeber hat für die privilegierte Arbeitnehmerhaftung zudem klargestellt, dass der Arbeitgeber das Verschulden des Arbeitnehmers beweisen muss (§ 619a BGB). Dies ist bei der Organhaftung der Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer genau umgekehrt, dort müssen sich die Organmitglieder hinsichtlich ihres Verschuldens entlasten. Auch durch diese Beweislastverteilung sind die Arbeitnehmer privilegiert. Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung gelten nicht für die Leitungsorgane wie die Geschäftsführer und Vorstände,[3] jedoch für alle Arbeitnehmer, auch die leitenden Angestellten.[4] Ursprünglich galten die Grundsätze nur für sog. gefahr- bzw. schadengeneigte Tätigkeiten, wobei bereits in den 70er-Jahren die Erweiterung auf leitende Angestellte erfolgte.[5] Schließlich wurde 1994 auch das Kriterium der Schadensgeneigtheit aufgegeben.[6] Die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs kommen also für alle Arbeitnehmer zur Anwendung, wobei das Merkmal der Schadensgeneigtheit bei Abwägung im Einzelfall weiterhin berücksichtigt werden kann.[7] Gegenüber Dritten käme, soweit dort Schäden verursacht werden, die Privilegierung nicht zur Anwendung.[8] Durch die Company Reimbursement-Klausel könnte die Gesellschaft nach erfolgter Freistellung des Angestellten den Schaden aber beim D&O-Versicherer liquidieren. Bei der Innenhaftung, wo der Arbeitnehmer gerade auch durch einfache Fahrlässigkeit erhebliche Vermögensschäden verursachen kann, wäre ein Einschluss von erheblicher Bedeutung. Die in den AVB D&O verankerte Klausel betrifft indes nur die Außenhaftung.

 

Rz. 11

Eine Klausel, die auch die Haftung nach den Grundsätzen des sog. innerbetrieblichen Schadensausgleichs versichert, also einen Eigenschaden versichert, könnte wie folgt lauten:[9]

Der Versicherer bietet der Versicherungsnehmerin und Tochtergesellschaften Versicherungsschutz für Schäden aufgrund von Pflichtverletzungen, die begangen wurden durch versicherte Personen, soweit sie aufgrund der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich sowie entsprechender ausländischer Rechtsvorschriften von einer Haftung gegenüber der Versicherungsnehmerin freigestellt sind.

Um den letzten Zweifel auszuräumen, dass auch die Innenhaftung gemeint ist, weil hier das Wort "freigestellt" nicht völlig präzise ist, sollte der Klauselwortlaut genauer gefasst werden, ggf. durch die Anfügung eines Satzes, dass dies auch gilt, wenn es um eigene Schäden der Arbeitgeberin geht.

[1] Mitterlechner/Wax/Witsch D&O-Versicherung, § 4 Rn. 34.
[2] BAG Beschl. v. 25.9.1957 - GS 4 (5)/56 BAGE 5, 1 = NJW 1958, 235 "Ein Arbeitnehmer, der fahrlässig den Arbeitsunfall eines anderen Arbeitnehmers desselben Betriebes oder Unternehmens verursacht hat, haftet dem Geschädigten nicht, wenn und soweit ihm eine Belastung mit solchen Schadenersatzansprüchen deshalb nicht zugemutet werden kann, weil seine Schuld im Hinblick auf die besondere Gefahr der ihm übertragenen Arbeit nach den Umständen des Falles nicht schwer ist."
[3] So BGH, Urt. v. 27.2.1975, II ZR 112/72, juris (zur Genossenschaft), Orientierungssatz: 1. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank ist auch für leicht fahrlässige Pflichtverletzungen haftbar; OLG Koblenz, Urt. v. 24.09.2007, 12 U 1437/04, Rn. 130, juris.de.; grundlegend Joussen Der persönliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerhaftung, RdA 2006, 129.
[4] Fritz Haftungsbegrenzung bei Führungskräften, NZA 2017, 673
[5] BAG, Urteil vom 11. 11. 1976 - 3 AZR 266/75, NJW 1977, 598, aus den Gründen: Der Haupteinwand des Bekl. geht dahin, dass der Kl. Leitender Angestellter gewesen sei und sich aus diesem Grunde nicht auf die haftungsmindernden Grundsätze bei gefahrgeneigter Arbeit berufen könne. Er stützt sich dabei auf zwei Urteile des BGH (VersR 1969, VERSR Jahr 1969 Seite 474; NJW 1970, NJW Jahr 1970 Seite 34 = AP § 611 BGB - Haftung des Arbeitnehmers - Nr. AP BGB § 611 51). Es kann dahingestellt bleiben, ob der zitierten Rechtsprechung des BGH zu folgen ist. Die vom BGH entschiedenen Fälle unterscheiden sich nämlich wesentlich von dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt. In den Fällen des BGH hatten Leitende Angestellte in ihrem Aufgabengebiet als Leiter einer Kreditabteilung bzw. als Justitiar versagt. Einen solchen Fehler inner...

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