Rz. 5

Die Gewährung von Rechtsschutz für den Versicherten ist eine Hauptpflicht des Versicherers.[1] Der Versicherer hat gegenüber dem Versicherten zu erklären, ob er diesem Rechtschutz gewährt und die Kosten der Abwehr bzw. darüber hinausgehend, die Unterstützung bei der Abwehr bis hin zur Prozessführung übernimmt.[2] Der Versicherer ist im Rahmen seiner Hauptleistungspflicht verpflichtet, "den Versicherten von den gegen diesen erhobenen Haftungsansprüchen Dritter und deren Folgen freizuhalten. Der Versicherer kann den erhobenen Ersatzanspruch anerkennen oder Entschädigung leisten, weitere Ermittlungen anstellen, mit dem anspruchstellenden Dritten verhandeln oder schließlich den Haftpflichtprozess führen. Will der Versicherer den Anspruch bestreiten, muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist. Die Verantwortung und die Arbeitslast trägt insoweit der Versicherer"[3].

Grundsätzlich ist, so hat es das OLG Koblenz[4] zutreffend formuliert: "die Abwehr … jedenfalls dann erforderlich, wenn die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht sind und auch nur die entfernteste Möglichkeit besteht, dass der VN aus den unter das versicherte Risiko fallenden und behaupteten Tatbeständen verurteilt wird."

Der Abwehranspruch ist deutlich vom Freistellungsanspruch zu unterscheiden. Freigestellt werden muss der Versicherte erst ganz am Ende, wenn ein rechtkräftiges Urteil vorliegt. Im Vorfeld gilt es jedoch für den Versicherten die Inanspruchnahme abzuwehren und dies bereits auch im außergerichtlichen Stadium, also vor Erhebung der Haftungsklage. So würde "der versicherungsrechtliche Abwehranspruch … auf unerträgliche Weise eingeschränkt, wenn jede - mehr oder weniger absurde Behauptung eines wirklich oder vermeintlich Geschädigten, die erhobenen Ansprüche seien auch aus Tatbeständen begründet, die außerhalb des versicherten Risikos liegen (z.B. vorsätzliche Schädigung), dem VN den Versicherungsschutz nehmen würde."[5] Siehe ausführlich zum Anspruch auf ggf. vorläufige Deckung, vor allem wenn der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung im Raum steht, die Ausführungen unten bei A-7 AVB D&O III. Da nach § 100 VVG bei der Haftpflichtversicherung der Versicherer auch verpflichtet ist, unbegründete Ansprüche abzuwehren, besteht auch Versicherungsschutz in Form der Abwehrdeckung, wenn Ansprüche geltend gemacht werden, die nur vorsätzlich begangen werden können. Es muss sich aber um einen Anspruch handeln, der in das vereinbarte primäre Risiko fällt, also um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch bei Ausübung der Tätigkeit als Organmitglied (siehe dazu die Ausführungen bei A-7 AVB D&O II).

Der Abwehranspruch ist fällig, wenn das Organmitglied ernsthaft in Anspruch genommen wird, wobei die Fälligkeit erst nach Anzeige beim Versicherer und Ablauf einer angemessenen Prüffrist auf der Grundlage ausreichender Unterlagen eintreten kann (siehe unten unter A-6 AVB D&O II 5). Beim GmbH-Geschäftsführer wäre dies z.B. frühestens mit dem Zugang des Beschlusses der Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs der Fall. "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die "Inanspruchnahme" jede Erklärung ausreichend, für die vom Versicherungsnehmer ernsthaft eine Leistung gefordert wird: Der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Versicherungsleistungen aus der Haftpflichtversicherung wird dann fällig, wenn sich der Gläubiger entschlossen hat, Schadensersatzansprüche gerade gegen ihn geltend zu machen und dass er diesen Entschluss in einer Art und Weise zu erkennen gibt, die als ernstliche Erklärung der Inanspruchnahme vom Versicherungsnehmer verstanden werden kann (BGH - 9. Juni 2004 - IV ZR 115/03 = VersR 2004, 1043).Von einer Abwehr des geltend gemachten Haftpflichtanspruchs kann frühestens in dem Zeitpunkt gesprochen werden, in dem der Gläubiger mit dem Angriff begonnen hat, und dem Versicherungsnehmer gegenüber muss klargestellt sein, dass ein ernsthaftes Schadensersatzverlangen vorliegt".[6]

 

Rz. 6

Der Abwehranspruch ist auf die versicherte Person zugeschnitten und daher weder pfändbar noch abtretbar.[7] Werden z.B. zwei Geschäftsführer verklagt und hat der eine Versicherungsschutz, der andere jedoch nicht z.B. weil bei ihm der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung eingreift, kann nicht der versicherte Geschäftsführer, der ohnehin damit rechnet, den Prozess zu gewinnen, so dass der Gegner die Kosten trägt, seinen Abwehranspruch an den zweiten Geschäftsführer abtreten, damit diesem die Kosten zur Verfügung gestellt werden, die sonst der abtretende Geschäftsführer vorschussweise verlangen könnte.

 

Rz. 7

Sofern neben dem Organmitglied weitere nicht versicherte Personen, etwa die Gesellschaft selbst oder nicht mitversicherte Dritte, wie Berater oder Mitarbeiter neben dem Versicherten verklagt worden sind, trägt der Versicherer nur die Abwehrkosten seines Versicherten. Unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten, kann es ggf. angezeigt sein, die Kosten einer anderen Partei zu übernehmen. Will die...

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