Leitsatz

Austausch von Holz- gegen Kunststofffenster als Modernisierungsmaßnahme

 

Normenkette

§ 22 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Der Austausch von Holz- gegen Kunststofffenster stellt i.d.R. eine Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 22 Abs. 2 WEG dar. Insoweit handelt es sich um eine ordnungsgemäße Instandhaltung und zugleich eine Modernisierung i.S.d. § 559 Abs. 1 BGB, die im Sinne der Gesetzesbestimmung der nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts, der dauerhaften Verbesserung der Wohnverhältnisse und der Einsparung von Energie oder Wasser dienen muss. Dabei bedeutet das Wort "dienen", dass eine Maßnahme sinnvoll und nicht etwa geboten sein muss. Bei der Beurteilung ist auf den Maßstab eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sinnvollen Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Hauseigentümer abzustellen (so auch BT-Drucksache zur Gesetzesreform). Auch nach altem Recht wurde bereits entschieden, dass ein solcher Fensteraustausch als eine modernisierende Instandsetzung und nicht als eine (nachteilige) bauliche Veränderung anzusehen sei (vgl. BayObLG R 2005, S. 266; WuM 1991, S. 96; OLG Köln, WuM 1997, S. 455 und OLG München in einem obiter dictum im Beschluss v. 2.7.2008, 32 Wx 091/08). Auf alternative Energieeinspargesichtspunkte oder auch Argumente einer Anpassung an den Stand der Technik kommt es insoweit nicht mehr an. Gegenüber den Innovationsgesichtspunkten treten in diesem Fall auch wirtschaftliche Argumente in den Hintergrund, wobei auch an wirtschaftlichen Vorteilen vorliegend keinerlei Zweifel besteht, die Austauschaktion also sinnvoll ist.
  2. Nach vorliegendem Sachverhalt wurde auch die erforderliche doppelt qualifizierte Mehrheit erreicht.
  3. In solchen Beschlussanfechtungsklagen nach § 43 Nr. 4 WEG liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Kläger. Wenn konkrete Einwendungen erhoben werden, trifft die Beklagten eine sekundäre Beweislast im Sinne eines notwendigen "substanziierten Bestreitens".
Anmerkung

Auch vereinzelte frühere (untergerichtliche) Rechtsprechung zum Fensteraustausch von Holz gegen Kunststoff als "Aliud"-Maßnahme dürfte in Anbetracht der Neuregelungen zur Modernisierung in § 22 Abs. 2 WEG und zu modernisierenden Instandsetzungen in § 22 Abs. 3 WEG aus heutiger Sicht sicher als überholt anzusehen sein. Ist der Einbau neuer Fenster erforderlich, gibt es heute auch keine größeren Preisunterschiede zwischen neuen Holz- und Kunststofffenstern im Vergleich. Kunststofffenster dürfen auch auf Dauer gesehen haltbarer sein als Holzfenster, müssen überdies nicht im Drei- bis Vier-Jahres-Turnus gestrichen werden und sind damit auch sehr witterungsbeständig. Der notwendige Luftaustausch ist auch durch moderne Kunststofffensterkonstruktionen gewährleistet, sodass sich auch kein negatives, risikobehaftetes Wohnraumklima nach Austausch einstellen dürfte.

Wenn aus fachtechnischen Gründen Fenstererneuerungen notwendig sind, könnte eine solche Austauschaktion m.E. auch über einfachen Mehrheitsbeschluss als modernisierende Instandsetzung nach § 22 Abs. 3 WEG entschieden werden (also ohne ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis nach § 22 Abs. 2 WEG).

Problematisch sind solche Materialänderungen allerdings in seltenen Ausnahmefällen, etwa dann, wenn ein Eigentümer nach wie vor – medizinisch bestätigt – gegen Kunststoff in einer Wohnung allergisch sein sollte. Hier hat der betreffende Eigentümer dann sicher Anspruch auf erneuten Einbau von Holzfenstern jedenfalls in seiner Wohnung. Allerdings muss hier auch das außenseitig einheitliche optische Gesamtbild gewahrt bleiben.

 

Link zur Entscheidung

LG München I, Urteil v. 27.4.2009, 1 S 20171/08

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