Leitsatz

  1. Dem Vollzugsinteresse der Gemeinschaft im Fall eines angefochtenen Beschlusses wird nach Gesetz grds. ein größeres Gewicht beigemessen als dem Aussetzungsinteresse eines anfechtenden und eine einstweilige Verfügung beantragenden Miteigentümers
  2. Ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechende Liquiditätsumlage
 

Normenkette

§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG; § 935 ZPO

 

Kommentar

  1. Eine Gemeinschaft hatte beschlossen, den Verwalter zu ermächtigen, das Insolvenzverfahren auf der Grundlage eines rechtskräftigen Titels gegen eine Miteigentümerseite zu beantragen, nachdem diese in der Zwangsvollstreckung bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Weiterhin wurde eine Sonderumlage zur Sicherung der Liquidität beschlossen.
  2. Der beantragte Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen beide Beschlüsse auf Außerkraftsetzung bis zum Abschluss beabsichtigter Beschlussanfechtungsverfahren wurde vom Amtsgericht und auf sofortige Beschwerde hin vom Landgericht zurückgewiesen.

    Ein Verfügungsgrund wurde nicht glaubhaft gemacht (vgl. §§ 940, 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO). Unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten ist zunächst auf die Wertung des Gesetzgebers abzustellen, dass auch fehlerhafte Beschlüsse einer Versammlung bis zu ihrer Ungültigerklärung durch ein Gericht wirksam und damit auch vollziehbar sind (§ 23 Abs. 4 Satz 2 WEG). Das Gesetz misst dem Vollzugsinteresse der Gemeinschaft mithin grds. ein größeres Gewicht zu als dem Aussetzungsinteresse eines Miteigentümers, der einen Beschluss anficht. Der Vollzug des Beschlusses während eines schwebenden Anfechtungsverfahrens kann angesichts dieser Wertung des Gesetzgebers nur dann durch einstweilige Verfügung ausgesetzt werden, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen des anfechtenden Miteigentümers überwiegen, etwa weil ihn ein weiteres Zuwarten wegen drohender irreversibler Schäden nicht mehr zugemutet werden kann oder weil bei unstreitiger Sachlage und gefestigter Rechtsprechung die Rechtswidrigkeit des Beschlusses derart offenkundig ist, dass es hierfür nicht erst der umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedarf (vgl. auch LG München, ZMR 2009 S. 73 und LG Frankfurt a.M., NJW-RR 2010 S. 1528). Schwerwiegende Nachteile im jetzigen Verfahrensstadium des vorgeschalteten Insolvenzantragsverfahrens sind nicht glaubhaft gemacht; solche drohen allenfalls mit tatsächlicher Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens (oder einer Ablehnung mangels Masse). Derzeit ist eine erfahrene vorläufige Insolvenzverwalterin mit Gutachterauftrag eingesetzt. Zudem hat die Antragstellerin entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten zur Abwehr eines etwa unbegründeten Insolvenzantrags.

  3. Auch die beschlossene Liquiditäts-Sonderumlage entsprach Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, zumal Nichtbestehen einer Finanzlücke der Gemeinschaft nicht glaubhaft gemacht wurde. Der Liquiditätslücke steht auch nicht entgegen, dass die Gemeinschaft großteils Honorarforderungen von Rechtsanwälten zu begleichen hat. Richtig ist allerdings, dass Kosten eines Rechtsstreits nach § 43 WEG gemäß § 16 Abs. 7 WEG nicht endgültig aus dem Verwaltungsvermögen finanziert werden dürfen und auch eine Beteiligung des Prozessgegners an einer Sonderumlage zur Prozessfinanzierung ausscheidet (vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, 9. Aufl., § 16 Rn. 76 m.w.N.). Rechtsstreitigkeiten zur Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitrags- und Schadensersatzansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer fallen jedoch in den Bereich gemeinschaftlicher Verwaltung, sodass die Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG zu verteilen sind (vgl. BGH, NJW 2007 S. 1869; BayObLG, ZMR 2004 S. 763; OLG Düsseldorf, ZMR 2003 S. 228).
 

Link zur Entscheidung

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.04.2011, 2-13 T 39/11

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