Rz. 34

Was versichert ist, ergibt sich aus der getroffenen Vereinbarung, also der vereinbarten Risikobeschreibung. Meist wird wie in den Musterbedingungen des GDV formuliert, dass Ansprüche gegen die versicherten Personen versichert sind, soweit diesen Personen Verstöße vorgeworfen werden, die gesetzliche Haftpflichtbestimmungen betreffen. Die Formulierungen in den verwendeten AVB variieren. Sehr eng sind Bedingungen, die nur Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts abdecken, dann wären z.B. Ansprüche aus der Haftung für Steuerschulden gemäß § 69 AO, nicht mitversichert (siehe dazu den Abschnitt Haftung für Steuern bei der Außenhaftung). Auch stellt sich die Frage, ob § 69 AO eine Haftpflichtbestimmung ist. Der sichere Weg ist der ausdrückliche Einschluss dieser praktisch bedeutsamen Haftungsnorm im Deckungskonzept, wie dies in der Praxis geschieht. Soweit Deckungskonzepte angelehnt an den "wrongful act" des angloamerikanischen Rechts also an ein "Fehlverhalten" anknüpfen, dürfte dies im Ergebnis nicht anderes umfassen als der Verstoß gegen gesetzliche Haftpflichtbestimmungen.[1]

 

Rz. 35

Die AVB D&O verlangen nur eine Pflichtverletzung von gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen, was den Anwendungsbereich nicht auf das Privatrecht beschränkt, sondern öffentlich-rechtliche Bestimmungen einschließt. Bis zu den AVB-AVG 2011 war die primäre Risikobeschreibung auf Pflichtverletzungen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts beschränkt, dadurch fiel z.B. die Haftung des Geschäftsführers für unnötig ausgelöster Steuern gemäß § 69 AO nicht unter die Deckung.

 

Rz. 36

Nach der Rechtsprechung des BGH sind unter gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen Rechtsnormen zu verstehen, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter die Bedingungen fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen.[2]

 

Rz. 37

Für das Eintreten eines Versicherungsfalles ist es notwendig, dass eine versicherte Person bei Ausübung ihrer organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin oder Tochtergesellschaft begangenen Pflichtverletzung in die Haftung genommen wird. Diese Inanspruchnahme muss dann aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen erfolgen, um einen Versicherungsfall auszulösen. Zu den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen gehören alle Ansprüche, die auf das Integritätsinteresse abzielen bzw. einer Erhaltung oder Wiederherstellung bzw. Restitution der Vermögenslage dienen, wie die Organhaftungsansprüche (§ 43 GmbHG, § 93 AktG, § 116 AktG) und vertragliche Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB.[3]

 

Rz. 38

Vertragliche Verpflichtungen, die der Geschäftsführer übernimmt fallen damit nicht unter den Versicherungsschutz. So genießt das Organmitglied keinen Versicherungsschutz bei einer Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft oder einer Garantie, die das Organmitglied persönlich übernommen hat. Hat z.B. der Geschäftsführer gegenüber einer Factorbank, an die die GmbH ihre Forderungen aus der Lieferung ihrer Produkte verkauft, die Garantie für die Existenz und Durchsetzung bis zu 1 Mio. EUR übernommen und soll der Geschäftsführer aus dieser Garantie in Anspruch genommen werden, hätte er hierfür keinen Versicherungsschutz. Ebenso vom Versicherungsschutz ausgenommen sind Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung,[4] also z.B. der Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Rückzahlung eines zu Unrecht ausgezahlten Bonus oder einer überhöhten Vergütung.

[1] Mitterlechner/Wax/Witsch D&O-Versicherung, § 4 Rn. 14; Scholl D&O Versicherung Rn.138.
[2] BGH Urt. v. 18.11.2020 – IV ZR 217/19, r+s 2021, 27, 28, BGH VersR 2000, 311, 312; 2003, 236, BGH Urt. v. 8.12.1999 – IV ZR 40/99, VersR 2000. 311 unter 3 a); BGH Urt. v. 20.11.1970 – IV ZR 1188/68, VersR 1971, 144 unter 4.
[3] Mitterlechner/Wax/Witsch D&O-Versicherung, § 4 Rn.6, ggf. auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder § 1004 BGB, die dieselbe Wirkung wie eine Naturalrestitution haben.
[4] Mitterlechner/Wax/Witsch D&O-Versicherung, § 4 Rn. 6.

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