Rz. 1

A-5.1 AVB D&O definiert den zeitlichen Umfang des Versicherungsschutzes. Hier ist das Verstoßprinzip verankert (siehe die Ausführung oben bei A-2.). Angesichts des Umstandes, dass die Erhebung des Anspruchs (Claims-Made-Prinzip) zum Versicherungsfall gehört, welcher sich ebenfalls während der Vertragslaufzeit ereignen muss, stellt die D&O-Versicherung auf das Anspruchserhebungsprinzip ab, kombiniert dieses jedoch mit dem Verstoßprinzip (siehe bereits oben bei A-2 AVB D&O). Ob ein Verstoß am Ende zu einem Anspruch führt, ist ungewiss, es müssen ein Verschulden und ein adäquat-kausaler Schaden hinzutreten. Eindeutig ergibt sich aus dem verankerten Verstoßprinzip, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Schadens nicht entscheidend ist. Die Gesellschaft erfährt indes erst oft bei Eintritt des Schadens von der Pflichtverletzung und wird erst jetzt Ansprüche beziffern und geltend machen können. Daher ist bei Beendigung des D&O-Versicherungsvertrags die Vereinbarung einer Nachmeldefrist bzw. alternativ die Vereinbarung einer Rückwärtsversicherung beim Anschlussversicherer von großer praktischer Relevanz (siehe dazu die Ausführungen unter II und III).

 

Rz. 2

Ob die Gesellschaft den Anspruch geltend machen möchte, entscheidet diese durch ihr zuständiges Organ, wie die Gesellschafterversammlung bei der GmbH oder der Aufsichtsrat bei der AG. Nach A-5.1 AVB D&O besteht Versicherungsschutz wegen einer Pflichtverletzung, welche während der Dauer des Versicherungsvertrags begangen wurde. Die Pflichtverletzung ist vom Schadenseintritt unabhängig, der Schaden kann zeitlich später eintreten. Lediglich die Pflichtverletzung des Organs muss sich innerhalb der Dauer des Versicherungsvertrages ereignen.

 

Rz. 3

 

Beispiel: "Rahmenvertrag mit Vertragsstrafe"

Der Geschäftsführer schließt einen Rahmenvertrag für Lieferungen ab, der empfindliche Vertragsstrafen für den Fall der verspäteten Lieferung enthält. Der Geschäftsführer hat diese Vertragsstrafe schlichtweg übersehen, die Gesellschaft ist aufgrund der starken Nachfrage ihrer Produkte seit Jahren in Lieferschwierigkeiten. Hätte der Geschäftsführer die Vertragsstrafe gesehen, hätte er sie keinesfalls akzeptiert. Der Vertrag wäre gleichwohl geschlossen worden, da die Käufer auf die Produkte der GmbH angewiesen sind, während diese ihre Produktionskapazitäten in vollem Umfang auch ohne den Rahmenvertragskunden absetzen könnte. Aufgrund des Rahmenvertrages erfolgen zehn Lieferungen innerhalb von drei Jahren. Diese waren teilweise verspätet. Der Käufer hat sich jedoch trotz des Verzugs nicht auf die Vertragsstrafe im Rahmenvertrag berufen, weil er weiter beliefert werden wollte. Im vierten Jahr entspannte sich die Situation, da andere Anbieter Produktionskapazitäten aufgebaut haben. Nunmehr beruft sich der Abnehmer bei einer erneuten verspäteten Lieferung auf die Vertragsstrafe, die die GmbH daraufhin zahlt. Die Gesellschafterversammlung erwägt einen Rückgriff beim Geschäftsführer und fasst einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss. Dieser wird dem Geschäftsführer zugesandt. Hierin liegt die Anspruchserhebung. Zu diesem Zeitpunkt muss nach A-2 der AVB D&O der D&O-Versicherungsvertrag noch bestehen. Gleichzeitig muss aber zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung, d.h. zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags der Versicherungsvertrag ebenfalls bestanden haben.

 

Rz. 4

Angesichts des Umstandes, dass D&O Versicherungsverträge häufig nur als Jahresverträge abgeschlossen werden, ist es keinesfalls gesichert, dass während dieses Zeitraums alle Tatbestandsvoraussetzungen des Versicherungsfalls vorliegen. Die alljährliche Erneuerung (Renew) des Versicherungsvertrags schadet nicht, die Tatbestandsvoraussetzungen können sich auf verschiedene Versicherungsperioden verteilen. Es geht um denselben, wenn auch erneuerten bzw. verlängerten Versicherungsvertrag. Handelt es sich allerdings nicht um denselben Versicherungsvertrag, muss für die Pflichtverletzungen, die vor Vertragsbeginn begangen wurden, geprüft werden, inwieweit gem. A-5.2 AVB D&O eine Rückwärtsversicherung vorliegt. Zudem muss für Pflichtverletzungen, die erst nach Beendigung des D&O-Vertrages geltend gemacht werden, eine Nachmeldefrist vereinbart worden sein.

 

Rz. 5

Erstreckt sich die Pflichtverletzung über einen Zeitraum, wird sie also gedehnt vorgenommen, muss es genügen, wenn die Pflichtverletzung während der Dauer des Versicherungsvertrages ihren Anfang genommen hat. Bei einer Pflichtverletzung durch fahrlässige Unterlassung ist diese im Zweifel an dem Tag begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. Versäumt es beispielsweise der Geschäftsführer eine Forderung in verjährungshemmender Weise geltend zu machen, so wird die Pflichtverletzung ab dem 31.12. des Jahres begangen, indem die Forderung noch unverjährt eingeklagt oder ein Mahnbescheid hätte beantragt werden können. Der Versicherer, bei dem zu diesem Zeitpunkt, also am 1.1. Versicherungsschutz be...

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