Rz. 1

Die D&O-Versicherung ist eine Versicherung auf bzw. für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG.[1].Versicherungsschutz wird damit den Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten als versicherten Personen gewährt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VVG). Die Versicherten sind materiell-rechtlich Inhaber der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Bei einem Haftpflichtversicherungsvertrag sind dies die Rechtsschutz- und Freistellungsansprüche.[2] Bei der "klassischen" Versicherung auf fremde Rechnung bleibt aber grundsätzlich die Versicherungsnehmerin über die Rechte aus dem Vertrag verfügungsbefugt (§ 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1 VVG). Sie hat die formelle Verfügungsbefugnis. Dazu gehört auch die Geltendmachung der Rechte der versicherten Person aus dem Versicherungsvertrag. Es liegt ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft vor. Bei der Versicherung auf fremde Rechnung können gemäß § 44 Abs. 2 VVG die Versicherten die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ohne Zustimmung der Versicherungsnehmerin nur geltend machen, wenn sie im Besitz des Versicherungsscheins sind. Hierbei liegt bei der D&O-Versicherung eine besondere Ausgestaltung vor, weil dem Versicherten abweichend von der Bestimmung in § 44 VVG auch ohne Besitz des Versicherungsscheins ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird, während die Versicherungsnehmerin, also die GmbH oder die AG im Grundsatz entgegen § 45 VVG nicht über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag disponieren kann. Die Versicherungsnehmerin selbst hat also gerade keinen Direktanspruch gegenüber dem Versicherer.[3] Bei der D&O-Versicherung stehen bei der Side A – Deckung gemäß A-8.1 AVB D&O die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich den Versicherten, also den Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten, auch ohne Zustimmung der Gesellschaft und Vorlage des Versicherungsscheins, zu. Die Gesellschaft selbst hat keinen Direktanspruch..[4] Eine Ausnahme bildet die Eigenschadenklausel in A-3 AVB D&O (sog. Side B – Deckung). Da die Regelungen zur Versicherung auf fremde Rechnung in den §§ 44 ff. VVG dispositiv sind, können wie hier bei der D&O-Versicherung abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

 

Rz. 2

In der Haftpflichtversicherung werden häufig sowohl das Haftpflichtrisiko der Versicherungsnehmerin als auch Haftpflichtrisiken weiterer Personen eingeschlossen (z.B. in der Betriebshaftpflichtversicherung das des Unternehmers und der Betriebsangehörigen). Bei der D&O-Versicherung hingegen - soweit es die Side A-Deckung betrifft - ist nur das Interesse der Organmitglieder bzw. ggf. der leitenden Angestellten versichert. Insofern ist dies atypisch. Ebenso besonders ist, dass die Versicherungsnehmerin keine Verfügungsbefugnis über den versicherungsrechtlichen Anspruch hat und den Versicherten ausdrücklich ein Direktanspruch eingeräumt wird. Die Versicherungsnehmerin selbst ist bei den Innenhaftungsansprüchen Dritte.[5] Bei den Außenhaftungsansprüchen ist sie meist neben dem Geschäftsführer gesamtschuldnerisch in der Haftung (§ 31 BGB), weshalb sie nach Erfüllung des Geschädigten ggf. beim Organmitglied Rückgriff nehmen könnte, wodurch sie ebenfalls wieder gegenüber dem Organmitglied in der Position des Dritten ist, wofür das Organmitglied Versicherungsschutz benötigt.

 

Rz. 3

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherten kann ein gesetzliches Treuhandverhältnis bestehen.[6] Danach hat die Versicherungsnehmerin entweder einer Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherten zuzustimmen oder sie ist verpflichtet diese für den Versicherten einzuziehen und an diesen auszukehren. Dies ist bei der D&O-Versicherung wegen des Direktanspruchs nicht erforderlich, gleichwohl besteht dieses Treuhandverhältnis auch dort bzw. dieses besteht sogar "erst Recht" dort. "Erst Recht", weil der Direktanspruch bereits die starke Stellung des Versicherten unterstreicht und weil die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht das gesetzliche Treuhandverhältnis ergänzt bzw. ausgestaltet. Die D&O-Versicherung wird durch das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis und die bestehende gesellschaftsrechtliche Treupflicht bestimmt. Der Direktanspruch entsteht erst mit dem Versicherungsfall, also wenn der Haftungsanspruch gegenüber dem versicherten Organmitglied geltend gemacht wird. Aus dem Treuhandverhältnis folgt aber bereits davor, aber "erst Recht" nach dem Eintritt des Versicherungsfalls, dass die Versicherungsnehmerin verpflichtet ist, für den Erhalt des Direktanspruchs Sorge zu tragen, indem sie z.B. eigene Obliegenheiten wie z.B. die Schadensminderungsobliegenheit oder auch die Aufklärungsobliegenheit erfüllt, wenn man diese entgegen der hier vertretenen Auffassung der Versicherungsnehmerin auferlegt[7] (siehe dazu unten bei IV und bei B3-3 AVB D&O).

 

Rz. 4

Insofern hat der Versicherte schon eine Anwartschaft auf den Direktanspruch – jedenfalls für Pflichtverletzungen, die schon von ihm begangen wurden. Würde jetzt die Gesellschaft den D&O-Versicherungsvertrag ohne Nachmeldefrist beend...

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