Tochtergesellschaften im Sinne dieser Bedingungen sind Unternehmen im Sinne von §§ 290 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 bis 3, 271 Abs. 1 HGB, bei denen der Versicherungsnehmer unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, entweder durch

  • die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter,
  • das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichts-, des Verwaltungsrats oder eines sonstigen Leitungsorgans zu bestellen oder abzuberufen und er gleichzeitig Gesellschafter ist oder
  • das Recht, die Finanz- und Geschäftspolitik auf Grund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages oder auf Grund einer Bestimmung in der Satzung dieses Unternehmens zu bestimmen

und die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU haben.

Dies gilt nicht für Personengesellschaften im Sinne des deutschen Rechts und vergleichbare Gesellschaftsformen nach ausländischem Recht.

Neu erworbene und neu gegründete Tochtergesellschaften sind ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerb oder die Gründung dem Versicherer in Textform angezeigt wird, vom Versicherungsschutz erfasst, soweit der Versicherer der Mitversicherung in Textform zugestimmt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt der Anzeige ist der Zugang beim Versicherer.

I. Organpersonen von Tochtergesellschaften

 

Rz. 1

Nach den Musterbedingungen und nach nahezu allen in der Praxis verbreiteten Bedingungen sind auch Mitglieder von Aufsichtsräten bzw. Vorstände und Geschäftsführer von Tochtergesellschaften mitversichert. Die AVB D&O beschränken den Versicherungsschutz auf Tochtergesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU. Was eine Tochtergesellschaft ist, wird in den jeweiligen Bedingungen definiert. Die AVB D&O übernehmen bzw. verweisen auf die Regelungen im Handelsgesetzbuch zur Konzernrechnungslegung in § 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB und § 271 HGB. In § 290 Abs. 1 HGB ist eine Legaldefinition zum Tochterunternehmen enthalten, die gleichbedeutend mit dem in den AVB D&O verwendeten Begriff der Tochtergesellschaft sein dürfte. Dort wird die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichtes statuiert, wenn das Mutterunternehmen auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Die AVB greifen dies wörtlich auf und wiederholen im Folgenden die Regelungen in § 290 Abs. 2 Nr. 1. bis 3 HGB, wonach ein beherrschender Einfluss und damit ein Tochterunternehmen in drei Varianten vorliegen kann. Grundsätzlich muss der Versicherte als Anspruchsteller beweisen, dass die Eigenschaft einer Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, also zum Zeitpunkt der schriftlichen Anspruchserhebung vorlag.[1]

 

Rz. 2

Hierbei übernehmen die AVB teils die konzernrechtliche Definition eines abhängigen Unternehmens wie in § 17 Abs. 1 AktG bzw. es wird an die Konzerndefinition in § 18 AktG angeknüpft, wonach es entscheidend auf die einheitliche Leitung ankommt. Der Begriff der "Tochtergesellschaft" wird in den wenigen konzernrechtlichen Vorschriften des Gesellschaftsrecht indes nicht verwandt (siehe §§ 15 ff. AktG). Dort ist von abhängigen Unternehmen die Rede. Die Tochtergesellschaft in den AVB ist nicht deckungsgleich mit einem abhängigen Unternehmen im Sinne des Konzerngesellschaftsrecht bzw. nicht jedes Unternehmen, das nach dem Konzerngesellschaftsrecht unter der einheitlichen Leitung einer Konzernobergesellschaft steht, muss auch gleichzeitig eine Tochtergesellschaft im Sinne von A-4 AVB D&O mit der Folge sein, dass die Organpersonen mitversichert sind. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine Tochtergesellschaft nach den AVB D&O vorliegt, ohne dass ein beherrschtes bzw. abhängiges Unternehmen im Sinne des Konzerngesellschaftsrechts vorliegt. Entscheidend ist daher die Definition in den AVB D&O. Nach den AVB D&O wird an §§ 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB verwiesen und eine Tochtergesellschaft in drei Varianten definiert:

[1] LG Düsseldorf Urt. v. 7.12.2005 -11 O 590/04, juris Rn. 28 f.

II. Erste Variante: Mehrheit der Stimmrechte

 

Rz. 3

Nach der ersten Variante in A-4 der AVB D&O ist eine Tochtergesellschaft dann gegeben, wenn die Versicherungsnehmerin die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschaft hält. Damit wird die Regelung in § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB wiederholt. Dass auf die Mehrheit der Stimmrechte abgestellt wird, entspricht zudem der in § 17 Abs. 2 AktG verankerten Regelung, dass ein abhängiges Unternehmen vermutet wird, wenn ein anderes Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält. Eine Tochtergesellschaft im Sinne von A-4 AVB D&O liegt also vor, wenn die Versicherungsnehmerin unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit der Stimmrechte in dem betreffenden Unternehmen hält. Damit ist der Fall der faktischen Beherrschung erfasst, die allein aufgrund der Mehrheitsbeteiligung bei der Tochtergesellschaft möglich ist. Erforderlich ist also, dass der Versicherungsnehmer bei einer GmbH mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen oder bei einer AG mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus den Aktien zustehen. Nicht die Mehrheit des Kapitals, sondern nach dem ...

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