Leitsatz

Auch bei sehr schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein.

 

Sachverhalt

Das BAG beschäftigte sich mit dem Fall eines Chefarztes, der während Operationen mehrfach – auch privat – telefoniert hatte. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis 3-mal fristlos, hilfsweise zum nächst zulässigen ordentlichen Kündigungstermin, gekündigt. Begründet hatte er die Kündigungen damit, der Kläger habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen.

Die Klage des Chefarztes gegen die Kündigung hatte Erfolg. Zwar hatte er seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt habe, und zwar auch trotz der Tatsache, dass die Klinik Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte. Allerdings hatte der Arbeitgeber gestattet oder geduldet, dass ein Arzt im Operationssaal mit dem schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und/oder seinem Mobiltelefon während laufender Operationen dienstlich veranlasste Gespräche führt.

Eine Kündigung, die darauf gestützt wird, der Arzt habe unter den gleichen Bedingungen auch (wenige) private Gespräche geführt, ist ohne vorherige Abmahnung unverhältnismäßig. Soweit eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon dadurch positiv beeinflusst werden kann, dass ihm für den Wiederholungsfall Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses angedroht werden.

Nur dann, wenn bereits von vornherein erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, ist ausnahmsweise eine Abmahnung entbehrlich.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Urteil v. 25.10.2012, 2 AZR 495/11.

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