Rz. 3

Nach der ersten Variante in A-4 der AVB D&O ist eine Tochtergesellschaft dann gegeben, wenn die Versicherungsnehmerin die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschaft hält. Damit wird die Regelung in § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB wiederholt. Dass auf die Mehrheit der Stimmrechte abgestellt wird, entspricht zudem der in § 17 Abs. 2 AktG verankerten Regelung, dass ein abhängiges Unternehmen vermutet wird, wenn ein anderes Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält. Eine Tochtergesellschaft im Sinne von A-4 AVB D&O liegt also vor, wenn die Versicherungsnehmerin unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit der Stimmrechte in dem betreffenden Unternehmen hält. Damit ist der Fall der faktischen Beherrschung erfasst, die allein aufgrund der Mehrheitsbeteiligung bei der Tochtergesellschaft möglich ist. Erforderlich ist also, dass der Versicherungsnehmer bei einer GmbH mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen oder bei einer AG mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus den Aktien zustehen. Nicht die Mehrheit des Kapitals, sondern nach dem Wortlaut die Mehrheit der Stimmrechte ist entscheidend. Die Mehrheit nach Kapital und Stimmen kann auseinanderfallen. So sind vor allem bei der GmbH Mehrstimmrechte möglich, durch die eine Person die Mehrheit der Stimmrechte haben kann, ohne dass sie die Mehrheit des Kapitals halten muss. Bei einer AG kann es neben Stammaktien auch Vorzugsaktien geben, die – solange der Vorzug in Form der Gewinnausschüttung gewährt wird – kein Stimmrecht haben. Da das Aufleben der Stimmrechte aus den Vorzugsaktien die Ausnahme darstellt und diese Stimmrechte, wenn der Vorzug nachgewährt wird auch wieder entfallen,[1] sollte es nur auf die "Normalsituation" ankommen, so dass ein vorübergehendes Entfallen der Mehrheit der Stimmrechte nicht schadet. Die betroffene Gesellschaft bleibt gleichwohl eine Tochtergesellschaft. Wer die Mehrheit der Stimmrechte aus den Stammaktien hält, hält auch die Mehrheit der Stimmrechte, nicht jedoch, da die Vorzugsaktien ebenfalls am Grundkapital beteiligt sind, die Mehrheit des Kapitals. Es kommt indes nach den AVB D&O auf die Mehrheit der Stimmrechte an.

 

Rz. 4

Da auch die mittelbare Ausübung genügt, gehören auch Enkelgesellschaften zu den versicherten Gesellschaften, wie auch Gesellschaften, wo die Versicherungsnehmerin die Mehrheit über weitere zu ihrem Konzern gehörige Gesellschaften ausüben kann.

 

Rz. 5

Beispiel: Die Versicherungsnehmerin hält 45 % der Stimmen an einer GmbH, eine Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin, an der die Versicherungsnehmerin mit Mehrheit beteiligt ist, gehören 6 % der GmbH. Insgesamt verfügt die Versicherungsnehmerin damit über 51 % der Stimmen. Damit ist die GmbH ebenfalls als Tochtergesellschaft anzusehen und ihre Organe gehören zu den versicherten Personen.

[1] Siehe § 140 Abs. 2 Satz 1 AktG: "Ist der Vorzug nachzuzahlen und wird der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht oder nicht vollständig gezahlt und im nächsten Jahr nicht neben dem vollen Vorzug für dieses Jahr nachgezahlt, so haben die Aktionäre das Stimmrecht, bis die Rückstände gezahlt sind."

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