Rz. 37

Grundsätzlich gilt für einen Versicherungsvertrag der im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft die Regelung des § 103 Abs. 1 InsO: Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. Hintergrund dieser Regelung ist der Grundsatz, dass zwar das Vertragsverhältnis mit den gegenseitigen Ansprüchen durch die Insolvenzeröffnung nicht beendet oder aufgehoben wird. Bei beiderseits nicht vollständig erfüllten Verträgen verlieren die Erfüllungsansprüche aber ihre Durchsetzbarkeit.[1] Deshalb hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht, ob er den Vertrag erfüllen möchte. Dieses Wahlrecht setzt voraus, dass der Vertrag beiderseits nicht vollständig erfüllt ist. Bei Versicherungsverträgen wird häufig eine Folgeprämie rückständig sein, zumal diese im Voraus fällig ist, während auch die Gegenleistung in Form der Gewährung des Versicherungsschutzes noch gefordert werden kann, soweit schon Versicherungsfälle eingetreten sind oder noch eintreten können.[2] Deshalb kommt § 103 InsO häufig bei Versicherungsverträgen zur Anwendung. Danach kann der Insolvenzverwalter Erfüllung verlangen oder dieselbe ablehnen. Bleibt der Verwalter untätig, kann der Versicherer ihn auffordern, sein Wahlrecht auszuüben (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). Der Verwalter hat dann unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Reagiert der Verwalter nicht unverzüglich, indem er die Erfüllung geltend macht, kann er später auf die Erfüllung nicht bestehen.

 

Rz. 38

Wählt der Insolvenzverwalter Erfüllung und zahlt er die Prämie wird der Versicherungsschutz fortgesetzt und es bestünde für noch eintretende Versicherungsfälle Deckung. Da der Versicherungsfall mit der Anspruchserhebung eintritt, würde dieser nach der Erfüllungswahl eintreten und es bestünde Versicherungsschutz. Sofern die Prämie bereits im Voraus entrichtet wurde, läge kein beiderseits nicht vollständig erfüllter Vertrag vor, so dass sich die Frage nach dem Erfüllungswahlreicht nicht stellt. Eine Klausel in den D&O-Versicherungsbedingungen, die wegen der Eröffnung der Insolvenz oder der Stellung des Insolvenzantrags eine Beendigung vorsähe, wäre unangemessen benachteiligend und damit unwirksam (siehe oben Rn. 35).

 

Rz. 39

Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, also die Zahlung der offenen Prämienschuld ab, verliert die Insolvenzmasse ab diesem Zeitpunkt den Anspruch auf die Gegenleistung. Einen solchen Anspruch auf eine Gegenleistung hat indes die insolvente Gesellschaft ohnehin nicht, sondern nur die jeweiligen versicherten Personen.[3] Eine Ausnahme bilden allerdings Ansprüche aus der Company-Reimbursement-Klausel oder einer vereinbarten Eigenschadenklausel (siehe dazu oben A-3 AVB D&O). Außerdem hat die Insolvenzmasse mittelbar ein Interesse daran, dass das in Anspruch genommene Organmitglied freigestellt wird, damit der Ausgleich der Schadensersatzforderung erfolgt. Insofern ist der Ansicht zu folgen, die dem Insolvenzverwalter auch bei der D&O-Versicherung das Erfüllungswahlrecht einräumt, dann auch mit den Auswirkungen auf die wechselseitigen Ansprüche, was bedeutet, dass bei der Ausübung des Wahlrechts zur Erfüllung diese durchsetzbar bleiben, während bei Ablehnung der Erfüllung die Ansprüche der Gesellschaft aus der Eigenschadenklausel nicht mehr durchsetzbar wären. Ansprüche der versicherten Organmitglieder bleiben unberührt, soweit die Direktansprüche schon entstanden sind oder die Pflichtverletzung noch im versicherten Zeitraum erfolgte und die Geltendmachung während der Nachmeldefrist.

 

Rz. 40

Der Versicherungsvertrag selbst würde durch die Erfüllungsverweigerung nicht automatisch enden, er müsste noch gekündigt werden. Die Frage ist also, ob der Insolvenzverwalter durch seine Erfüllungsverweigerung die Erfüllung der bereits entstandenen Direktansprüche verhindert oder ob nur künftige Direktansprüche nicht entstehen können oder ob selbst dies nicht ausgeschlossen ist.

 

Rz. 41

Nach der hier vertretenen Auffassung gilt § 334 BGB bei der D&O-Versicherung nicht.[4] Der BGH hat im Ergebnis ebenfalls entschieden, dass das Erfüllungswahlrecht keine Auswirkungen auf den Direktanspruch hat.[5]. Damit hat er § 334 BGB ebenfalls nicht angewandt. Nicht deutlich wird indes, ob die fehlende Auswirkung auf den Direktanspruch durch eine Erfüllungsverweigerung nur für den bereits entstandenen Deckungsanspruch gilt. In der BGH-Entscheidung hatte allerdings der Insolvenzverwalter den Anspruch gegen den Geschäftsführer deutlich nach dem Eintritt der Leistungsfreiheit infolge qualifizierter Mahnung und nach der Erfüllungsverweigerung geltend gemacht. Übrigens bleibt es bei der Leistungsfreiheit infolge qualifizierter Mahnung, wenn diese bei Insolvenzeröffnung bereits eingetreten ist. Sofern diese noch nicht eingetreten ist, sind durch die Eröffnung die Folgen des Verzugs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge